Kill this Killing Man II von Kalea (Höhen und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 166: Laute Welt ----------------------- 166) Laute Welt Immer mal wieder schaute Sam während der Fahrt zu seinem Bruder, der auf der Beifahrerseite gegen den Türrahmen gelehnt, apathisch aus dem Fenster starrte. Dean trug die Jogginghose, den Pullover, dem Sam nach mehreren vergeblichen Versuchen den über den Gips zu bekommen, den linken Ärmel abgeschnitten hatte und seine Schuhe, deren Schnürsenkel nur in den Schaft geschoben worden waren. Warum auch immer. Dean hatte sich dazu nicht geäußert, außer dass er regelrecht geflüchtet war, als er die zubinden wollte. Inzwischen war der Mittag schon lange vorüber und wieder warf Sam einen Blick auf seinen Bruder. „Da vorne gibt’s wieder ein Diner“, begann Sam so unverfänglich wie möglich. Dean starrte weiter aus dem Fenster. „Sag nicht, dass du noch immer keinen Hunger hast.“ Von dem Älteren gab es noch immer keine Antwort. „Dean! Du musst essen! Willst du wegen der Verbände nicht oder hast du wirklich keinen Hunger?“, versuchte es Sam jetzt. Ein langer vielsagender Blick seines Bruders war die Antwort. „Ich kann dir doch helfen. Niemand würde daran Anstoß nehmen, wenn ...“ Ein weiterer vielsagender Blick ließ ihn verstummen. Dean wollte es nicht, auch wenn er das nicht wirklich verstehen wollte. Es war doch wirklich nicht das erste Mal, dass er Dean so helfen würde! Wenn er in so einer Situation wäre, würde er sich helfen lassen. Oder? Das letzte Mal als er sich den Arm gebrochen hatte, war noch nicht einmal so lange her und es war der rechte, jedoch hatte er sich nur das Handgelenk angebrochen und konnte so noch ganz gut hantieren. Sein Bruder hatte nicht nur ein angebrochenes rechtes Handgelenk, nein er hatte auch noch einen gebrochenen linken Arm und der Gips reichte von der Handfläche bis über den Ellenbogen. Mit diesem Arm konnte er rein gar nichts anfangen. Er konnte keine Tasse halten, keine Gabel, nichts. Obwohl? Halten vielleicht schon, leider bekam er so nur nichts in den Mund. Der Arm war so vollkommen nutzlos und das für mindestens vier Wochen. Und mit der rechten Hand konnte Dean kaum greifen. Wie sollten sie ihn in der Zeit ernähren? Eine Schnabeltasse fiel ja wohl aus, obwohl Dean die, mit Kakao vermischte, Ersatzmilch damals geschmeckt hatte. Nein. Soweit wollte er nicht gehen. Aber irgendetwas musste ihnen doch einfallen! Ob sich sein Bruder zu Hause eher füttern ließ? Hatten Jody oder Bobby eine Idee? Er konnte es nur hoffen. Erleichtert atmete Sam auf, als er den Pickup auf den singerschen Schrottplatz lenkte. „Wir sind zuhause“, sagte er und stieg aus. Er lief um den Wagen herum, um seinem Bruder zu helfen. Aus den Augenwinkeln sah er Jody und Bobby auf die Veranda treten. „Das Empfangskomitee ist auch schon da“, grinste er seinen Bruder an und merkte erst als der sich merklich versteifte, dass das wohl genau das war, was er nicht wollte. „Na komm, sie beißen nicht“, versuchte er ihm Mut zu machen, doch Dean entspannte sich kaum. Was hatte er nur? Er wollte es noch einen Augenblick verdrängen und einfach nur das Glück genießen, hier zu sein. „Bobby“, sagte der jüngere Winchester und fiel seinem Ziehvater um den Hals. All die Anspannung, Angst und die Sorgen der letzten Monate fielen von ihm ab und dem Älteren ging es nicht anders. Nur Dean stand etwas verloren daneben und schaute in die kalte Nacht hinaus. „Habt ihr Hunger?“ fragte Jody. „Wir haben ein bisschen was vorbereitet.“ Sam nickte sofort. Aus Rücksicht auf seinen Bruder hatte er nur zum Tanken angehalten und seinen größten Hunger am Nachmittag mit einem Müsliriegel gestillt. Dean versteifte sich jedoch sofort wieder. „Kommt rein. Hier draußen ist es alles andere als gemütlich“, sagte Bobby und warf einen kurzen, traurigen Blick auf den älteren Bruder. Was mit ihm war, würde er schon noch erfahren, auch wenn es ihn doch brennend interessierte. Das musste warten. Nur widerwillig löste sich Dean von der friedlichen Nacht. Die Kälte störte ihn nicht. Der Lärm, den die Menschen machten, schon. Die Menschen, wie das klang. Er war doch selbst ein Mensch und doch fühlte er sich den Wölfen gerade mehr verbunden als denen, die er seine Familie nannte. Er