Kill this Killing Man II von Kalea (Höhen und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 19: Ein Gruselkabinett ------------------------------ 19) Ein Gruselkabinett Inzwischen war es fast fünf und Dean hatte das Buch noch immer vor der Nase. Immer wieder rieb er sich seine brennenden Augen und versuchte die verspannten Schultern zu lockern. Immer wieder musste er einen Absatz erneut lesen oder nach anderen Wörtern suchen, um ihn überhaupt verstehen zu können, doch so langsam lösten sich Einzelheiten aus der Geschichte. Der Tod seiner Tochter hatte den alten Brauer fast wahnsinnig werden lassen vor Kummer. Er hatte sich spätestens da mit dunklen Mächten eingelassen. In der Nacht war dieser unheimliche Mann wieder hier gewesen. Gemeinsam mit meinem Mann ist er in der Werkstatt verschwunden. Ich habe gehört, wie sie in einer fremdartigen Sprache Beschwörungen murmelten. Feuer flammte auf und ich habe gesehen, wie sich Schatten zusammenzogen. Ich dachte mein Herz würde aufhören zu schlagen. So schnell ich nur konnte, bin ich ins Haus zurück gelaufen und zu Bett gegangen. Mein Mann kam in dieser Nacht nicht mehr. Heute Morgen habe ich ihn in der Werkstatt gefunden. Er sah furchtbar aus. Auf der Werkbank vor ihm lag eine neue Marionette. Sie glich unserer Sophia bis aufs Haar. Dean war sich sicher, dass Brauer sich mit einem Dämon eingelassen hatte. Wieder habe ich Konrad mit Sophia reden hören, doch wie immer, wenn ich die Werkstatt betrete, liegt vor ihm nur diese gottlose Marionette! Was hat er nur getan? Er schläft kaum noch und läuft herum wie ein Getriebener. Georg unser Ältester hat sich heute gegen ihn gestellt, hat ihm erklärt, dass er es nicht mehr aushält, im Dorf wie ein Aussätziger behandelt zu werden, und uns verlassen wird. Er hat um seines Vaters Segen gebeten. Und ein paar Seiten weiter standen weitere erschreckende Zeilen. Heute ist auch Hartmuts Platz leer geblieben. Auch er hatte, seinen Brüdern gleich, den Vater um seinen Segen gebeten, auch er wollte diesen Ort der Trauer verlassen und auch ihm hatte Konrad diesen Segen verwehrt. Und wieder liegt eine neue Marionette in der Werkstatt. Wie lange wird es noch dauern, bis auch ich auf dieser Werkbank liegen werde? Dean ließ sich erschöpft nach hinten fallen. Er hatte genug gelesen. Zu gerne würde er sich jetzt einfach hier zusammenrollen, ein paar Stunden schlafen und dann Sammy holen. Doch er war ein Jäger und als solcher durfte er sich eben nicht nur nach seinen Wünschen richten. Für ihn stand fest, dass dieser Brauer einen Pakt geschlossen hatte. Warum er aus seiner Familie Marionetten gemacht hat, wollte sich ihm nicht erschließen. Fest stand jedoch, dass er alle Puppen verbrennen musste und zwar möglichst noch in dieser Nacht. Er gähnte, steckte sich noch einmal und holte sich seine Jacke. Dean parkte den Impala wieder hinter Sträuchern, hinter denen er ihn schon am vergangenen Nachmittag abgestellt hatte und bewaffnete sich mit Schrotflinte, Salz und einem Kanister voll Benzin. Geräuschlos schlich er durch die Dunkelheit ins Haus. Den Kamin sicherte er mit Dämonenfallen und einer breiten Salzlinie ab und entfachte ein Feuer darin. Hier würde er jede einzelne Puppe verbrennen. Als das Feuer brannte, ging er in den Keller. Einen Exorzismus murmelnd kippte er Salz in die Truhe und schleppte sie dann nach oben. Ein paar Stufen protestierten ächzend, als er mit seiner Last auf sie trat und bei zweien befürchtete er, dass er, gleich Sam, durchtreten würde. Wie konnte eine Kiste