October to May von Earu (Intermezzo With A Stranger) ================================================================================ Kapitel 12: The Secret in my Heart ---------------------------------- Ja, ich hatte eine tolle Zeit mit Gackt, von Anfang November an und besonders ab Weihnachten. Und ich wurde von Tag zu Tag, den ich mit ihm verbrachte, glücklicher. Ich war sogar kurz davor, ihm zu sagen, dass ich mich in ihn verliebt hatte. Dafür hatte ich mir den Valentinstag herausgesucht – immerhin war es der Tag der Liebenden und es erschien mir so passend wie die sprichwörtliche Faust auf's Auge. Die einzigen Sorgen, die ich mir dabei machte, waren, dass ich es vielleicht nicht durchhalten und vorher mit meinen Gefühlen herausplatzen würde. Aus der Distanz betrachtet wäre das allerdings mein geringstes Problem gewesen … 15. Januar … „Das müssen Sie leider noch etwas gründlicher überdenken, Takarai, sonst werde ich Ihre Arbeit leider nicht besser als mit einem befriedigend bewerten können. Aber Sie haben ja noch genug Zeit. Wenn Sie sich richtig darauf konzentrieren, dann bin ich mir sicher, dass Sie es in der vorgegebenen Zeit schaffen. Und selbst wenn nicht, dann wäre es auch keine Schande, wenn Sie um eine kleine Verlängerung bitten. Ihre sonst sehr guten Leistungen sind mir durchaus bekannt und da Sie Ihre Aufgaben sonst immer in der Zeit geschafft haben, wird dieser kleine Schnitzer niemanden stören. Ich wünsche Ihnen dann noch viel Erfolg.“ Ich war am Boden zerstört, als ich das Büro von Hayashi-sensei, des Professors, der meine Abschlussarbeit betreute, verließ. Er hatte kurz nach Beginn des neuen Jahres um eine kleine Zusammenfassung meiner Arbeit gebeten, die ich ihm heute hatte präsentieren sollen. Zu Anfang war auch noch alles ganz gut gelaufen, die Vorstellung des Themas und der darin behandelten Aspekte mochte er, ebenso wie die Grundlagen, die ich in mühevoller Kleinarbeit recherchiert und neu ausformuliert hatte. Nur das letzte Drittel, an dem ich eigentlich gerade noch schrieb, fand er grauenhaft … oder wie er es ausgedrückt hatte: verbesserungsbedürftig. Ich hatte ihm lediglich eine Übersicht über das geben können, was ich damit noch vorhatte, aber es hatte nichts geändert, denn er fand meinen Ansatz schlecht. Verdammte Scheiße!, fluchte ich innerlich immer wieder. Es wäre ja absolut kein Problem gewesen, wenn ich mich einfach noch einmal in die Bibliothek hätte setzen und etwas recherchieren müssen, aber das ging an dieser Stelle absolut nicht, denn ich hatte hier selbst kreativ werden müssen – im wahrsten Sinne des Wortes, denn ich hatte dazu auch meine praktischen Arbeiten angefertigt. Mir kamen fast die Tränen, wenn ich daran dachte, dass die ganze Arbeit der letzten Wochen so dermaßen für die Katz gewesen war. Sogar den Kurs, in dem ich mich extra eingeschrieben hatte, um noch ein paar Ideen zu bekommen, hatte ich umsonst gemacht. All die Zeit, die ich mit dem Schreiben an meiner Arbeit oder auch mit Gackt hätte verbringen können, war nun verschwendet. Und was bekam ich dafür? Noch mehr Mühe! Ich musste in wesentlich kürzerer Zeit als geplant plötzlich das letzte Drittel meiner Abschlussarbeit noch einmal vollkommen neu gestalten – und das von jetzt auf gleich, denn mein Professor hatte mir zwar angeboten, dass ich ihm einen neuen Entwurf präsentierte, den er sich ansehen wollte, aber den verlangte er schon in der nächsten Woche, die bereits in vier Tagen begann! Das Wochenende war also auch hin. Verfluchte Scheiße! So niedergeschlagen wie ich aus dem Büro getreten war, kam ich zu Hause in meiner Wohnung an, wo ich mich – meiner bevorstehenden Arbeit zum Trotz – erst einmal aufs Bett legte, mit meinem Unterarm die Augen bedeckte und einfach nur an nichts zu denken versuchte. Das war natürlich nicht so einfach, da ich nach diesem Schock selbstverständlich nur noch meine Abschlussarbeit im Kopf hatte. Wenn ich mich richtig darauf konzentrierte, hatte er gesagt … pfft! Hatte man ihm kurz vor der Fertigstellung einer seiner Fachaufsätze schon einmal mitgeteilt, dass er ein ziemlich großes Stück davon ändern musste, weil es jemand anderem nicht passte? Mann! Natürlich konnte ich das durchaus in der verbleibenden Zeit stemmen, aber dann würden meine Tag aus nichts anderem mehr bestehen als essen, schlafen und Arbeit. Und ab und an vielleicht mal eine Dusche, damit ich nicht komplett verwahrloste! Und auch die Aussicht auf eine Verlängerung machte es nicht besser, schließlich- In dem Moment klingelte mein Telefon und ich wunderte mich nur einen kurzen Moment, wer mich da anrufen könnte, ehe es mir wie Schuppen von den Augen fiel. „Es tut mir so leid!“, rief ich direkt in den Hörer, kaum dann ich den Anruf angenommen hatte, „ich hab unsere Verabredung vollkommen vergessen!