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Kill this Killing Man II

Höhen und Tiefen
von

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Abstürze

169) Abstürze
 

Im Einkaufszentrum ging es Dean wie mit seinen Schuhen. Kaum war er drin, wollte er schon wieder raus. Das Stimmengewirr fraß sich selbst durch das Oropax und er wollte sich gar nicht ausmalen, wie laut es ohne diesen Schutz war. Klar, er hatte einkaufen schon immer gehasst, aber er wollte es ja. Er wollte leben. Die ganze Palette davon und dazu gehörte wohl auch einkaufen!

Unbewusst drängte er sich näher an Sam, damit er den nur nicht verlor. Der Krach und die schiere Menge an Menschen machten ihm Angst. Vielleicht hätte er seinen Entschluss, wieder am Leben teilnehmen zu wollen, doch nicht sofort so radikal umsetzen sollen? Jetzt war es zu spät. Jetzt hieß es nur Augen zu und durch!

Der Jüngere lotste ihn in ein kleines Bekleidungsgeschäft. Hier war es schon fast beruhigend leise, aber das war wohl auch kein Wunder, immerhin stand ein Schneesturm vor der Tür und da waren Lebensmittel und Kerzen wohl wesentlich wichtiger als Bekleidung.

„Hallo“, grüßte er die Verkäuferin. „Wir brauchen Oberteile, die mein Bruder über seine Verbände bekommt.“

„Ach herjee. Wie ist das den passiert?“, fragte sie neugierig. Diese beiden Männer stellten die einzige Ablenkung dar, die sie seit mehr als einer Stunde hatte und die wollte sie so schnell nicht wieder gehen lassen.

„Motorradunfall“ Etwas anderes fiel Sam auf die Schnelle nicht ein.

„Kann man bei dem Wetter Motorrad fahren?“, fragte sie mit einem leicht vorwurfsvollen Ton.

„Vor drei Wochen war das Wetter dazu ideal“, erklärte Sam. „Leider hat ein Autofahrer ihm die Vorfahrt genommen.“

„Oh, das tut mir leid“, sagte sie jetzt voller Mitgefühl und wollte noch besser helfen. „Also, sie suchten Oberteile, die über den Gipsverband gehen? Da hätten wir karierte Flanellhemden. Natürlich geht auch jedes andere Hemd. Sie könnten ein kurzärmeliges T-Shirt drunterziehen. Wir haben auch Jacken, deren Bündchen mit Druckknöpfen zu verschließen sind.“

“Hemden“, sagte Dean leise.

„Okay, erst mal die Hemden“, sagte Sam.

„Folgen sie mir bitte“, lächelte sie und ging voraus.
 

Eine knappe Stunde später hatten sie vier Hemden und doppelt so viele T-Shirts. Auf eine neue Jacke wollte Dean zwar verzichten, Sam drängte ihn jedoch dazu eine zu nehmen. Die würde allerdings, genau wie die Hemden, in Sams Bestand übergehen, sobald Dean seine Gipsarme los war. Die Modemacher gingen wohl davon aus, dass Menschen, die stärkere Ärmel brauchten auch ein breiteres Kreuz oder einen größeren Körperumfang hatten. Also holte Sam die Hemden noch einmal in Deans normaler Größe. Gegen eine zweite Jacke konnte der sich allerdings mit der Begründung, er habe noch die vom letzten Jahr, wehren.

Auf dem Rückweg zum Wagen blieb Sam vor dem Schaufenster eines Friseurs stehen und betrachtete seine Frisur kritisch. Er war schon so lange nicht mehr beim Friseur gewesen und sah verheerend aus.

„Ich könnte einen Haarschnitt brauchen“, überlegte er leise. „Und du?“

Dean nickte. Seine Haare waren auch um einiges länger als normal und der Friseur schien heute genauso wenig gefragt zu sein, wie das Bekleidungsgeschäft vorhin. In dem Laden war nur ein Kunde.

Die Brüder betraten das Geschäft. Sofort kam ein Friseur auf sie zu.

