Lost in Twilight von Bambigirl (Gefangen in einem Buch) ================================================================================ Kapitel 1: Die Macht einer Träne -------------------------------- Kapitel 1: Die Macht einer Träne „Du hast heute Morgen Felix Felicis in Rons Saft getan, deshalb hat er alles gehalten! Siehst du! Ich schaff es ganz ohne Hilfe, meine Tore sauber zu halten, Hermine!“, schleuderte Ron mir aufgebracht entgegen. Da war wieder dieser kalte, abweisende Ton in seiner Stimme. Was hatte er nur in letzter Zeit? Was hatte ich ihm denn nur getan? Sein plötzlicher Hass auf mich war vollkommen unbegründet!!! Von einem Tag auf den anderen hatte er sich verändert. Irgendetwas musste ich getan haben ... aber was? Ich versuchte mich zu rechtfertigen: „Ich hab nie gesagt, dass du es nicht schaffst –“, und ich hatte schon immer gewusst, dass er es eigentlich konnte. Ich hatte immer an ihn geglaubt und ihm vertraut! Wieso nur konnte er das nicht sehen? Ich suchte nach einem anderen Argument, eines, das er möglicherweise verstehen würde, und sagte das erste, was mir in den Sinn kam: „Ron, du hast auch geglaubt, dass du den Trank bekommen hast!“ Aber Ron hörte mir nicht mal zu, er war bereits mit geschultertem Besen an mir vorbei zur Tür hinausmarschiert. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Ja, ich hatte geglaubt, dass wir Freunde wären. Harry, Ron und ich. Ich hielt uns sogar für die besten Freunde… Aber scheinbar sah Ron das plötzlich etwas anders als ich. „Ähm“, sagte Harry leicht nervös in die entstehende Stille hinein. „Wollen… wollen wir dann auch hoch zur Party?“ Party? Oh richtig, Gryffindor hatte ja gewonnen. Am liebsten hätte ich die Augen darüber verdreht. Dieses verdammte Quidditch-Spiel war mir sowas von egal! Ich hatte eh nie viel für diese Sportart übrig gehabt und in diesem Moment, konnte ich es einfach nicht über mich bringen, mich für Harry, Ginny, Ron und die anderen über den Sieg zu freuen. Es war mir egal. „Geh du doch!“, stieß ich mühsam hervor und versuchte meine Tränen wegzublinzeln. „Ron macht mich im Moment einfach krank, was hab ich ihm denn eigentlich getan…?“ Die Frage war eher an mich selbst gerichtet, als an Harry. Ich wusste, dass ich mich ungerecht Harry gegenüber benahm. Schließlich konnte er nichts dafür, dass Ron mir so weh getan hatte, aber ich konnte es nicht über mich bringen, so zu tun, als wäre nichts. Ohne ein weiteres Wort, drehte ich mich um und stürmte aus dem Umkleideraum. Draußen war die Hölle los. Alle jubelten und schrien und sangen: „Weasley ist unser King“, ertönte von allen Seiten und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Es schien, als könnte ich all dem "Ron" nicht entkommen, egal ob er da war oder nicht. Ich kämpfte mich durch die Menge. Die meisten beachteten mich gar nicht, sie warteten auf Harry, ihren großen Helden. Den Jungen, der lebt. Der Außerwählte. Harry Potter. Und Ron wurde gefeiert, der unglaubliche Torhüter, der ihnen den Sieg ermöglicht hatte. Aber ich war unwichtig. Nur die streberhafte komplett unsportliche Freundin der beiden. Eine Langweilerin, völlig unbedeutend. Neue Tränen brannten in meinen Augen und die Wahrheit, die ich so lange versucht hatte zu ignorieren stach mich mir tief ins Fleisch: Ich war ein Niemand. Das war schon so gewesen, bevor ich nach Hogwarts kam. Schon damals war ich die Streberin gewesen, die, mit der man nur sprach, wenn man was von ihr wollte. Und als ich dann nach Hogwarts kommen sollte, dachte ich, es würde sich alles ändern. Doch auch hier nervte ich die anderen mit meiner Besserwisserei. Ironischer Weise war es damals Ron, der diese Wahrheit aussprach. „Die ist super ätzend, echt Leute. Kein Wunder, das sie keine Freunde hat!“ Seine Stimme hallte aus meiner Erinnerung zu mir empor und bohrte sich wie ein spitzer Dolch. Er und Harry waren meine Freunde geworden und ich fühlte mich zum ersten Mal wirklich akzeptiert. Hogwarts war das beste, was mir je passiert ist. Harry wurde mein bester Freund und Ron… ja, Ron… war und ist der erste Junge, den ich je geliebt habe. Meine erste große Liebe. Ich weiß schon lange, dass ich mehr für ihn empfinde, als Freundschaft, aber ich wollte unsere Gruppe nicht zerstören. Was wenn er meine Gefühle nicht erwiderte? Also schwieg ich… Als er vor zwei Jahren beim Weihnachtsball so ausgerastet ist, war ich mir sicher, dass er eifersüchtig auf Victor war. Ich war mir so sicher und hoffte darauf, dass sich nun etwas ändern würde. Dass er mich vielleicht ganz genauso liebt wie ich ihn… Aber das ist scheinbar nicht mehr der Fall. Was hatte ich denn falsch gemacht? Warum hasste er mich plötzlich so sehr? Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie mich meine Füße von ganz allein die Treppen und Korridore entlang getragen hatten. So war ich leicht überrascht, als ich plötzlich vorm Portrait der fetten Dame stand. Leise und mit schwacher Stimme murmelte ich das Passwort „Kröhnungsmahl“ und sie meinte aufmunternd: „Kopf hoch, Kindchen. Heute wird gefeiert!“, bevor sie aufschwang. Was hatte die schon für eine Ahnung? Was sollte ich denn bitteschön feiern? Ich ging hoch in den Mädchenschlafsaal, um meine Schultasche und meinen Zauberstab zu holen. Vielleicht würde ich in die Bibliothek gehen oder noch etwas Zaubern üben. Vielleicht „Avis“, den Zauber aus Zauberkunst, mit dem man Vögel aus der Zauberstabspitze erscheinen lässt… Der Mädchenschlafsaal war leer, als ich eintrat und ich war froh darüber. Wahrscheinlich hätte man mir sofort angesehen, dass etwas nicht stimmte. Meine Schultasche war wie immer gepackt. Ich hatte an ihr einen neuen Zauber ausprobiert, einen der den Innenraum auf magische Weise vergrößert, so passten immer alle meine Schulsachen auf einmal hinein und das Gewicht der Tasche war ... na ja, noch zu ertragen. Ich nahm meine Schultasche und dabei fiel mein Blick auf das kleine Taschenbuch auf meinem Nachtschränkchen. Es war ein Buch aus der Muggelwelt, meine Mutter hatte es mir dieses Jahr zum Geburtstag geschenkt. Es war mein Lieblingsbuch. Eine Romanze zwischen einem normalen Muggelmädchen und einem Vampir. Natürlich war die Darstellung von Vampiren in diesem Buch ziemlich unrealistisch, aber mir gefiel es. Diese andere Welt erschien mir so viel schöner… Ich seufzte traurig. Hätte ich doch auch einen Edward, der mich von ganzem Herzen liebt. Ich musste wieder an Ron denken und eine einzelne Träne löste sich aus meinem Augenwinkel und fiel auf das kleine, unscheinbare Buch, das ich wie ein Kuscheltier oder ein Kissen als trostbringender Anker, an meine Brust gepresst hatte. Eine Sekunde lang hatte ich den merkwürdigen Eindruck, das Buch würde in meiner Hand verschwimmen. Es wurde kurz unscharf, als wolle es mit meiner Träne zerfließen - dann war der Moment vorbei. Das Buch sah wieder genauso aus wie immer. Irritiert schüttelte ich den Kopf. Wahrscheinlich war mein Blick nur verschleiert gewesen von neuen Tränen, entschied ich und steckte das Buch in meine Schultasche. Dann verstaute ich meinen Zauberstab in die Innenseite meiner dunklen Jeansjacke. Heute war ich ausnahmsweise mal in Muggelkleidung herum gelaufen, immerhin war Samstag und somit keine Schule. Mit geschulterter Tasche verließ ich den Mädchenschlafsaal, ich hatte es nie gemocht viel Zeit hier zu verbringen. Hier fühlte ich mich nicht wohl. Ich war mit keinem der anderen Mädchen wirklich befreundet… Und wo hat man schon so wenig Privatsphäre wie in einem Internat, wo sich fünf Mädchen ein Zimmer teilen müssen? Wenn ich schon weinen musste, dann würde ich es nicht hier tun. Und eigentlich wollte ich nicht weinen. Ich wollte nicht so schwach sein, wie ich mich jetzt fühlte ... Meine Schritte führten mich langsam die gewundene Wendeltreppe hinab. Der Gemeinschaftsraum war noch immer überfüllt und voller Leute, die ausgelassen unseren Sieg feierten. Als ich mich umsah und fast schon gewohnheitsmäßig Ausschau nach Harry und Ron hielt, blieb mein Blick an einer dunklen Ecke hängen. Und was ich da sah, hätte ich besser nicht gesehen! Dort vor aller Augen, stand Ron so eng mit Lavender Brown umschlungen, dass schwer zu sagen war welche Hände wem gehörten. Übelkeit kroch in mir hoch und meine Augen brannten, als wären sie starkem Rauch ausgesetzt worden. Ich spürte wie mein Körper anfing zu zittern. Dabei wusste ich nicht einmal genau, was ich in diesem Moment empfand. Ich war unendlich wütend und eifersüchtig, dabei fühlte ich mich gleichzeitig todtraurig, verletzt und hintergangen. Aber das stärkste Gefühl in mir war die Leere. Ich fühlte mich gänzlich hohl, einsam und verlassen. Unbedeutend, unwichtig, nichtig… Ich dachte immer, ich wäre eine von denen, die einen Typen ohrfeigt und anschreit, der ihr weh getan hat, aber mir war nicht danach das zu tun. Ich fühlte mich nur müde und unfähig mit dieser Situation umzugehen. Ohne es überhaupt zu merken, verfiel ich in einen schnellen Laufschritt. Ich rannte zum Portrait der fetten Dame und so schnell ich konnte flüchtete ich aus dem Gemeinschaftsraum. Ein leises Schluchzen entwich meiner Kehle, etwas Nasses bewegte sich langsam über meine Wange und mein Körper bebte. Ich war ein Wrack. So sollte mich niemand sehen. Dafür war ich zu stolz. Ich verkroch mich in das erste unverschlossene Klassenzimmer, das ich finden konnte. Klassenzimmer hatten auf mich schon immer eine beruhigende Wirkung. Hier fühlte ich mich wohler und sicherer als im Gryffindor-Turm. Meine Tasche ließ ich neben der Tür zu Boden gleiten, dann ging ich nach Vorne und setzte mich auf das Lehrerpult. Meine Schultern erschlafften und da ich mich nicht länger mit der Suche nach einem Versteck ablenken konnte, brachen meine Gefühle nun ungehindert aus mir heraus. Halt suchend schlang ich die Arme um meinen zitternden Oberkörper und senkte den Kopf, damit meine viel zu buschige und wüste Haarmähne mein Gesicht verdeckte. „Hermine?