“ „Na, wenigstens gibst du deinen Fehltritt zu“, sagte Gackt und gluckste amüsiert, „kommst du dann jetzt rüber? Ich hab dich schon seit Tagen nicht mehr richtig geküsst.“ „Äh … wir waren doch erst vorgestern zusammen im Kino und haben in der letzten Reihe rumgeknutscht“, erinnerte ich ihn, „weißt du das nicht mehr?“ „Na~ so meine ich das ja auch nicht“, wandte Gackt ein und druckste für seine Verhältnisse auffällig viel herum. „Und wie dann?“ „Ich meinte eigentlich, dass mein Bett schon ziemlich kalt ist und da eindeutig etwas Wärme von dir fehlt“, gab er schließlich zu und fand damit auch wieder zu seiner alten Form zurück. Und ich konnte mir nur zu gut vorstellen, was für einen Gesichtsausdruck er dazu aufgelegt hatte, selbst wenn ich den sowieso nicht würde sehen können. „Ah~ da läuft der Hase also lang“, gab ich mich verstehend und konnte trotz meiner prekären Lage nicht umhin, auch ein bisschen zu schmunzeln. Vielleicht hätte ich Gackt direkt anrufen und mich von ihm aufmuntern lassen sollen, wenn ich ihn schon nicht sehen konnte … und wohl auch in nächster Zeit nicht sonderlich oft sehen würde. „Ganz genau.“ „Wenn man dich so reden hört, könnte man schon fast denken, dass du sexsüchtig wärst“, warf ich scherzhaft ein, um ein bisschen mit ihm zu flirten. Und ich konnte auch wirklich nicht leugnen, dass es mir durchaus gefiel, so von Gackt bestürmt zu werden. Und natürlich kam eine entsprechende Antwort sofort auf dem Fuße: „Wenn es Sex mit dir ist, dann bin ich wirklich süchtig. Du bist immer so herrlich eng und heiß, da kann ich einfach nicht genug von kriegen.“ „Gacchan!“, rief ich wie automatisch, was mir natürlich ein Kichern seinerseits beschwerte. Ich hatte ihm doch gesagt, das ich diesen Dirty Talk nicht mochte … ah, und natürlich genau deshalb machte er das auch mit mir. Dieser verfluchte Sadist! Aber ich konnte auch nicht verhindern, dass ich mich ein bisschen geschmeichelt fühlte und rot anlief. Zum Glück sah Gackt das alles nicht, sondern konnte es sich maximal denken – was ich einmal stark vermutete, wenn ich mir sein Lachen so anhörte. Ich seufzte leicht auf. „Ich weiß, ich weiß“, beschwichtigte er mich schließlich, als er zu lachen aufgehört hatte. Und dann kam der entscheidende Teil: „Also, kommst du?“ Ich fragte mich, ob er seine Frage absichtlich so formuliert hatte oder für den Rest tatsächlich nur zu faul gewesen war. Ich würde allerdings auch das nicht erfahren, denn zu ihm zu fahren, war definitiv nicht drin. „Tut mir leid, Gacchan“, musste ich ihm schweren Herzens mitteilen, „ich war doch heute bei meinen Prof und der hat mir gesagt, dass das letzte Drittel meiner Abschlussarbeit nicht gut ist.“ „Ja und?“, kam es allerdings ziemlich flapsig durch die Leitung. Er wollte mich wohl nur aufmuntern oder beschützen oder irgendwas in der Art, jedoch war es in dieser Situation nicht unbedingt angebracht. Doch Gackt redete ungeniert weiter: „Was geht es den denn an, was du in deiner Arbeit schreibst? War das etwa der Langweiler von neulich?“ Ich seufzte erst einmal wieder, als er mit seine Schimpftirade durch war, um es ihm – noch einmal – zu erklären: „Nein, das war nicht der Langweiler, sondern Hayashi-sensei, bei dem ich meine Arbeit schreibe. Der hat schon was zu sagen, wie ich das machen soll, wenn ich keine schlechte Note drauf bekommen will. Das hab ich dir aber eigentlich schon mal gesagt. Und jetzt muss ich mich hinsetzen und ein neues Konzept für das letzte Drittel entwerfen, damit ich es ihm bei unserem nächsten Termin vorstellen kann.“ „Hm … und wie lange dauert so was?“, gab Gackt sich etwas verständnisvoller als eben noch … so richtig nachgeben wollte er aber auch nicht, „vielleicht kannst du ja trotzdem vorbeikommen. Oder hey, ich komm rüber, dann sparst du dir die Wege! Und ich bin sicher, dass deinem Bett auch einiges an Wärme fehlt.“ „Nein, Gackt“, sagte ich nun betont ernst, damit er auch bloß nicht dachte, ich würde scherzen. Schließlich war es mir todernst mit der Sache und auch wenn ich es sicher genossen hätte, ihn bei mir zu haben, würde es mich nur von der Arbeit abhalten, die ich jetzt dringend zu erledigen hatte, „ich muss mir was vollkommen Neues ausdenken und dazu brauch ich Ruhe. Das ist auch nicht in fünf Minuten getan … ich werd die paar Tage, die er mir gegeben hat, schon brauchen.“ „Aha … und wie sieht's danach aus?“ Ach Mann, war er denn heute so schwer von Begriff oder einfach nur stur?! Und wieso war ich gerade eigentlich so sauer auf ihn? Er wollte mich schließlich nur sehen – mehr nicht. Aber genau das war dann wohl mein Problem: Er versuchte mich unbedingt zu sehen, obwohl ich ihm schon gesagt hatte, dass es definitiv nichts werden würde. Andersherum hatte ich nie so gebohrt, wenn er mir zu verstehen gegeben hatte, dass er beschäftigt war, auch wenn es mir alles andere als gefallen hätte. Aber so war das Leben nun einmal und was nicht ging, das ging nicht – das hatte ich schon längst eingesehen und es schien an der Zeit zu sein, dass auch Gackt das tat. „Danach werde ich das letzte Drittel noch mal von vorne anfangen und hoffen, dass es diesmal besser wird“, erklärte ich ihm nun wieder ruhiger, „und Bilder muss ich dazu auch noch machen. Ich kann von Glück reden, wenn ich das alles noch in der Zeit schaffe, die man mir gegeben hat.