Kill this Killing Man II von Kalea (Höhen und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 93: Ein kurzes Märchen ------------------------------ @ Vanilein - ja, dieses kleine, bösartige Miststück hat einen lange Atem. So schnell ist Sam nicht erlöst. LG Kalea 93) Ein sehr kurzes Märchen Langsam kam Sams Bewusstsein zurück. Sein Körpergefühl sagte ihm dass er saß. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Alles war nur ein blöder Traum. Er lauschte auf das satte Brummen des Impalas. Doch statt des erhofften Geräusches, drang Vogelgezwitscher an sein Ohr. Panisch riss er die Augen auf und starrte auf das Grün der Bäume hinter der Lichtung. „Nicht schon wieder!“, murmelte er frustriert und erhob sich. Langsam ging er zu seinem Pferd hinüber. „Sind wir wieder hier gelandet?“, fragte er leise und klopfte ihm den Hals. „Hast du dieses Mal eine Ahnung, was wir tun sollen?“ Aber wie auch schon beim letzten Mal schüttelte das Pferd nur den Kopf. „War ja klar“, sagte der Winchester und schaute sich um. Machte es Sinn, den Wald abzusuchen? Wohl eher nicht, immerhin schien dieser hinterhältige Lichtfloh zu wollen, dass er seine „Prinzessin“ fand und rettete. Prinzessin! Wenn Dean das je erfuhr würde der ihn lebendig frittieren! Er hatte sich doch nur gewünscht, dass er auch mal derjenige sein könnte, der Dean rettete, nur damit der nicht immer der Leidtragende war. Sein Bruder hatte in diesem Jahr schon genug einstecken müssen! Nein. Eigentlich hatte er es sich nicht mal gewünscht. Er hatte nur überlegt, dass es schön wäre, wenn er mal der „Retter“ wäre. Warum konnte eigentlich jeder in seinen Kopf schauen und sehen was er dachte? Wie viele dieser gedankenlesenden Freaks liefen in ihrer Welt rum und wie viele von denen nutzen ihre Fähigkeit gegen sie oder dazu andere Menschen zu ihrem eigenen Spaß zu quälen? Nein! Das wollte er lieber nicht wissen. Er durchsuchte die Satteltaschen und fand, wie schon beim letzen Mal, etwas Essbares und einen Beutel Wein. Damit ging er zu einem Stein, der von der Sonne beschienen wurde, ließ sich darauf nieder. Eine Weile starrte er auf das Brot und das kalte Fleisch. Der Appetit war ihm vergangen, aber er musste essen. Er brauchte seine Kraft, um Dean zu finden und sie zurück in ihre Welt zu bringen. Sam blickte wieder auf das Essen und holte tief Luft. Er biss ein Stück von dem Brot ab, kaute bedächtig und überlegte, wie es weitergehen sollte. Welches Märchen hatte diese Hexe sich wohl dieses Mal für ihn ausgesucht? Frustriert schüttelte er den Kopf. Es war sinnlos darüber nachzudenken. Es waren einfach zu viele Märchen, selbst wenn er wirklich nur die nahm, in denen eine Prinzessin vorkam. Aber wohin sollte er sich dann wenden? Wieder zu dem Gasthaus? Eigentlich wollte er da nicht noch einmal hin. Und dann kam ihm eine Idee. Völlig verrückt, aber hey, er war hier im Märchenland. Warum also nicht diesen unkonventionellen Weg wählen? Eine Richtung war schließlich genauso gut oder schlecht wie jede andere! Er erhob sich, trat von dem Stein weg, schloss seine Augen und drehte sich im Kreis. Kurz bevor ihm richtig schlecht wurde, hielt er an. Er öffnete seine Augen wieder und fixierte den Blick auf einen Baum, nicht dass das Essen doch noch den Rückwärtsgang einlegte. Da lang also! Nachdem sich sein Magen beruhigt hatte, ging er zu seinem Pferd und stieg auf. Langsam ließ er es an dem Baum vorbei und weiter in diese Richtung laufen. Träge wälzte sich Dean auf den Rücken und streckte sich ausgiebig. Er fühlte sich ausgeruht wie schon lange nicht mehr. Er lauschte in die Stille des Zimmers und wunderte sich, dass Sam wohl ebenfalls noch nicht aufgestanden war, denn selbst durch seine geschlossenen Lider hatte er bemerkt, dass es schon hell war. Also was war mit seinem Bruder? Kaum war die Erkenntnis in sein Gehirn gesickert, öffnete er seine Augen und schaute sich um. Sofort richtete er sich auf. Etwas zog an seinem Kopf, doch das war im Augenblick nebensächlich, denn das was er sah war absolut nicht das, was er erwartete. Der Raum war halbrund. Unverputzte Wände waren mit einigen Teppichen behängt. An einer Wand stand ein Schrank, ein mannshoher Spiegel daneben, und ein Stückchen entfernt ein Waschtisch und eine Kommode. Wo zum Teufel war er denn hier gelandet? „Sam?