Kill this Killing Man II von Kalea (Höhen und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 70: Unsicherheiten -------------------------- 70) Unsicherheiten Noch bevor Sam sich erheben konnte, um die leeren Teller wegzubringen, war Dean schon auf dem Weg. Er brachte ihnen eine Kanne Kaffee mit und eine Zeitung, die ein Gast wohl auf der Theke vergessen hatte. Schnell hatte er sich hinter ihr verschanzt und Sam seinen Laptop aufgeklappt. Nach kurzem Zögern tippte er El Paso ein und schaute sich an, was dort in den nächsten Wochen los sein sollte. Kurz war er versucht, seinen Kopf auf den Tisch zu schlagen. Wieso war er nicht schon früher auf diese Idee gekommen? Er hätte sich die ganze Sucherei bei Deans Lieblingsbands sparen können! Egal! Jetzt hatte er ein Konzert und so wie es aussah konnten sie vorher sogar noch einen Urlaub am Grand Canyon machen. Ein breites Strahlen legte sich auf sein Gesicht. Es war zwar nicht unbedingt sein Geschmack, aber diese Gelegenheit nicht zu nutzen, wäre ein Frevel, den Dean ihm ewig vorhalten würde. Und das mit Recht! Nur schade, dass Dean hinter seiner Zeitung so gar nicht aufnahmefähig zu sein schien, aber es würde sich bestimmt eine Möglichkeit finden lassen, um ihm diese Neuigkeit zu erzählen. Vielleicht konnte er ihm dann auch gleich noch die Karten präsentieren? Sam stand auf, nahm seinen Laptop und ging in ihr Zimmer um die Karten auszudrucken. Was weder Sam noch Ellen bemerkten, war der Blick, mit dem Dean ihm hinterher schaute. Entgegen Sams Annahme hatte er sehr wohl mitbekommen, dass sein kleiner Bruder etwas ausbrütete. Aber er wollte nicht fragen und Sammy war niemand, der ein Geheimnis lange für sich behalten konnte, zumindest keins, was anderen eine Freude machte und genau danach sah es aus, so wie sein kleiner Bruder strahlte. Sein kleiner Bruder! Ja! Sam war sein kleiner Bruder und Adam? Konnte er sich je mit dessen Existenz versöhnen? Mit einem unwirschen Knurren versenkte er sich wieder in den Artikel, den er gerade entdeckt hatte. Es war nicht Adam auf den er wütend war und es war nicht wirklich seine Existenz, die ihm die Luft zum Atmen raubte. Es war auch nicht die Tatsache dass John Sex hatte oder ein Kind gezeugt. Es waren die unzähligen Ermahnungen, dass Familien einen Jäger erpressbar machten und dass sie die um alles in der Welt vermeiden sollte. Johns Lügen und die zweierlei Maß mit denen er sein und das Handeln seiner Kinder maß, waren es, wofür er ihn hasste. Sam kam in den Schankraum zurück. Er hatte die Karten ausgedruckt und in die Brusttasche seines Hemdes gesteckt. Wortlos ließ er sich wieder auf seinen Platz fallen und öffnete das ledergebundene Buch. Schnell hatte er sich in die Handschrift eingelesen. Es war immer wieder von Mary und Deana die Rede. Konnte es das Tagebuch ihres Großvaters sein? „Dean“, fragte Sam leise und legte seinem Bruder seine Hand auf den Arm. Der Ältere senkte die Zeitung und schaute seinen Bruder fragend an. Ein warmes Gefühl durchflutete Sam. Es war fast wie vor etwas mehr als einem Jahr, als Dean noch beatmet wurde. Damals hatte der sich ihm auch soweit geöffnet, dass er ihn regelrecht lesen konnte. Jetzt schien das wieder zu funktionieren. Wahrscheinlich aufgrund seines schlechtem Gewissens wegen ihres Streites. Dabei war er doch mindestens genauso schuld! Er würde viel lieber richtig mit ihm reden. Aber er wollte Dean dieses Trauma auch verarbeiten lassen. "Das Tagebuch, das ...", begann er etwas umständlich. „Das Tagebuch Samuel Campells.