konnte nur hoffen, dass sich das in den nächsten Tagen änderte. Und einen Teil konnte er selbst dazu beitragen. Er musste sich einfach nur wieder einleben. Dann würde er auch den Krach nicht mehr als solchen empfinden! Dean gab sich einen Ruck und folgte den anderen ins Haus, wo er sich gleich seine Schuhe von den Füßen kickte. Erleichtert atmete er auf. So ging es ihm schon viel besser. In der Küchentür blieb er stehen. Sein Blick fiel auf seinen Stammplatz und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Auf dem Tisch stand ein Teller mit vielen kleinen Sandwichstücken und in jedem steckte ein Patyspieß. So konnte selbst er essen. „Hau rein“, sagte Jody, der sein Blick nicht entgangen war. „Ich kann dir auch noch mehr machen.“ Das ließ sich Dean nicht zweimal sagen. Ausgehungert fiel er über den Teller her und Jody musste sich mit der Lieferung von Nachschub so beeilen, dass Bobby ihr unter die Arme griff. Lächelnd zwinkerte sie Sam zu. Der Tipp war wirklich Gold wert gewesen. Endlich ließ sich Dean gegen die Stuhllehne sinken. Zufriedenheit lag auf seinem Gesicht, „Danke“, sagte er leise. Vorsichtig fädelte er seine Finger durch den Henkel der Tasse und versuchte zu trinken. Es kam, wie es kommen musste. Dean bekam die Tasse nicht richtig zu fassen und bekleckerte sich den Pullover. Wortlos verließ Bobby die Küche und ging nach oben. „Ich bring dir morgen meine Thermotasse mit. Die hat einen größeren Henkel“, sagte Jody und Sam seufzte. Das würde so wohl noch öfter passieren. Da war die Thermotasse eine gute Idee. Die hatte einen Deckel. Oder ob sie Dean einfach einen Latz verpassten? Besser nicht! das würde seinen Bruder richtig demontieren. Etwas, das er auf keinen Fall wollte. Bobby kam mit einem älteren Hemd und einem T-Shirt von sich wieder. „Versuch das mal“, sagte er und hielt Dean beides hin. Der Winchester nickte kurz. Er stellte die Tasse ab und schaute sich unsicher um. „Ich ...“, begann er schleppend, „bin müde“, fügte er gleich darauf hinzu und deutete nach oben. „Ruh dich aus“, sagte Bobby und beobachtete den Jungen, wie er vom Stuhl rutschte und aus der Küche ging. „Was ist mit ihm?“, wollte er von Sam wissen, kaum dass sich die Tür wieder geschlossen hatte. „Hast du einen Whiskey?“, fragte der Winchester statt einer Antwort. „Hat ein Vogel Federn?“ „Hast du einen für mich? Einen ohne Weihwasser?“ Grinsend holte Bobby eine Flasche und drei Gläser aus einem Schrank. „Also, was ist mit ihm?“, fragte er noch einmal. „Wenn ich das so genau wüsste. Es ist als müsste ich ihn immer wieder zurückholen. So als wäre er mit seinen Gedanken weit weg. Er redet kaum und starrt die ganze Zeit vor sich hin.“ „Aber den Wolf ist er los?“ „Amaruq meinte, dass ich auf ihn aufpassen sollte, er wäre viel zu lange Wolf gewesen.“ „Was heißt aufpassen?“, hakte Jody nach. „Ich soll ihm helfen Mensch zu bleiben.“ „Was heißt das denn?“, fragte sie ratlos. „Ich habe keine Ahnung“, gab Sam ratlos zu. „Denn alles was ihn menschlich macht, ist ihm derzeit genommen.“ „Ein Mensch besteht nicht nur aus Händen!“ „Nein, aber du weißt selbst, dass Dean lieber praktisch arbeitet als theoretisch. Gib ihm ein Haus zum Umbauen, lass ihn an Autos schrauben und er ist glücklich. Gib ihm ein Buch ...“ „Ich weiß, dass er nicht gerne liest.“ „Und was machen wir jetzt mit ihm?“ „Ich lass mir was einfallen“, versprach Bobby und hoffte, dass ihm wirklich etwas einfiel. „Und sonst? Jetzt wäre die Zeit alles genauer zu erzählen“, lenkte der Hausherr das Gespräch in eine andere Richtung. Jody holte einige Flaschen Bier und Sam begann zu erzählen, was in den letzten Tagen passiert war. Als er geendet hatte und nach oben ins Bett wollte, schaute er bei seinem Bruder ins Zimmer. Im Licht der Flurlampe konnte er erkennen, dass sich Dean wieder auf dem Bett zusammengerollt hatte. Auch etwas, das sich noch ändern musste! Und er würde es sofort angehen. „Dean?“ Er legte ihm die Hand auf die Schulter. Sofort zuckte der Ältere zusammen und richtete sich auf. „Leg dich richtig ins Bett, bitte! Du bist kein Wolf mehr.