“, hörte ich Harrys Stimme von Weitem zu mir rufen. Das Echo hallte von den Wänden des Korridores draußen wieder und ich wusste, dass er mich verfolgte. Er musste gesehen haben, wie ich auf den Anblick von Ron und Lavender reagiert hatte. Sofort strafte ich die Schultern und versuchte mich wieder zusammen zu reißen. Harry war mein bester Freund, aber nicht einmal von ihm wollte ich so gesehen werden. Er war auch Rons bester Freund. Würde er ihm erzählen, wie er mich vorgefunden hatte? Ich hob den Kopf mit Mühe und trocknete die Tränen auf meinen Wangen mit dem Ärmel - was nicht einfach war, weil meine dummen Augen nicht aufhören wollten, neue zu produzieren. Harry war so ein guter Mensch und ein wahrer Freund. Mir hätte klar sein müssen, dass er mir folgen würde… Aber auch vor ihm wollte ich nicht wie das weinende, verletzliche, kleine Mädchen wirken, das ich glaubte im Moment zu verkörpern. Ich brauchte eine Ausrede. Warum sollte ich mich je in einem leeren Klassenzimmer verkriechen? Fahrig fuhr meine Hand in meine Jacke und zog den Zauberstab heraus. „Avis“, flüsterte ich leise mit Tränen erstickter Stimme. Ein goldener Vogel brach aus meiner Zauberstabspitze. Ich wiederholte im Kopf die Zauberformel und jedes Mal erschien ein weiterer goldener Vogel. Es war schon beinahe ein kleiner Schwarm, als sich die Tür zum Klassenzimmer öffnete und Harry vorsichtig seinen Kopf hinein schob. Sein besorgter Blick glitt über die von mir heraufbeschworenen Vögel und einen Moment lang konnte ich Bewunderung über sein Gesicht huschen sehen. „Oh, hallo, Harry“, sagte ich mit entsetzlich brüchiger Stimme. „Ich bin nur am Üben." Keine besonders überzeugende Ausrede ... „Jaah… die – äh – sind wirklich gut…“, sagte Harry und seine dunkelgrünen Augen musterten mich vorsichtig, als hätte er Angst mich vielleicht noch mehr zu verletzen. Auch wirkte er unsicher, als wüsste er nicht, was er zu mir sagen sollte. Er wusste wohl nicht, wie er mich DARAUF ansprechen sollte, aber er hatte es ganz sicher vor - also beschloss ich kurzerhand es ihm leichter zu machen. Es bedeutete mir so viel, dass er jetzt in diesem Moment hier war, um mir bei zu stehen. Meine Stimme klang unnatürlich hoch als ich bemüht beiläufig bemerkte: „Ron scheint sich auf dem Fest ja bestens zu amüsieren.“ „Ähm… tatsächlich?“, sagte Harry beklommen. Er war so leicht zu durchschauen! „Tu nicht so, als hättest du ihn nicht gesehen“, erwiderte ich aufbrausend. Ich benahm mich schon wieder unfair. Ich sollte meine Wut nicht an Harry auslassen. Er konnte doch überhaupt nichts dafür, aber im Moment brauchte ich dringend ein Ventil für meine Gefühle. „Er hat es ja nicht gerade verheimlicht, nicht wa –“ Die Tür hinter uns sprang auf. Zu meinem Entsetzen kam Ron herein, er lachte und zog Lavender an der Hand mit sich. Mein Herz schlug laut und holpernd in meiner Brust. Das war die Person, an der ich meine Gefühle auslassen sollte! „Oh“, sagte Ron und blieb schlagartig stehen, als er Harry und mich sah. „Uups!“, machte Lavender, kicherte auf ihre dämlich süßliche Weise und ging rückwärts aus dem Raum. Die Tür schlug hinter ihr zu. Eine schreckliche, anschwellende, sich aufblähende Stille trat ein. Ich konnte nicht anders und starrte Ron an, der absichtlich nicht zu mir hinschaute und nur mit einer seltsamen Mischung aus gespielter Kühnheit und Verlegenheit sagte: „Hi, Harry! Hab mich schon gewundert, wo du steckst!“ Das war zu viel, ich musste hier raus, sonst würde ich noch jemanden ernsthaft verletzen. Schwungvoll rutschte ich vom Pult herunter. Der Schwarm goldener Vögel zwitscherte weiter im Kreis um meinen Kopf herum, ich hatte sie zwischenzeitlich durch Rons Auftauchen fast vergessen. „Du solltest Lavender nicht draußen warten lassen.“, sagte ich gefährlich leise. „Sie wird sich fragen, wo du geblieben bist.