“ „Das ist wirklich das Tagebuch von Moms …“ Dean nickte. „Und Dad hat dieses Buch bei Adam deponiert?" Unglaube schwang in Sams Stimme mit. Wieder nickte Dean nur. Enttäuschung machte sich in seinen Augen breit. „Wie ist Dad an das Buch gekommen?“ „Da fragst du mich zu viel“, sagte Dean leise, „aber wir scheinen so vieles nicht zu wissen von dem, was er gemacht hat.“ Jetzt war es an Sam einfach nur zu nicken. Ihr Vater hatten ihnen so viele Informationen vorenthalten, die sie im Laufe ihres Jägerlebens oft nur unter Einsatz ihres eigenen Lebens erringen konnten, auf jeden Fall aber mit Schmerzen bezahlten die sie, wenn sie sie gehabt hätten, gut hätten vermeiden können. Manchmal fragte er sich, was ihr Dad eigentlich wollte. Ein eigenes Leben hatte er ihnen nie zugestanden aber auf das Jägerleben hatte er sie auch nur unzureichend vorbereitet. "Was hältst du davon, wenn wir unsere Zelte hier demnächst abbrechen und Richtung Grand Canyon fahren. Ein richtiger Urlaub würde uns beiden gut tun!" Dean blickte fragend. Ihm stand der Sinn so gar nicht nach Urlaub und nach El Paso mussten sie auch nicht sofort. Immerhin hatte er durch den Stammbaum erfahren, dass die Harrisons kein Spielball des Übernatürlichen geworden war. Zumindest ein Teil der Familie nicht. Er wollte viel lieber jagen. Irgendetwas vernichten und so seine Wut und die Fassungslosigkeit los werden, die ihn noch immer gefangen hielt. „Es liegt auf dem Weg", beantwortete Sam die ungestellte Frage und grinste wie ein Honigkuchenpferd. Wieso auf dem Weg? „El Paso.“ "Wir müssen nicht unbedingt ...", begann Dean unsicher. Sam strahlte mit der Sonne um die Wette. Sein Bruder redete wieder mit ihm! „Wir haben einen Termin da“, weiter wollte er noch nicht mit der Sprache rausrücken. Einen Termin? „Ja, einen Termin“, grummelte Sam ein wenig enttäuscht, dass sein Bruder schon wieder schwieg. Aber was hatte er erwartet? Das Dean sofort wieder wie ein Wasserfall quasselte? Das tat er höchstens, wenn er eine Frau bequatschen wollte. Und selbst das war selten. Meistens landete er ohne viele Worte mit ihr im Bett. Sam kaute auf seiner Unterlippe. Wer nicht wagte, der gewann auch nicht, oder? Er schloss die Augen, atmete tief durch und fasste sich dann ein Herz. „Dean! Ich hab lange über unser Leben nachgedacht. Der letzte Sommer hat in mir den Wunsch nach einem richtigen Leben wieder geweckt. Ich meine, wir sind schon so lange in diesem Geschäft. Wir hätten jedes Recht wenigstens kürzer zu treten. Aber ich möchte auf keinen Fall aufhören und dich weiter auf der Straße wissen. Wenn wir beschließen auszusteigen, dann nur gemeinsam. Ich will hier nichts ohne dich entscheiden und ich will dich nicht überfahren. Wir haben am 15. November einen Termin in El Paso. Ob wir davor oder danach nach den Harrisons suchen, können wir immer noch entscheiden. Lass uns zum Grand Canyon fahren und dort reden wir nochmal über alles?