Kill this Killing Man II von Kalea (Höhen und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 25: Flagstaff --------------------- @ Vanilein - Ja ich liebe diese Erinnerung auch. Die musste einfach hier mit rein. 25) Flagstaff Plötzlich änderte sich die Szenerie. Irritiert schaute er sich um. Dieses Bild kam ihm wage bekannt vor, aber er konnte es nicht einordnen. Sein Bruder stand ein paar Meter vor ihm. Dunkle Wasserflecken machten sich auf seinen Schultern breit und die Haare klebten ihm am Kopf. Er musste schon eine ganze Zeit durch den noch immer fallenden Regen gelaufen sein. Aber warum? Der Impala stand auf dem Parkplatz. Daneben war ein heruntergekommener Pickup geparkt. Er wollte gerade auf seinen Bruder zugehen, um sich endlich bemerkbar zu machen, als er sah, wie der seine Schultern straffte und zur Tür ging. Ohne zu zögern öffnete er sie und betrat den Raum. Sofort stand auch Sam in dem kärglich eingerichteten Zimmer. Es erinnerte ihn immer mehr an Holbrook. „Hey“, grüßte Dean Bobby, der am Tisch saß und eine Tasse Kaffee in der Hand hielt. „Hallo, w...“, begann der Freund, wurde aber sofort von John unterbrochen, der gerade aus dem Bad kam. „Wo kommst du jetzt her?“, wollte der älteste Winchester auch sofort ungehalten wissen. „Ich ...“, begann Dean leise. „Und wo ist Sam?“, ließ John seinen Sohn nicht einmal zu Wort kommen. „Ich hab ihn den ganzen Tag gesucht“, versuchte Dean zu erklären. „Du hast ihn gesucht … Das heißt also er ist nicht bei dir?“ „Nein, Sir.“ „Und warum nicht?“, John wurde immer lauter. „Er ist weggelaufen.“ „Wann?“ „Vorgestern, als ...“ „Wie kann dein Bruder weglaufen, wenn du doch den Befehl hast ihn nicht aus den Augen zu lassen?“ Bobby erhob sich und ging nach draußen. Sam konnte sehen, wie gerne er eingegriffen hätte, doch das durfte er hier nicht. „Ich hab versucht Geld zu besorgen, damit ich ...“ „Ich habe euch Geld dagelassen. Das hätte reichen müssen, bis ich wieder hier bin! Wozu brauchtest du dann welches?“ Jetzt fiel es Sam wieder ein. Sie waren wirklich in Holbrook. Er hatte mit einem Klassenkameraden und dessen Eltern in ein Museum fahren wollen und sein Bruder hatte es ihm nicht gestattet. Er hatte zum Fußball spielen gehen wollen und Dean hatte es ihm verboten, weil Dad an dem Tag angeblich wiederkommen wollte. Er war es aber nicht. Sie hatten sich die ganzen Tage immer wieder gestritten. Worüber konnte er heute nicht mehr sagen und dann, als Dean ihm gesagt hatte, dass er nochmal weg müsste und er seine Hausaufgaben machen sollte, hatte es ihm gereicht. Er hatte seinen Rucksack gepackt und war weggerannt. „Du wolltest vor vier Tagen wieder da sein“, versuchte Dean einen kaum hörbaren Einwurf. „Jetzt ist es also meine Schuld, dass du nicht auf deinen Bruder aufpassen kannst?“ Dean zuckte wie unter einer Ohrfeige zusammen. Er starrte unsicher auf den Boden. „Nein, Sir“ „Schau mich an, wenn ich mit dir rede!“, forderte der älteste Winchester. Langsam hob Dean den Blick. „Du hast durch deine Unfähigkeit deinen Bruder verloren, jetzt sieh zu, dass du ihn wieder findest.“ „Ja, Sir!“ „Und lass dich ja nicht wieder blicken, bevor du ihn gefunden hast!