„Was kann ich für sie tun?“, freute er sich über die unerwartete Beschäftigung,

„Möglichst kurz und rasieren bitte“, ergriff Dean die Gelegenheit sofort. Sam würde ihm zwar ohne weiteres bei einer Rasur helfen, aber es fiel ihm noch immer schwer um Hilfe zu bitten, zumal er derzeit ja eigentlich permanent darauf angewiesen war, dass ihm einer etwas abnahm, was er nicht konnte.
 

Der Wind hatte nochmals merklich aufgefrischt, als sie das Einkaufscenter verließen und zum Pickup liefen. An der Mauer und einigen Reifen der parkenden Wagen lagen kleine Schneehäufchen, die immer wieder von den stärker werdenden Windböen weitergeweht wurden.

„Lass uns zusehen, dass wir zurückkommen“, sagte Sam und schloss den Wagen auf. Er warf die Einkaufstüten nach hinten und half seinem Bruder einzusteigen. Schnell schloss er die Beifahrertür, lief um den Wagen herum, stieg ein und startete den Motor.

Kaum rollte der Pickup an, lehnte sich Dean zurück, schloss die Augen und versuchte sich zu entspannen. Einige Male war die Schere seinen Ohren verdammt nahe gekommen, zumindest hatte es sich für ihn so angehört und er war mehr als einmal versucht gewesen, auszuweichen. Da war die Rasur schon wesentlich entspannender gewesen und das obwohl die scharfe Klinge des Rasiermessers nicht nur einmal über seine Kehle strich. Komisch, dass ihm das weniger ausmachte, als die Schere an seinem Ohr.
 

Die Rückfahrt war eine Schlingerpartie. Immer wieder musste Sam gegen Windböen anlenken und er war mehr als froh, als er den Wagen endlich vor der Veranda von Bobbys Haus abstellen konnte.

„So ein verdammtes Wetter. Sollte es nicht langsam mal Frühling werden?“, schimpfte er und schlug die Wagentür zu. Sein Bruder zuckte zusammen. Mit schmerzhaft verzogenem Gesicht stieß er ein leises Wimmern aus. Sam erstarrte. „Oh verdammt, Dean. Es tut mir leid“, erklärte er zerknirscht. Er wartete, bis sein Bruder nickte. Erst dann schlang die Jacke fester um sich, nahm die Tüten und stapfte zum Haus.

„Ist das widerlich draußen“, schimpfte er und trat sich den Matsch von den Schuhen. Schnell schälte er sich aus seiner Jacke und wandte sich dann seinem Bruder zu, um ihn ebenfalls aus seiner Winterjacke zu befreien. Kurz stutzte er über das erleichterte Grinsen, dass Deans Gesicht für einen Augenblick richtig jungenhaft aussehen ließ, doch dann schaute er nach unten und sah, dass sein Bruder die Schuhe ebenfalls schon von den Füßen bekommen hatte.

„Was ist das mit deinen Schuhen? Drücken die? Hätten wir neue kaufen sollen?“, wollte er ruhig wissen.

Dean zuckte nur mit den Schultern. Er wusste es ja selbst nicht. „Keine Ahnung, geht schon“, nuschelte er leise.

Bobby erschien mit zwei Tassen in der Küchentür und gab jedem der Brüder eine.

„Ihr habt den Ausflug ja richtig genutzt“, grinste er und die Jungs nickten.

Gemeinsam ließen sie sich am Küchentisch nieder.

„Wie weit bist du mit dem Impala schon gekommen?“, fragte der ältere Winchester langsam.

„Ich muss noch spachteln und lackieren. Also nicht sonderlich weit. Leider.“

„Danke“

„Du musst dich dafür nicht bedanken, Dean!“

„Danke“

Bobby nickte lächelnd, bevor sie das Spiel noch länger trieben.

Der Wind ließ die Fenster leise klappern.

„Das wird heftig“, meinte er leise. „Gut, dass wir alles hier haben.“

Dean schaute ihn fragend an.

„Ich war heute Morgen schon einkaufen. Und wenn es Jody hierher schafft, kann es morgen Irish Stew geben.“

Dean lächelte versonnen, das mochte er.

