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Kill this Killing Man II

Höhen und Tiefen
von

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Langeweile

229) Langeweile
 

Gestärkt und mit sich zufrieden kam er ins Zimmer zurück. Er legte die Bücher, die er für Dean mitgebracht hatte auf dessen Nachttisch und machte sich wieder daran, ihre Fälle in seine Datei zu übertragen.
 

Mitten in der Nacht wurde Sam von einem Knall aus den Schlaf gerissen. Erschrocken fuhr er hoch und schaute sich kampfbereit um. Wo war er? Es dauerte jedoch nur Sekunden, bis er seine Umgebung zuordnen konnte. Im schwachen Schein des Nachtlichtes sah er Dean, der halb aus seinem Bett hing und sich mit seiner rechten Hand mühsam am Nachttisch festhielt, um nicht ganz aus dem Bett zu fallen. Sofort sprang er auf die Füßen und lief zum Bett. Er umfasste Deans Oberkörper und drückte ihn vorsichtig zurück in die Kissen.

„Was sollte dass den werden?“, schimpfte er leise.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht lag Dean da und versuchte erst einmal nur zu atmen. Seine Arme hielt er um seine Rippen geschlungen und die Augen geschlossen. Der Schweiß rann ihm über das Gesicht.

Schnell drückte Sam auf den Knopf, der sofort eine größere Dosis Schmerzmittel in Deans Kreislauf pumpte. Er erhob sich leise seufzend und holte einen Waschlappen aus dem Bad.

Sanft wischte er seinem Bruder den Schweiß von Gesicht und Armen. Kaum war er fertig, legte er den Waschlappen zur Seite und wartete, immer wieder sanft über Deans Arm streichend, ab bis der die Augen wieder öffnete.

„Wo wolltest du denn hin?“, fragte er noch einmal.

„Das Buch“, erklärte Dean und schaute auf den Boden.

„Stimmt, das Buch ist runtergefallen“, bestätigte Sam, hob es auf und legte die Abenteuer aus dem Hundert-Morgen-Wald wieder auf den Nachttisch.

„Das Buch“, wiederholte Dean, „Ich wollte ...“

„Du wolltest lesen?“ Sam legte es ihm auf den Bauch und schaltete mit einem kurzen Griff das Licht über dem Bett ein.

Dean nickte. „Ja ich war wach und es war langweilig!“ Etwas umständlich schlug er das Buch auf und starrte eine Weile auf die Seite. Irritiert zog er die Augenbrauen zusammen, legte den Kopf schief und schaute letztendlich zu Sam. „Es geht nicht“, erklärte er emotionslos.

„Du kannst nicht lesen?“

„Ich ...“ Den Blick nicht von Sam nehmend zuckte er mit den Schulter und schüttelte gleich darauf den Kopf.

‚Noch etwas, was er wieder lernen muss‛, stöhnte Sam im Gedanken und verstand nicht, warum sein Bruder das so ruhig hinnahm. Sollte er nicht ausflippen? Er konnte nichts mehr! Es war nicht Dean und kein Exorzismus, kein Seelentausch brachte ihn ihm wieder! Tränen drängten sich in seine Augen.

„Kannst du auch nicht lesen?“, riss Dean ihn aus der Abwärtsspirale.

„Doch“ Sam blinzelte die Tränen weg, verdrängte die trüben Gedanken und schaute seinem Bruder mit einem etwas verunglückten Lächeln ins Gesicht. „Doch kann ich“, wiederholte er mit fester Stimme. Er schlug das Buch auf und begann zu lesen: „Hier kommt nun Edward Bär die Treppe herunter, rumpeldipumpel, auf dem Hinterkopf, hinter Christopher Robin. Es ist dies, soweit er weiß, die einzige Art treppab zu gehen ...“ Schon diese wenigen Worte waren wie Balsam auf Sams geschundene Seele. Diese Worte, die er so oft von Dean gehört hatte, als er noch klein war und Dean ihm die Puh-Bär Abenteuer als Gute-Nacht-Geschichten wieder und wieder vorgelesen hatte. Vielleicht sollte er das Buch selbst mal wieder lesen? Vielleicht sollte er überhaupt mal wieder mehr lesen, und zwar keine Fälle sondern wirkliche Bücher?

Auch in Dean berührten diese Worte einen Punkt, der sich ihm jedoch entwand, kaum dass er danach greifen wollte. Immer verbissener versuchte er es. Doch dann wurde er von der Magie der Worte einfangen und hörte einfach nur noch zu. Langsam breitete sich die Ruhe immer weiter in seinem Inneren aus. Er entspannte sich und schlief gleich darauf wieder ein.

Sam hatte die wachsende Unruhe, die seinen Bruder während der ersten Seiten erfasste, nur zu deutlich gefühlt. Er wollte gerade aufhören, als er sah, wie Dean in die Kissen sank und die Augen schloss. Erleichtert atmete Sam durch.

