Utopia von Inzestprodukt (NaNoWriMo-Arbeit) ================================================================================ Kapitel 4: 4 ------------ „Sieht ganz gut aus. Jemand dagegen, wenn wir umziehen?“ Sie hatten keinen Unterschlupf, dafür aber genug Autos gefunden, an denen sie ihren ohnehin ansehnlichen Benzinvorrat erweitern konnten. Letzten Endes war dann dort ein Wohnmobil, in dem wenigstens ausreichend Platz war. Außerdem konnten sie sich beim Fahren abwechseln und etwas Schlaf finden, während sie dennoch weiter fuhren. Wobei Uriel noch Setsuna greifen würde, damit sie eines regeln konnten: Einer von ihnen würde stets wach bleiben. „Lass mich fahren.“ „Nur über meine vermoderte Leiche“, fasste er dann Gesprächsfetzen der beiden Geschwister auf und beobachtete, wie der Schwarzhaarige den Kleineren nachdrücklich in das Wohnmobil schubste, selber die Schlüssel in der Hand behielt und mit der anderen einen Rucksack hineinwarf. Raphael und Zaphikel kamen mit dem letzten Rest ihres Proviants und der Blonde unterdrückte nur mühsam ein Gähnen. „Was dagegen, wenn ich eines der Betten belege? Uriel, du auch? Bist doch auch schon länger wach.“ „Aber nicht müde, danke. Mir egal, geh doch.“ Raphael zuckte mit den Schultern, trat dann ebenfalls ein. „Mika-Chan? Willst du mit mir schlafen? In einem Bett! Nicht, was du denkst pack das Messer weg!“ Kato sprang hinterher und Uriel warf einen entgeisterten Blick auf Sakuya, bei dem man nun nicht sagen konnte ob er sich amüsierte oder zu Tode langweilte. „Was läuft zwischen den beiden?“ „Eine ziemlich einseitige, von Raphael ausgehende Beziehung. Find es selber raus, ist nicht sonderlich schwer.“ Ermutigend klopfte er ihm auf die Schulter und stieg dann ebenfalls ein, während Uriel das Schlusslicht bildete und die Tür hinter sich zuzog. Platz hatten sie ausreichend – insofern sieben Personen gerne zusammenrückten, doch eine andere Wahl hatten sie nun einmal nicht. Der Platz neben Sakuya wurde von dessen Blondine belagert, Raphael hatte sich eines der Betten über der Fahrerkabine zu Eigen gemacht. Setsuna und Zaphikel schienen sich aneinander gewöhnt zu haben und saßen zusammen an einem Tisch, wobei sie die auffallende Beinfreiheit zu genießen schienen. Michael indes hatte sich wohl doch für die Variante Schlaf entschieden und auch wenn Uriel das Bedürfnis hatte ihm dort hinauf zu helfen, hielt er sich doch zurück und konnte dann beobachten, wie der Junge erschreckend schnell zu Raphael kroch, dessen ausgestreckten Arm aber mit einem Tritt begegnete und sich stumm auf die Seite legte und Uriel damit den Rücken zudrehte. Für Raphael kein Problem, denn dieser hatte ein ziemlich breites Spektrum positiver Gefühle durchlebt, seit er Michael wieder zu Gesicht bekommen hatte. Von Erleichterung über Freude, positiver Sorge, eine geweckten Beschützerinstinkt und nun auch Erregung war alles dabei – letztes wäre ganz gut, wenn es dem Rotschopf verborgen blieb, denn Körpernähe war so gar nicht sein Ding. Das wurde auch deutlich, als er nach vorne griff und eine von Michaels Haarsträhnen zwischen den Fingern gleiten ließ, dieser ihn dabei automatisch ansah als würde er ihm sämtliche Darminfektionen dieser Welt wünschen und schließlich den Kopf wegbewegte. Auch das Lächeln erwiderte er nicht, schaute nur umso bissiger. „Ich bin froh, dass du lebst“, murmelte der Blonde etwas sentimental und fing sich gleich den nächsten Tritt Richtung Magengrube ein, musste aber leise lachen. „Wer soll mich denn bitte gekillt haben?