Kill this Killing Man II von Kalea (Höhen und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 1: Ein ruhiger Sommer ----------------------------- 1) Ein ruhiger Sommer Sam betrat die Küche, nahm sich eine Tasse aus dem Schrank und stellte sie unter den Hahn der Kaffeemaschine. Während er darauf wartete, dass sein Latte Macchiato fertig wurde, ließ er seinen Blick über die freie Fläche hinter dem Haus wandern. Zu Beginn des Sommers hatten sie einen Platz gebraucht, auf dem sie das Material für den Umbau lagern konnten und diese Fläche freigeräumt. Jetzt, da alles verbaut war, war hier ein Stück Rasen, umgeben von einigen Beerensträuchern und Obstbäumen. Es gab einen Teich, in dem, zwischen einigen Seerosen versteckt, ein Rosenkranz lag und eine Grillecke mit Tisch und Bänken. Dean kam in sein Blickfeld und er musterte ihn unweigerlich. Er trug nur eine alte, mit Farbe bekleckerte, an einigen Stellen eingerissene Hose, die locker auf seinen Hüften hing. Die Muskeln, die unter der Haut arbeiteten, waren deutlich zu sehen. Deans Haare waren von der Sonne ausgeblichen und ein paar Nuancen heller als normal. Seine sonnengebräunte Haut ließ die grünen Augen noch stärker leuchten. Sein Bruder sah in diesem Sommer wirklich rattenscharf aus. Das hatte er in den letzten Wochen des Öfteren zu hören bekommen, wenn sich die jungen Frauen scharenweise an ihn heranmachen wollten. Dean war diesen Offerten natürlich nicht abgeneigt gewesen und hatte so manche Nacht auswärts verbracht. Am Morgen danach stand er jedoch immer wieder auf der Matte und hatte sich voll und ganz in den Umbau gestürzt. Diese Arbeit hier hatte ihm sichtlich Spaß gemacht. Er nahm sich seine Tasse und wollte gerade wieder in dem neuen Büro verschwinden, als er Bobby seinen Namen rufen hörte. Er trat auf die Veranda und schaute zu dem Freund. „Was gibt’s?“ „Du könntest mal den Tisch decken und nach den Kartoffeln schauen. Salat steht im Kühlschrank und wo das Brot ist, weiß du ja.“ Sam tat wie ihm geheißen, auch wenn er in der neuen Küche immer noch das eine oder andere suchen musste. Immer wieder huschte sein Blick durch die offen stehende Tür ins Wohnzimmer. Sie hatten bei dem Umbau ganze Arbeit geleistet und ihn wunderte auch heute noch, dass Bobby das so gewollt und sein Bruder so ausgeführt hatten. Er selbst hatte dabei nur den Handlanger geben können. Handwerkliche Arbeiten waren nicht so sein Ding. „Wie weit bist du?“, fragte er seinen Bruder, als er ein volles Tablett nach draußen jonglierte. „Fast fertig. Wann gibst Essen?“ „War ja klar, dass du danach fragst“, grinste er. Dean würdigte seinen Bruder keines Blickes. Bald darauf legte er den Pinsel weg und musterte seine Arbeit kritisch. Er fand keine Mängel. Eine halbe Stunde später saßen die drei Männer am Tisch und ließen sich ihr Grillfleisch schmecken. Gus kreiste immer wieder um die kleine Gruppe, auf der Suche nach einem unbeobachteten Stück, dass er stehlen konnte, doch an diesem Abend hatte er keine Chance, so holte er sich ein Stück Brot von Sams Teller. „Du alter Dieb“, schimpfte der lachend. Letztendlich konnte aber auch er dem Vogel nicht lange böse sein. „Du solltest eben nicht so trödeln“, grinste Dean breit und schob sich das letzte Stück in den Mund. „Sowas musste ja von dir kommen, aber ich schlinge mein Essen trotzdem nicht so runter. Ich genieße lieber. Außerdem ist schlingen ungesund!“ „Und ich genieße das Gefühl eines vollen Bauches.