Kill this Killing Man II von Kalea (Höhen und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 213: Ein Udug --------------------- 213) Ein Udug Er war gerade soweit, den Tisch zu decken, als er Jodys Wagen auf den Hof fahren hörte. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Das nenn ich mal Timing“, sagte Bobby leise. „Ich hab ihren Fotoapparat gefunden. Die Bilder ihrer Wanderung sind drauf. Ich habe auch ihre Motelbuchung und eine Route, die sie in der Wanderkarte markiert hat.“ Jody strahlte als sie die Sachen auf den Küchentisch packte. „Können wir trotzdem erst essen?“, wollte Bobby wissen. „Oh, klar. Ich bringe es ins Arbeitszimmer.“ Schnell raffte sie alles wieder zusammen und brachte es weg. Das Essen verlief alles andere als ruhig, obwohl sich Jody dazu zwang ihre Ungeduld nicht allzu stark zu zeigen. Dabei war sie doch Sheriff und als solche das Warten eigentlich gewohnt! Aber zum Einen wollte sie ihrer Freundin unbedingt helfen und zum Anderen fand sie es mehr als spannend ihrem Freund, wie sich das anhörte!, bei seinen Ermittlungen über die Schulter schauen zu können. Damals. Auch das klang komisch! Also, damals als Bobby, Dean und Sam „ihren“ Geist gesucht hatten, konnte sie ja leider nicht wirklich viel aufschnappen. Doch jetzt wollte sie unbedingt sehen, wie Bobby an einen solchen Fall heranging. Schon bald saßen beide vor dem Computer und gingen Marcys Fotos durch, vielleicht waren darauf ja einige Hinweise. „Wieso fotografiert deine Freundin Grabsteine?“, fragte Bobby etwas ratlos. „Sie findet diese alten, verwitterten Steine interessant. Vor Allem, wenn darauf eben nicht nur der Standardspruch steht.“ Bobby nahm das schulterzuckend hin und untersuchte ein Foto genauer, bevor er es einscannte und begann es mit diversen Programmen zu bearbeiten. Seine Intuition gab ihm Recht. Es dauerte eine Weile doch dann hatte er eine unscheinbare, irgendwie verschobene Gestalt sichtbar gemacht. „Oh mein Gott. Was ist das?“, wollte Jody augenblicklich wissen. „Das gilt es jetzt zu klären. Vielleicht hält er sich einfach nur da auf und war zwar nicht sonderlich erbaut darüber, dass ihn jemand gestört hat, ist aber sonst harmlos. Vielleicht hat er sich aber auch an Marcy gehängt und tut ihr jetzt all das an“, erklärte Bobby. „Gibt es auf der Station, auf der deine Freundin jetzt liegt, Kameras?“ „Warum fragst du?“ „Weil wir so überprüfen könnten, ob dieser Geist sie verfolgt hat. Du kannst aber auch morgen, wenn du sie besuchen gehst, ein paar Fotos machen. Am besten von den Schatten und um ihr Bett herum. Da wird er sich wohl am ehesten aufhalten, wenn es ein Geist ist.“ „Und wenn ich jetzt gehe?“ „Es ist nach elf. Klar, du bist der Sheriff und kannst wahrscheinlich immer in Krankenhäuser rein, aber wie sieht das aus?“ „Und wenn es ihr in der Nacht schlechter geht?“ „Sie wird gut überwacht. So schnell stirbt es sich nicht“, versuchte er Hoffnung zu verbreiten, die er auch nicht wirklich teilte. Doch was blieb ihnen sonst übrig, ohne ihren Ruf komplett zu zerstören. Jody liebte ihren Beruf. Das wollte und konnte er ihr nicht nehmen. „Aber ...“ Sie brach ab, Bobby hatte ja Recht. Es war Quatsch jetzt ins Krankenhaus zu stürmen und alle Ecken zu fotografieren. Ohne begründeten Verdacht konnte sie das niemandem erklären. Auch wenn es ihr schwer fiel, sie musste bis morgen warten. Unschlüssig ließ sie ihren Blick über den Schreibtisch schweifen. Er blieb an einem Zettel hängen, der halb aus den Seiten eines Buches herausschaute und auf dem sie nur einige Wörter entschlüsseln konnte. Sie zog das Buch zu sich, drehte es richtig herum und schlug es auf. Ihre Augenbrauen zogen sich immer mehr zusammen, als sie die Worte komplett las. >>> Brüder, rechtschaffener Mensch in der Hölle / Phönix <<< „Was heißt das?