Kill this Killing Man II von Kalea (Höhen und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 180: Wenn das schlechte Gewissen drückt ----------------------------------------------- 180) Wenn das schlechte Gewissen drückt Dean schaffte es den Tisch ohne Unfälle zu decken. Er holte Sam. Während des Essens schaute der jüngere Winchester immer wieder ratlos zwischen Bobby und Jody hin und her, konnte sich aber einfach nicht erklären warum sie immer mal wieder kichern musste. „Ich werde ihn nicht abrasieren, nur damit du dich wieder beruhigst“, platzte Bobby plötzlich hervor. „Oh Gott, nur das nicht, Ritter Graubart“, flehte sie. „Wie soll ich dich denn dann nennen? Ritter ohne Bart oder der bartlose Ritter?“ „Da hast du ja was angerichtet!“, stellte der Ältere in Richtung Winchester erneut fest. „Ich hab doch gar nichts gemacht!“ Dean klimperte mit den Augen. „Ritter Graubart?“, fragte Sam. Sofort prustete Jody wieder los. „Was habt ihr in das Essen getan?“, wollte Bobby nun wissen. „So albern war sie früher nie.“ „Daran bist nur du schuld“, versuchte Jody sich zu beruhigen. „Ach ich.“ „Klar, wer wollte mich denn mit Dean verkuppeln?“ „Hey, lasst mich da raus, ich hab mich gerade erst von meiner Familie trennen müs... getrennt, irgendwie.“ Dean schluckte. Sam erstarrte. „Ich ...“ Dean schüttelte den Kopf. Seine Gabel klapperte auf den Tisch und er flüchtete regelrecht aus der Küche. Augenblicklich legte auch der Jüngere sein Besteck beiseite und folgte seinem Bruder. Wie hatte diese ausgelassene Stimmung gerade so umschlagen können? Klar hatte er auch gehört was Dean gesagt hatte, aber war das der einzige Grund? Vermisste Dean seine Familie? Konnte er sich erinnern? Wenn ja, woran? Oben hörte er eine Tür schlagen und folgte dem Geräusch. Er öffnete die Tür zu Deans Zimmer, schaute hinein und trat, als er seinen Bruder nicht sehen konnte, ein. Hatte er sich geirrt? Es war doch Deans Zimmertür gewesen, oder? „Dean?“ Er schaute sich um. Die Balkontür stand offen. Er sah seinen Bruder am Geländer stehen und in die Sterne schauen. Er trat neben ihn und folgte seinem Blick. Schweigend standen sie eine ganze Weile nebeneinander. Es war lange nicht mehr so kalt wie noch vor etwas mehr als einer Woche, als Dean in den Schneesturm geflüchtet war, aber auch noch lange nicht warm genug, dass man die Nacht draußen verbringen wollte. „Komm mit rein, Dean“, versuchte Sam dessen Aufmerksamkeit zu erlangen. Dean reagierte nicht. Sam legte seine Hand auf Deans Oberarm. „Du denkst an sie?“, schoss er ins Blaue und ließ mal wieder offen wen er meinte. Dean nickte kurz. „Du wärst gerne wieder ein Wolf?“, versuchte er konkreter zu werden. „Wenn ich dafür die Dinger los wäre“, grinste der Ältere bitter und hob seine eingegipsten Arme ein wenig. Doch der Scherz konnte weder ihn noch Sam überzeugen. Wieder schauten sie schweigend in den Himmel. „Du vermisst sie?“, fragte Sam in die Stille. „Es ist ...“, begann der Ältere und brauch wieder ab. Wie sollte er das erklären? Er zuckte mit den Schultern. „Du wärst lieber bei ihnen?“ „Ich habe mich entschieden“, antwortete Dean leise. Auch wenn er nicht wirklich eine Wahl gehabt hatte, wenn er leben wollte. Wieder in dieses Halbwesen abzudriften war eigentlich keine Option gewesen und als Wolf zurück konnte er nicht, egal ob er es wollte oder nicht. Außerdem war der wichtigste Grund, um ein Mensch zu sein, hier. Er würde sich wohl immer für Sam entscheiden. Immer, solange er sich bewusst entscheiden konnte, würde er Sam wählen. Trotzdem ... „Aber du bist damit nicht glücklich.“ „Es ist schwer“, sagte er und ließ offen, was genau er damit meinte. Fragend schaute Sam zu seinem Bruder. „Was?“ „Sie ist mit fünf Welpen alleine. Es ist schwer allein genügend Beute zu machen.“ „Du erinnerst dich an die Zeit?“ Dean nickte. „Die ersten Tage sind verschwommen, voller Angst und Schmerzen. Aber danach … ja.“ „Und jetzt wärst du lieber wieder ein Wolf?