voller Puppen nur so schwer sein? Erleichtert atmete er auf, als die Kiste vor dem Kamin, innerhalb der schützenden Dämonenfallen stand. Wenn der Dämon, mit dem Brauer seinen Pakt, oder was auch immer, geschlossen hatte, jetzt nicht durch den Kamin kam, sollte er hier sein Vernichtungswerk in Ruhe beenden können. Von jeder Marionette machte er mehrere Fotos. So echt wie die aussahen, hatten die vielleicht ja reale Vorbilder, die sie so vielleicht finden konnten, immerhin waren einige dieser Puppen mit Jeans oder Hemden bekleidet, die es damals eigentlich noch nicht gegeben haben konnte. Danach bestreute er sie noch einmal mit Salz und exorzierte sie, bevor er sie in den Kamin warf. Endlich war nur noch die Puppe des alten Brauer übrig. Ein letztes Mal ratterte Dean den Exorzismus herunter, kippte ordentlich Salz darüber und warf sie in das tanzende Feuer. Wie auch bei den anderen Marionetten leuchtete das Feuer grell blau auf, als sie die Flammen erfassten. Das Holz knackte und die Flammen tanzten über den Körper, bis der in der Mitte zerbarst und eine zähe schwarze Masse brodelnd aus dem Inneren drang. Deans Nackenhaare richteten sich auf und ein eisiger Schauer rann über seinen Rücken. Durch den Schornstein drang ein gequältes Stöhnen und trieben Flammen und Asche in Deans Richtung. Erschrocken ließ er sich fallen. Durch die Mauern dröhnte ein gehässiges Lachen. „Wir werden ja sehen, wer hier zuletzt lacht“, knurrte der Winchester. Er wartete noch bis das Feuer fast runtergebrannt und von den Marionetten nur noch glimmende Stücken übrig waren, dann schob er die Truhe bis an den Kamin und schüttete etwas Benzin darüber. Gierig leckten die Flammen daran. Dean nahm sich den Benzinkanister und ging zur Kellertreppe. Großzügig schüttete er den Brandbeschleuniger darüber und warf ein brennendes Streichholzbriefchen hinterher. Bellend erwachten die Flammen zum Leben. Der Winchester verließ das Haus und schaute sich um. Das Nebengebäude, in dem er die Werkstatt vermutete, war zu weit weg. Die Flammen würden wohl kaum bis dahin reichen. Er warf noch einen sichernden Blick ins Haus. Noch war vom den sich langsam ausbreitenden Feuer nicht viel zu sehen. Noch hatte er Zeit bis die Feuerwehr eintreffen würde. Die Tasche mit den Waffen auf der Schulter zurechtrückend ging er zu dem Nebengebäude hinüber. Der Schein seiner Taschenlampe zuckte über die Wände. Auch hier hatte der Verfall kaum sichtbare Spuren hinterlassen. Nichts ließ darauf schließen, dass auch dieses Haus schon Jahrzehnte ohne Bewohner war. Der Winchester legte seine Hand an die Tür und drückte sie vorsichtig etwas weiter auf. Die Angeln protestierten laut knarrend. Automatisch zuckte Dean zusammen. Eigentlich konnte ihn hier keiner hören, trotzdem war ihm dieses Geräusch, obwohl er es erwartet hatte, unangenehm. Der Schein seiner Taschenlampe wanderte langsam durch den Raum und traf die Werkbank, die vor einem Fenster stand. Deans Nackenhaare stellten sich auf und ein unangenehmes Kribbeln rann über seinen Körper. Hier war das Übernatürliche mit Händen greifbar! Während der ganze Raum aussah, als ob hier schon ewig niemand mehr gewesen war, alles war von einer dicken Staubschicht überzogen, von der Decke und in den Ecken hingen Spinnweben wie Schleier, sah diese Werkbank aus, als hätte sie jemand nur für eine kurze Pause verlassen. Die Messer und Meißel waren blank poliert und ein kurzer, prüfender Griff verrieten ihm, dass sie so scharf waren, als wären sie gerade erst geschliffen worden und