“, wollte sie wissen und hielt Bobby den Zettel hin. Der Jäger wischte sich müde über das Gesicht. „Wenn ich dir das sagen könnte. Es muss etwas bedeuten, aber was?“ „Und jetzt suchst du danach?“ „Ja, immer wenn ich in einem meiner Bücher lese, immer wenn ich Zeit habe, dann suche ich nach einer Bedeutung. Es könnte einiges, vielleicht sogar alles erklären.“ „Und was alles?“ „Es ist nicht mein Rätsel. Ich versuche nur bei der Lösung zu helfen“, wich er aus. „Aber wenn ich dir helfe und wenn ich die Lösung finde, kannst du es mir dann sagen?“ „Vielleicht?“ „Sind eigentlich alle Jäger so verschlossen?“ „Ich kenne nur einen, der ziemlich mitteilsam ist, allerdings bezweifle ich auch bei ihm, dass er dir wirklich Informationen geben würde. Nein. Jäger bleiben gern unter sich und reden mit Außenstehenden schon mal gar nicht über ihre Fälle.“ „Ich bin keine Außenstehende, oder?“ „Doch. In der Beziehung bist du eher Opfer als ...“ „Ich bin kein Opfer! Ich war noch nie ein Opfer! Und ich will auch keines sein!“ „Entschuldige. Opfer ist vielleicht das falsche Wort, nehmen wir Eingeweihte und ich möchte dich eigentlich auch da raushalten. Es ist eine furchtbare Welt in die du gerissen werden würdest.“ „Aber ich möchte dir helfen!“ Bobby holte tief Luft. „Wenn du bei Ermittlungen helfen willst, werde ich nichts dagegen sagen und dir die wichtigen Fakten erklären, aber ich werde nicht aus den Nähkästchen plaudern. Können wir uns darauf einigen?“ „Damit kann ich leben, denke ich“, schweigend schaute sie sich um, bevor sie in die Küche ging, um frischen Kaffee zu holen. „Gehört ein Phönix auch zu den Rätseln anderer?“, ließ sie nicht locker. Sie stellte eine Tasse neben den Bildschirm. „Ja und nein. Er ist ein mythologisches Wesen, von dem ich, und nicht nur ich, immer geglaubt habe, dass er überhaupt nicht existiert. Aber Dean hat Aufzeichnungen gefunden, die belegen dass zumindest einer gelebt haben muss.“ „Ist ein Phönix dass, was er in den Geschichten ist?“ „Ich bezweifle, dass er wirklich ein Vogel ist, dass er sich aus seiner Asche neu erschaffen kann, scheint schon eher möglich. Auf jeden Fall soll seine Asche fast alles heilen oder rückgängig machen können.“ „Alles heilen?“ „Naja, ja. Also Vampire sollen wieder Menschen werden und Werwölfe auch. Außerdem soll sie Flüche aufheben können.“ „Flüche? Das was Dean zu einem Wolf gemacht hat … du sagtest doch, dass es ein Fluch war, oder?“ „Ja.“ „Wie kann man einen Phönix finden?“ „Genau das ist die Frage aller Fragen. Sam hatte einige Spuren, der er nachgegangen ist und ich habe in den Büchern gesucht, ob es weitere Hinweise auf einen Phönix gibt. Bislang haben wir nichts gefunden. Wenigstens Dean haben wir wieder, auch wenn das wohl weniger unser Verdienst ist.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ihr habt mit Göttern zu tun, mit mythischen Wesen und da komme ich mit sowas Banalem wie Marcys Krankheit!?!“ „Deine Freundin ist nicht banal. Kein Fall ist banal. Wir helfen denen, die Hilfe brauchen, egal wer es ist und mit wem wir es zu tun kriegen!“ „Du willst mich beruhigen?“ „Nicht nur.“ „Danke Bobby!