Kill this Killing Man II von Kalea (Höhen und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 9: Eine gewagte Idee ---------------------------- 9) Eine gewagte Idee Schweigend warteten die Männer, bis sich Jody sich ein wenig beruhigt hatte und sie unsicher anschaute. Doch sie sah keine Verachtung für ihre Schwäche. Sie sah bei beiden nur Verständnis und Trauer, die nur jemand empfinden konnte, der selbst in dieser Situation gewesen war. In diesem Moment verstand sie zwar noch nicht, was genau ein Jäger war, aber sie verstand, was die Männer dazu getrieben haben musste, Jäger zu werden. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, schniefte kurz und versuchte gleich darauf ein entschuldigendes Lächeln. Mit einem Schluck kippte sie ihren Whiskey hinunter und schob das Glas zu Bobby. „Kann ich noch einen bekommen?“, fragte sie mit rauer Stimme und er füllte ihr Glas wieder auf. Sie zog das Glas zu sich. Lange starrte sie in die goldene Flüssigkeit. „Was kann ich denn machen? Niemand wird mir glauben, dass ich meinen Mann nicht getötet habe.“ „Wir glauben dir!“, sagte Bobby. „Ja, aber ihr spielt in meiner Welt keine bedeutende Rolle. Ihr seit Kleinkriminelle, die mit Waffen rumlaufen, in Büchereien einbrechen und die ich hin und wieder verhafte.“ Dean zog eine Augenbraue hoch und blickte den Freund fragend an, doch der zuckte nur mit den Schultern und grinste entschuldigend. „Wie wichtig ist dir ein Ort zum Trauern?“, fragte Dean ruhig. „Es geht, warum?“ „Die Gasleitung könnte defekt sein und das Gas explodierte als er sich einen Kaffee kochen wollte.“ „Ich hatte gestern und heute frei. Ich hätte Zuhause sein müssen!“ Eine Weile herrschte Schweigen. Bobby blickte von ihr zu Dean und sah, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Der Junge brütete einen Plan aus, oder er war schon dabei sich zu überlegen, wie er ihn am besten präsentieren konnte. „Spuck es aus!“, forderte er. „Ich weiß nicht. Das wird euch wahrscheinlich nicht gefallen.“ „Spuck es aus“, forderte Bobby noch einmal und betonte dabei jedes Wort. Auch Jody blickte ihn an. „Was habe ich denn noch zu verlieren?“ „Deinen Ruf? Dein Zuhause, dein Ansehen?“ „Das ist doch eh schon alles ruiniert. Egal was du für eine Erklärung bietest, ich kann nur gewinnen. Ohne eine glaubhafte Erklärung werde ich demnächst im Gefängnis sitzen. Und dann …“ Sie ließ den Satz offen und doch wusste jeder, was sie sagen wollte. Dean holte tief Luft. Die Idee, die in seinem Kopf herumspukte war gewagt, aber was sollte es. Wer nicht wagte, der nicht gewann. „Was, wenn du mit dem alten Brummbären hier ein Verhältnis hättest?“ Sofort wollten beide Zuhörer protestieren doch Dean wehrte sie mit einer Handbewegung ab und fuhr fort: „Deine Ehe war nach dem Tod eures Sohnes am Ende, nur noch für die Öffentlichkeit und das Wichtigste, du warst die letzten Tage hier. Dass Sam und ich hier wohnen weiß keiner. Dass wir hier sind auch niemand. Es weiß ja kaum einer, dass es uns überhaupt gibt. Für die Menschen hier gibt es also kein Hindernis für ein paar schöne Stunden. Bobby hat dich nach Hause gebracht und du warst gerade dabei das Haus zu betreten, als das Gas explodierte und du bist von herumfliegenden Glassplittern getroffen worden. Bobby war sofort bei dir und hat dich zu einem Arzt gebracht und die Feuerwehr angerufen. Er konnte nicht mehr tun, da das Haus lichterloh brannte. Wie gesagt, es ist verrückt und zumindest dein Ruf ist dann im Eimer, Jody. Aber du hättest deine Freiheit, deinen Beruf und den sinnlosen Tod deines Mannes erklärt. So und jetzt könnt ihr mich steinigen oder rauswerfen!