“ John bedachte seinen Sohn mit einem Blick, der so voller Endtäuschung und Verachtung war, dass Dean zusammenzuckte, als hätte er einen weiteren Schlag einstecken müssen. Sam schluckte unbehaglich. Er war damals einfach nur froh gewesen, endlich diesen ewigen Gängelungen seines Bruders und damit auch denen seines Vaters entkommen zu sein. Heute sah er, was das seinem Bruder angetan hatte. Kurz fragte er sich, ob sich das hier jetzt auch für ihn zu einem Albtraum entwickelte. Er sah, wie sein Bruder den Kopf hängen ließ und aus dem Zimmer schlurfte. Sofort stand auch er wieder auf dem Parkplatz, auf dem Bobby auf Dean wartete. „Ich lasse den Pickup hier auf dem Parkplatz. Du weißt, wo der Schlüssel liegt. Wenn du Sam gefunden hast, fahrt ihr zu mir. John und ich kommen auch dahin“, redete Bobby eindringlich auf Dean ein und schob ihm mehrere Scheine in die Jackentasche. „Ich kann das nicht annehmen“, versuchte Dean das Geld zurückzugeben. „Du wirst es brauchen“, wehrte Bobby ab. Dean schniefte nur kurz, zog die Schultern gegen den strömenden Regen hoch und lief davon. Sam folgte ihm wie ein Schatten. Immer wieder überlegte er sich, wie er sich seinem Bruder zu erkennen geben könnte, doch wie sollte Dean ihm glauben? In seinen Augen war er gerade mal ein Teenager. Wie sollte er ihm erklären, dass er inzwischen ein erwachsener Mann geworden war? Seine Umgebung verschwamm und er fand sich an der Greyhound-Busstation von Holbrook wieder. Dean ging auf den Schalter der Busstation zu, straffte seine Schultern und holte ein Foto hervor. Sam stellte sich neben ihn, als der das Foto durch den Schlitz schob und die Frau so voller Hoffnung anschaute, dass die nicht anders konnte, als ihn anzulächeln. „Wie kann ich dir denn helfen?“, wollte sie wissen. „Haben Sie den Jungen schon mal gesehen? Vor ein paar Tagen vielleicht?“ „Nein, tut mir leid. Ich hatte Urlaub und hab heute gerade erst wieder angefangen.“ Der Winchester sackte regelrecht in sich zusammen. Das hier war seine letzte Hoffnung gewesen. „Aber ich kann meine Kollegin fragen. Die kommt in ein paar Stunden. Willst du dann noch mal wiederkommen?“ „Ich warte solange“, sagte Dean leise. Was blieb ihm auch anderes übrig. Er hatte die ganze Stadt abgesucht. Wenn er hier keine Spur von Sam fand, dann wusste er nicht mehr weiter. Er ging in die Wartehalle und ließ sich auf einem Stuhl nieder, der eher außerhalb der üblichen Reisenden stand. Zitternd zog er die Füße auf die Sitzfläche und legte seine Arme darum. Er fror erbärmlich. Die letzten zwei Tage hatte es fast ununterbrochen geregnet und er hatte keine Möglichkeit gehabt, seine Kleidung zu trocknen. Mit einem Seufzen blickte Sam auf seinen Bruder. Er hatte inzwischen herausgefunden, dass Dean ihn nicht sehen konnte. Einige Male war er vor ihm hin und her gelaufen, ohne dass der reagiert hatte. Er hoffte nur, dass er sich bemerkbar machen konnte, wenn es soweit war. Im Moment wusste er nicht einmal, wie er Dean erklären sollte, dass er sein kleiner Bruder war. Für ihn war er noch immer ein ganzes Stück kleiner und sah anders aus. So würde er ihn wohl eher für einen Dämon halten, ihm aber bestimmt nicht glauben. Die nette Kassiererin kam in den Wartebereich und schaute sich suchend um. Schnell hatte sie den Jungen entdeckt. Ihr Blick glitt musternd über die Gestalt. Sie machte die letzten Schritte auf ihn zu und sprach ihn an: „Dir ist doch kalt!“ Erschrocken riss Dean den Kopf hoch. Ein verwirrter Ausdruck lag in seinen Augen. „Nein Ma’am. Es geht“, antwortete er, da sie wohl darauf zu warten schien. „Komm mit. Wie haben eine Heizung und eine Couch, auf der du dich etwas hinlegen kannst.