“ Sie lächelte ihn warm an und legte ihre Hand auf seinen Arm. „Ich geh dann mal ins Bett. Morgen werde ich Marcys Wohnung nochmal genauer durchsuchen und bei ihr Fotos machen“, sagte sie leise. „Ich suche noch etwas weiter“, erwiderte er und legte seine Hand auf ihre. Mit einem sanften Kuss verabschiedete sie sich endgültig. Kurz schloss Bobby die Augen. Er rieb sich die Nasenwurzel, holte tief Luft und widmete sich wieder seiner Suche nach dem, was Marcy quälen könnte. Je schneller er den fand, umso schneller konnte er Jody von einer Sorge befreien. Bobby warf einen Blick auf die Uhr. Schon wieder war ein Tag, fast unbemerkt, vergangen. Wie schön waren doch die Tage, als er mit seinen Jungs das Haus renoviert hatte, da konnte man am Abend wenigstens sehen, was man am Tag geschafft hatte. Hier schob er nur Bücher von links nach rechts. Das war irgendwie schon frustrierend! Blind auf seine Bürotür starrend, ließ er den Tag Revue passieren. Jody war schon vor Stunden ins Bett gegangen. Sie hatte einen langen Tag hinter sich und ein genauso langer erwartete sie, wenn sie aufstand, genau wie ihn. Wie sie es versprochen hatte, war Jody bei ihrer Freundin gewesen und hatte nicht nur die Blumen gegossen, sondern auch alles durchsucht und jeden nur möglichen Hinweis auf ihre Wanderung mitgebracht. Außerdem hatte sie jede Ecke im Wohnhaus und in ihrem Zimmer im Krankenhaus fotografiert. Jetzt lag es an ihm die ganzen Hinweise zu Fakten zu bündeln. Er brütete, seitdem er sich heute Morgen an den Schreibtisch gesetzt hatte, über seinen Ausdrucken. Dank Jodys Fotos wusste er inzwischen, dass der unscharfe Schatten auf dem Friedhof auch das war, was Marcy langsam aber sicher in den Tod trieb. Er tippte auf einen Udug, einen Geist, der die Lebenden quälte. Leider wusste er noch immer nicht, wer dieser Udug war. Jedes Grab zu öffnen dessen Stein Marcy fotografiert hat, kam einfach nicht in Frage. Einerseits waren es einfach zu viele Gräber. Andererseits war der Ort in den letzten Jahrzehnten um den Friedhof herum gewachsen und der jetzt ein Teil des Parks, der die einzelnen Ortsteile miteinander verband. Er ging in die Küche, um sich eine neue Tasse Kaffee zu holen. Solange er darauf wartete, glitt sein Blick über den Garten hinter der Veranda. Automatisch wanderten seine Gedanken zu seinen Jungs und er hoffte, dass sie bald wieder hier waren und es auch blieben, bis sie sich entschieden hatten, wie ihre Leben weitergehen sollte. Sam wollte studieren und Dean? Der Junge schien sich etwas ernsthafter für die Feuerwehr zu interessieren. Immerhin hatte Sam ihm schon diesen komischen Test ausgedruckt. Vielleicht klappte es ja damit. Zu wünschen wäre es Beiden, dass sie endlich ein erfülltes, glückliches und vor allem sicheres Leben leben könnten. Er atmete tief durch. Sentimentalitäten brachten ihn hier nicht weiter, denn er musste sich noch um einen Geist kümmern. Grübelnd nahm er die Tasse vom Gitter der Maschine und ging zurück in sein Büro. Je schneller er diesen Udug fand, umso schneller konnte Marcy und damit auch Jody helfen. „Dann mal los“, spornte er sich selbst an. Als Jody am nächsten Nachmittag ins Haus kam, empfing er sie mit einer Flasche Bier und dem Abendessen. Er hatte sie vor einer Weile angerufen und gebeten, nichts zu essen mitzubringen, da er kochen würde, aber nicht verraten warum. „Wie komme ich zu der Ehre?“ Sie trank einen Schluck und schaute den Jäger fragend an. „Ich muss morgen weg.“ „Du hast ihn gefunden?“, wollte sie aufgeregt wissen. Ihre Laune stieg binnen Sekunden. Marcy so leiden zu sehen, ging ihr mehr als nur an die Nieren. Obwohl sie ja irgendwie nicht bewusst litt. Marcy lag seit zwei Tagen im Koma. Aber heute Mittag war der Tiefpunkt erreicht gewesen. Die Ärzte mussten sie an eine Herz-Lungen-Maschine anschließen. Nur weil die Hirnströme, die die Ärzte inzwischen permanent überwachten noch Aktivitäten anzeigten, hatten sie sie noch nicht für tot erklärt. Da kam ihr Bobbys Nachricht gerade recht, um wieder etwas Hoffnung zu schöpfen. „Nein, nicht wirklich. Ich habe ihn bis auf vier Personen eingrenzen können.