“ „Aber ich denke, du musst erst Ende Februar abgeben“, wandte Gackt noch immer ein, „das sind noch knapp sechs Wochen. Das schaffst du bestimmt, auch wenn ich heute vorbeikomme. So viel kann das doch eigentlich nicht sein.“ „Es sind noch vier Wochen, weil ich den Rest zum Überarbeiten und für Notfälle brauche.“ Wobei der Notfall jetzt womöglich schon eingetreten war, wenn ich es recht bedachte. Wie konnte ich mich nur so verrannt haben, wo ich doch Bücher ohne Ende gewälzt und sogar freiwillig noch einen Kurs besucht hatte?! Und tada – schon war die schlechten Laune wieder da! „Und allein der schriftliche Teil sind um die zwanzig Seiten. Hast du schon mal zwanzig Seiten einfach so zusammengeschrieben?! Das ist eine Scheißarbeit und ich will keine Verlängerung nehmen, um das zu schaffen. Es muss also in der Zeit fertig werden.“ „Das weißt du ganz genau!“, begab Gackt sich nun auf das Niveau meiner Miesgelauntheit herunter und ranzte mich an, „natürlich hab ich so was noch nicht gemacht – ich studiere ja nicht. Ich weiß auch nicht, wie lange so was dauert oder wie lange du für die Bilder brauchst. Und wenn du verlängern könntest, wieso tust du es dann nicht?“ „Das hab ich dir auch schon mal erklärt: Weil es mich Geld kostet“, sagte ich und klang dabei vermutlich noch genervter – denn ich war es zweifelsohne. Konnte er mir denn nicht mal richtig zuhören, wenn es um die Uni ging? „Wenn ich verlängere, komme ich vielleicht in das nächste Semester rein und muss dann die Gebühren für sechs Monate zahlen, egal ob ich nur einen brauche oder alle. Und selbst wenn nicht, wird mein Zeugnis nicht rechtzeitig fertig und ich kann mich nicht richtig auf Stellen bewerben und dann kommen mir andere zuvor, die ihr Zeugnis schon haben. Es wird so oder so frustrierend, sich ohne Zeugnis vorzustellen und immer den Spruch im Anschlag zu haben: 'Ja, ich bin zwar fertig, aber das muss noch ausgestellt werden'. Und dann muss ich mir irgendeinen Job nehmen, der nicht meiner Bildung entspricht und mich ankotzt. Ich bin ja schon froh, dass ich mit Ken-chan zusammenziehen werde und mich da nicht weiter um eine neue Wohnung kümmern muss. Aber es ist eben schwierig, Gackt …“ Und seine Reaktion? „Ich hab dir ja schon angeboten, dass du zu mir ziehst.“ Und ein Schnauben. Das war das einzige, was ihn interessierte? Ernsthaft?! „Das ist im Moment nicht das Problem“, was ich ihn ebenfalls schon gesagt hatte. Natürlich war er nicht begeistert gewesen, als ich ihm eröffnet hatte, dass ich mit Ken eine WG aufmachen wollte, aber damals war das zwischen uns beiden auch noch nicht so fest gewesen wie jetzt und mittlerweile war bei der Wohnungssache schon alles in trockenen Tüchern – selbst der Mietvertrag war schon unterschrieben, sodass ich im März, wenn ich eigentlich mit meiner Arbeit schon längst fertig sein sollte, umziehen konnte. „Es geht hier darum, dass ich eine Scheißangst um meine Zukunft habe“, fuhr ich fort, „ich bin nicht so wie du. Ich kann nicht einfach irgendwo nach einem Job fragen und das dann machen. Ich hab fünf Jahre lang gerackert für das, was ich liebe und-“ „Na ganz toll!“, kam es dann auf einmal aus der Leitung wie von einem bockigen Kind, „und was ist mit der Gegenwart? Ich bin nun mal jetzt schon hier und will dich sehen. Wieso musst du bei dem Uni-Scheiß eigentlich immer so zum Spielverderber werden, Hyde? Sonst bist du wirklich ein echt cooler Typ, aber in dem Punkt mutierst du zu absoluten Spießer. You geht doch auch zur Uni, ist aber nicht ständig so frustriert und sieht das sogar alles viel lockerer. Komm doch endlich mal wieder runter!“ Was? Was?! „Was?!“, giftete ich halb wütend, halb fassungslos ins Telefon, „sag mir bitte, dass du das jetzt nicht wirklich so gesagt hast … oder dass es ein sehr schlechter Scherz war, Gackt. Dein Ernst kann es ja nicht gewesen sein … Du kannst doch nicht ernsthaft von mir erwarten, dass ich einfach alles über den Haufen werfe, nur weil wir-“ „Ist gut, ist gut!“, unterbrach Gackt mich abermals – immer noch so bockig und ärgerlich, wie ich ihn zuvor noch nie erlebt hatte – und schnaubte wieder, „dann komm ich eben nicht rüber und lass dich für die nächsten vier Wochen auch in Ruhe. Hab Spaß an deiner Arbeit.