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Kill this Killing Man II

Höhen und Tiefen
von

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Ungeduld und Wut, eine fatale Mischung

231) Ungeduld und Wut, eine fatale Mischung
 

Am nächsten Morgen rutschte Dean schon nach dem Frühstück unruhig im Bett hin und her. Das Zimmer erschien ihm nach dem gestrigen Ausflug noch viel kleiner zu sein. Außerdem war heute Sonntag und da kam keiner zur Therapie! Zum Schlafen war er viel zu munter und Fernsehen war auf Dauer auch langweilig. Er wollte frische Luft riechen und den Wind und die Sonne fühlen!

„Hast du Hummeln im Hintern?“, fragte Sam, den das Gezappel so langsam nervös machte.

Automatisch tastete Dean seine Kehrseite ab. Sam verdrehte die Augen.

„Das war nur so dahingesagt, ein Sprichwort, wenn jemand, so wie du gerade, auf seinem Sitz hin und her rutscht.“

„Können wir aufs Dach?“

Sam nickte. „Kann ich das hier noch schnell fertig machen?“

„Du kannst mich auch hochbringen und dann wieder zu deinem Rechner.“

Sam atmete tief durch und klappte seinen Laptop zu. Irgendwann müsste er seinem Bruder etwas Geduld beibringen, oder zumindest erklären, dass es nicht immer alles sofort gibt.

Er stellte den Rollstuhl neben das Bett und hob seinen Bruder hinein. Dann mal los!
 

Auf dem Gang kam ihnen Schwester Reena entgegen.

„Darf ich Sie was fragen?“, hielt Dean sie auf.

„Gerne“

„Bin ich niedlich?“

Reenas Augen weiteten sich überrascht und ihre Mundwinkel kräuselten sich nach oben. Noch versuchte sie ernst zu bleiben, doch ein Blick in Deans Gesicht und die Erkenntnis dass der es vollkommen ernst meinte und ein weiterer zu Sam, der ebenfalls darum kämpfte die Fassung zu wahren, machten es ihr nicht einfacher.

Sie schluckte kurz. „Ja, du bist niedlich!“

„Warum?“

‚Oh Gott, Dean‛, dachte Sam und biss auf der Innenseite seiner Wange herum.

„Schon alleine weil du diese Frage gestellt hast!“

„Und sonst? Andere sagen das auch, aber die konnte ich noch nicht fragen!“

„Das erkläre ich dir später mal, wenn ich Zeit habe, jetzt muss ich weiter!“, schnell lief sie an den Brüdern vorbei und verschwand in einem Patientenzimmer.
 

„Warum konnte sie mir das nicht sofort erklären?“, nahm Dean das Thema im Fahrstuhl nochmal auf.

„Weil sie dafür wohl mehr Zeit braucht, als sie jetzt hatte.“

„Kannst du es mir denn erklären?“

„Nein, das ist ein Frauending, Dean.“ Sam schob seinen Bruder an den selben Platz, an dem sie schon am Vortag gesessen hatten. „Ich muss noch mal runter. Ich hab das Wasser vergessen.“ Schnell rannte er zum Fahrstuhl zurück.

Im Zimmer ließ er sich auf Deans Bett fallen und lachte, bis ihm die Tränen kamen.

Nur langsam konnte er sich wieder beruhigen.

„Man, Dean, du bist wirklich niedlich!“, erklärte er in das leere Zimmer.

Er wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Jetzt fühlte er sich in der Lage seinem Bruder wieder ernst und selbstsicher gegenüber zu treten. Er griff nach einer Wasserflasche und wollte das Zimmer gerade wieder verlassen, als ihm eine Idee kam. Schnell fuhr er ganz nach unten und kaufte in dem kleinen Kiosk eine Packung Schokoladeneis, holte zwei Löffel aus der Cafeteria und kehrte dann endlich auf das Dach zurück.

Er fand seinen Bruder, das Gesicht der Sonne zugewandt, dösend. Gut dass er ihn zuvor mit Sonnencreme eingerieben hatte!

„Dean?“ fragte er leise. Sofort schaute der ihn fragend an.

„Ich hab hier was. Willst du probieren?“

„Was?“ Sofort machte der Ältere einen langen Hals und versuchte zu ergründen, was Sam da in den Händen hielt.

Sam sagte nichts. Er setzte sich zu seinem Bruder, drückte ihm einen Löffel in die Hand und öffnete die Packung, die er gleich darauf auf Deans Schoß stellte.

„Kalt!“, stellte der Ältere fest und rutschte unruhig auf seinem Sitz herum.

„Ja, kalt“, erklärte Sam ungerührt. Er nahm seinen Löffel, kratzte etwas von der Oberfläche des Eises ab und schob es sich in den Mund.

„Hmmmm“, machte er und ließ es langsam auf seiner Zunge ergehen.

Dean musterte ihn aufmerksam, machte aber keine Anstalten selbst von dem Eis zu kosten.

