Composer of Time von Flordelis ================================================================================ Kapitel 1: Aufziehender Sturm ----------------------------- Ein Himmel, bedeckt mit schwarzen Wolken, die einen nahenden Sturm ankündigten, sah in jeder Welt gleich aus, stellte Yuuto wieder einmal fest. Sein Blick galt diesen Wolkenbergen, zu denen sich in der Ferne bereits Donnergrollen gesellt hatte. Unwillkürlich war er stehengeblieben, um das Wetter genauer zu mustern, obwohl er sich damit nicht weiter auskannte. Aselia war darin geübt, sie konnte ihm bei jeder Witterung allein durch einen Blick zum Himmel sagen, wie es werden würde, er aber war darauf beschränkt, diese absolut offensichtlichen Zeichen zu deuten. Aselia blieb deswegen auch nicht stehen und lief einfach weiter, als ob ihr gar nicht aufgefallen wäre, dass er nicht mehr an ihrer Seite war. „Solltest du ihr nicht folgen?“ Die Stimme schnitt durch seine Gedanken wie ein unangenehmes Klingeln. Es war sanfter als das seines alten Shinken, aber manchmal immer noch unangenehm anzuhören, besonders wenn er nicht darauf vorbereitet gewesen war, wie eben in diesem Moment. Irgh... Hör endlich auf, mich zu erschrecken. „Was soll ich denn tun?“, erwiderte die Stimme, die zu 'Seiken' gehörte, empört. „Dir vielleicht erst auf die Schulter tippen?“ Yuuto hätte abgewunken, aber er wusste, dass das nicht nötig war, deswegen seufzte er nur und schloss sich Aselia an, ehe sie aus seiner Reichweite verschwinden könnte. Allerdings würde das nicht so schnell geschehen, da sie inzwischen ebenfalls stehengeblieben war. Es war der Eingang eines kleinen Dorfes, das von einer kleinen Mauer geschützt wurde, die auch schon bessere Zeiten gesehen hatte. Die Häuser waren zwar aus Stein gefertigt, aber die Dächer waren noch mit Stroh gedeckt, als wäre verpasst worden, dass Ziegel wesentlich praktischer waren. Es war still im Ort, fast schon mehr als es Yuuto gefiel. Alle schienen sich vor dem drohenden Sturm in Sicherheit gebracht zu haben und er bekam das Bedürfnis ebenfalls, als der Wind heftig zu wehen begann. Er rüttelte an den hölzernen Fensterläden, obwohl sie fest verschlossen waren und erzeugte damit einen polternden Chor, der Yuuto einen Schauer über den Rücken jagte und ihn glauben ließ, dass sich von allen Seiten jemand für einen Angriff zu nähern versuchte. „Wir sollten ein Gasthaus aufsuchen“, schlug er daher vor, als er Aselia endlich eingeholt hatte. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und nickte. „Mhm.“ Seit einigen Wochen, Monaten – es fiel ihm noch immer ein wenig schwer, in Eternal-Maßstäben zu denken, obwohl er bereits schon lange ein solcher war – benahm sie sich bereits wieder so distanziert wie damals, als sie sich begegnet waren. Die Unwissenheit über den Aufenthaltsort ihrer Tochter setzte ihr dermaßen zu, dass sie sich emotional distanzierte und wieder zu ihrem alten Ich zurückkehrte, vermutlich, weil sie sich damals unter Kontrolle halten konnte. Sie folgte Yuuto zu einem Haus, an dem ein verwittertes Schild angebracht war. Die Buchstaben darauf waren nur noch schwer zu lesen, aber sie verrieten eindeutig, dass es sich hierbei um eine Herberge handelte. Die Matte, die vor der Tür lag, hieß die Besucher willkommen, was Yuuto ein warmes Gefühl vermittelte. Als er die Tür öffnete, erklang das helle Läuten einer Glocke, das den Besuch ankündigte. Dumpf erklang aus einem Hinterzimmer eine Stimme, die sie aufforderte, einen Moment zu warten. Der Empfangsraum war überraschend dunkel, wie Yuuto fand, aber immerhin sauber. Eine Treppe führte nach oben und direkt daneben gab es einen Empfangstresen, auf dem eine Gaslaterne ein wenig Licht spendete, während nur noch wenig davon durch die Fenster neben der Treppe fiel. Aselia legte eine Hand auf ihr Herz, während sie sich umsah und seufzte leise. „Es ist still...