“ „Es war so real, so ehrlich, so umfassend. Das erste Mal im Schnee spielen, das Adrenalin bei einer erfolgreichen Jagd“, erzählte Dean stockend. „Wie bist du eigentlich so schnell an ein Rudel gekommen?“, fragte Sam neugierig. „Es gibt kein Rudel. Es ist eine Familie. Eltern und Welpen. Sie hatte keinen Partner und fünf Junge. Irgendwann war sie da. Wir haben gemeinsam gejagt und als ich weitergezogen bin, sind sie mir gefolgt.“ „Warum hast du die Jungen leben gelassen?“ „Warum hätte ich sie töten sollen?“ Irritiert schaute Dean zu seinem Bruder. „Wenn ein Löwe ein Rudel übernimmt, tötet er die Jungen, damit die Weibchen schneller wieder läufig werden und er seine Gene weitergeben kann.“ „Es war kein Rudel. Es war einfach nur eine Familie.“ „Und du fühlst dich schuldig, dass du sie alleine gelassen hast?“ Dean nickte leicht. „Sie wäre so oder so alleine. Du wärst jetzt tot.“ Das war wohl wahr. Wieder nickte Dean. „Wenn ich ein Wolf … wenn ich kein Mensch mehr geworden wäre? Ich meine bei William. Hättest du mich mitgenommen?“ Aus irgendeinem Grund war ihm das plötzlich wichtig. „Ich hätte dir die Entscheidung überlassen. Ich wollte mit dir wieder in den Kings-Canyon-Nationalpark fahren und dich laufen lassen. Es wäre mir schwer gefallen und ich hätte vielleicht auch mit dem Gedanken gespielt dir einen GPS-Chip einzupflanzen, um dich jederzeit finden zu können, aber ich wollte dich entscheiden lassen. Die Suche nach einer Lösung hätte ewig dauern können und du warst da glücklich. Du warst vollkommen.“ Den letzten Satz brachte er fast tonlos über die Lippen. Die Kälte kroch ihnen unaufhaltsam unter die Haut. „Komm rein, Dean. Es bringt nichts, wenn du dir die nächste Lungenentzündung holst.“ Dean nickte zwar, regte sich aber nicht. Plötzlich riss er sich vom Anblick der Sterne los und tappte ins Zimmer. Sam folgte ihm, schloss die Tür und ließ sich auf den Stuhl fallen, während Dean, wie ein Häufchen Elend, auf seinem Bett hockte. „Dean, du ...“ Sam wollte ihn so gerne aufheitern, ihm irgendetwas sagen, dass die ausgelassene Stimmung von vorhin zurückbrachte, doch ihm fiel nichts ein. Dean fühlte sich, als wäre mit einem Mal alles zusammengebrochen. Als wäre er auf einer Insel gestrandet. Er konnte das rettende Schiff sehen, aber er war unfähig sich bemerkbar zu machen. Egal was er tat, egal wie er sich entschied, alles fühlte sich falsch an. Bis zum Abendbrot war doch alles gut gewesen. Seit er wieder halbwegs klar im Kopf war, hatte er sich auf das hier und jetzt konzentriert, doch dieser eine Satz hatte alles wieder hochgebracht und jetzt schien eine Last auf seinen Schultern zu liegen, die ihm die Luft zum Atmen nahm. Plötzlich war alles schwarz. Wieder einmal war er der Verantwortung nicht gewachsen gewesen. Er sorgte sich um seine Kurzzeitfamilie, dabei wusste er doch dass das vollkommener Blödsinn war, denn ohne Sam und Bobby wäre er jetzt tot. Der Hirsch hatte ganze Arbeit geleistet. Aber so war es in der Natur. Jeder kämpfte um sein Leben. Und er fühlte sich undankbar, weil er überhaupt so an sie dachte. Sammy hatte ihn gerettet. Sammy war schon immer sein Leben gewesen. Und doch bekam er die Wölfe nicht aus seinem Kopf, aus seinem Herzen. Umständlich zog er sich den Pullover über den Kopf, trat sich Schuhe und Hosen vom Körper und kroch unter die Decke. Er wollte nicht mehr reden. „Du musst gleich noch die Antibiotika nehmen“, sagte Sam und erhob sich. Als er mit der Tablette zurückkam reagierte Dean nicht. Er musste ihn regelrecht schütteln, bis der sich aus seiner Lethargie befreite und das Medikament nahm. Gleich darauf ließ er sich wieder fallen. Sam deckte ihn richtig zu und hoffte, dass es ihm morgen besser ging. „Gute Nacht, Dean“, wünschte er und ging wieder nach unten. „Was ist mit ihm?“, wollte Bobby besorgt wissen. „Zu viele Erinnerungen?“ Sam zuckte mit den Schultern. „Er kann sich erinnern?“ „An fast alles, sagt er.