Er las noch eine Weile weiter, dann klappte er das Buch zu und legte es zurück auf den Nachttisch. Wenn er in den nächsten Tagen einkaufen fuhr, sollte er das auch auf seine Liste setzen. So wie Dean darauf reagierte, gehörte ein eigenes Exemplar unbedingt in ihr Gepäck.

In aller Ruhe musterte Sam seinen schlafenden Bruder. Selbst jetzt sah er irgendwie fremd aus oder bildete er sich das nur ein weil er wusste, dass Dean fremd war?

Er zog die Decke zurecht und ging zu seinem Bett. Den Schlaf konnte er gut gebrauchen. Der morgige Tag würde anstrengend werden und zeitig genug beginnen.
 

„Was hältst du davon lesen und schreiben zu lernen?“, fragte Sam, als Dean sich nach seinem Mittagsschlaf aufsetzte und ihn mit großen Augen musterte. Der Vormittag war mit anstrengenden Therapien angefüllt gewesen und vor dem Schlafen sollte Sam noch einmal mit seinem Bruder die Motorik trainieren. „Ich hab Papier und Stifte mitgebracht.“

„Okay?“ Dean hatte dazu, wie zu den Therapien am Morgen, keine Meinung. Doch Sam ignorierte diese Lustlosigkeit. Solange es nur anstrengend war und keine sichtbaren Erfolge brachte würde er wohl auch nicht unbedingt vor Begeisterung sprühen.

„Gut“ Sam holte die Sachen von seinem Schreibtisch und überlegte dabei, wie er anfangen sollte, dem Alphabet nach oder lieber mit ganzen Worten?

Erst einmal sollte Dean das D in Groß und klein üben und dann würde er weitersehen.

Genauso begann Sam auch, und er war erstaunt und erleichtert, wie leicht es ihm doch fiel. Scheinbar bestätigte sich Dr. Brewsters Vermutung, dass Schreiben wie Fahrradfahren war.

Bis zum Abendessen übte Dean so verbissen Sam und Dean schreiben, dass sogar seine Zungenspitze aus dem Mundwinkel lugte. Sam grinste bei dem Anblick und schrieb ein paar neue Worte auf ein Blatt.

Puh, der Bär, Ferkel, Rabbit, Tigger, Känga und Ruh und Christopher-Robin. Dazu hatte Dean schon einen Bezug und würde sie deshalb wohl auch schnell lernen.
 

Die folgenden Tage glichen dem vorangegangenen. Vormittags war Dean mit Therapien beschäftigt, die seine Motorik und Kraft trainierten, damit er schnell wieder auf eigenen Beine stehen und die Welt erobern konnte. Außerdem kam noch eine Logopädin, um seine leichte Aphasie zu beheben. Danach war Dean so erledigt, dass er meistens schon beim Mittagessen einschlief. Die zwei Stunden, in denen Dean seinen Mittagsschlaf hielt, nutzte Sam für einen ausgiebigen Spaziergang, notwendige Einkäufe und ein paar Gespräche mit Dr. Brewster und den Schwestern. Außerdem informierte er Bobby alle zwei Tage über Deans Fortschritte, die ziemlich schnell täglich sichtbarer wurden.

Nur die Erinnerungen wollten sich nicht wieder einstellen.
 

Dean schaute Tom und Jerry bei ihren Streichen zu. Doch diese Folge kannte er schon und so huschte sein Blick immer wieder zu Sam.

Sam! Sein Blick huschte zu dem Mann, der an dem Tisch saß und auf der Tastatur herumklapperte.

Sam war sein Bruder. Bruder … Bislang war Sam ein Mensch wie alle anderen hier auch.

Er hatte die Logopädin und natürlich auch Sam gefragt, was das hieß und beide hatten ihm versucht zu erklären was Familie war. Verstanden hatte er es noch nicht wirklich. Aber er fühlte sich etwas sicherer, wenn Sam dabei war. Vielleicht heiß das ja Bruder zu sein?

Eine neue Folge begann. Eine, die er noch nicht kannte und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher.
 

„Muss ich eigentlich immer im Zimmer bleiben?“, riss Deans Frage Sam aus seinen Gedanken. Er schaute auf. Der Trickfilm war wohl zu Ende, denn es lief Werbung.

„Eigentlich nicht. Willst du raus?“

„Was immer draußen ist“, nickte Dean. Er hatte es satt hier nur im Bett zu sitzen.

„Ich frage einen Arzt, was wir da machen können“, versprach Sam und stand auf.

„Kannst du, bevor du gehst, das Buch ...?“ Dean deutete auf seinen Nachttisch, der außerhalb seiner Reichweite stand. Er konnte sich zwar schon alleine im Bett drehen und aufsetzen, er schaffte es auch schon die Beine aus dem Bett hängen zu lassen und aufrecht zu sitzen. Gerade arbeiteten sie daran, dass er sicher stehen und die ersten Schritte gehen konnte.