“ Ich ging ganz langsam und aufrecht in Richtung Tür. Es sollte nicht so wirken, als würde ich vor ihm weglaufen. Auch wenn ich das im Augenblick wohl tat. Kurz vor der Tür bückte ich mich nach meiner Tasche und warf einen Blick zurück. So sah ich Rons erleichterte Mine. Das war der Auslöser, ich konnte einfach nicht anders. „Oppugno!“, schrie ich und der kleine Vogelschwarm raste wie ein Hagel von dicken goldenen Gewehrkugeln auf Ron zu, der aufjaulte und sein Gesicht mit den Händen bedeckte, doch die Vögel griffen an, pickten und krallten sich in jedes bisschen Fleisch, das sie erwischen konnten. „Machdieweg!“, schrie Ron, doch mit einem letzten Blick auf ihn riss ich die Tür auf und verschwand. Kaum war die Tür hinter mir zugefallen, entwich mir das erste Schluchzen. Ich rannte wieder. Mir war nicht klar, wohin mich meine Füße trugen. Ich wollte einfach nur noch weg. In den Gryffindor-Turm konnte ich nicht, eben so wenig in ein leeres Klassenzimmer, da ich Angst haben musste auch dort wieder ertappt zu werden. Erst als ich heftig keuchend die aber Hundert Stufen erklomm, wusste ich, dass ich den Astronomie-Turm hoch rannte. Kalte Luft schlug mir entgegen, als ich die schwere Tür aufstieß. Hier oben würde mich hoffentlich niemand finden. Das war es, was ich jetzt brauchte, ein sehr, sehr gutes Versteck, wo mich niemand finden konnte. Ich wollte nicht weinen, oder mir den Kopf darüber zerbrechen, warum Ron diese schwachsinnigen Sachen sagte, warum er mich hasste und warum er so plötzlich Gefallen an Lavender gefunden hatte… Ich ließ mich auf den kalten, harten Steinboden sinken. Als meine Tasche den Boden berührte, ertönte der gewohnte hallende Klang und mir fiel die einzige und bestimmt beste Möglichkeit ein, mich abzulenken. "Twilight" hatte es noch immer geschafft, mich auf andere Gedanken zu bringen. Eine Träne rollte über meine Wange, als ich das kleine Taschenbuch raus holte. Mein Lesezeichen steckte noch drin. Ich wusste nicht, wie viele Male ich es schon gelesen hatte, aber ich hatte immer noch nicht genug davon. Mit zitternden Fingern schlug ich das Buch auf und fand die Stelle relativ weit am Anfang, auf Seite 19, wo ich am Vorabend zu lesen aufgehört hatte… Als ich zurück zu meinem Transporter ging, trudelten so langsam die anderen Schüler ein. Ich fuhr um die Gebäude herum, immer ihren Autos nach. Ich war froh, dass die meisten ältere Baujahre waren, so wie meins, nichts Schickes. Weiter kam ich nicht, denn das Buch verschwamm erneut vor meinen Augen, ich wollte mir die Tränen wegwischen, aber da waren keine. Meine Augen waren klar und trocken. Es war das Buch, dass sich veränderte. Es wurde plötzlich zu einer Art magischen Strudel. Ich konnte ein überraschtes Quieken nicht verhindern, als mich der plötzliche gewaltige Strom einsog. Ich verlor den Boden unter mir. Alles um mich her wurde unscharf und ich hatte das Gefühl zu Fallen. Immer weiter zu Fallen. Es fühlte sich an, als fiele ich durch tiefe, wabernde Schwärze. Nichts um mich herum wirkte greifbar. Alles war leer und finster. Ich konnte nichts erkennen, gar nichts. Doch plötzlich, ich wusste nicht, wie lange ich gefallen war, aber mit einem Mal brach die Schwärze unter mir auf. Es war als sähe ich durch einen dunklen Nebelschleier auf eine winzige, graue Kleinstadt inmitten von grünen Wäldern und Wiesen hinab. Sogar eine Küste konnte ich am Rand meines Blickfeldes ausmachen. Das Wasser war von einem dunklen, trüben Blau. Die ganze Stadt schien im Halbdunkel zu liegen, was ihr eine gespenstische Ausstrahlung verlieh. Die Schwärze um mich her verschwand nach und nach, während ich noch immer in einer unglaublichen Geschwindigkeit dem Boden entgegen fiel. Ich schrie laut auf und ruderte mit den Armen, die ich neben meinem Körper ausgebreitet hatte, als wären sie Flügel und könnten meinen Sturz abfangen. Panik und blankes Entsetzen hatten mich ergriffen und ich konnte nicht vernünftig denken. Doch mir schien es, als würde ich kurz vorm Aufprall langsamer werden, dann krachte ich mit einem widerlichen Platschgeräusch auf den nassen Asphalt. Mein Kopf schwirrte und alles tat mir weh, von dieser unsanften Landung. Mädchenstimmen schrien erschrocken und verängstigt nicht weit von mir entfernt, doch ich war zu aufgewühlt und erschöpft, um mich darum zu kümmern. Meine Augenlider, die ohnehin aus Angst vor dem Aufprall fest zu gekniffen gewesen waren, fühlten sich zu schwer an, um sie jemals wieder zu öffnen. Die Dunkelheit, die mich jetzt umgab, war angenehmer, als die zuvor. Mit dem Gefühl von festem Boden unter mir, konnte ich meine Muskeln entspannen und meinen Verstand abschalten. Erschöpft von diesem anstrengendem Tag schlief ich ein, wo ich war. Es war mir egal, dass der Boden nass