„Du solltest übrigens die Oropax rausmachen“, sagte Bobby ruhig und deutete auf Deans Ohren.

„Ohne deinen Friseurbesuch wäre es vielleicht nicht aufgefallen.“

Der ältere Winchester grinste schief, schnaufte leise und schaute zu Sam.

„Kannst du nachher?“

„Klar“
 

Den Rest des Tages verbrachte Dean dösend auf der Couch. Er hatte eine Weile ferngesehen. Da Sam recherchierte, konnte er die Lautstärke für seine Ohren angenehm einstellen. Doch es dauerte nicht lange, bis er den Kasten ausschaltete, weil er sich langweilte.

Kurz nach Einbruch der Dunkelheit hörte er Bobby in der Küche hantieren und erhob sich. Sam war noch immer mit seinem Rechner beschäftigt.

Er steckte sich, gähnte und ging zu dem alten Freund, um ihm, wie früher, auf der Arbeitsplatte sitzend, Gesellschaft zu leisten.
 

Bobby war fast fertig, als Jody ins Haus gepoltert kam.

„Verdammter Schneesturm“, schimpfte sie. „So langsam reicht es mir mit der Kälte.“

Sie hatten alle möglichen Vorbereitungen für den Sturm getroffen und dann entschieden, dass es sinnlos war, wenn sie alle auf der Wache hockten. Also war sie hierher gefahren. Wenn sie ausrücken musste, dann konnte sie das auch von hier aus. Außerdem waren hier die Menschen, die ihr am Herzen lagen.

Sie klopfte sich den Schnee von der Kleidung und ging in die Küche, aus der es schon verführerisch roch.

Dean rutschte von seinem Platz und holte umständlich einen weitere Teller aus dem Schrank.

Jody unterdrückte den Impuls ihm zu helfen. Wenn er es machen wollte, dann sollte er, denn viel mehr konnte er kaum zu ihrem gemeinsamen Leben beitragen.

„Bin wieder da“, sagte sie leise und drückte dem Koch einen Kuss auf die Wange.

„Das ist gut“, erwiderte der. „Kannst du bitte hier weitermachen? Ich wollte Gus noch etwas bringen.“

„Vogel müsste man sein“, lachte sie und nahm ihm das Messer ab.

„Du bist ein Engel“, grinste Bobby und drückte ihr nun seinerseits einen Kuss auf die Wange. Er nahm die Schale mit den Resten und wollte sie zum Schuppen bringen. Da hatten sie eine kleine Futterstelle für den Raben eingerichtet.

„Zieh dir die Jacke drüber, der Wind ist eisig“, bat sie.

Bobby nickte und holte sich seine Winterjacke.

„Holst du Sam?“, wandte sie sich an Dean, der sofort ins Wohnzimmer ging.

Schnell war er wieder da.

Sie füllte einen Teller mit den kleingeschnittenen Fleischstücken und Kartoffelecken.

„Möchtest du auch Salat?“, fragte sie und stellte den Teller auf seinen Platz.

„Gerne, danke“

Dean setzte sich und begann langsam zu essen, während sie ihm ein Glas Wasser eingoss und es neben seinen Teller stellte.

„Kommt Sam auch gleich?“

„Hmhm“, machte Dean. Er legte die Gabel weg und versuchte für seinen Arm eine weniger schmerzhafte Haltung zu finden. Dieser Sturm ging ihm in die Knochen.

Klappernd landete seine Gabel auf dem Boden.

Dean verdrehte die Augen. Der Tag war bisher so gut. Warum konnte er dann nicht auch so gut enden?

Er beugte sich nach vorn, um die Gabel wieder aufzuheben und fegte dabei sein Wasserglas vom Tisch.

Das Klirren schmerzte in seinen Ohren.

„Toll“, stöhnte er. Jetzt hatte er ganze Arbeit geleistet. Er wollte gerade aufstehen, um die Sauerei auch aufzuwischen, als Sam die Küche betrat. Mit einem Blick erfasste der das Malheur und sah, dass sein Bruder kurz davor war in eine Scherbe zu treten.