“ Dean blickte schief grinsend von einem zur anderen. „Ich weiß nicht“, sagte Bobby nach einer Ewigkeit. So schlecht fand er die Idee an sich nicht, aber was würde Sheriff Mills dazu sagen? Irgendwie war es ihm wichtig, sie nicht zu überfahren. „Und wie soll das denn mit der Explosion gehen?“, wollte sie wenig überzeugt wissen. „Ich bin Automechaniker und Jäger. Ich denke das würde ich hinkriegen.“ „Zuerst sollten Sam und ich aber diesen Bellows vernichten.“ „Das machen wir heute Nacht“, schaltete sich der jüngere Winchester, in der Tür stehend ein. Er blickte sich in der Runde um und sah den Whiskey. „Hab ich was verpasst?“ „Bobby hat mit Jody ein Verhältnis“, sagte Dean. „Bobby hat was?“ „Dean!“ „Ich hab kein …“, reagierten die anderen der Reihe nach. „Naja, wir haben überlegt, wie Jody am besten aus der Sache rauskommt. Das und der Vorschlag einer Gasexplosion in Jodys Haus zur Beseitigung der Leiche ihres Mannes waren mein Beitrag dazu.“ „So schlecht klingt das gar nicht“, überlegte Sam. „Sam!“, polterte Bobby. „Warum nicht. Die Leiche deines Mannes muss erklärt werden, sonst bist du auf ewig eine Gejagte und wenn du nicht in unser Business einsteigen und nur noch in Motelzimmern leben willst, macht es so am meisten Sinn“, stimmte er seinem Bruder zu. „Was ist dabei? Wenn das Haus weg ist, musst du irgendwo wohnen. Sam und ich verkrümeln uns und du wohnst für eine Zeit hier. Platz wäre genug, oder in einem Motel und ihr besucht euch hin und wieder. Das wird schon gehen. Immerhin kratzt ihr euch nicht die Augen aus. Nach einer Weile lasst ihr es im Sande verlaufen und irgendwann war es nur eine Episode in eurem Leben. Die meisten Menschen werden es schon verstehen, denke ich. Du brauchtest Zuspruch nach dem Tod deines Sohnes und Bobby war schon länger alleine. Irgendwie hat sich da was ergeben …“ „Du schaust eindeutig zu viele Seifenopern, oder kam das bei Dr. Sexy?“, stichelte Sam gutmütig. „Woher soll ich denn wissen, wie Menschen reagieren? Ich hatte nie ein Leben im Gegensatz zu gewissen anderen Personen!“, fauchte der ältere Bruder, sprang auf und verließ die Küche. Sam starrte auf die zuschlagende Tür und schaute dann zu Bobby, doch der zuckte nur mit den Schultern, als wollte er sagen: Das hast du verbockt, jetzt bieg es auch wieder grade. „Ich werd mal nach ihm schauen“, sagte er leise und folgte seinem Bruder. „Was war das denn?“, fragte Jody interessiert. Bobby schüttelte traurig den Kopf und hoffte, dass sie es auf sich beruhen lassen würde. Doch sie tat ihm den Gefallen nicht. „Er hat gesagt ’wie Menschen reagieren’. Aber er ist doch auch ein Mensch!“ „Er ist einer der besten und menschlichsten Menschen, die ich kenne. Ich würd jederzeit mein Leben in seine Hände legen.“ „Aber warum sagt er dann sowas?“ „Dir das zu erklären, würde dich in eine Welt führen, von der du besser nichts weißt.“ „In dieser Welt bin ich doch schon gelandet.“ „Du hast noch nicht einmal an der Oberfläche gekratzt!“ „Und wenn ich es trotzdem wissen möchte?