“ Im Gegensatz zu Sam wusste er sehr genau was Hunger war und wie es sich anfühlte mit knurrendem Magen einschlafen zu müssen, wenn John mal wieder viel später kam als vorausgesagt und das Geld, das er dagelassen hatte, schon lange aufgebraucht war. Seine oberste Prämisse war es immer gewesen, seinen kleinen Bruder mit allem zu versorgen. Da blieben seine Bedürfnisse schon mal auf der Strecke. Es war nicht oft passiert, aber selbst die wenigen Male hatte genügt, um ihn das nagende Gefühl im Bauch nie wieder vergessen zu lassen. Sam wusste nichts davon, genauso wenig wie Bobby und er würde es ihnen auch nie erzählen. Aber das war einer der losen Steine gewesen, die das Podest des großen John Winchesters letztendlich zum Einsturz gebracht hatte. Jetzt war da nur noch ein großer Schutthaufen. Müll und Staub, der ihm auf der Seele lastete, den er aber noch nicht so ganz beiseite schieben konnte. Noch war John sein Vater, auch wenn er diese Bezeichnung nicht mehr verwenden wollte, da der sie in seinen Augen einfach nicht verdient hatte. Bobby schaute lächelnd zwischen seinen Jungs hin und her. Er mochte es, wenn sie sich so kabbelten. Ganz automatisch wanderte sein Blick dann zu der vollkommen veränderten Fassade seines Hauses. Sie hatten an dem vorderen Teil des Wohnzimmers ein Stück angebaut. Aus diesem Stück und einem Teil des alten Wohnzimmers war das Büro entstanden, das jetzt der Recherche gegen das Übernatürliche, aber vor Allem als richtiges Büro dienen sollte, denn er hielt weiterhin an seinem Plan fest, öfter mal einen Wagen wieder aufzubauen. Da das Wohnzimmer aber seine alte Länge behalten sollte, hatten sie am anderen Ende ebenfalls angebaut. Das untere Bad war erneuert, schon fast zu einer Wellnessoase gemacht und die Küche in dem Zuge auch gleich noch um zwei Meter verbreitert worden. Da nun das Obergeschoss so gar nicht mehr zum Untergeschoss passen wollte, hatten sie die Schlafzimmer auch gleich noch vergrößert. Dieser Sommer hatte wirklich ein tiefes Loch in seine Kasse gerissen, aber die Materialkosten waren fast komplett von dem gedeckt worden, was er für die beiden umgebauten Wagen bekommen hatte. Ausgeführt hatten sie die Arbeiten fast komplett alleine. Deans Jahre in diesem Sanierungsunternehmen hatten sie mehr als ausgezahlt. Der Junge war ein Segen! Genau wie Sam auf seine Weise. Jetzt hatte er überall neue Möbel und sein ganzes Haus roch nach Holz, Tapete und Farbe. Er fühlte sich hier mehr als wohl, fehlten ihm eigentlich nur noch seine Jungs, die für immer blieben, zu seinem Glück. Doch das würde wohl nie passieren, denn selbst wenn die beiden nicht mehr jagen gehen würden, würden sie sich wohl schwerlich beide hier einen Job suchen. Nein, so wie es war, war es gut! Sein Blick glitt über Dean. Was hatte John dem Jungen eigentlich alles verwehrt, als er ihn zur Jagd gezwungen hatte? Dean war ein hervorragender Mechaniker und Handwerker, und aus seinem Zeugnis ging hervor, dass er auch ein guter Techniker hätte werden können. Und Sam? Der hatte Jura studieren wollen und so, wie er sich in die Recherchen stürzte, hätte auch er es weit bringen können. Die Brüder hätten geachtete Bürger dieses Landes werden können, wenn John nicht so verbohrt gewesen wäre. Und wieder einmal überlegte er, ob er nicht hätte energischer widersprechen sollen, wenn er wieder einmal miterleben musste, wie John Winchester seine Söhne drillte. Doch dann