“ Kurz starrte Dean ihn verständnislos an, bevor er sich unter die Decke verkroch. Sam nahm es als gutes Zeichen und verschwand nun ebenfalls in seinem Zimmer. Er zog sich um, kroch unter die Decke und war binnen Minuten eingeschlafen. Die letzten Tage hatten ihn an sein Limit gebracht. Die ersten Anzeichen des erwachenden Lebens im Haus trieben den älteren Winchester aus dem Bett. Er hatte die halbe Nacht nicht geschlafen. Die Decke war viel zu schwer gewesen und ohne hatte er gefroren. Außerdem beschäftigten ihn die Worte, die er gestern eher unfreiwillig mit anhören musste. Menschlich bleiben. Ja das musste er. Einen Weg zurück zu seiner wölfischen Familie gab es nicht, soviel stand für ihn fest. Er war ein Mensch und er wollte es bleiben, auch wenn es ihm gerade mehr als schwer fiel wieder einen Bezug zu diesem Leben zu finden. Der Gedanke tat weh. Sam, Bobby und selbst Jody bedeuteten ihm doch so viel mehr als eine Wölfin und ihre Jungen, die er nur wenige Monate begleitet hatte und doch trauerte er ihnen nach. Diese Zeit war so viel einfacher gewesen und er so viel freier. Es hatte ihn einiges an Überwindung und Kraft gekostet seine Gedanken auf die Zeit vor dem Wolf zu richten. Doch je länger er darüber nachdachte, umso einfacher wurde es und als er aufstand, war er zwar noch immer müde aber auch bereit, sein Leben als Mensch in Angriff zu nehmen. Sie würden aussteigen! Sie würden leben und sie würden ganz normalen Berufen nachgehen! Er musste nur noch die Zeit, bis er die Gipsverbände los wurde, überstehen. Voller Zuversicht begann er sich anzuziehen. Doch schon bei den Schuhen wurde sein Tatendrang gebremst. Kaum hatte er die an den Füßen, wollte er sie auch schon wieder ausziehen. Sie drückten und sie waren so schwer, dass er das Gefühl hatte, am Boden festgenagelt zu sein. Und als er vor der Küche ankam, zog er sie auch wieder aus. Es ging einfach nicht! Aber Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut! „Was machst du denn schon hier?“, wollte Bobby verwundert wissen, kaum dass Dean die Tür aufgeschoben hatte. Dean biss die Zähne zusammen. Warum war Bobby nur so laut? Er schaute auf und zuckte kurz mit den Schultern, da der Freund ihn noch immer fragend anschaute. Schnell ließ er sich auf seinen Stuhl fallen. Jody kam in die Küche und drückte dem alten Brummbären einen Kuss auf die Wange. „Morgen ihr zwei. Was habt ihr heute vor?“ „Ich wollte in die Werkstatt. Der Impala muss dringend auf Vordermann gebracht werden. Hilfst du mir, Dean?“ Ganz automatisch war Bobby bei der Frage etwas lauter geworden und wieder biss Dean die Zähne zusammen. Warum mussten die so schreien? Und wieder fühlte Dean den Blick auf sich gerichtet. „Wie?“, fragte er deshalb und hielt ihm seine Gipsarme entgegen. „Du kannst mir Gesellschaft leisten.“ Zögerlich nickte der Winchester. „Etwas mehr Begeisterung hätte ich mir schon erhofft“, grummelte der Ältere. „Ja“, sagte Dean und versuchte ein Lächeln. Die Drei waren mit ihrem Frühstück schon fast fertig, als Sam die Küche betrat. „Ihr hättet mich wecken können“, maulte er und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Geräuschvoll kratzte er das Rührei aus der Pfanne. Dean war kurz davor zu flüchten. Die normalen Gespräche waren gerade noch zum Aushalten, doch das war zu viel. So langsam er konnte, stand er auf und deutete in Richtung Badezimmer. „Brauchst du Hilfe?“, rief Sam ihm nach. Dean trieb das die Tränen in die Augen. Keinem der drei schien etwas aufzufallen, also was stimmte nicht mit ihm? Er schüttelte den Kopf und flüchtete. Eine Weile beschäftigte er sich im Bad und setzte sich dann ins Wohnzimmer. Bobby hatte den Kamin angefeuert. Das Spiel der Flammen beruhigte ihn, genau wie das leise Knistern. Und die Wärme tat gut. Hier konnte er in Ruhe nachdenken. Tief in sich versunken starrte er weiter auf das Feuer. Erst Bobby riss ihn in die Wirklichkeit zurück. „Kommst du mit?“ Verdattert schaute Dean den Freund an, bevor er nickte und sich erhob. Bobby hielt ihm eine alte Jacke hin. „Versuch die mal, die geht hoffentlich über den Gips“, meinte der. Nach zwei vergeblichen Versuchen gab er auf. „Dann eben ohne den Arm. Die Jacke ist weit genug“, lachte der Ältere und schloss den Reißverschluss. Den losen Ärmel schob er in die Tasche. „Na los. Versuchen wir aus deinem Baby mal wieder eine Schönheit zu machen.“ Der Winchester versuchte ein Lächeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)