“, fragte er in den Raum und rutschte an den Bettrand. „SAM“, rief er lauter. In seiner Stimme schwang Besorgnis. Wieder bekam er keine Antwort. Er erhob sich, machte einen Schritt und landete, hilflos mit den Armen rudernd, auf den Knien. „Verdammt“, fluchte er laut. Wann war es ihm denn zum letzten Mal passiert, dass er sich nicht abfangen konnte? Schnell war die Frage verschwunden. Er saß vor dem Spiegel und starrte ungläubig hinein. Sein Herz begann zu rasen. Hektisch fuhr er sich mit der Hand ins Gesicht und war noch geschockter, dass sein Gegenüber diese Bewegung genauso ausführte. Er drehte sich um, vielleicht … Nein, er war allein in diesem Raum. Seine Hände fuhren in die Haare, doch da war nicht der erwartete, leicht verstrubbelte Kurzhaarschnitt, den er sonst immer fühlte. Seine Finger fühlten das, was seine Augen ihm zeigten. Er wollte aufstehen und hier verschwinden. Nur weg. Doch auch wenn sein Gehirn den Befehl gab, seine Beine bewegten sich nicht! Langsam rutschte er näher an den Spiegel heran und starrte weiter ungläubig auf das, was sein Spiegelbild sein sollte. Sein Gesicht! Vielleicht etwas weicher als er es in Erinnerung hatte, doch da konnte er sich auch täuschen, weil der Rest so gar nicht das war, was er sonst im Spiegel sah. Sein Oberkörper steckte in einem mit Bändern vorn zusammengeschnürten Teil. Darunter trug er einen Art Hemd. Doch das Schlimmste waren seine Haare. Oder das, was da von seinem Kopf hing. Ein langer, blonder, schwerer Zopf, dessen Ende noch immer auf dem Bett lag. Ächzend stemmte er sich in die Höhe. Unverwandt starrte er dabei auf sein Spiegelbild und stöhnte leise, als er stand. War ja klar, dass er zu dem Äußeren auch noch einen Rock trug. Für einen winzigen Moment verschwanden alle Sorgen. Ein flüchtiges Lächeln legte sich auf sein Gesicht und seine Hände tasteten über seine Brust. „Na toll!“, maulte er, denn die fühlte sich wie immer an. „Hab mal wieder nur das blöde Zeug abbekommen!“ Doch dann wurde er schlagartig wieder ernst. Wer auch immer ihn das angetan hatte, er musste hier raus, bevor derjenige wiederkam! Hastig wollte er zu der Kommode und wäre fast wieder über den Saum seines Rockes gefallen. Seine Hände griffen in den Stoff und zogen ihn hoch. Wieder wagte er einen Schritt. Jetzt zerrten die schweren Haare an seiner Kopfhaut. Wütend packte er mit seiner Linken das geflochtene Konstrukt und ging, den Rock gerafft und den Zopf hinter sich her zerrend, zur Kommode, in deren Schüben er hektisch zu wühlen begann. Schon in der zweiten Schublade fand er eine Schere. Strähne für Strähne säbelte er sich das schwere Ding vom Kopf. Es war egal, wie es aussehen würde. Alles war besser als mit diesem Ding noch länger herumzulaufen. Kaum war er damit fertig, musste der Rock dran glauben. Dean kürzte ihn auf die Hälfte und zerschnitt ihn dann auch noch vorn und hinten von oben nach unten. Zu guter Letzt zerschnitt er auch noch die Bänder seines Oberteiles und verwendete die, um sich die Rockhälften an den Beinen zusammenzubinden. Und so traute er sich dann auch wieder vor den Spiegel. Er sah noch immer nicht das, was er gewohnt war. Seine Haare waren strähnig struppig und die sogenannten Hosen klafften an ihren Innenseiten auf, doch egal. So konnte er sich schon eher wiedererkennen! Jetzt musste er nur noch hier raus und seinen Bruder finden. Noch einmal schaute er sich in aller Ruhe in dem Raum um. An einer Wand gab es ein Loch, das sich bei näherem Betrachten als Treppe herausstellte, die er auch sofort benutzte. Leider kam er nicht weit. Schon im nächsten Stockwerk endete sie. Eine Sackgasse also. Sofort lief er die Treppe wieder nach oben und schaute sich erneut um. Blieb wohl nur das Fenster, denn sonst gab es keine andere Öffnung zur Außenwelt. Dean schaute hinaus. „Na toll“, schimpfte er, nachdem er festgestellt hatte, dass er in einem Turm eingesperrt war. „Was sollte das hier sein? Rapunzel?