„Magst du nicht?“, fragte Sam und nahm sich einen weiteren Löffel.

Zögernd kratzte Dean etwas von dem kalten Zeug ab und schob es sich in den Mund. Wenn Sam es aß konnte es ja nicht schlecht sein, oder?

Zuerst war es nur kalt. Er wollte es schon ausspucken, als der Schokoladengeschmack durchkam. Süß, ein wenig bitter ... Schnell nahm er noch einen Löffel und schloss genießend die Augen. Löffel für Löffel verschwand die kalte Masse in Deans Mund.

Sam lächelte. So hatte er sich das vorgestellt. Mal sehen, womit er ihn als Nächstes überraschen konnte.

„Leer!“, riss Dean ihn aus seinen Überlegungen.

„Hat es denn geschmeckt?“

„Kalt!“ Jetzt wo er sich nicht mehr auf den Geschmack konzentrieren konnte, fröstelte er.

„Nur kalt?“

„Nein, es ... was war das?“

„Schokoladeneis.“

„Kann ich das wieder haben?“

„Klar, nur nicht heute und nicht zu viel. Das macht auf Dauer dick!“ Bei Dean wäre das kein Problem, so hyperaktiv wie der war. Bei dem neuen Dean war er sich da noch nicht so sicher.

„Was ist dick?“

„Dann kannst du dich nicht mehr bewegen.“

„Das kann ich doch jetzt schon nicht.“

„Aber wir arbeiten dran, dass du es wieder kannst.“

Dean nickte, lehnte sich in den Stuhl zurück und genoss die Wärme, die die Sonne bis in sein Inneres schickte.
 

Immer wieder stellte Sam in den folgenden Tagen fest, dass dieser Dean nicht mehr viel mit seinem Bruder gemein hatte. Die Leichtigkeit, die er trotz ihres selten leichten Lebens immer wieder an den Tag gelegt hatte war gänzlich verschwunden, obwohl? Dean konnte schon hartnäckig an einer Sache arbeiten. Wenn er da an die Zeit nach dem Höllenhundangriff dachte. Dean hatte auch nie locker gelassen, bis er wieder richtig funktionierte. Trotzdem war es jetzt anders, denn die Leichtigkeit fehlte und die Zuversicht und seine manchmal fast kindliche Freude, das Eis mal nicht mitgezählt.

Jetzt war er nur noch Ernst und so arbeitete dieser Dean bis zum Mittag verbissen mit den Therapeuten an der Verbesserung seiner Motorik, daran die Muskulatur wieder aufzubauen und mit einer Logopädin, um die leichte Aphasie zu überwinden. Diese Zeit nutzte Sam um das nachmittägliche Lernprogramm für seinen Bruder zusammenzustellen. Nachdem sie festgestellt hatten, dass nicht nur Deans Erinnerungen der Amnesie zum Opfer gefallen waren, sondern auch der größte Teil des erlernten Wissens, hatte Dean nicht locker gelassen, bis sich der Jüngere bereit erklärte, mit ihm das fehlende Wissen wieder aufzuarbeiten und Sam wollte ihn nicht nur vor dem Laptop parken.

Weit waren sie noch nicht gekommen, aber sie übten ja auch erst drei Tage.

Nach Deans Mittagschlaf gingen sie auf die Dachterrasse um zu lernen.

Bis zum Abendessen blieben sie hier oben. Aber auch danach gab Dean keine Ruhe. Er schaute Reportagen und löcherte den Jüngeren in jeder Werbepause mit Fragen und wenn Sam spät abends abwinkte und sich hundemüde in sein Bett verkroch, nahm der Ältere sich ein Buch, um zu lesen.

Sam trieb dieses Verhalten langsam aber sicher zur Verzweiflung und er war mehr als dankbar dafür, dass Donna und Gabby ihr Versprechen hielten und immer wieder zu Besuch kamen. Sie schafften es Dean wenigstens für eine Weile von seinem schon zwanghaften Wissensdurst abzulenken. Genau wie die wenigen, ja schon fast gestohlenen Augenblicke der Ruhe, wenn Sam wieder etwas Neues mit auf das Dach brachte und so Dean schon fast zu einer Auszeit zwang, um weitere Eissorten, Kakao oder Kuchen zu probieren. Jedes Mal wurde er mit einem Lächeln belohnt, dass sonst so gut wie nie auf Deans Gesicht erschien und mit einem Dean, dessen chronische Unruhe für diese Zeit erstarb und er wirklich einfach nur dasaß und genoss. Leider vergingen diese Momente immer viel zu schnell und Dean stürzte sich erneut in sein Lernprogramm.

Sam war kurz davor zu kapitulieren. Dieser Dean war ihm unheimlich. Er kannte ihn nicht und

er trauerte seinem großen Bruder nach, der alles wusste, auch wenn er sich dumm stellte, der nie um eine Antwort verlegen war und der wie wild mit allem flirtete, was hübsch und weiblich war.