“ Knack. Tut tut tut. Er hatte aufgelegt. Und ich saß da und konnte es noch immer nicht fassen. Was … was war das jetzt gewesen? Und was zum Teufel hatte diesen Hornochsen geritten, mir solch einen puren Bullshit quasi direkt ins Gesicht zu sagen?! Hatte er denn nicht mehr alle Tassen im Schrank? Anscheinend tatsächlich nicht! Gott, war ich sauer auf den Kerl. Er konnte doch nicht wirklich ernsthaft von mir verlangen, dass ich alles stehen und liegen ließ, sobald er pfiff. Und wenn er das doch dachte, dann hatte er sich aber gewaltig geschnitten! Er sollte doch eigentlich hinter mir stehen, wenn es mir nicht gut ging, denn andersherum würde ich es ganz genau so auch tun. Verflucht nochmal, das war doch der Sinn einer Beziehung: einen Menschen zu haben, den man liebte, dem man vertrauen konnte und der einen stützte! Mann, dieser Idiot! Aber das blöde an der Sache war jetzt, dass ich so sauer auf ihn sein konnte, wie ich wollte, ich liebte ihn trotzdem. Wenn er ein Idiot war, dann war er mein Idiot. Und mir wurde noch etwas ganz anderes klar: Wir hatten uns gerade zum ersten Mal in unserer Beziehung wirklich gestritten. Wir hatten zwar vorher schon so ein paar kleine Meinungsverschiedenheiten gehabt, wie zum Beispiel, dass er sich doch endlich mal um seine Wäsche kümmern sollte, die sein Zimmer sonst noch irgendwann zumüllen würde, aber das waren eben immer nur gut gemeinte Nichtigkeiten gewesen. Das hier war schon sehr viel handfester. Und mich beunruhigte, an welcher Stelle es Gackt gereicht und ihn zum Auflegen gebracht hatte. Ich hatte gesagt, dass ich meine Träume nicht über den Haufen werfen würde, weil wir … weil wir! Dachte er jetzt etwa, dass mir unsere Beziehung nicht wichtig genug war? Zur Hölle noch mal, das war sie doch! Aber er musste doch auch mal meinen Punkt verstehen – ich konnte mir jetzt keine Fehler mehr erlauben, nachdem ich so einen großen Schnitzer begangen hatte. Und trotzdem nagte es an mir, dass Gackt (und ich ja auch noch!) jetzt sauer war und uns nun quasi einer vierwöchige … oh mein Gott, er wollte uns eine Auszeit geben! Nein, nein! Das durfte er nicht! Ich liebte ihn doch zu sehr, um das zu überstehen. Und das würde ich ihm jetzt auch sagen, genau! Ich würde ihm gleich sagen, dass ich ihn liebte – nicht erst am Valentinstag mit Posaunen und großem Tamtam, sondern direkt hier mit einer Entschuldigung und der Bitte, dass er den dummen Streit schnell vergaß. Aber es wurde nichts draus. Er ging nicht ans Handy, schien es sogar ausgeschaltet zu haben, denn es meldete sich sofort die Mailbox. Shit! Damit war der Nachmittag also nicht nur für uns verloren, sondern auch für das neue Konzept meiner Abschlussarbeit. Ich wollte heulen – und ich tat es auch. So schnell konnte man also von Hundertachtzig wieder runterkommen 6. Februar … Ganz so schlimm wie ich es mir an diesem Nachmittag drei Wochen zuvor ausgemalt hatte, war es dann doch nicht geworden. Am Morgen danach hatte ich mich schon wieder gefangen, was allerdings größtenteils den Gedanken an Gackt gelegen hatte, die mich anspornten, so schnell wie möglich fertig zu werden, damit ich wieder Zeit für ihn hatte. Ich klemmte mich also den gesamten Freitag, Samstag und Sonntag Vormittag hinter meinen Schreibtisch, um Hayashi-sensei einen neuen Entwurf präsentieren zu können, der wesentlich besser war, als der letzte. Und Sonntag Mittag war es geschafft – ich hatte sogar bereits angefangen, ein paar Skizzen für die neuen Bilder zu zeichnen. Zwischendurch hatte auch Tetsu angerufen, um mich hinter meinen Ofen hervorzulocken, aber er hatte dieselbe Absage erhalten, die ich zuvor schon Gackt gegeben hatte. Und im Gegensatz zu diesem hatte er es gleich angenommen und verstanden. Und auf Gackt hatte er auch geschimpft, weil der so stur und uneinsichtig gewesen war. Doch gleichzeitig hatte er versucht, mich wieder aufzubauen – dass das jetzt nur eine blöde Phase sei, die wir überstehen müssten, um hinterher wieder jede Menge Spaß miteinander zu haben und glücklich zu sein. Ich hatte mich aufrichtig bei ihm bedankt und mich dann wieder an meine Arbeit gemacht. Am Sonntag Abend hatte ich mich dann mit Gackt getroffen, da er endlich wieder dazu bereit gewesen war, mit mir zu reden. Es hatte ihm sogar etwas leid getan, denn er hatte mehrfach gefragt, ob es auch wirklich okay wäre, wenn wir uns trafen. Er hatte außerdem darauf bestanden, dass er zu mir kam, um mir die lästigen Wege zu ersparen, und zugegeben, dass er ein Idiot war, weil er so sauer geworden war. Es hätte eigentlich nur daran gelegen, dass er eben kein Student war und das alles nicht richtig verstehen könnte. Er war viel eher ein Mensch für das Hier und Jetzt als für das Morgen und Übermorgen und es würde ihn überfordern, wenn ich dann mit meiner ganzen Disziplin ankam. Es hatte mich glücklich gestimmt, das alles von ihm zu hören … vom Versöhnungssex mal mal ganz zu schweigen. Wir beide hatten uns direkt wieder eingekriegt und Gackt hatte mir außerdem angeboten, mich am nächsten Tag zu meinem Professor zu begleiten, wenn ich ihm meine neue Arbeit präsentieren sollte – quasi als Wiedergutmachung und Glücksbringer, auch wenn er sich in dem