“ „Stimmt, war dumm von mir.“ Er kapitulierte ja nur zu gern, wenn er ihn damit wieder ruhig bekam, rutschte dann aber insgesamt etwas näher. Michael grollte, schloss dann aber die Augen und ließ sich – ungern – ganz an ihn heranziehen. Natürlich ohne nennenswerten Körpermittekontakt. - „Wenn die uns erwischen, schmeiß ich dich raus damit wir Vorsprung haben!“ Das war Katos Stimme, die einen unnatürlich schrillen Ton angenommen hatte, als sie um eine Kurve rasten und kurzfristig den Kontakt mit allen vier Reifen am Boden verloren. Zwei waren es ja noch aber das Gefühl sprach gegen eine Wiederholung; die anderen klammerten sich an alles, was ihnen in die Finger kam und wurden von einer in die nächste Ecke geschleudert. Nun hatten sie bei einer kurzen Pause einmal nicht aufgepasst und schon strömten sie aus allen Richtungen heran, was mehr oder weniger Sackgasse bedeutete. Aber damit war auch zu rechnen, sie hatten unüberlegter Weise nahe der nächsten Stadt gerastet und wurden dann wie Schafe hineingetrieben; es war auch wieder Zaphikel, der das Steuer übernommen hatte und nun mit scharfen Kurven viel zu enge Pässe meisterte. „Links!“, rief Setsuna und grub seine Finger an der Tischplatte fest, ehe sein Kopf gegen Uriels Arm prallte. „Da kommen wir nie wieder raus!“ Trotzdem bog er ab und jagte in die Tiefgarage hinein, ließ just in dem Moment ein „Fuck!“ hören und blickte in den Seitenspiegel, presste die Lippen aufeinander. „Okay“, ertönte es plötzlich unpassend sachlich von Kira, welcher das Magazin seiner Waffe prüfte und sie dann wieder entsicherte. „Das wird unser vorläufiges Zuhause. Freiwillige vor, das Gitter muss runter.“ Ohne weiter Zeit zu verschwenden stand der Rothaarige auf, schlenderte sichtlich gelangweilt zur Tür und trat diese dann mit einem gezielten Tritt auf. Vermutlich wäre er auch so herausgesprungen, aber Zaphikel bremste ab und Michael verließ das Wohnmobil mit zum Abschied erhobener Hand, in welcher sein Messer lag. Dramaturgisch wäre es wohl besser gekommen, wenn ein dramatischer Glanzstreifen die Schärfe betonte und an der Spitze zu einem funkelnden Punkt verschmolz, aber all das getrocknete Blut machte diesen Umstand ziemlich schwer. Sakuya folgte diesem Beispiel, direkt nach ihm Kato und weil er ihnen wie gesagt nicht vertraute, machte auch Uriel sich auf den Weg, wobei er sich an die beiden Älteren hielt – hauptsächlich deswegen, weil Michael spurlos verschwunden war. „Okay Etage für Etage. Ich will keine Nachlässigkeiten und sichere Gebiete müssen wir irgendwie sperren, auf Katz und Maus hab ich keine Lust.“ Und dann war da dieser Moment, in dem der Aberglaube zuschlug: War es nur der Glaube, dass er den Luftzug der Patrone an seiner Wange spüren konnte oder war dies tatsächlich so? Zumindest blickte Uriel fast direkt in den Lauf des Revolvers, als hinter ihm ein Körper zusammenbrach. Mit einem schnellen Blick über die Schulter konnte er den Untote – die Untote – zwar nun sehen, aber bemerkt hatte er sie zuvor nicht. War er etwa so unvorsichtig geworden? Vielleicht sollte er nicht seine ganze Aufmerksamkeit auf Sakuya und dessen Anhänger werfen, das könnte ihm letzten Endes wirklich noch das Leben kosten. „Du willst alle töten?