“ Tatsächlich war es im Gebäude wesentlich leiser als draußen, das Poltern war kaum noch zu hören, aber als still hätte Yuuto es sicherlich nicht bezeichnet. „Glaubst du, Tokimi ist bereits hier?“, fragte Yuuto, um die Geräusche von draußen zu übertönen. Aselia sah zu ihm hinüber und neigte den Kopf, dabei stellte sie einen klar verwirrten Gesichtsausdruck zur Schau, den er richtiggehend süß fand. Es war noch immer genau derselbe wie zu jener Zeit, als sie sich kennengelernt hatten und Yuuto hoffte, dass sich daran niemals etwas ändern würde, egal wie lange die Ewigkeit andauerte. „Ich kann sie nicht spüren“, erklärte sie schließlich. Das musste nicht viel bedeuten, wie er wusste, Tokimi war geschickt darin, ihre Präsenz zu verschleiern – aber viel wahrscheinlicher war doch die Tatsache, dass sie sich noch nicht in dieser Welt befand. Wenn er daran zurückdachte, dass sie erst nach Ende des Krieges nach Phantasmagoria gekommen war, glaubte er nicht daran, dass Tokimi irgendwo zu früh hinkam. Sie selbst würde vermutlich sagen, dass sie immer zur richtigen Zeit erschien, aber für alle anderen schien es eher so als würde sie einen warten lassen. Vielleicht verließ einen Eternal aber nach einer Weile auch nur das normale Zeitverständnis. „Dann müssen wir wohl eine Weile warten.“ „.. mhm.“ Damit fiel sie wieder ins Schweigen zurück und wandte auch den Blick ab, als wäre es ihr zu müßig, ihn anzusehen, ohne ein Wort mit ihm zu wechseln. Hinter dem Tresen öffnete sich eine Tür, die Yuuto bis dahin gar nicht aufgefallen war. Er erwartete, dass eine junge Frau herauskommen würde, so wie sie in vielen Gasthäusern, in denen sie bislang gewesen waren, am Empfang gestanden hatten. Doch es war ein Mann, der schließlich heraustrat. Über seiner einfachen Kleidung trug er eine braune Schürze, die zu seinem braunen Haar passte, das zwar sorgsam zurückgekämmt worden war, aber dennoch schafften es einige Strähnen, sich daraus zu lösen, so dass er nicht ganz so streng wirkte. „Herzlich Willkommen in Pandorem“, grüßte er die Besucher mit einem Lächeln. „Ihr habt euch nicht gerade das beste Wetter ausgesucht.“ „Sieht ganz so aus.“ Yuuto seufzte leise. „Aber wir haben Zeit, bis das Wetter wieder besser wird.“ Davon hatten sie sogar jede Menge, wenn er darüber nachdachte, immerhin stand ihnen die Ewigkeit zur Verfügung. Aber das musste er natürlich niemandem auf die Nase binden. Der Gastwirt – der sich ihnen als John vorstellte – verneigte sich leicht vor ihnen. „Das freut mich wirklich sehr. Ihr wollt also eine Nacht bleiben?“ Sie nickten beide gleichzeitig, worauf John sie in das Gästebuch eintragen ließ. „Ich wünsche euch einen angenehmen Aufenthalt und hoffe, der Sturm heute Nacht wird euch nicht unnötig wachhalten.“ Er beschrieb ihnen den Weg zu ihrem Zimmer, worauf sie dieses sofort aufsuchten. Die Fensterläden waren noch geöffnet, so dass Yuuto die riesigen Regentropfen sehen konnte, die gegen die Scheibe klatschten. Sie waren offenbar gerade noch rechtzeitig ins Gasthaus gekommen. Um zumindest etwas Licht zu schaffen, entfachte Yuuto die bereitgestellte Gaslaterne, auch wenn es ihm danach eher so vorkam, als wären die Schatten noch dunkler als zuvor. Das Bett, das an der Stirnseite des Raumes stand, war aus einfachem, hellem Holz, der Tisch direkt gegenüber schien aus genau demselben Material zu bestehen. Einen Schrank suchte man vergeblich, aber das Zimmer war ohnehin derart klein, dass er auch gar nicht mehr hineingepasst hätte. Aselia stand am Fenster und blickte wieder hinaus, als suche sie dort nach etwas. Yuuto konnte sich durchaus vorstellen, worum es sich dabei handelte, auch wenn er wusste, dass die Wahrscheinlichkeit, es zu entdecken, gegen Null ging. Anfangs hatte er ihr Durchhaltevermögen, ihren Optimismus, bewundert. Aber inzwischen machte er sich nur noch Sorgen um sie, es störte ihn sogar schon fast, dass sie das immer noch tat. „Das tut es nur, weil es dir zeigt, wie wenig Hoffnung du selbst noch hegst.