großen, verwinkelten Fakultätsgebäude sichtlich unwohl gefühlt hatte. Und was soll ich sagen? Er hat mir tatsächlich Glück gebracht denn bis auf ein paar kleine Änderungen hier und da, hatte ich das offizielle Okay zur Umsetzung meines Plans, an die ich mich natürlich auch gleich machte. Und Gackt kam mir in der Hinsicht entgegen, dass er sich ebenso wie ich mit Arbeit vollpackte, um sich einerseits die Zeit besser zu vertreiben und andererseits meine Abwesenheit effektiv nutzen zu können, wie er mir erzählte. Ich fand das unglaublich süß von ihm … so süß, dass ich gleich noch eine weitere Runde Versöhnungssex hinterherschob. Man konnte also sagen, dass ich nach dieser kurzen Talfahrt, die wir beide hatten, wieder obenauf saß und glücklich war. Aber eigentlich hätte mir ein bestimmtes Ereignis Anfang Februar mächtig Sorgen bereiten müssen … „Fertig!“, jubilierte ich, als ich die Punkt-Taste auf dem Keyboard meines Rechners drückte, und streckte dann beide Arme in die Luft. „Endlich fertig!“ Nun ja, das stimmte nicht so ganz, denn ich hatte gerade lediglich den abschließenden Satz meiner Arbeit zu Papier gebracht und musste den ganzen Spaß jetzt noch zig Mal durchlesen, korrigieren und hier und da sicherlich auch ausbessern, aber der Löwenanteil war definitiv geschafft. Und beim praktischen Teil musste ebenfalls noch ein bisschen was getan werden, doch dafür war ja jetzt noch genug Zeit. Es hatte sich also gelohnt, in den letzten drei Wochen nur per Mail und SMS mit meinen Freunden zu kommunizieren und auch den Kontakt zu Gackt so weit zu beschränken, dass nur ab und an ein kurzes Telefonat für ihn abfiel. Nur an meinem fünfundzwanzigsten Geburtstag hatte ich eine kleine Ausnahme gemacht und ihn am Abend mit meinen Freunden gefeiert. Gackt hatte leider arbeiten müssen und es nicht verschieben können, was mich mächtig angefuchst und mir auch ziemlich die Laune verdorben hatte. Tetsu, Ayana, Ken und Yuki hatten natürlich trotzdem dafür gesorgt, dass ich einiges an Spaß hatte, allerdings wäre es mit Gackt definitiv noch schöner geworden. Aber jetzt würde ich ihm endlich verkünden können, dass ich wieder mehr Zeit mit ihm verbringen und sogar noch heute Nacht zu ihm kommen konnte. Genau: Ich zu ihm! Das hatte ich nun schon lange nicht mehr gemacht und fragte mich auch gleich, ob ich in seiner Wohnung überhaupt noch zurecht kommen oder You erkennen würde. Na~ da ging meine Phantasie vielleicht etwas mit mir durch, aber ich freute mich eben so unheimlich darauf, ihn endlich wiederzusehen und ihn zu küssen und natürlich auch mit ihm schlafen zu können. Die letzten drei Wochen forderten nun wirklich langsam ihren Tribut und ich wollte nicht wissen, was passieren würde, wenn ich den bloßen Körperkontakt mit Gackt noch weiter hinauszögerte. Ich hatte vorgestern Nacht schon so ein einschneidendes Erlebnis gehabt – einen Traum von Gackt und mir, der mir ganz genau gezeigt hatte, wie verzweifelt ich ihn eigentlich vermisste. Feuchte Träume hatte ich schon eine ganze Weile nicht mehr gehabt und erst recht nicht, seit ich mit Gackt auch schlief – er war ja immer da und nur willig gewesen, sämtliche Phantasien meinerseits und natürlich auch seinerseits umzusetzen. Das fehlte mir wirklich, fast so sehr wie er mir fehlte. Doch bevor ich ihn anrief, speicherte ich das Dokument ab und zog es zusätzlich noch auf einen USB-Stick, um für den Notfall eine Sicherheitskopie parat zu haben. Sonst würde ich mich wahrscheinlich vor den nächsten Zug werfen, sollte meine komplette Arbeit durch irgendeinen dummen Fehler gelöscht werden. Erst dann erlaubte ich mir, den Anruf an Gackt zu machen und war dabei so ungeduldig, dass ich mit den Fingern auf dem Tisch zu trommeln begann, als er beim vierten Klingeln immer noch nicht abgenommen hatte. Als er es dann doch tat, klang er gehetzt und ich konnte hören, wie im Hintergrund Musik ausgestellt wurde: „Hallo?“ „Gacchan“, jubilierte ich wieder, meine Ungeduld von eben total vergessend, „stell dir vor, ich bin fertig! Ich muss nur noch korrigieren und ausbessern, aber das ist nicht mehr viel Arbeit und ich hab jetzt wieder viel mehr Zeit für dich! Also egal, was du heute noch so vorhast: Sag es ab und wärm schon mal das Bett an, ich bin in einer knappen Stunde bei dir!“ Darauf lachte Gackt erst einmal kurz auf, was wiederum wie Musik in meinen Ohren klang, bevor er antwortete: „Kein Problem, ich hab den Abend sowieso frei. Komm ruhig vorbei, wenn du willst.“ „Wenn ich will?“, echauffierte ich mich gespielt, „willst du mir denn etwa sagen, dass du mich nicht sehen willst?“ „Doch, natürlich. Sorry, Hy-chan, ich kann es nur nicht richtig fassen, dass die vier Wochen endlich um sind.“ „Es sind nur drei gewesen, ich hab mich beeilt.“ „Dann ist das sogar noch besser. Ich freu mich schon auf dich!“, sagte Gackt dann und lachte wieder. „Okay, dann bis gleich“, flötete ich noch … und zögerte dann etwas. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich wirklich sagen sollte, was mir da auf der Zunge lag: Ich liebe dich. Ich wusste jetzt ganz genau, dass ich es definitiv fühlte und anscheinend wollte es auch so dringend raus, dass ich mir fast meinen einen Plan mit dem Valentinstag kaputtmachen würde. Trotzdem ließ ich es erst einmal – nicht am Telefon … In der Stunde, die ich bei Gackt angekündigt hatte, schaffte ich es dann leider doch nicht zu ihm, denn mich hatte plötzlich der Gedanke befallen, dass ich noch dringend duschen und mich ein bisschen aufhübschen sollte, bevor ich mich auf den Weg zu ihm machte. Das fraß schon einmal locker die Hälfte der Zeit und auch dann ließ ich mich trotz meiner Ungeduld, ihn endlich wiederzusehen, auf dem Weg nicht hetzen – das hätte schließlich die ganze Mühe von eben wieder kaputt gemacht, weil ich dann wahrscheinlich schwitzend und vollkommen außer Atem bei ihm angekommen wäre. Nein, ich ließ mir Zeit und machte sogar noch einen Abstecher in den Conbini bei mir um die Ecke, wo ich eine Flasche Wein für uns kaufte. Ich wollte feiern, dass ich nun fast mit meiner Arbeit durch war und wir uns wieder treffen konnten – ich fühlte mich einfach danach und es gab mir nur noch mehr Selbstvertrauen in meine eigenen Gefühle gegenüber Gackt. Ich liebte ihn, ich war verrückt nach ihm und ich würde ihn das auch bald wissen lassen. Vielleicht sogar schon diese Nacht, nachdem wir erst einmal meine – und sicherlich auch seine – körperlichen Bedürfnisse ausreichend befriedigt hatten. Allein die Gedanken daran zauberten mir ein dreckiges Lächeln auf die Lippen und ich musste mich wirklich arg anstrengen, um das wieder vor dem Rest der Welt zu verstecken. Es war für Gackt bestimmt und nur er sollte es deshalb sehen … mal ganz davon abgesehen, dass man mich sicherlich für einen Perversen halten würde, wenn ich so durch die Gegend lief! Eigentlich hatte ich geplant, Gackt direkt an der Haustür in die Arme zu fallen und ihn so fest und lange an mich zu drücken, bis er mich anbettelte, ihm wenigstens ein klein wenig Luft zum Atmen zu lassen. Und wenn er dasselbe mit mir vorhatte, dann würde es wohl ein Weilchen dauern, denn ich vermisste ihn so, dass ich eine solche Umarmung wahrscheinlich stundenlang aushalten würde. Aber daraus wurde leider nichts, denn nicht Gackt öffnete mir die Tür, sondern You. Und er blickte mich vollkommen verwirrt an, als er fragte: „Hyde? Was machst du denn hier? Ich dachte, du hättest-“ „Ja ja, ich weiß schon“, schnitt ich ihm das Wort ab und grinste ihn breit an, weil ich mir schon denken konnte, auf was er hinaus wollte. Anscheinend hatte Gackt ihm die Ohren mächtig damit zugeheult, dass er mich furchtbar vermisste und wie schrecklich es wäre, so lange von mir getrennt zu sein. Okay, vielleicht ging meine Phantasie da ein wenig mit mir durch, aber wer konnte es mir denn schon verübeln? „Aber jetzt ist alles so weit geschafft und wir können wieder zum Normalzustand übergehen. Ich will Gacchan dann nicht länger warten lassen als ohnehin schon. Wo ist er denn?“ Arg, ich plapperte! Schlimm, nicht? Aber wer wollte mir auch das verübeln? Es ging mir einfach gut … was You allerdings mehr denn je zu irritieren schien. „Gacchan? … Äh … der ist drin … im Wohnzimmer. Äh … willst du nicht reinkommen?“, bot er mir schließlich sehr perplex an, wovon ich mich allerdings nicht beirren ließ und immer noch mit einem Atomgrinsen im Gesicht an ihm vorbeiging, als er die Tür weiter aufmachte und einen Schritt zu Seite trat. Doch selbst wenn er das nicht gefragt oder getan hätte, hätte ich mich nicht davon abhalten lassen, Gackt endlich wieder zu besuchen. „Klar!“, meinte ich dabei nur, schlüpfte anschließend aus meinen Schuhen und ging nur in Socken weiter in die Wohnung hinein. Entgegen meiner irrsinnigen Vermutung von vorher wusste ich natürlich noch genau, wo alles war, sodass ich nur ein paar Sekunden später im Wohnzimmer hinter der Couch stand, auf der Gackt tatsächlich saß und sich einen Film ansah, und ihm die Augen zuhielt. „Wer bin ich?“, säuselte ich ihm dabei verführerisch ins Ohr und pflanzte ihm einen Kuss aufs Haupt. „Da bist du ja schon, Hyde“, lautete seine Antwort, die vielleicht etwas seltsam war, da ich mich ja um einiges verspätet hatte. Aber mich juckte dies ebenso wenig wie Yous Reaktion an der Tür. Eben jener hatte sich übrigens direkt nach meinem Eintreffen nach draußen verkrümelt – das hatte ich beim Schuheausziehen noch mitbekommen – und das fand ich ziemlich gut. Freie Bahn für mich und Gackt und keine Gefahr, dass der genervte Mitbewohner mitten in der Nacht hereinplatzte, wenn man gerade Sex hatte, weil es ihm zu laut zuging. Ja, das war uns schon passiert und am Tag drauf hatte es auch etwas gedauert, bis ich You wieder in die Augen hatte sehen können. „Setz dich doch“, bot