“ „Und wie?“ „Marcys Fotos“, er suchte die bearbeiteten heraus und deutete auf die, die den Geist zeigten, „siehst du seine Kleidung? Außerdem Goggle maps, einem nicht ganz legalen Besuch bei der Friedhofsverwaltung, um den Liegeplan zu bekommen.“ Er grinste verschmitzt. „Den zumindest für mich glücklichen Umstand, dass vor einem Jahr Vandalen ein paar Mal einiges verwüstet haben und die Stadt deshalb beschlossen hat überall Kameras anzubringen und einiges an Recherchearbeit.“ „Du wärst bestimmt auch ein guter Cop geworden!“, sagte sie und küsste ihn zärtlich. „Morgen früh will ich los. Bis Wakefield, Massachusetts sind es fast 24 Stunden und wegen der Waffen, kann ich nicht fliegen. Leider kenne ich da keinen Jäger, bei dem ich mir was borgen könnte. Die Kräutermischung, um den Udug zu bannen, hab ich schon fertiggestellt.“ „Was ist da drin?“ „Salz, Weihrauch, Alraune und Mistel. Kurz vor den verbrennen muss ich dann nur noch ein faules Ei untermischen.“ „Lecker“, lachte sie und verdrehte die Augen. „Dann solltest du aber bald ins Bett und dich ausschlafen. So eine Fahrt ist nicht ohne und das Wetter kann auch noch tückisch sein“, meinte Jody besorgt. Bobby lächelte. Es tat gut, wenn sich jemand um ihn sorgte. Das kannte er so bisher nur von seinen Jungs. Sofort machte sich ein warmes Gefühl in seinem Inneren breit. Seine Jungs! Auch wenn sie nicht seine eigenen Kinder waren, so war er doch sicher, dass er auch die nicht mehr lieben konnte und er pries noch heute den Tag, an dem sie plötzlich vor seiner Tür standen und seine Hilfe erbaten, damals vor fast vier Jahren. Und bald würden sie wieder hier sein! „Soll ich mitkommen?“, riss Jody ihn aus seinen Gedanken. Sie legte ihm ihre Hand auf den Arm. „Ich kann einen Tag frei machen.“ „Nein“, wehrte er sofort ab. „Es ist besser wenn du bei so einer Aktion nicht in Erscheinung trittst. Ein Sheriff der bei einer Grabschändung hilft, kommt nicht so gut.“ „Du hast Recht. Das würde mir hier den Boden komplett unter den Füßen wegziehen. Die warten doch nur darauf, dass ich Fehler mache.“ „Deswegen bleibst du hier, gießt meine Blumen und fährst in den nächsten Tagen von hier aus zum Dienst. Ich lasse mich oft genug tagelang nicht draußen sehen. Kein Mensch wird merken dass ich weg bin.“ „Du hast doch gar keine Blumen“, stellte sie nach einer Weile des Schweigens fest. „Dann sollte ich mir mal welche kaufen, oder?“ Sie zuckte nur unsicher mit den Schultern. Früher war sie mal der Meinung dass Pflanzen eine Wohnung erst wohnlich machten, heute hatte sie keine einzige in ihrem Zuhause. Allerdings war es das auch nicht. Ihr Zuhause war vor einem halben Jahr explodiert. „Ich denke, ich werde mal darüber nachdenken“, sagte er leise und nahm sie in den Arm. „Schon bald geht es Marcy wieder besser“, versprach er. „Das wäre schön.“ Sie küsste ihn sanft. „Versprich mir, dass du auch auf dich achtest.“ „Wenn du mich darum bittest, werde ich es tun.“ „Und sonst nicht?“ „Sonst hatte ich kaum etwas wofür es sich zu leben lohnte, die Jungs mal ausgenommen.“ „Das ist ein trauriges Leben, das du geführt hast.“ „Das Leben eines Jägers.“ Er löste sich von ihr und ging nach oben. Morgen wollte er so weit wie möglich fahren. Erst wenn er die Augen gar nicht mehr offenhalten konnte, wollte er kurz rasten. Vielleicht schaffte er es ja bis Übermorgen Vormittag nach Wakefield und konnte den Udug in der Nacht vernichten. Er hoffte es. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)