“ „Nein, ich will nur wissen, ob mein kleiner Bruder … Dann verschwinde ich wieder“, wiegelte Dean ab. „Bis dahin kannst du dich aber auch in unserem Aufenthaltsraum aufwärmen“, ließ sie seine Erklärung nicht gelten. Die Aussicht auf Wärme brachte Deans Widerstand ins Wanken. Er nickte ergeben, stemmte sich in die Höhe und folgte ihr. Für Sam war es schön zu sehen, dass es Menschen gab, die sich seines Bruders annahmen, wenn es seine Familie schon nicht tat. Er hatte sich damals absolut keine Gedanken über Dean oder seinen Vater gemacht, oder darüber, wie sie sein Verschwinden aufnehmen würden. Er hatte sich nur gut gefühlt. Keiner, der ihm etwas verbot. Keiner, der etwas von ihm wollte. Er hatte in den Tag hinein gelebt, sich hin und wieder etwas zu essen gestohlen und seine Freiheit genossen. Die Kassiererin drückte Dean auf einen Stuhl, hantierte kurz an einer Kaffeemaschine und schob ihm einen Becher dampfenden Kakao in die klammen Finger. „Trink in Ruhe und dann gehst du da nach hinten“, deutete sie auf eine Tür, „ziehst deine nassen Klamotten aus und verschwindest unter der Dusche. Danach kannst du dich hinlegen bis meine Kollegin kommt. So wie du aussiehst, kannst du ja kaum noch gerade stehen.“ Verwirrt schaute Dean zu ihr auf. „Hier wechseln die Fahrer. Einige schlafen hier, bevor sie am nächsten Tag weiter fahren“, erklärte sie ruhig. „Jetzt sind alle weg. Wir haben also mindestens ein Bett frei.“ „Danke“, nuschelte Dean und widmete sich seinem Kakao. Kaffee wäre ihm lieber gewesen, aber er wollte ihre Gastfreundschaft nicht noch weiter strapazieren. Wieder flackerte das Bild. Die Kassiererin rüttelte Dean an der Schulter, um ihn zu wecken. Sofort richtete der sich auf und blickte sie fragend an. „Meine Kollegin ist da. Deine Kleidung liegt trocken auf dem Stuhl.“ „Danke“, sagte Dean, strahlte sie warm an und erhob sich, um sich anzuziehen. Gleich darauf kam eine andere Kassiererin in den Aufenthaltsraum. „Du suchst jemanden?“, wollte sie wissen und nahm sich eine Tasse Kaffee. „Ja, meinen Bruder.“ Dean kramte das Bild hervor. „Der Kleine war vor ein paar Tagen da. Es muss Nachmittag gewesen sein. Er lief unruhig hier herum und als ich ihn ansprach, wohin er den wollte, hat er eine Fahrkarte nach Flagstaff gekauft.“ „Flagstaff?“ „Ja.“ „Dann hätte ich auch gerne eine“, erklärte Dean und kramte Geld aus der Tasche. Die nächsten Tage brachte Sam damit zu, Dean bei seiner Suche zu beobachten. Jeder noch so kleine Misserfolg schien sich zu einer Katastrophe auszuwachsen und wirkliche Erfolge waren nicht in Sicht. Ein paar Mal hatte er sich seinem Bruder in den Weg gestellt, doch der war nur um ihn herumgelaufen. Selbst als er ihn angerempelt hatte, hatte Dean zwar auf ihn reagiert, sein Blick war jedoch eher unfokussiert durch ihn hindurch gegangen. Er würde ihn also regelrecht festhalten müssen, um ihn zu zwingen, sich mit ihm zu befassen. So sehr er sich auch wünschte, dass Dean endlich aufwachte, so sehr gönnte er ihm aber auch den Erfolg, ihn gefunden zu haben, zumal er wusste, dass Bobby in der realen Welt auf sie Acht geben würde. Allerdings wurde es ihm nicht leicht gemacht, dieses Vorhaben auch wirklich durchzuziehen, als er sah, wie Dean sich, schon wieder bis auf die Haut durchnässt, in einem Hauseingang verkroch, um ein paar Stunden Ruhe zu finden. Es hatte die ganze Zeit fast nur geregnet. Damals