und kalt war. Oder, dass meine Klamotten jetzt dreckig waren und von dem leichten Nieselregen bald durchnässt sein würden. Es war mir egal, dass ich nicht wusste, wo ich war oder wie ich hier her gekommen war. Und in diesem Moment war mir auch egal, dass Ron mit Lavender rumgeknutscht hatte. Erleichtert und entspannt ließ ich zu, wie ich immer tiefer sank, in dem trüben Tümpel der Bewusstlosigkeit. Kapitel 2: Welcome to Forks --------------------------- Kapitel 2: Welcome to Forks Ich fühlte mich wie betäubt. Es war als wäre ich wieder im See, damals beim Trimagischem Turnier. Mein Verstand kam langsam wieder in Gang. Wasser rauschte in meinen Ohren, aber ich konnte Stimmen hören, die von der weit entfernten Oberfläche her zu mir hallten. Ich verstand nicht, was die Stimmen sagten, aber es war mir auch nicht wichtig. Das Wasser um mich her war warm und weich, warum hätte ich auftauchen sollen? Aber Moment mal, Wasser wäre doch nass! Die weiche Wärme, die mich umgab war alles andere als feucht. Meine Augenlieder zuckten. Mein Gefühl sagte mir, dass etwas hier ganz und gar nicht stimmte. Die Stimmen wurden lauter, deutlicher. "Ich glaube, sie kommt wieder zu sich", hörte ich einen Mann mit der schönsten, melodischsten Stimme sagen, die ich jemals gehört hatte. Ich blinzelte kurz, doch als mir grelles Tageslicht entgegenschlug, schloss ich die Augen rasch wieder. Ein Seufzten entwich mir. Das war irgendwie klar gewesen, so lange wie ich im Dunkeln gewesen war, mussten sich meine Augen erst wieder an das Licht gewöhnen. Vorsichtig öffnete ich meine Augenlieder nur einen winzigen Spalt und ließ zu, dass meine Augen sich an die Veränderung gewöhnen konnten. Dann erst konnte ich meine Umgebung richtig sehen. Die Decke über mir war ordentlich weiß verputzt und eine nicht entzündete, weiße Lampe hing davon hinunter. Es war eine strombetriebene Lampe, also musste ich mich irgendwo in der Muggelwelt befinden. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Eben war ich doch noch in Hogwarts gewesen, oder nicht? Es gab keine Möglichkeit das Schulgelände so mir-nichts-dir-nichts zu verlassen! Ruckartig setzte ich mich auf und hielt dann mit einem Stöhnen und einer Hand an meinem Kopf inne. „Nicht so schnell, junges Fräulein“, warnte die melodische Männerstimme mich sanft und eine kühle Hand legte sich auf meine Schulter. Mein Blick fiel zuerst auf die schneeweiße Männerhand, folgte dann dem muskulösen Arm im weißen Ärmel und landete schließlich bei einem Mann im weißen Arztkittel. Sein Anblick war ein solcher Schock für mich, dass ich ihn nur reglos anstarren konnte. Der Arzt war etwa Anfang 30. Sein blondes Haar schimmerte seidig weich im Licht. Seine Gesichtszüge waren grade, fließend, männlich, perfekt. Doch es waren seine ungewöhnlichen Augen, die meinen überraschten Blick fesselten. Goldene Augen. Ich blinzelte ein paarmal sehr schnell hinter einander, in der Hoffnung, die Farbe würde sich verändern und normal werden, aber das war nicht der Fall. Am liebsten hätte ich entnervt aufgestöhnt. „Wie fühlen sie sich?“, fragte der Mann mit seiner angenehm, melodischen Stimme. Ich schluckte hart und wollte grade antworten, als mein Blick auf sein Namensschild fiel: Dr. C. Cullen. Das war doch einfach nicht wahr! Dieser Arzt sah also nicht nur so aus, wie der liebe Vampirdoktor aus meinem Lieblingsbuch, nein, er hieß auch noch so! Wie unwahrscheinlich war das denn bitte? Ein Geräusch ließ meine Aufmerksamkeit von dem Namensschild zu der Krankenschwester nahe der Tür wandern. Die junge Frau, die dort stand, hatte nichts weiter getan, außer einem Blatt Papier in ein schwarzes Klemmbrett zu heften. Es war offensichtlich, dass meine Nerven grade blank lagen und ich bei dem leisesten Geräusch zusammen zuckte. „Wie geht es ihnen, Miss…?“, fragte Dr. Cullen. Ich schluckte schwer und sah wieder zu ihm. Seine goldenen Augen musterten mich mit einer Mischung aus höflicher Neugierde, offener Sorge und professioneller Wachsamkeit. Mit seiner geschickten Formulierung stellte er mir zwei Fragen auf einmal. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, also schloss ich die Augen und fuhr mir mit den Händen übers Gesicht. Bis zu diesem Moment hatte ich nicht bemerkt, dass sie zitterten. Verzweiflung schnürte mir die Kehle zu, während ich versuchte eine logische Erklärung für das alles hier zu finden. Fast automatisch ließ ich die letzten Minuten Revue passieren. Ich hatte auf dem Astronomie-Turm gesessen und in „Twilight“ gelesen, dann war das Buch verschwommen und… Mit blankem Entsetzen ließ ich meine Hände etwas sinken, sie entblößten meine geschockten und aufgerissenen Augen und verdeckten nur noch meinen leicht geöffneten Mund. War das überhaupt möglich? Konnte es tatsächlich sein, dass ich … in das Buch hinein- … gesogen wurde? Ich schluckte hart und erinnerte mich unwillkürlich an Riddels Tagebuch und Harrys Erzählungen darüber, wie Voldemort seine Erinnerung mit ihm geteilt hatte. Es war nicht komplett unmöglich, musste ich mir wiederstrebend eingestehen. Mit Magie war fast alles möglich, … leider. Dennoch war das hier eine ganz andere Geschichte, oder nicht? Das Tagebuch wurde von dem bösesten Zauberer aller Zeiten mit schwarzer Magie verhext, dieses Taschenbuch hingegen stammte aus einem normalen Muggel-Laden und sollte demnach komplett harmlos sein. Obwohl… war das Tagebuch nicht auch einmal ein ganz normaler Muggel-Taschenkalender gewesen? Leicht panisch fragte ich mich, wer mein Lieblingsbuch verhext hatte und vor allen Dingen wie? „Miss? Geht es ihnen nicht gut? Haben sie Schmerzen?“, fragte der Arzt, der zweifellos Dr. Carlisle Cullen war. Ich schluckte hart und sah ihn an. Konnte meine Theorie stimmen? War ich tatsächlich IN Twilight? „Wo bin ich?“, fragte ich und brauchte mich nicht einmal zu verstellen, meine Stimme klang auch so verstört genug von meiner frischen Erkenntnis. „In Forks“, antwortete Dr. Cullen und zog überrascht und verwirrt die Augenbrauen zusammen. „Forks?“, wiederholte ich mit lebloser Stimme. „Forks ist eine Kleinstadt nahe der Halbinsel Olympic“, erklärte er vorsichtig. „Sie meinen… Washington?“, fragte ich und biss mir auf die zitternde Unterlippe. Meine Augen waren noch immer weit aufgerissen und ängstlich. Carlisle Gesichtsausdruck wurde eine sehr väterliche Sorge und wirkte dabei ziemlich verwirrt. „Langsam und der Reihe nach. Wie ist ihr Name, Miss?“, fragte er und nahm von der offensichtlich verstörten Krankenschwester das Klemmbrett entgegen. Die Frau starrte mich neugierig und bestürzt an. „Hermine Granger“, antwortete ich nach kurzem Zögern, aber mein Name alleine würde gewiss keinen Schaden anrichten. Es war noch immer so unglaublich, dass ich mich in einem Buch befinden sollte… „Nun, Miss Granger. Sie schienen ziemlich überrascht, über ihren Aufenthaltsort. Wo dachten sie, würden sie sich befinden?“ Ich schlang die Arme schutzsuchend um meinen Oberkörper. Wie viel konnte ich ihm erzählen? „In Schottland, auf meinem Internat“, antwortete ich so ehrlich wie möglich. Hogwarts war ungefähr in Schottland, auch wenn ich seine genaue Position wohl nicht auf einer Karte hätte zeigen können. Carlisle Augen weiteten sich vor unübersehbarem Schock und Überraschung. Dann nickte er und setzte eine mitleidige Mine auf. „Was ist das letzte, an das sie sich erinnern, Miss Granger?“ Wieder schluckte ich hart. Unwillkürlich kam mir wieder das Bild von Ron und Lavender vor Augen. Eng umschlungen. Ich konnte die Tränen in meinen Augen brennen spüren. Carlisle musste das aufgefallen sein, denn er legte beruhigend eine Hand auf meine Schulter, die wie ich jetzt feststellte von einem dieser Krankenhaushemden bedeckt wurde. „Miss Granger, bitte beruhigen sie sich. Es ist alles in Ordnung, wir werden uns um sie kümmern“, meinte Carlisle mit seiner ruhigen, väterlichen Art. Hatte er eine Ahnung, wie zweideutig seine Worte für mich waren? Wusste er, warum ich hier war? Sollte mir der Aufenthalt in diesem Buch helfen über Ron hinweg zu kommen und ihn zu vergessen? Wollten sie sich darum kümmern? Oder hatte er keine Ahnung davon und dachte nur an mein körperliches Wohlergehen? „Ich sollte nicht hier sein. Das ergibt keinen Sinn“, murmelte ich leise, leicht verstört. „Ich gehöre hier nicht hin, wie bin ich hier her gekommen?“ „Augenzeugenberichten zufolge sind sie buchstäblich auf den Schulhof der Forks High School gefallen. Man weiß nicht, von wo genau sie herunter gefallen sind, ob es ein hoher Baum oder das Schuldach war… Fakt ist, dass niemand bis zu diesem Moment von ihrer Anwesenheit wusste und als ich von ihrem Sturz hörte, befürchtete ich bereits, dass sie sich bei ihrem Sturz den Kopf verletzt haben könnten. Auch Amnesie war nicht auszuschließen…“, erklärte er mit warmer, beruhigender Stimme. Gefallen. Der Sturz. Soweit stimmte das Ganze, aber an Amnesie glaubte ich nicht, eher an Zauberei. Doch wahrscheinlich hatte Carlisle mir damit soeben die perfekte Ausrede serviert. Hier in Forks hatte ich gar nichts, außer der Kleidung, die ich am Leibe getragen hatte und meiner Schultasche, wie ich mit einem Blick auf den Stuhl in der Ecke feststellte, wo meine Tasche neben meinen sauber zusammen gefalteten Sachen lag. „Was passiert jetzt mit mir?