Gackt mir direkt an und klopfte mit der Hand auf das Polster neben sich. Ich ließ mir das natürlich nicht nehmen, sondern trat um das Sofa herum, stellte die Weinflasche auf den Tisch und kuschelte mich dann an Gackt, wobei ich die Arme um seine Taille schlang und ihm einen Kuss auf die Lippen setzte. Es war erst einmal einer der federleichten Sorte, aber so wie ich uns kannte, würde es nicht lange dabei bleiben, sondern recht schnell verlangender werden – besonders jetzt, da wir uns eine Zeit lang nicht gesehen hatten. Doch auch hier wurde ich enttäuscht, denn obgleich Gackt den Kuss erwiderte, tat er das nicht halb so leidenschaftlich, wie ich es erwartet hatte. Es war eher nur ein kleiner Schmatz, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder dem Fernseher zuwandte und sich auf den Film konzentrierte. Zwar schlang er dabei noch einen Arm um meine Taille, doch war das definitiv nicht das, auf was ich aus war. Ich blinzelte ihn verwirrt an und fragte nach ein paar Sekunden voller Stille: „Äh … war das denn schon alles?“ „Hm?“, machte Gackt und schaute mich wieder an. „Ich will mich ja nicht beschweren …“ Oh doch, das wollte ich. Und das tat ich ja eigentlich auch gerade, also wem wollte ich hier etwas vormachen?! „… aber deine Begrüßungen waren schon mal herzlicher. Und wir haben uns ja jetzt auch drei Wochen lang nicht gesehen und kaum miteinander geredet. Da dachte ich schon, dass du ein bisschen ungeduldiger wärst, mich endlich wieder zusehen … und alles andere auch.“ „Ah!“, machte Gackt darauf erst einmal, als wäre ihm das just in diesem Augenblick ebenfalls aufgefallen. Was zur- … ?! „Sorry, Hyde. Ich bin einfach ein bisschen müde von der ganzen Arbeit in der letzten Zeit. Ich war gestern von neun Uhr morgens bis zwei in der Nacht unterwegs und musste heute gleich wieder früh raus. Ich glaube, ich hab mir da ein bisschen viel zugemutet. Du hast mich vorhin aus dem Bett geholt, als du angerufen hast.“ „Oh, das tut mir leid!“, beeilte ich mich direkt mit einer Entschuldigung, „das wollte ich nicht. Aber wenn du so viel Schlaf nachholen musst, dann hättest du das doch sagen können.“ „Nein, es geht schon“, winkte er jedoch ab, „und du bist ja jetzt schon da – gleich wieder nach Hause zu fahren wäre Unsinn.“ Als er das sagte – selbst wenn es etwas teilnahmslos klang, aber ich schob das auf seine Müdigkeit – schlich sich wieder ein Lächeln auf meine Lippen. Er hatte recht: Ich war nun einmal da und würde es wahrscheinlich auch nicht aushalten, einfach so wieder abzuziehen … so vollkommen unverrichteter Dinge. „Dann sollten wir vielleicht gleich ins Bett gehen, wenn du so müde bist“, schlug ich direkt vor und verzog die Mundwinkel zu einem Grinsen. Wer dachte, dass meine Gedanken in diesem Moment von Unschuld gezeichnet waren, der würde falscher nicht liegen können. Gackt verstand natürlich, was ich damit meinte, denn er stieg sofort darauf ein: „Sehr gute Idee!“ Und dann lächelte auch er. Die Flasche Wein würden wir also an diesem Abend nicht mehr anbrechen, aber sie würde sich schon halten, bis sich wieder eine Gelegenheit bot. Jetzt schaltete Gackt auf alle Fälle den Fernseher aus, erhob sich und nahm dann meine Hand, um mich ebenfalls auf die Füße zu ziehen. Und auch danach ließ er sie nicht los, sondern zog mich hinter sich her in sein Schlafzimmer, selbst wenn ich den Weg nur zu gut kannte. Aber ich mochte es, seine Hand endlich wieder halten zu können. Seitdem mir klar geworden war, dass ich ihn liebte, und besonders jetzt nach unserer Zwangspause war mir diese doch eigentlich nur leichte Verbindung zwischen uns so unglaublich kostbar geworden. Gackt hielt meine Hand und ich die seine. Und ich hatte das Gefühl, dass wir uns – metaphorisch gesehen – nie wieder loslassen würden. Ich hatte ja keine Ahnung … Und als wäre es ein Omen gewesen – so wie der gesamte Abend eigentlich auch – ließ Gackt mich los, schloss die Tür hinter mir und begann, sich auszuziehen. Es machte mich etwas stutzig, denn wenn wir nicht ohnehin schon nackt gewesen waren (nach dem Duschen zum Beispiel), dann hatte das gegenseitigen Ausziehen immer mit dazugehört – immer! Und nun tat Gackt es selbst, anstatt mir an die Wäsche zu gehen? Wie sollte ich das denn nun auffassen? Dass er zu scharf auf mich war, als dass er sich noch großartig dem Vorspiel widmen und stattdessen gleich zur Sache kommen wollte? Irgendwie missfiel mir das. Und es missfiel mir sogar noch mehr, als er dann direkt in eine Pyjamahose schlüpfte, ohne auch noch einmal nach mir zu sehen. „Äh, Gackt …“, erhob ich das Wort, woraufhin er sich dann doch wieder zu mir umdrehte, „was tust du denn da?“ „Na, ins Bett gehen. Und du? Willst du heute in voller Montur schlafen?“ Er schmunzelte leicht, als er das sagte und mich nun auch endlich einmal musterte. „Du siehst in dem Outfit übrigens sehr gut aus. Steht dir wirklich.