Drei Ansichten von Psychopath (einer Klassenfahrt) ================================================================================ Kapitel 6: 2c ------------- Da wir die Gören ins Bett geschickt hatten, würde mein Arbeitstag jetzt hoffentlich aufhören. Wir schlossen die Küche ab, damit keine Teenager mit Fresssucht oder Bulimie unseren Ausflug versauten, knipsten das Licht im Speisesaal aus und gingen den elendig langen Flur entlang auf unsere Zimmer zu. Auf unsere getrennten Zimmer. Auf unsere getrennten Betten. Erwin schwärmte von der braven Schulklasse und wie hübsch die alle waren. Ich schwieg und versuchte mich zu erinnern, wann ich das letzte Mal allein in einem Bett geschlafen hatte. Meine Zimmertür war die erste, sodass ich dort stehen blieb. Meine bessere Hälfte blieb ebenfalls stehen. „Ist es jetzt so wie bei einem Date, dass du mich nach Hause bringst, mir vor der Tür einen Kuss auf die Wange gibst und dich dann nach Hause verkriechst?“, fragte ich und sah ihn herausfordernd an. „Nein, ich komm noch mit herein. Es ist nicht einmal 21:00 Uhr. Aber ich kann nur kurz bleiben, weil ich meinen Plan für morgen noch einmal durchgehen und überprüfen muss.“ In dem Zimmer standen bloß ein Bett, ein Schrank, ein Schreibtisch und ein Stuhl. Viel zu tun hatte ich auch nicht, da Erwin sich um die Bespaßung der Gören kümmern wollte. Wenn er nicht alle Fäden in der Hand hielt, geriet er in einen Zustand der Unzufriedenheit, den ich einfach vermeiden wollte, weil er mir unangenehm war. Meine Jacke zog ich aus und legte sie auf die Stuhllehne. Endlich konnte ich entspannen! „Dein Besuch bei mir ist überflüssig. Ich bleib nicht lange hier.“, sagte ich, als mir etwas siedendheiß einfiel. „Wieso nicht?“ „Ich habe Stunden in einem Bus verbracht. Ich rieche nach Bus. Ich stinke. Das ist eklig. Ich muss duschen.“ „Wenn du meinst. Ich warne dich schon mal vor: Die Dusche ist bloß ein Abfluss im Boden des Badezimmers und ein Duschkopf, der darüber angebracht ist. Außerdem gibt es dort einen Duschvorhang. Duschvorhänge sind gruselig. Wenn man nicht aufpasst, kleben sie plötzlich an einem. Bei fremden Vorhängen ist das noch unheimlicher. An deiner Stelle, würde ich den nicht anfassen. Aber das musst du sowieso nicht. Wir sparen Wasser und hätten bei geschlossenem Vorhang sowieso keinen Platz, wenn wir beide gleich gleichzeitig hineingehen. Ich hole meine Sachen; wir sehen uns dort.“ Meine Zustimmung zu der geplanten Aktion war wohl nicht notwendig, auch wenn ich sie gern erteilt hätte. Fürs Duschen hatte ich extra seltsame Latschen gekauft, um den Fußpilz und andere Krankheiten zu vermeiden. Nach dem Duschen wollte ich sie dort stehen lassen, hatte aber weder Socken noch andere Schuhe mit hineingenommen. Barfuß wollte ich auf keinen Fall losrennen. So bat ich Erwin, mich in mein Zimmer zu tragen, was er sofort ohne zu Nörgeln tat. Auf dem kurzen Weg begaffte ich, wie wahnsinnig hübsch er war, wenn er mal nicht gestriegelt aussah. Ich kam gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus und vergaß fast, dass er mir ein Einzelzimmer besorgt hatte, bis er mühsam die Zimmertür öffnete und dann ebenso mühsam wieder schloss und mich anschließend auf meinem Bett absetzte. „Ich gehe dann mal meiner Arbeit nach und anschließend ins Bett. Gute Nacht, mein Herz.“, sagte er und gab mir etwa zehn kurze Küsschen auf den Mund. Dann war ich allein. Ich legte mich hin und versuchte ewig, einzuschlafen. Es gelang nicht. Es war kalt und unangenehm. Ich fischte mein Paar Hausschuhe aus meinem Koffer, öffnete die Tür und sah in den dunklen Flur. Dort lief gerade jemand offenbar auf Zehenspitzen um die Ecke, doch ich wollte mich damit nicht auseinandersetzen, da es höchstwahrscheinlich nur ein Schüler war, also schloss ich meine Tür schnell wieder und wartete eine Minute ruhig. Ich hörte eine Tür mit gewaltigem Knall zufallen und dachte, jetzt wäre der Schüler endlich verschwunden. Dann öffnete ich meine Tür wieder, sah niemanden und ging dann ohne anzuklopfen in Erwins Zimmer. Er sah mich erst erstaunt an und lächelte dann. „Ich will nicht alleine schlafen.“, knurrte ich und blieb in der Tür stehen. Er packte seine Unterlagen weg und bot mir an, in seinem Bett zu schlafen. Es war zwar eng, aber viel wärmer und bequemer, als allein zu sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)