am Fenster lag ein Holzstück, dass schon einige Konturen eines Körpers erkennen ließ. Das Schlimmste jedoch war ein fertig gestellter Körper und ein grob bearbeiteter Kopf, der noch mit niemandem eine Ähnlichkeit aufwies, dessen Konturen jedoch schon gut erkennbar waren. Wangenknochen, Augen, Nase. Er wollte nicht wissen, was sich hier abspielte. Voller Abscheu erschauerte er. Ohne weiter nachzudenken holte er das Salz aus seiner Tasche und verteilte es über der angefangenen Puppe und der Werkbank, den Rest streute er in dem Raum aus. Einen Exorzismus runterrasselnd ertränkte er die Werkbank mit dem restlichen Benzin. Kaum war er fertig, entzündete er einen alten Lappen und warf ihn auf die Puppe. Schnell griff das Feuer um sich. Im flackernden Tanz der Flammen sah es fast so aus, als ob sich der kopflose Körper vor Schmerzen wand. Pfeifend und knackend zerbarsten die hölzernen Teile der unfertigen Puppe fast gleichzeitig. Wieder quoll diese schwarze, teerartige Pampe aus dem Riss. Fasziniert starrte Dean auf das Schauspiel, das sich ihm hier bot. Ein erleichtertes Stöhnen lief durch die Werkstatt. Und wieder stellten sich Deans Nackenhaare auf. Wie konnten diese Aktivitäten hier nur so lange unentdeckt bleiben? Das Feuer leckte an den staubtrockenen Holzwänden. Die schwarze, teerige Masse brodelte. Eine riesige Stichflamme fauchte Dean entgegen, als diese sich entzündete und zwang ihn auf den Boden. Hastig kroch er aus der Feuerhölle. Auch das Haus brannte inzwischen lichterloh. Er hetzte zu seinem Wagen. Ungesehen brachte er den Impala auf die Straße und trieb ihn in halsbrecherischer Geschwindigkeit weg von dem flammenden Inferno. Auf keinen Fall wollte er damit in Verbindung gebracht werden. Eine Stunde später fuhr er, in aller Ruhe, auf die Brandstelle zu. Rot-blaue Lichter zuckten durch den erwachenden Morgen. Feuerwehren versperrten fast die gesamte Straße. Noch waren die Löscharbeiten in vollem Gange. Unbeachtet erreichte er ihr Motel und ließ sich, nach einer ausgiebigen Dusche wenigstens für ein paar Stunden in sein Bett fallen. Unter der Dusche hatte sich Dean überlegt, dass er jetzt viel lieber für ein paar Stunden ins Bett kroch, als nach Pueblo zu fahren und Ärzte und Architekten zu belästigen. Der Fall war erledigt. Niemand würde mehr in dem Haus zu Schaden kommen. Warum also noch weiter bohren und sich vielleicht doch noch verdächtig machen? Wenn Sammy unbedingt noch mehr Einzelheiten wollte, könnten sie immer noch losziehen, zumal er diese Art der Ermittlungen eh lieber seinem kleinen Bruder überließ. Der konnte das einfach besser. Dean‘s Handy war kurz davor vom Nachtisch zu fallen, als es dem Winchester endlich gelang seine Augen einen Spalt breit zu öffnen. Er fühlte sich noch immer wie erschlagen. Immerhin schaffte er es, sein Handy vor dem Sturz auf den Boden zu retten. Sich kurz streckend kämpfte er sich auf die Füße und begann sich anzuziehen. Immer wieder musste er gähnen und er beschloss, dass er diese Nacht mit Sicherheit in seinem Bett und schlafend verbringen würde. Aber jetzt wollte er seinen kleinen Bruder holen und mit ihm essen gehen. Sein Magen hing ihm bis in die Kniekehlen. Er warf sich noch ein paar handvoll Wasser ins Gesicht und machte sich dann auf den Weg. „Du bist schon zurück?“, fragte Sam ungläubig, als Dean sein Zimmer betrat. Er hatte höchstens die Ärztin erwartet. „Ich war gar nicht los“, antwortete der Ältere und unterdrückte ein Gähnen. „Du … Was ist mit dir?