“ Bislang war er für sie nur das, was sie Dean vorhin schon gesagt hatte. Ein Kleinkrimineller mit Hang zu Alkoholismus, den sie hin und wieder verhaftete. Und jetzt saß sie hier bei ihm, in einem neu renovierten Haus, dass er sich mit zwei Brüdern zu teilen schien und stellte fest, dass der Mann eben nicht nur ein einfacher Kleinkrimineller war. Natürlich war da mit Sicherheit noch so etwas wie das Stockholm-Syndrom, auch wenn er sie nicht entführt sonder ihr geholfen hatte. Diese Hilfe, die sie ihr gaben, machten ihn mit Sicherheit auch noch ein bisschen interessanter. Außerdem war sie schon immer neugierig gewesen und hier bot sich ihr ein Blick auf eine Welt, die parallel zu ihrer existierte und der vielleicht einige ungelöste Fälle erklären könnte. Herausfordernd sah sie ihn an. „Dean war von klein auf in die Recherche und die Fälle seines Vaters involviert. Er musste sich um Sam kümmern, er hat John versorgt, wenn der verletzt wiederkam. Dean war immer der Starke in der Familie. Er hat immer versucht diesen Rest der Familie zusammen zu halten und Sam eine halbwegs heile Familie zu geben. Das Kind musste in dem Moment erwachsen sein, als John wenige Wochen nach Marys Tod mit der Jagd auf den Mörder begann. Er musste schon als Kind ein Jäger sein und wurde von seinem Vater zum perfekten Soldaten ausgebildet, neben Schule und der Aufsicht über Sam. Er kennt Familienleben nur aus dem Fernsehen. Aber das Traurigste ist, dass Dean eher zu verstehen scheint, wie das Übernatürliche tickt, als die Reaktionen von Menschen. Menschen sind für ihn unberechenbar. Er kann sie lesen, sie manipulieren aber er weiß nicht, wie es hinter dem weißen Gartenzaun zugeht und ich denke, tief in ihm drin wünscht er sich, dass zu wissen. Er hat mit Sicherheit ein paar Erinnerungen an die Zeit bevor seine Mom starb, die genau diesen Wunsch in ihm tief verankert haben. Ich ...“, er schüttelte den Kopf. Deans Innenleben war kompliziert. „Das ist … Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Und jetzt?“ „Jetzt warten wir, dass er das Thema mit sich ausmacht und wieder ins Haus zurückkommt.“ „Aber wir müssen doch ...“ „Nein. Wir werden ihn nicht darauf ansprechen“, fiel ihr Bobby ins Wort, „denn wenn wir ihn drauf ansprechen, macht er auf dem Absatz kehrt. Dean kann und konnte mit Gefühlen noch nie gut umgehen und mit Erinnerungen auch nicht. Er muss von selbst reden wollen, sonst macht er für immer dicht.“ Sie nickte zwar, konnte es aber nicht verstehen. Daran würde sie noch eine ganze Weile zu knabbern haben. Wie konnte man seine Kinder so behandeln? „Und jetzt?“, wollte sie wissen. „Kommt drauf an, was Du zu Deans Vorschlag sagst?“ „So verkehrt klingt er gar nicht. Auch wenn ich nicht weiß, ob uns jemand ein Verhältnis abnimmt. Auf jeden Fall ist es besser, als im Gefängnis zu landen, für etwas, das ich nicht getan hab.“ Sam war inzwischen durch die Reihen der Wracks gegangen und hatte nach seinem Bruder Ausschau gehalten. Er hatte ihn in der hintersten Ecke des Schrottplatzes gefunden. „Dean?“ Langsam drehte sich sein Bruder um. Doch Sam konnte sehen, dass seine Gedanken noch ganz woanders waren. Fragen würde jetzt nichts bringen, dass wusste er aus Erfahrung, also setzte er sich einfach daneben und wartete. Entweder würde Dean reden, oder aber er würde einfach aufstehen und wieder ins Haus gehen. Egal was, er wollte seinem großen Bruder dabei Gesellschaft leisten. Früher hatten sie oft einfach nur auf der Motorhaube des Impalas gesessen und mit einer Flasche Bier schweigend in den Sternenhimmel