Doch nicht nur das zeigte ihm überdeutlich, dass er seinen großen Bruder verloren hatte.

Jeden Morgen kam eine Schwester, die ihm bei der morgendlichen Routine half. Jeden Morgen freute Dean sich auf diesen Besuch und hofft dass Schwester Juli kam. Wenn sie es wirklich war, schlich sich ein schüchternes Lächeln in sein Gesicht, doch er wagte nie sie anzusprechen oder auch nur ihr offen in die Augen zu schauen und jedes Mal fragte sich Sam, wer da eigentlich im dem Bett lag. Der alte Dean Winchester hätte sich so eine Gelegenheit zum Flirten nie entgehen lassen.

Ja, Dean war unbelastet und naiv und auch niedlich, aber er war einfach noch nicht bereit seinen großen Bruder gehen zu lassen.
 

Hin und wieder, vollkommen zusammenhanglos fragte Dean nach ihrem alten Leben und Sam erzählte, dass sie ihre Mutter bei einem Feuer verloren hatten, als Dean vier Jahre und er selbst sechs Monate alt gewesen waren. Dass ihr Vater mit diesem Verlust nie klar kam, mit ihnen unstet von Ort zu Ort gezogen und bei einem Unfall vor fast vier Jahren gestorben war. Er erzählte dass sie danach trotzdem an dieser Lebensweise festhielten und erst nach und nach zu der Erkenntnis kamen, dass das nicht ihr Leben sein sollte. Nicht ohne Trauer berichtete er, dass sie gerade auf dem Weg zu Bobby waren und von da ihr neues Leben starten wollten. Er erzählte von Bobby und Jody und wie sie Bobbys Haus umgebaut hatten.

Dean hörte aufmerksam zu, doch nichts löste bei ihm auch nur den Hauch eines Erkennens aus. Er hörte zu, so wie er zuhörte, wenn Sam ihm Schulstoff erklärte oder etwas vorlas, so wie er zuhörte, wenn Gabby oder Donna etwas erzählten. Er merkte nicht einmal wie Sam immer wieder mit den Tränen kämpfen musste, weil der richtige Dean nie so gefühlskalt auf ihre Familie reagiert hätte. Nicht mal ein fremdes Schicksal hätte ihn so kalt gelassen.

Wenn es nicht Dr. Oliver Brewster, aber auch Sheriff Donna Hanscum und Gabby, gegeben hätte, hätte sich Sam wohl schon in der zweiten, allerspätestens in der dritten Woche vom Dach des Krankenhauses gestürzt. Nicht einmal Bobby konnte ihm wirklich helfen. Es war, als hätte das Böse dieser Welt nur darauf gewartet, dass zwei Jäger nicht mehr im Geschäft waren, egal ob es die normalen Straftäter waren, die Jody in Atem hielten oder das Übernatürliche Bobby, der kaum vom Telefon wegkam.
 

Einen Lichtblick gab es zweieinhalb Wochen nachdem Dean aus dem Koma erwacht und auf die neurologische Station gebracht worden war. Dr. Baral gab grünes Licht für die Entfernung der starren Schienen von Deans Bein und Arm und damit ihre Erlaubnis für den Älteren selbstständig aufzustehen.

Sofort saß der im Bett.

„Ihr Bruder bleibt immer an Ihrer Seite und Sie machen hier keine Gewaltmärsche, sonst binde ich Sie höchstpersönlich am Bett fest. Verstanden?“ versuchte Dr. Baral ihren Patienten zu bremsen.

„Ja, Ma‛am“ erklärte Dean ernst.

Sam strahlte aufrichtig. Die Hoffnung Dean endlich wieder richtig müde zu bekommen machte sich in ihm breit.

Kaum hatte die Ärztin die Tür geschlossen, hingen Deans Beine schon aus dem Bett. Sam half ihm auf die Füße. Zwei Schritte bis zur Wand und zwei Schritte zurück und Dean ließ sich keuchend wieder in die Waagerechte fallen. Vor seinen Augen drehte sich alles, und das, obwohl er doch in den letzten Tagen während seiner Therapie immer schon mal ein paar Minuten aufrecht gestanden und auch schon mehrere Minuten in einem, an der Decken befestigten, Geschirr auf einem Laufband gelaufen war.

Das war jedoch etwas ganz anderes gewesen, weil er jetzt sein Gewicht selbst tragen musste.

„Dean?“ fragte Sam besorgt.

„Geht gleich weiter. Lass mir nur etwas Zeit, ja?“

Zehn Minuten später stand er wieder auf seinem Füßen. Diesmal ließ er es langsamer angehen und sein Kreislauf rebellierte kaum noch. Als Gabby am Abend mit ihrem Freund kam, saß er auf dem Bett, den rechten Fuß unters linke Knie geschoben und seine Augen leuchteten regelrecht.

Sams Bruder sah in dem Moment wie ein Schuljunge aus, fand sie, nur der Bart störte dieses Bild.



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