“, kreidete er dessen Idee nun auch direkt an und beobachtete, wie Kato eine Axt in den Händen hielt, diese locker bewegte. Nun… er hatte diese Leute wirklich unterschätzt. „Ist es dir lieber, wenn wir an ihre Stelle treten?“ Auch Sakuya schien sich nach einer anderen Waffe umzusehen, dann trat er ein paar Schritte vor und wühlte in einem der zahllosen Schutthaufen überall in diesem Land; hier hatten also auch schon Menschen ihr gescheitertes Glück versucht. Eine Eisenstange kam zum Vorschein, leider nicht spitz aber durchaus zu gebrauchen. Klar, Munition war Mangelware und ausgerechnet in einem Parkhaus sollten sie nicht zu viel davon finden können. „Ich bin kein Fan von denen“, murmelte Kato auch beim nächsten Infizierten und zog seine Axt mit einem unappetitlichen Geräusch aus der gespaltenen Schädelplatte, klopfte kleine Reste am Boden ab. Problematisch waren einfach all die noch hier stehenden Autos; hin und wieder saß nun einmal jemand in diesen oder kam erst aus dem Verborgenen hinaus, wenn sie den Wagen passierten. Ansonsten hielt sich die Dichte der Zombies in Grenzen und bald ging auch das kalte Licht der Neonröhren flackernd an. Michael hatte also den Kontrollraum erreicht – Kammer, Kabuff, wie nannte man es an so einem Ort? – und endlich für etwas Erleuchtung gesorgt. „Wurd auch Zeit“, grollte Kato wieder und ging nun schon das zweite Mal die letzte Reihe der Autos ab, aber diese Etage schien gesichert zu sein – auf welcher Zaphikel mit dem Wagen stand war unklar, aber ein Bisschen fühlte es sich ja an wie in einem Videospiel: Man kämpfte sich Ebene für Ebene weiter nach oben. Dabei war kämpfen wirklich nichts, bei dem Uriel Erfahrungen vorbringen könnte; er lebte eher als aktiver Pazifist, was ihm bisher im Leben eigentlich gereicht hatte. Gewalt war in seinen Augen das Argument desjenigen, bei dem Worte nicht formuliert werden konnten: Die Sprache der Dummen. Aber nun hatte er keine Wahl, Mitleid brauchte er ohnehin nicht haben – das würde ihn vermutlich eine gute Portion Eigenfleisch und seinen klaren Verstand kosten. Auch Sakuya zog seine Eisenstange aus einem eigentlich menschlichen Kopf heraus und ging dann ohne einen letzten Blick zu verschwenden weiter, entlang des Fahrtweges in die nächste Etage. „He!“ Uriel schloss zu ihm auf – inzwischen auch mit einer Eisenstange bewaffnet, die entfernt an einen Industriebesenstiel erinnerte – und tippte den Schwarzhaarigen an, erhaschte so einen kurzen Moment dessen Aufmerksamkeit. „Dein kleiner Bruder rennt da unten rum willst du nicht nach ihm sehen?“ Ein Schulterzucken, was ihn beinahe auf die Palme brachte; das Kind mochte vielleicht manchmal zu fest gewickelt worden sein und überschätzte sich scheinbar gerne, aber ihn alleine mit der Masse zu lassen? Sicher waren einige noch hier eingedrungen. „Mach dir Sorgen, wenn es passiert ist. Der passt auf sich alleine auf. Wirst schon sehen.“ „Und wenn nicht?!“ „Dann werden mich die Vorwürfe und Selbstzweifel quälen und bla, bla, bla. Willst du länger quatschen oder können wir das auf später verschieben?“ Von Kato bekam er einen weiteren Schubser, ehe dieser ihn überholte und mit schwingender Axt um die Ecke rannte. Ja, ihm traute er dies hier ja eigentlich auch nicht zu aber er schlug sich eigentlich ganz gut. Das waren einfach verdammt merkwürdige Leute, mit denen sie es hier zu tun bekamen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)