geschaut. Er warf einen kurzen Blick auf seinen Bruder und fragte sich woran der wohl dachte. Dean hatte schon fast verzweifelt versucht nicht an seine Vergangenheit, an seine verkorkste Kindheit, zu denken. Doch er hatte keinen Erfolg gehabt. Damals war es ihm gar nicht so vorgekommen, als wäre seine Kindheit verkorkst gewesen. John war seine Familie, sein großes Vorbild. John wusste alles und er hatte immer Recht. Und jetzt? Er hatte noch immer keine Ahnung davon, was das richtige Leben ausmachte, aber jetzt begann er sich zu wünschen, dieses Leben nicht nur aus dem Fernsehen zu kennen. Der Sommer hatte ihm gezeigt, dass es auch ohne Monster ging. Aber wollte er das? Durfte er das, war wohl die richtigere Frage. Egal was er sich wünschte, das Leben der Menschen war wichtiger als seine Wünsche. Leben waren immer wichtiger als das, was ein Winchester sich wünschte. Sam war ausgebrochen und er hatte ihn bewundert für seinen Mut und gehasst dafür, dass er ihn alleine gelassen hatte. Er war sich noch immer nicht darüber klar, ob er sich diesen Schritt getraut hätte und er wusste nicht, ob er wütend oder neidisch sein sollte. Verdammt! Er hatte doch gedacht, dass er dieses Gedankenchaos schon lange hinter sich gelassen hätte, aber dieser Sommer hatte so vieles wieder ans Licht gezerrt, von dem er gedacht hatte, es vergessen oder wenigstens verdrängt zu haben. Diese Monate ohne Übernatürliches und mit dem, was er vielleicht gerne gemacht hätte, wenn er bei Dave, im Baugewerbe, hätte bleiben können, hatten die Frage nach einem normalen Leben in seinem Kopf immer präsent sein lassen. Immer wenn er sich dazu durchgerungen hatte endlich mit Sam und Bobby zu reden, war ein Anruf von Carol gekommen. Sie hatte ihnen von den Fortschritten und Rückschlägen Kyles erzählt und er war sich sicherer denn je, dass er nicht das Recht hatte, sich zurückzuziehen und die Menschen schutzlos dem Bösen zu überlassen und er war sich sicherer den je, dass er nur ein Jäger sein konnte. Aber ein paar Tage später hatte er wieder zu zweifeln begonnen. Er war nie wirklich zu einem Ergebnis gekommen. Jetzt waren da Jody und Bellows und der Versuch sie möglichst unbeschadet aus diesem Dilemma zu befreien. Er atmete tief durch. Zuerst einmal mussten sie Bellows ins Nirgendwo schicken und dann würde er weitersehen. Und da war noch etwas, das er erledigen musste. „Was hältst du davon, wenn wir dem alten Brummbären etwas Ruhe gönnen und uns für ein paar Tage verziehen?“, fragte er. Sam starrte ihn irritiert an. Damit hatte er jetzt überhaupt nicht gerechnet. „Wo willst du hin?“ „Wir waren ewig nicht mehr auf einem Konzert. Außerdem wollte ich schon voriges Jahr nach El Paso.“ „Und wann willst du los?“ „Ich denke wir packen und fahren gleich weiter, wenn der Fall erledigt ist.“ Sam nickte. Er wusste nicht, was er denken sollte. Das kam jetzt ziemlich plötzlich. Aber auf der anderen Seite hatte er sich schon seit Tagen damit gerechnet, dass Dean nicht mehr stillsitzen konnte. Sie waren hier so gut wie fertig. Wenn er länger darüber nachdachte fand er es wirklich erstaunlich wie lange es sein Bruder hier an einem Stück ausgehalten hatte. Aber sie konnte nicht ewig bei Bobby hocken und sich vor der Welt und ihren Monstern verstecken. „Dann lass uns Bescheid sagen und packen.“ Sam stand auf. Langsam ging er zum Haus zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)