„Dean nicht!“, schrie er laut. Nicht nur der ältere Winchester zuckte zusammen. Auch Jody erschrak. Ihr rutschte der Topfdeckel

aus der Hand und fiel scheppernd zu Boden.

Das war nun endgültig zu viel für Dean und sein empfindliches Gehör. Mit einem Jaulen sprang er auf. Gleichzeitig versuchte er die Arme hochzureißen, um sich zu schützen, doch das funktionierte einfach nicht. Hektisch suchte er nach einem Ausweg und fand ihn in Bobby der gerade wieder in die Küche kam.

Noch bevor der Ältere reagieren konnte, hatte sich Dean an ihm vorbei gedrückt und war im Schneegestöber verschwunden.

„Scheiße“, fluchte Sam und wollte ihm sofort folgen.

„Nichts da!“, sagte Bobby barsch und hielt ihn am Arm fest.

„Was soll das, Bobby?“, schimpfte der Winchester und funkelte den Freund böse an.

„Du ziehst dich erst mal richtig an. Ich weiß, dass du so schnell wie möglich zu ihm willst, aber wir wissen nicht wie lange die Suche dauern wird und ein Kranker im Haus reicht vollkommen!“, wies ihn der alte Jäger zurecht.

Murrend verschwand Sam nickend im Flur und beeilte sich in die Winterschuhe zu kommen.

„Soll ich euch helfen?“, fragte Jody. Sie fühlte sich schuldig, immerhin war sie es, die Deans Flucht ausgelöst hatte.

„Ich denke, wenn Sam und ich uns die Finger abfrieren, reicht das. Aber du könntest uns mit einem Grog erwarten.“ Er wackelte erwartungsvoll mit den Augenbrauen und holte zwei Taschenlampen aus einer Schublade.

„Na das sollte ich hinbekommen“, lachte sie beklommen.

Schnell überprüfte er die beiden Lampen und stellte eine auf die Arbeitsplatte.

„Die kann Sam mitnehmen“, sagte er und verschwand wieder im Schneetreiben.

In dem Moment kam Sam durch die Tür.

„Du kannst die Taschenlampe mitnehmen, meinte Bobby“, sagte Jody und zeigte auf die Lampe.

„Danke, das sollte helfen“, erwiderte Sam und schloss den Reißverschluss seiner Winterjacke.

„Drück die Daumen, dass wir ihn schnell finden“, bat er sie und verschwand ebenfalls in der Kälte.

Augenblicklich hatte er das Gefühl, dass lauter spitze Nadeln sein Gesicht traktierten. Er zog die Mütze tiefer ins Gesicht und die Schultern hoch.

Viel half es nicht.

Als Erstes wollte er beim Impala nachsehen. Bislang fühlte sich Dean da immer am Wohlsten.

Doch die Hoffnung seinen Bruder schnell finden zu können zerschlug sich, als er einen Schritt aus dem Windschatten des Hauses trat und noch nicht einmal mehr Bobbys Fußspuren sehen konnte. Warum musste es ausgerechnet heute einen Schneesturm geben? Er stapfte los.
 

Gerade wollte er die Tür der Werkstatt öffnen, als diese aufgeschoben wurde und Bobby ihm entgegenkam.

„Hier ist er nicht“, sagte der Jäger und machte auch Sams diese Hoffnung kaputt.

„Und jetzt?“

„Jetzt suchen wir die Reihen ab und hoffen, dass er sich in einer der unteren Schrottkarren verkrochen hat.“

„Na dann viel Erfolg“, stöhnte Sam. Er sah die Chancen eines schnellen Erfolges verpuffen.

„Ich fange hier vorn an, du hinten. Wenn wir ihn nicht finden, müssen wir uns was anderes überlegen. Aber erst mal hoffen wir, dass er in der Kälte nicht allzu weit gelaufen ist.“

Der Winchester nickte betrübt und stapfte davon.

„Dean“, rief er ihn immer wieder und war sich doch sicher, dass er ihn wohl nicht einmal hörte, wenn er direkt neben ihm stand. Der Wind fauchte viel zu stark um die alten Wracks und riss ihm jede Silbe regelrecht den Lippen.



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