hätte er die Jungs vielleicht nie wieder zu Gesicht bekommen. So war es ihm wenigstens hin und wieder einmal vergönnt gewesen, seinen Jungs so etwas wie Ferien zu bereiten. Zufrieden lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und genoss den Abend. Ein paar Tage später scheuchte ein Gewitterguss sie ins Haus. Dean war als Erster oben und hatte das Bad mit Beschlag belegt, um zu duschen. Sam stand grummelnd und frierend vor der Tür. Er hatte gar nicht gemerkt, dass es so kalt geworden war. Gut, die letzten Tage waren schon nicht mehr so warm gewesen, doch jetzt fror er ja richtig. Es wurde wohl doch Herbst. Immerhin war schon September! „Mach hin!“, blaffte er gegen die Tür und ging in sein Zimmer, um sich wenigstens schon ein paar trockene Sachen aus dem Schrank zu holen. Er hatte gerade alles auf das Bett gelegt, als Dean auch schon gegen seine Tür klopfte. „Kannst“, rief der und verschwand, um sich was Trockenes anzuziehen. Schnell holte Sam sich noch einen Pullover aus dem Schrank und lief dann ins Bad. Das heiße Wasser prasselte auf seine kalte Haut. Langsam entspannte er sich. Seine Gedanken begannen zu wandern. Der Sommer war gut gewesen. Dean und er hatten sich wieder richtig zusammengerauft. Sie hatten zwar nicht noch einmal über die Zeit, als sein Bruder die Seele mit einem Fünfjährigen getauscht hatte, geredet, aber das war auch nicht mehr wichtig gewesen. Kaum hatten sie mit dem Umbau begonnen, war sein Großer wie ausgewechselt gewesen. Er hatte keine Albträume mehr, nur noch über die Arbeiten gegrübelt und an die Zeit davor keinen Gedanken mehr verschwendet, was er eigentlich schade fand, aber Dean war ein Meister in Verdrängung und vielleicht war es ja so für ihn am Besten, zumal er sich wirklich nicht daran zu erinnern schien. Wenn er ehrlich zu sich war, war er auch froh darüber. Seine Leistungen als großer Bruder waren alles andere als rühmlich gewesen und das, was diese Familie mit Deans Seele gemacht hatte auch nicht. Nein, wenn diese Zeit aus Deans Gedächtnis gelöscht worden war, dann sollte es gut sein. Er würde diese Narben nicht wieder aufreißen und hoffte, dass es auch kein Anderer tun würde. Was Sam nicht wusste war, dass Dean doch darüber nachdachte. Die Feuerwehrautos, die jetzt auf dem Regal über seinem Schreibtisch standen und auch der Esel, der auf der kleinen Couch saß, erinnerten ihn immer wieder an die Zeit, in der er nicht Herr seines Körpers gewesen war, an die Zeit, die er in seinen Erinnerungen nicht wirklich greifen konnte. Da waren weiterhin nur Farben und Gefühle wie Angst und Schmerzen und ein paar Fetzen, die hin und wieder aus der Dunkelheit auftauchten. Er wusste, dass er mal unendlich gefroren hatte, weil er klatschnass gewesen war, aber das Warum konnte er sich nicht erklären. Er wusste aus den Erzählungen, dass er Gus angeschleppt hatte und er wusste ebenfalls aus Erzählungen von dem Glas, in das Bobby Regenwürmer gepackt hatte, weil er die hatte behalten wollen. Er hatte danach gefragt, als sie das Glas mit dem gut durchmischten Boden beim Ausräumen gefunden und auf der Wiese ausgekippt hatten. Und er konnte sich an eine Plasmakugel erinnern. Der Junge, Kyle, hatte erheblich mehr Probleme mit dieser Zeit. Seine Seele war ja komplett in ihm gewesen und so hatte der Kleine alles voll miterlebt, das Ende des kopflosen Reiters, eine Entführung durch Dämonen. Alleine schon, dass diese kleine Seele plötzlich