“, fragte ich Carlisle und sah ihn traurig an. Wie lange würde ich hier bleiben müssen, ehe ich einen Weg zurück fand? Wo würde ich solange leben? Wovon würde ich mein Essen bezahlen? Was könnte ich tun? „Wir werden uns um sie kümmern“, versprach Carlisle sanft und strich mir eine meiner viel zu strohigen, hellbraunen Strähnen hinters Ohr. Seine kalte, weiße Hand streifte dabei leicht meine Haut. Er schenkte mir ein warmes, freundliches Lächeln und wandte sich dann an die neugierige Krankenschwester. „Esta“, sagte er nur und nickte Richtung Tür. Eine deutliche Aufforderung für sie ihm hinaus zu folgen, sie nickte eilig, warf mir noch einen letzten Blick zu und eilte dann aus dem Raum. Dann war ich allein. Unglücklich ließ ich mich tiefer in mein Kissen sinken. In diesem Moment fühlte ich mich wieder wie das kleine 11jährige Mädchen, dass erfuhr eine Hexe zu sein. Ich war wieder genauso nutzlos wie damals ... Wenige Stunden später kehrte Dr. Cullen zurück, dieses Mal in Begleitung eines Mann in Polizei-uniform. Auch er trug ein Namensschild: „Chef C. Swan“ Mein Kopf schwirrte, als ich in Charlies ruhiges, menschliches Gesicht schaute. Er sah freundlich aus mit seinem kleinen Schnäuzer und dem gelockten, kurzem, braunen Haar. Seine Augen betrachtete ich am sorgfältigsten, da ich wusste, dass es auch Bellas Augen waren. Ein tiefes Schokoladenbraun. Ich musste leicht lächeln, genauso hatte ich ihn mir vorgestellt. „Miss Granger?“, fragte Charlie und reichte mir die Hand. „Mein Name ist Charlie Swan, ich bin der Polizeichef von Forks.“ Es überraschte mich nicht sonderlich, dass die Polizei bei meinem merkwürdigen Erscheinen auch eine Rolle spielte. Ein Mädchen, das einfach so vom Himmel fällt und sich an nichts mehr erinnert… Das schreit ja geradezu nach Polizei-Ermittlungen. Es könnte ja sein, dass bei meinem Unfall nachgeholfen wurde! Und es überraschte mich auch nicht, dass der Polizeichef selbst kam, um mit mir zu sprechen. In einer so winzigen Stadt wie Forks bedeutete der Titel Polizeichef nicht so viel wie in einer Großstadt. Hier draußen hatte die Polizei fast nie etwas zu tun, gelegentlich mal Autounfälle oder Raser aber nichts wirklich Ernstes. Wahrscheinlich bestand die Polizei nur aus sieben Männern oder einer Gruppe in dieser Größenordnung. „Es freut mich sie kennen zu lernen, Chef Swan“, antwortete ich höflich und schüttelte die mir dargebotene Hand. „Ich bin leider hier um ihnen einige Fragen zu stellen, Miss Granger“, begann er und ich nickte, während ich mich etwas mehr in meine Kissen sinken ließ. „Dr. Cullen war wegen der ärztlichen Schweigepflicht nicht gestattet zu sagen, wie es ihnen geht, oder besser, was genau ihnen fehlt“, erklärte der Chef sachlich. „Ich leide wohl an Amnesie“, antwortete ich ernsthaft und runzelte die Stirn. „Ich habe keinerlei Erinnerungen daran, überhaupt in die USA gekommen zu sein.“ „Würden sie eine Entführung für möglich halten?“, fragte der Polizeichef und ich schnappte überrascht nach Luft. „Nun…“, begann ich zögerlich. „Wahrscheinlich gibt es keine Möglichkeit es mit Gewissheit auszuschließen.“ Charlie zog einen kleinen Notizblock aus seiner Brusttasche und notierte sich etwas darauf, bevor er weiterfragte. „Sie sagten, sie leiden wahrscheinlich an Amnesie, was ist das Letzte, an das sie sich erinnern?“ Ich zögerte kurz, entschied mich dann aber für die Wahrheit. „Ich saß oben auf dem Astronomie-Turm und habe in einem Buch gelesen.“ Carlisle runzelte die Stirn, während Charlie die Augenbrauen zusammen zog. „Astronomie-Turm?“, wiederholte er. Mein Mund fühlte sich trocken an. Gab es so etwas nicht an Muggelschulen? „Ja, es war in meinem Internat in Schottland. Es ist in einem alten Schloss und auf einen der Türme gehen wir, um mit Teleskopen den Himmel zu studieren. Astronomie ist eins unserer normalen Schulfächer“, antwortete ich, im Notfall würde ich Hogwarts eben als eine etwas ausgefallene Privatschule darstellen. Das war vielleicht gelogen, aber glaubhafter als die Wahrheit. „Wie hoch ist dieser Turm?“, fragte der Polizeichef konzentriert. „Genau 99m und 33cm ohne Brüstung. Die Brüstung ist exakt 66cm hoch. Die gesamthöhe des Turmes beträgt daher 99,99m ... warum?“, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen und nur knapp konnte ich mir ein 'Das habe ich in eine Geschichte von Hogwarts gelesen', verkneifen. Charlie nickte nachdenklich. „Wie groß würden sie sagen, ist der Platz oben auf dem Turm?“ Verblüfft starrte ich ihn an: „Wieso fragen sie das?