waren ihm diese zwei Wochen eher wie ein Wimpernschlag vorgekommen. Heute bettelte er um jede vergangene Stunde. Inzwischen hatte Dean die halbe Stadt abgesucht. Er war immer wieder zur den Orten zurückgekehrt, an denen er Sam vermutete. Museen, die Bibliothek und eine wissenschaftliche Ausstellung. Sam schüttelte den Kopf. Sein Bruder hatte eine hohe Meinung von ihm. Er war nie an diesen Orten gewesen. In diesen zwei Wochen hatte er es einfach nur genossen allein zu sein. Er war damit zufrieden gewesen, dass ihm niemand sagte was er zu tun oder lassen hatte. Sobald die Museen und die Bibliothek ihre Pforten schlossen, machte sich Dean auf, und durchstreifte die Randgebiete der Stadt. Und da fand er ihn dann auch. Der kleine Sam kam gerade von einem Beutezug, wie er es nannte, zurück. Er hatte einem dicken Mann einen kleinen Teil seiner Einkäufe entwendet, als der nicht hingesehen hatte. Stolz drückte er seinen Schatz unter seiner Jacke an seinen Bauch. Zwiebelringe und Cola und ein paar Kauknochen für Bones, seinen Hund. Der Golden Retriever war eines Morgens plötzlich da gewesen und da er sich schon immer einen Hund gewünscht hatte, hatte er es nicht übers Herz gebracht, ihn wieder wegzuschicken. Dean, der die Hütte in der Sam lebte, gerade wieder verlassen hatte, sah ihn kommen und duckte sich hinter einen Sandhaufen. Er konnte sein Glück kaum fassen. In der Hütte hatte er jede Menge bunter Postkarten gefunden, Pizzakartons und es hatte nach Hund gerochen. Diese Hütte hätte jeder bewohnen können, aber nie im Leben hätte er auf Sam getippt. Obwohl ihn ein unerklärliches, warmes Gefühl dazu bewegen wollte, hier zu bleiben. Er wartete, bis Sam in der Hütte verschwunden war und schlenderte ruhig zur Tür. Wie sehr musste er sich zusammenreißen, um nicht zu rennen. „Hey“, grüßte er, kaum dass er die Tür geöffnet hatte und eingetreten war. Erschrocken starrte ihn der kleine Sam an. „Wir sollten hier verschwinden.“ „Nein. Vergiss es. Ich werde nicht mitkommen. Ich bin hier glücklich!“, schrie der Kleine wütend. Dean nickte nur. Er lehnte sich an die Tür und ließ sich auf den Boden sinken. „Dann bleibe ich auch hier“, sagte er, lehnte seinen Kopf an das Holz und schloss die Augen. Er war viel zu müde, um zu streiten. Sam konnte sich noch gut an seine Gefühle damals erinnern. Wie sehr hatte er Dean in diesen Minuten gehasst. Heute sah er wie erschöpft sein Bruder war. Er hatte sich nicht an der Tür niedergelassen, um ihn zu ärgern oder zu kontrollieren. Er war einfach zu fertig, um noch länger stehen zu können. Nur die Suche nach ihm und die Hoffnung ihn zu finden hatten seinen Bruder noch aufrecht gehalten. Letztendlich hatte er nachgegeben. Was war ihm auch anderes übrig geblieben. Die Fenster waren vernagelt und sein Bruder hockte an der Tür. Für ihn gab es kein Entkommen. Sie waren zurück nach Holbrook gefahren, hatten Bobbys Pickup genommen um nach Sioux Falls zu kommen. „Wieso hat das so lange gedauert“, war Dean damals von John angefahren worden, kaum dass sie durch die Tür getreten waren. „Was habt ihr die ganze Zeit getrieben?“, hatte John noch mehr Salz in die Wunde gestreut und Dean mit einem Blick gemustert, der diesem wahrscheinlich wie eine weitere Ohrfeige vorgekommen sein musste. Noch heute konnte er sich an die Endtäuschung und Missachtung erinnern, die darin gelegen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)