in einem erwachsenen Körper war musste sie vollkommen verstört haben. Immerhin schien es ihm inzwischen wenigstens halbwegs wieder gut zu gehen. Er lebte seit kurzem mit seiner Familie in der Nähe der Psychologin, damit die sich weiterhin um ihn kümmern konnte. Sie hatten es wohl auf Schadstoffe in der Umwelt geschoben, auf die der Junge so reagiert hatte und dieser Gefahr wollten ihn die Eltern nicht mehr ausgesetzt wissen. Sie waren schleunigst umgezogen. Trotzdem fühlte sich Dean schuldig. Er hatte das Leben des Jungen gefährdet. Wegen ihm hatte der Kleine leiden müssen! Dieses Wissen bestärkte ihn wieder einmal darin, mit seinem Leben so weiter zu machen wie bisher. Jeder den er näher in sein Leben lassen würde, wäre ein potentielles Opfer und das wollte und konnte er niemandem antun. Es reichte ja schon, dass Sam und Bobby sein Leben teilten, aber die wussten sich wenigstens zu verteidigen! Wütend schlug Dean die Schranktür zu. Es brachte nichts, wenn er hier stand, halbnackt und frierend und über Dinge nachdachte, für die er keine Erklärung fand und zu denen er keinen Bezug hatte. Er musste einfach hinnehmen, dass sein Körper von einem Kind besetzt gewesen war und dass das eben anders reagiert hatte, als er je in seinem Leben. Und er fragte sich, wann Sam ihn mit Fragen bombardieren würde. Seinem Bruder konnte eigentlich nicht entgangen sein, wie oft er in Gedanken versunken vor sich hin grübelte. Nichts desto Trotz hatten sich während des Umbaus immer wieder Gedanken über ein Leben ohne die Jagd eingeschlichen und er hatte immer wieder darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, sesshaft zu werden. Sam und er hätten sich hier eine Wohnung suchen und Sammy weiter studieren können, doch dann hatten entweder Pamela oder Carol angerufen und von den langsamen Fortschritten Kyles erzählt und er fühlte sich noch schuldiger und hatte die Idee schnell wieder fallen gelassen. Aber so schnell ließ sie sich wohl nicht verdrängen. Der Sommer war, zumindest was das Übernatürliche anging, richtig ruhig gewesen und er war wirklich dankbar dafür, hatten sie so den Umbau ohne Probleme hinter sich bringen konnten. Aber er wusste auch, dass das nicht so bleiben würde. Irgendwann würde das Übernatürliche wieder zuschlagen und dann mussten sie gewappnet sein. Und doch! Der Sommer hatte ihm gefallen und tief in ihm die Sehnsucht nach einem normalen Leben geweckt. Warum sollten sie es nicht doch versuchen? Er würde dem Bösen noch bis zum Wochenende Zeit geben und wenn es bis dahin ruhig geblieben war, mit Sam und Bobby reden. Mal sehen, was die dazu sagten. Noch einmal atmete der Winchester durch und ging dann nach unten. Er holte ein paar Bier und Chips aus der Küche und machte es sich auf der Couch gemütlich. Gelangweilt schaltete er durch die Kanäle. Noch kam nichts Vernünftiges. „Hast du mal wieder nur an dich gedacht?“, murrte Sam und deutete auf die Chips. „Och Sammy! Darfst heute auch den Film aussuchen“, versuchte Dean seinen kleinen Bruder grinsend wieder gnädig zu stimmen. „Da kommt eine Reportage über …“ „Wir hatten von Film geredet. Reportagen fallen eindeutig nicht darunter!“ „Dann schalt um. Auf HBO kommen „The Untouchables““, sagte Sam und warf seinem Bruder die Fernbedienung zu. Er sah das Blitzen in Deans Augen. Sein Bruder liebte diesen Film. Manchmal war es so einfach ihn glücklich zu machen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)