“ 'Seikens' Stimme zersplitterte die Stille in seinem Inneren. Das hat nichts mit Hoffnung zu tun. Ich mache mir lediglich Sorgen um sie. Ich weiß, dass sie auf sich achten kann, aber... „Dann mach dir nicht zu viele Gedanken darum. Sie wird wiederkommen, wenn ihr Auftrag erledigt ist.“ Manchmal fragte Yuuto sich, ob 'Seiken' wirklich verstehen konnte, wie man sich als Mensch fühlte und wie komplex das Zusammenspiel von Hoffnung und Verzweiflung waren. Aber er stellte diese Frage nicht an das Shinken selbst, weil die Antwort ohnehin nicht zufriedenstellend für ihn wäre. „Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Yuuto. „Warten wir bis Tokimi uns kontaktiert?“ „Mhm. Wir haben keine Wahl.“ Das stimmte tatsächlich. Tokimi hatte sie herbeordert, ihnen aber keine Gründe genannt, weswegen sie nicht davon ausgehen konnten, dass es sich hierbei um einen wichtigen Auftrag handelte. Er hielt es auch für unwahrscheinlich, dass sie Euphoria gefunden hatte, sonst wäre sie es gewesen, die sie aufsuchte, um ihnen ihre Tochter zurückzubringen. Also blieb ihnen wirklich keine Wahl, außer zu warten, dass Tokimi zu ihnen kommen oder ihnen eine weitere Nachricht senden würde. Yuuto gefiel das nicht im Mindesten, er hasste es zu warten, die Hände in den Schoß zu liegen und zu beobachten. Das hatte er während seiner Zeit in Phantasmagoria oft genug getan, deswegen wollte er es nun nicht mehr tun. Als Eternal war er wesentlich kraftvoller als damals als Mensch, er war mächtig und diese Fähigkeiten wollten nützlich eingesetzt, wollten verwendet werden. Deswegen war er immerhin ein Eternal geworden. Aselia löste sich schließlich vom Fenster, als der Sturm stärker zu werden begann und Blitze über den Himmel zuckten. Yuuto konnte sich an kein Gewitter in Phantasmagoria erinnern, weswegen er überzeugt war, dass es Aselia manchmal Furcht einflößte, auch wenn sie es sicher niemals zugeben würde. Sie setzte sich auf das Bett und streifte ihre Schuhe ab. „Yuuto... denkst du, es wird noch lange dauern, bis Euphoria wieder zurückkommt?“ Was sollte er ihr nur antworten? Er war überzeugt, dass es noch lange dauern würde, bis sie wiederkam, dass die ihr von Rogus auferlegte Mission noch einiges an Zeit in Anspruch nehmen würde. Ansonsten hätte es keinerlei Sinn gemacht, dass der Anführer selbst ihr diesen Auftrag erteilte, statt ihn, wie sonst durch jemand anderen weiterzutragen. Aber er konnte ihr das nicht sagen. Er sah in ihren Augen, dass sie auf eine positive, eine optimistische Antwort von ihm hoffte, sie wollte hören, dass alles gut werden würde und das bald. Also tat er ihr diesen Gefallen: „Sie kommt bestimmt bald wieder. Du wirst sehen, es wird nicht mehr lange dauern.“ Er lächelte sie aufmunternd an und nach wenigen Sekunden erwiderte sie es bereits, ihre blauen Augen nun nicht mehr derart verunsichert, sondern ebenfalls voller Überzeugung und Optimismus. „Danke, Yuuto.“ Es erleichterte ihn, sie so zu sehen, es gab ihm ebenfalls die Hoffnung, dass alles gut werden würde, zumindest irgendwann einmal – und als Eternal verfügten sie immerhin über jede Menge Zeit. „Wir sollten jetzt schlafen“, sagte er schließlich. „Viel zu tun gibt es ja nicht mehr.“ Sie nickte lächelnd und klopfte dann auf den freien Platz neben sich, eine Aufforderung, der er sich nicht entziehen wollte und die er sofort mit einem eigenen Lächeln wahrnahm. Zumindest in dieser Nacht wollte er die Sorgen vergessen und nicht mehr beständig daran denken, dass seine Tochter irgendwo da draußen war und er sie furchtbar vermisste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)