“ „Äh …“ Wie bitte? Das war alles? Nachdem ich mich extra verspätet hatte, um mich so für ihn aufzubretzeln, dass er mich am besten noch zwischen Tür und Angel ansprang und auf der Stelle vernaschen wollte? Das konnte doch nicht sein Ernst sein?! Was war denn heute nur mit ihm los? Konnte man denn wirklich – und erst recht nach einer dreiwöchigen Pause! – so müde sein? Stattdessen kam aber Folgendes aus meinem Mund: „Danke … ich zieh mich auch gleich aus.“ Und genau das tat ich dann, selbst wenn es mir ziemlich missfiel. Aber wenn Gackt müde war, was konnte ich da schon machen? Als ich anschließend zu ihm unter die Bettdecke schlüpfte, wieder einmal nur mit einem paar Shorts bekleidet, war er schon fast weggedriftet. Er schloss nur noch die Arme um mich, schmiegte sich an meinen Rücken und hauchte einen Gute-Nacht-Kuss in meinen Nacken, ehe er die Nase in meinen Haaren vergrub. Seine tiefen, gleichmäßigen Atemzüge kitzelten ein bisschen auf meiner Haut, aber ich dachte nicht einmal für eine Sekunde daran, dass sie es waren, die mich nicht schlafen ließen. Es lag eindeutig an der Enttäuschung. Oh, wie sehr wünschte ich mir, dass Gackts Hände in diesen Augenblicken nicht einfach nur ruhig auf meinem Bauch lagen, sondern stattdessen in südlichere Regionen wanderten, um mich nach Strich und Faden zu verführen. Ich wollte diese Hände überall spüren, ebenso wie seine Lippen. Ich wollte ihn in mir haben, dass er mich in den Wahnsinn trieb und mich zum Schreien brachte. Und ich wollte, dass er genauso nach mir verlangte wie ich nach ihm. Aber er tat es nicht, er schlief. Und ehe ich mich versah, war mein Glied schon ganz steif geworden. Verflucht! Allein durch die Gedanken daran! Ich seufzte entnervt und überlegte, was ich denn jetzt machen sollte. Ihn vielleicht doch noch dazu überreden? Es mir selbst machen? Kurz unter die Dusche springen? Nein, auf Letzteres hatte ich im Moment so gar keinen Bock und auch die zweite Möglichkeit war mir irgendwie zu blöd, wo doch mein Freund direkt neben mir im Bett lag. Ich bewegte mich etwas in der Umarmung, in der Gackt mich hielt, und drehte mich nur ein kleines Stück auf den Rücken, um ihn aus den Augenwinkeln anschielen zu können. Allerdings schien das auch schon zu reichen, um ihn wieder aufzuwecken, denn er blinzelte mich bereits wieder an, als ich in seine Richtung blickte. Zwar konnte ich nicht viel sehen, da nur das blasse Mondlicht durch die Ritzen der Jalousien schien, aber es war genug, um mitzubekommen, dass Gackts Augen offen waren. „Hast du irgendwas?“, fragte er leise und legte – der Position seiner Augenbrauen nach zu urteilen – die Stirn in Falten. Und in diesem Moment beschloss ich, einfach mit der Sprache herauszurücken. Man sollte doch über Probleme reden, wenn welche auftraten, richtig? „Ich hatte eigentlich gedacht, dass wir heute wieder miteinander schlafen würden“, äußerte ich meine Sorgen, „also … Sex und nicht nur nebeneinander liegen und schlafen. Wir haben doch jetzt schon länger nicht mehr durch meinen Stress mit meiner Abschlussarbeit.“ Daraufhin seufzte Gackt erst einmal tief und das beruhigte mich nicht gerade. Dann rieb er sich mit dem Handballen über das linke Auge und blinzelte mich kurz an, ehe er endlich etwas sagte, wobei ich nicht erkennen konnte, ob er lächelte oder nicht: „Dachte ich mir schon. Aber ich … es geht gerade wirklich nicht, Hyde, nicht diese Nacht. Sei mir bitte deswegen nicht böse, ja? Wenn ich morgen früh vor dem Aufstehen fit genug bin, dann kriegst du deine Zuwendung. Versprochen!“ „Hm …“ Ich spielte kurz mit dem Gedanken, ihm zu sagen, dass es bei mir für einen Rückzieher eigentlich schon zu spät war … aber ich ließ es dann doch, nachdem er mir nicht nur durch seine Handlungen, sondern auch direkte Worte mitgeteilt hatte, dass er nicht wollte. Ich liebte diesen Mann viel zu sehr, um ihn zu irgendwas zu drängen. Stattdessen setzte ich wieder ein breites Lächeln auf – ganz egal, ob er es sehen würde oder nicht, denn allein der Einfluss auf meine Stimme war entscheidend – und reckte den Hals, um ihm noch einen kleinen Kuss zu rauben. „Okay. Dann schlaf dich nur schön aus.“ Insgeheim hasste ich mich in diesem Moment dafür, dass ich trotzdem weiterhin so enttäuscht vom Ausgang des Abends war. Wenigstens löste sich mein kleines Problemchen dadurch von selbst und ich hatte immerhin noch die Aussicht auf morgen früh. Doch auch diese Hoffnung wurde zerstört, denn Gackt hatte vergessen, sich den Wecker zu stellen, wir verschliefen und er musste richtig hetzen, um mit so wenig Verspätung wie möglich im Tonstudio anzukommen. Und was eigentlich noch viel schlimmer war: Wir schliefen auch in der gesamten Woche darauf nicht miteinander, weil ihm immer wieder etwas dazwischenkam. Was war nur und wann würde es endlich wieder normal werden? tbc. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)