„Klar“, antwortete Sam und schob den Nachttisch an das Bett. Puh Bär konnte sein Bruder inzwischen alleine lesen. Die wenigen Worte, die er noch nicht verstand ließ er sich erklären, oder er schrieb sie auf und fragte Sam später, sollte der gerade nicht im Zimmer sein.

„Ich geh mal fragen“, erklärte Sam und öffnete die Tür. „Bis gleich.“
 

Zuerst klopfte Sam an Olivers Tür. Der Arzt hatte zwar gesagt, dass er über´s Wochenende frei hatte, doch man wusste ja nie. Hinter der Tür blieb es allerdings ruhig. Sam grinste. Hatte sich seine Frau also durchgesetzt. Mit einem Lächeln auf den Lippen machte er sich auf die Suche nach Dr. Baral. Sie hatte Dienst und wusste ja ebenfalls Bescheid.

Minuten später bog er in den Gang ein, in dem Dr. Baral ihr Büro hatte und lief ihr geradewegs in die Arme.

„Dr. Baral! Hätten Sie kurz Zeit?“

„Wenn Sie mich begleiten. Was gibt es Mr. Winchester?“

„Mein Bruder, er fragt ob er die ganze Zeit im Bett bleiben muss. Dr. Brewster sagte dass er in einem Rollstuhl ruhig raus kann, aber er wollte warten bis Dean von selbst fragt, um ihn nicht zu überfordern. Die letzten Tage waren ziemlich vollgepackt.“

„Und jetzt langweilt er sich?“

„So in etwa“, bestätigte der Winchester lächelnd.

„Ich drehe meine Runde und dann komme ich zu Ihnen. Ich will ihn mir kurz anschauen, aber ich denke, einer Runde ums Haus steht nichts im Weg.“

„Das wäre Klasse“, nickte Sam. „Danke, Doktor.“
 

Auf dem Gang klapperten die Schwestern schon mit dem Mittagsgeschirr.

Dean hatte das Buch beiseite gelegt. Er hatte keine Lust zum Lesen, also starrte er jetzt gelangweilt auf den Fernseher. So sehr ihn die vormittäglichen Therapien auch forderten, ohne sie langweilte er sich. Außerdem fühlte er sich eingesperrt, oder wie sollte er dieses Gefühl beschreiben, das ihn zappelig machte. Immer wieder huschte sein Blick zur Tür, doch jetzt würde wohl kein Arzt mehr kommen und der musste, laut Sam, ja erst seine Zustimmung geben.

Er seufzte und ließ sich in die Kissen fallen. Kurz huschte sein Blick zu Sam, der in einem abgegriffenen Buch las und hin und wieder etwas in den Computer eintippte. ‚Er schrieb Tagebuch‛ hatte er ihm gesagt.

Dean seufzte erneut. Gab es da so viel zu schreiben?

„Sie wird kommen“, versuchte Sam seinen Bruder zu beruhigen. Auch ihm war die Unruhe nicht entgangen, doch er konnte nichts tun, um ihn abzulenken. Ihr Motorik-Training hatten sie schon gemacht, genau wie die Schreibübungen. Vielleicht hatte Dean ja Lust auf ein Spiel?

Grade als er etwas vorschlagen wollte, klopfte es und Schwester Ireen brachte das Mittagessen.

„Guten Appetit“, wünschte sie mit einem Lächeln und ging wieder.

Dean lüftete den Deckel, ließ ihn wieder fallen und schob den Tisch beiseite.

Sofort stand Sam auf und trat neben das Bett seines Bruders, um nun seinerseits die Wärmehaube anzuheben. Es gab Hackbraten und Tomatensuppe.

„Koste doch erstmal, vielleicht schmeckt es ja“, versuchte er Dean zu überreden.

„Keinen Hunger!“, stöhnte der und drehte den Kopf weg.

„Quatsch! Du hast doch immer Hunger!“

„Ich will aber nicht! Iss du doch!“

„Dean“, versuchte Sam zu ihm durchzudringen.

„Du isst doch auch nie hier!“

„Ich bin auch kein Patient.“

Dean ließ seinen Blick über seinen Bruder gleiten, drehte dann den Kopf zur Seite und schloss die Augen. Wütend biss er die Zähne aufeinander.

Ergeben verdrehte Sam die Augen. Jetzt noch weiter Öl ins Feuer zu schütten brachte wohl nichts. Oliver hatte ihn vor den Stimmungsschwankungen gewarnt, die bei Amnesiepatienten so ziemlich normal sein sollten. Bislang war Dean davon verschont geblieben, aber was hieß das schon. Bislang war auch gerade etwas mehr als eine Woche!

Er nahm sich das Tablett und setzte sich an den Tisch und begann zu essen. Notfalls würde er Dean eben einen Burger holen.



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