“ „Und jetzt fühlt er sich schuldig“, stellte der Alte Jäger niedergeschlagen fest. „Ich befürchte es“, erwiderte Sam. „Wenn wir ihm das mal ausreden könnten.“ „Ich glaube dafür würde ich meine Seele hergeben!“, entgegnete Sam. „Lass das mal lieber keinen hören.“ Dean starrte noch lange ziellos in die Dunkelheit. Seine Gedanken waren im Kings Canyon Nationalpark und er versuchte sich vorzustellen, wie es seiner Familie wohl ging. Wie das klang! Seine Familie. Und doch, irgendwie waren sie es gewesen. Er hätte die Jungen gerne weiter aufwachsen gesehen. Die Fähe hatte sich entschieden mit ihm zu ziehen und er hatte die Verantwortung angenommen, auch wenn Verantwortung zutiefst menschlich war. Das Leben als Wolf war einfach. Es ging um Fressen und darum die Familie zu schützen. Hatte William ihn voriges Jahr nicht als einsamen Wolf bezeichnet? Als Wolf, der sein Revier noch nicht gefunden hatte. Hatte er das in den letzten Wochen? War diese Wolfsfamilie die einzige, die er je haben würde? Je länger er in diesem Gedankenkarussell gefangen war, je länger er versuchte sich das Leben seiner Wolfsfamilie vorzustellen, umso sicherer war er sich, dass er sie noch einmal sehen wollte, aber auch, dass Sam seine Familie war. Sam, Bobby und inzwischen auch Jody. Und doch! Irgendwann, wenn er nicht mehr so gehandikapt war, wollte er sie sehen. Auch diese Nacht verging. Dean hatte keinen Schlaf gefunden. Er hörte Bobby und Jody aufstehen und setzte sich auf. Umständlich begann er sich anzuziehen. Er brauchte jetzt unbedingt Ablenkung oder er würde noch tiefer in dem schwarzen Sumpf sinken, in dem er die ganze Nacht herumgeirrt war. Kurz nach Jody betrat er die Küche. Sie schaute ihn an und hielt ihm die Packung Toastbrot hin, die sie in der Hand hatte. „Die kannst du schon mal toasten“, sagte sie und holte Eier, Speck und Würstchen aus dem Kühlschrank. Sie schlug die Eier in eine Schüssel und stellte die ebenfalls vor den Winchester. „Und die kannst du nebenbei verrühren.“ Wortlos starrte der sie an. 'Sagt er was?', fragte sie sich, doch der Winchester schwieg. Er griff sich den Schneebesen und begann umständlich das Ei zu verrühren. „Du hast ja schon kompetente Hilfe“, stellte Bobby verwundert fest und beobachtete den Winchester genau. Dean sah alles andere als gut aus. „Du kannst dich um den Tisch kümmern oder Speck braten“, wies sie ihm auch gleich eine Aufgabe zu. „Scheuchst du deine Deputys auch so rum?“ „Was denkst du denn?“, lachte sie ihn an. „Bei dir möchte ich nicht arbeiten.“ Bobby verdrehte die Augen und begann den Tisch zu decken. Für Zwei war am Herd kein Platz. Dean stellte die Schüssel ab und kümmerte sich um die nächsten Toastscheiben. „Danke dir“, lächelte Jody ihn an und begann das Rührei zu braten. „Kannst du Sam holen?“, bat sie Dean, als der Tisch fast fertig gedeckt war. Wieder kam der ihrer Bitte wortlos nach. „Er sieht furchtbar aus“, sagte sie leise, kaum dass der Winchester die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Wie mein Sohn, wenn er mir etwas Schlimmes beichten musste. Das personifizierte schlechte Gewissen.“ Bobby nickte. „Er hat sich von klein auf jede Menge Verantwortung aufgehalst oder hat sie aufgehalst bekommen.“ „Und du meinst …?“ „Er hat ein schlechtes Gewissen seiner Familie gegenüber.“ „Sam und du, ihr seid doch seine Familie. Wieso sollte er euch gegenüber ein schlechtes Gewissen haben?“ „Der Wölfin und ihren Jungen gegenüber.“ „Der Wölfin? Du meinst weil er sie mit den Jungen allein gelassen hat? Aber er wäre gestorben! Das ist unlogisch.“ Bobby holte tief Luft. „Das weiß er auch. Trotzdem hat er da Gefühl sich seiner Verantwortung entzogen zu haben. Er fühlt sich für sie verantwortlich und er hat ein schlechtes Gewissen uns gegenüber. Dean ist kompliziert.“ „Und wie können wir ihm helfen?“ „Mach so weiter. Beschäftige ihn, lenke ihn ab. Je weniger er grübeln kann umso besser für ihn.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)