“, nuschelte er leise und schaute sich noch einmal um. Die langen Haare und der Turm? Es könnte schon passen. Allerdings würde es ihn dann doch interessieren, wie er hierher gekommen war, und warum? Und ganz wichtig: Wo war Sam? Sollte der etwa sein Prinz sein, der ihn rettete? „Nee, ehrlich Leute“, sagte er leise. Da nahm er seine Befreiung doch lieber selbst in die Hand. Nicht dass er Sam nicht zutraute ihn zu befreien, aber er wollte nicht singend am Fenster hocken und warten. Zumal er seinen Bruder mit seinem Gesang wohl eher verscheuchen als anlocken würde. Außerdem wollte er sich dieser Schmach nicht aussetzen, dass Sam ihm im Turm hocken sah. Sein Aufzug war schon schlimm genug! Also nichts wie weg hier! Er ging zum Bett und nahm den dicken Zopf, den er so gut es ging am Fensterkreuz befestigte und dann nach draußen warf. Ohne darüber nachzudenken kletterte er auf die Fensterbank und schwang sich nach draußen. Das Haar war ziemlich glatt. Aber als er nur noch in einzelne Strähnen und nicht mehr den ganzen Zopf griff, fiel ihm das Klettern leicht. Schnell hatte er den Boden erreicht. Jetzt fühlte er sich schon viel freier. Noch einmal schaute er sich um und beschloss dann, aufs Gradewohl loszumarschieren. Egal wohin, nur erstmals weg von hier. Irgendwo musste es Menschen geben und da konnte er sich mit neuen Kleidern eindecken und auch wieder eine vernünftige Frisur bekommen. Und dann würde er sich auf die Suche nach Sam machen. Er kam nicht weit, als plötzlich neben ihm eine zornige, Stimme erklang. „So haben wir nicht gewettet!“ Hastig drehte er sich zu ihr um und sah eine junge Frau neben sich stehen, die ihre Fäuste in die Hüften gestemmt hatte und ihn wütend anfunkelte. „Was? Wer?“, fragte er irritiert. Wie hatte er nicht bemerken können, dass sie neben ihm war? Noch bevor er irgendwie reagieren konnte schnippte sie mit den Fingern und die Welt um ihn herum wurde vom schwarzen Nichts verschlungen. Sam taumelte. Sein Gleichgewichtssinn sagte ihm dass er stand. Sein Gehirn war sich jedoch noch vollkommen sicher, dass er auf einem Pferd saß und durch einen Wald ritt. Ein gequältes Stöhnen schlich sich über seine Lippen. Instinktiv versuchte er sein Gleichgewicht wieder zu finden und streckte die Arme aus. Er fühlte, wie sich eine Hand auf seinen Arm legte und ihn sanft stützte. „Ihr mutet Euch zu viel zu, Doktor“, sagte eine weibliche Stimme. Erschrocken öffnete er die Augen, richtete er sich auf und starrte sie irritiert an. Es war nicht die Fee, die ihm das Ganze hier eingebrockt hatte. Es war eine junge Frau, die ihn freundlich anlächelte. „Ihr solltet den Tee trinken und Euch ausruhen. Es nutzt niemandem, wenn Ihr Euch zu Tode arbeitet. Wann habt Ihr das letzte Mal etwas gegessen? Bestimmt nicht nachdem ich Euch gestern gedrängt habe, zu frühstücken.“ Gequält schaute Sam zu ihr. Was wollte sie von ihm? Wo war er denn jetzt gelandet. Oder besser in welchem Märchen? „Wusste ich es doch“, schimpfte sie leise. „Ich werde Euch sofort etwas machen und dann ruht Ihr Euch aus!“ Sam musterte sie. Sie trug ein einfaches, blaues Kleid mit einer weißen Schürze darüber. Ein Dicker roter Zopf hing über ihre Schulter und soweit er das in dem wenigen Tageslicht, das durch die Butzenscheiben fiel, sehen konnten, hatte sie Sommersprossen und braune Augen. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er nickte, ließ sich auf dem Stuhl nieder und trank den Tee, während sie den Raum verließ und die Tür leise hinter sich schloss. Für einen Augenblick genoss er die Fürsorge, doch dann begannen sein Gedanken um die eine, entscheidende Frage zu kreisen. Wo war er denn hier reingeraten? Was für ein Märchen hatte etwas mit einem Arzt zu tun? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)