“ „Nur um ein paar Theorien ausschließen zu können oder zu bestätigen. Irgendwie müssen sie schließlich hier her gekommen sein. Nicht war? Also: würden sie sagen, dass ein Hubschrauber dort oben hätte landen können?“, fragte er weiter und ich war mir sehr unsicher, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte. „Ein Hubschrauber braucht individuell viel Platz zum Landen. Soweit ich weiß, muss der Landeplatz größer sein, als der Durchmesser des Rotors. Ich kann ihnen nicht genau sagen, wie groß ein Hubschrauber ist, oder ob er da hätte landen können, aber der Platz auf dem Turm ist genug, dass dort ein ganzer Jahrgang in Astrologie unterrichtet werden kann“, erklärte ich resulut. Charlie nickte langsam und schrieb auf seinen Block. „Wieso waren sie dort oben?“, fragte er weiter und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Das Bild, das ich so unbedingt vergessen wollte, schob sich wieder vor mein geistiges Auge. Was sollte ich jetzt antworten? ‚Weil einer meiner zwei besten Freunde, in den ich ganz zufällig auch noch verliebt bin, mit einer anderen rumgemacht hat?‘ Mein Teenager-Drama würde die beiden Männer nur überfordern. Ich seufzte und kämpfte gegen die Tränen. „Ron… ein guter Freund von mir“, ich spuckte das Wort ‚Freund‘ beinahe aus und schloss gequält die Augen: „und ich hatten einen heftigen Streit. Ich bin dort hoch gegangen, um allein zu sein und mich abzulenken.“ Carlisle legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter und schenkte mir einen besorgten Blick. Ich konnte nicht anders und lehnte mich leicht gegen ihn. Im Moment brauchte ich einfach seine starke, väterliche Aura. „Es tut mir leid, dass ich fragen muss, aber worüber ging es bei diesem Streit?“, fragte Charlie, worauf hin sich meine spärliche Selbstbeherrschung in Luft auflöste. „Das können sie Ron fragen!“, schnappte ich wütend und war unfähig mich zurückzuhalten, als ich immer lauter werdend fortfuhr: „Was habe ich ihm denn eigentlich getan?! Ich dachte, wir wären Freunde und dann aus dem nichts ignoriert er mich! Seit Wochen hat er mich jetzt wie den letzten Dreck behandelt! Und selbst nachdem er dieses gottverdammte Spiel gewonnen hatte, hat er mich nur beleidigt! Und dann auf der Party macht er plötzlich mit Lavender Brown rum! Ich meine: HALLO?!? Ich habe ihn nie mehr als zwei Sätze mit ihr wechseln sehen!!!“ Die Reaktion der beiden Männer darauf war abzusehen gewesen. Charlie war während meines Ausbruchs immer weiter vor mir zurück gewichen und stieß jetzt mit dem Rücken gegen die Kommode neben der Tür. Beide starrten mich vollkommen entgeistert an. Carlisle hatte seinen Gesichtsausdruck als Erster wieder im Griff. Etwas hilflos tätschelte er wieder meine Schulter und sah mich mitleidig an, auf seine ruhige, väterliche Weise, so dass es nie unangenehm werden konnte von ihm bemitleidet zu werden. Charlie räusperte sich und ich konnte sehen, dass seine Wangen sich leicht rötlich färbten. „Verstehe, entschuldigen sie bitte, das ich gefragt habe.“, wieder räusperte er sich verlegen. „Ich finde, sie sollten besser gehen, meine Patientin braucht jetzt Ruhe!“, meinte Carlisle ruhig und Charlie sah beinahe aus, als wäre er dankbar über die Gelegenheit aus dieser peinlichen Situation heraus zu kommen. „Sie haben recht, ich komme später noch einmal wieder. Auf Wiedersehen, Miss Granger“, meinte er und ohne mir noch einmal die Hand zu geben, oder aber einen Schritt in meine Richtung zu machen, flüchtete er regelrecht aus dem Krankenzimmer. Verwirrt sah ich ihm hinterher. Meine Wut war wieder etwas abgeflaut und ich fragte mich, ob ich Charlie tatsächlich verängstigt hatte. „Hat er Angst vor mir?“, fragte ich zögernd an Carlisle gewandt, welcher versuchte belustigt zu wirken. „Nichts ist gefährlicher als eine wütende Frau“, scherzte er und sah dann auf das Nachtschränkchen auf meiner anderen Seite. „Ich werde das von einer Krankenschwester aufwischen lassen.“, sagte er und ging dann langsam aus dem Zimmer. Verwirrt sah ich zum Nachtschränkchen und sah, dass dort, wo zuvor eine gläserne Wasserflache und ein Glas gestanden hatten, nun nur noch Scherben lagen und das freigelassene Wasser tropfte vom Schränkchen auf den Boden. Ich hatte wohl so laut gebrüllt, dass ich das zersplitternde Glas nicht gehört hatte. Es war nicht unüblich, dass Zauberer oder Hexen, deren Gefühle außer Kontrolle gerieten, versehentlich ihre Kräfte gebrauchten ohne ein einziges Zauberwort zu sagen. Ich hatte ein Glas und eine gläserne Wasserflasche explodieren lassen. Und das vor einem Muggel und einem Vampir aus einem meiner Lieblingsbücher. Leicht verzweifelt verbarg ich mein Gesicht in den Händen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)