“, unterbrach sich Sam und musterte seinen Bruder intensiv. Dean sah alles andere als gut aus. „Bin okay.“ „Dean, bitte! Nicht schon wieder diese Lüge.“ Der ältere Winchester verdrehte nur die Augen. „Ich hab heute Morgen die Feuerwehr gehört. Der Einsatz geht nicht zufällig auf dein Konto?“ Über Deans Gesicht huschte ein Koboldgrinsen. Doch viel zu schnell wurde er wieder ernst. „Erzählst du mir warum du nicht nach Pueblo gefahren bist und warum die Feuerwehr ausrücken musste?“ „Der Fall ist erledigt. Niemand wird mehr in dem Haus zu Schaden kommen!“ „Aber wir waren uns doch einig, dass du das Haus nicht abbrennen solltest!“ „Du warst dir einig. Ich hab lediglich zugestimmt, dass ich das Haus an dem Tag nicht abbrenne.“ „Und wenn der Totengräber jetzt frei ist?“ „Ist er nicht!“, erklärte Dean ernst. „Woher willst …“ Ein kurzes Klopfen unterbrach Sam. „Oh, Mr. MacInnes, Sie sind auch schon hier“, begrüßte Dr. Mahlkemper den älteren Winchester. „Hallo Doc. Wie sieht’s aus? Kann ich die Nervensäge noch hier lassen, oder haben Sie genug von ihm?“ Dean zwinkerte ihr zu. Sam schnaufte beleidigt. „Wenn es nur darum ginge, aber ich wäre schon froh, das Bett wieder frei zu bekommen.“ „Das heißt also, dass er gesund ist?“ „So würde ich das auch wieder nicht sagen.“ Sie lachte die Brüder offen an und wandte sich dann an Sam. „Versprechen Sie mir, dass Sie sich schonen! Keine langen Autofahrten, keine langen Spaziergänge und in Abrisshäusern sollten sie auch nicht rumkriechen.“ „Das hatte ich nicht vor“, erklärte Sam und schaute zu seinem Bruder, der nur kurz mit den Schultern zuckte. Ein Flackern war in dessen Augen zu sehen, und er fragte sich, was sein Bruder hatte. „Schonen Sie sich noch ein paar Tage und legen den Fuß hoch, dann sollten Sie wieder fast wie neu sein.“ „Danke Dr. Mahlkemper.“ Sie nickte, reichte den Brüdern die Hand zum Abschied und verschwand mit wehendem Kittel. „Hast du Hunger?“, wollte Dean wissen, kaum dass sich die Tür geschlossen hatte. „Ich denke schon.“ „Du denkst schon? Wie kann man nicht wissen, ob man Hunger hat?“ Dean schaute etwas unglücklich zu seinem Bruder. Entschuldigend blickte Sam seinen Bruder an. Klar, dass der mit so einer wagen Äußerung nichts anfangen konnte. Dean hatte immer Hunger. „Du reagierst wie jemand, der mehr als einmal hungern musste.“ Ein Grinsen huschte über Sams Gesicht, bis Deans Blick ihn streifte. Für einen Lidschlag lag etwas in dessen Augen, dass Sam als „was weißt du schon“ identifizierte. „Du weißt was Hunger ist“, stellte er erschrocken fest. „Aber wann?“ „Ist das nicht egal? Ich würde gerne jetzt was essen gehen!“ Sam nickte betrübt. Wieder etwas, das sein Bruder in sich hineinfraß. Er rutschte vorsichtig zum Bettrand und stellte die Füße vorsichtig auf den Boden. „Könntest du mir meine Sachen geben oder soll ich so mitkommen?“, versuchte er die Stimmung etwas aufzulockern. „Hätte doch mal was oder?“, ging Dean auch sofort darauf ein. Er stand auf, schob seinen Stuhl beiseite und ging zu dem einzigen Schrank. „Hier. Brauchst du Hilfe?“ „Ich hoffe nicht“, erwiderte Sam und begann sich umzuziehen. „Ich warte draußen und …“ „Kannst du hier bleiben? Ich weiß nicht, ob ich meinem Knöchel viel zumuten kann.“ Dean nickte. Zu gerne hätte er jetzt wenigstens einen, wenn auch widerlichen, Automatenkaffee getrunken, nur um überhaupt die Augen offen zu halten. Was war nur mit ihm los? Ja, er hatte in den letzten Nächten wenig Schlaf bekommen, aber deswegen dürfte er doch nicht so müde sein, oder? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)