“ Tief holte Sam Luft. So hatte er das Ganze eigentlich nicht loswerden wollen, aber jetzt war es passiert. Gespannt wartete er auf eine Reaktion seines großen Bruders. Fassungslos starrte Dean ihn an. Das war genau das, worüber er in diesem Sommer auch immer mal wieder nachgedacht hatte und er würde sofort zustimmen, wenn da nicht noch immer diese unfassbare Wut in ihm brodelte und die Angst vor diesem neuen Leben. Was wollte er tun? Was konnte er? Aber vielleicht konnten sie ja nach einem letzten Fall...? Sie waren manchmal wirklich Idioten. Wenn sie eher miteinander gesprochen hätten, wäre das alles wohl nicht passiert. Obwohl? Adam hatte auf einem von Johns Handys angerufen. Die hätte er noch immer im Handschuhfach des Impala liegen gehabt. Vielleicht sollten sie die im Colorado versenken? „Dean, wir müssen das nicht sofort entscheiden. Du wolltest doch damals zum Grand Canyon. Das könnten wir doch vor dem Konzert ... Wir machen da Urlaub und reden über alles.“ „Ich … ich kann“, begann Dean unsicher und schüttelte den Kopf. Warum jetzt? Er wollte ... Er konnte... Sie waren so blöd! Einen Sommer lang hatten sie Zeit und keiner traute sich darüber zu reden und jetzt, jetzt wo all diese Wut ihn ihm war, brachte Sam es auf den Tisch. Aber er konnte nicht, nicht jetzt. „Lass mir Zeit!“, stammelte er und rutschte aus der Bank. Mit langen Schritten stürmte er zur Treppe und rannte nach oben in ihr Zimmer. Sam starrte ihm hinterher. Was war das denn? So unsicher hatte er seinen Bruder ja noch nie erlebt! Wollte der nicht aufhören? War es eine Schnapsidee zu denken dass er auch ein normales Leben wollte? Hatte Dean Angst davor? Er stand auf folgte ihm etwas langsamer. Dean tigerte in ihrem Zimmer auf und ab. Was jetzt? Sam hatte ihm wirklich jede Tür aufgestoßen. Er musste nur noch hindurchgehen. Lediglich die Geschwindigkeit mit der das Ganze passierte erschreckte ihn. Wenn da nur nicht diese irrationale Wut wäre, von der er Angst hatte, irgendwann etwas Wichtiges zu zerstören, wenn er sie nicht vorher los werden würde. Egal, er hatte noch nie gekniffen, warum dann jetzt. Und aussteigen vom Ausstieg konnte er jederzeit. 'Also los Dean! Einen Fall noch und dann wartet die Zukunft. Und denk bloß nicht schon vorher darüber nach!', ermahnte er sich. Leise betrat Sam ihr Zimmer und blickte Dean fragend an. „Was ist los?“, wollte er so ruhig wie möglich. „Ich ...“ Wieder brach Dean ab und schüttelte nur den Kopf. „Nein! So kommst du mir nicht davon. Ich will eine Antwort!“ Dean schloss die Augen und holte tief Luft. Er ging zum Fenster und starrte nach draußen. Wenn Sammy wirklich eine Antwort wollte ... er konnte ihm dabei nicht in die Augen sehen. Wie stand er denn dann da? „Dean?“, bohrte Sam leise nach. „Ich habe Angst“, antwortete der Ältere so leise, dass er kaum zu verstehen war. Sam würde ihn verachten. Doch Sam hatte ihn trotzdem gehört. Er schnappte nach Luft. „Da ist so viel Wut in mir! Ich will nicht irgendwann alles verlieren, nur weil ich mich nicht beherrschen kann. Ich ...“ Sams Gedanken rasten. Noch nie hatte sein Bruder so etwas zugegeben. Noch nie hatte sein Bruder so offen über Gefühle gesprochen. Er trat mit einem letzten Schritt vor Dean und zog ihn in eine feste Umarmung, die der nur zögerlich erwiderte. Erst als er fühlte, wie sich die Anspannung seines großen Bruders zu lösen begann, ließ er ihn wieder los. „Du musst mich verachten!“, nuschelte der und starrte zu Boden. „Warum sollte ich? Dean, ich weiß schon lange, dass du für mich stark sein musstest, obwohl du es nicht warst und ich bin dir dankbar dafür. Aber jetzt bin ich erwachsen und kann auch für dich stark sein.“ „Ich weiß trotzdem nicht, ob ich das auf Dauer schaffe.“ „Und deshalb willst du es nicht versuchen?“, wollte Sam skeptisch wissen. Dean schüttelte verzweifelt den Kopf. „Nein ich ...“ Er brach ab und holte tief Luft. „Können wir vielleicht bis Weihnachten ... und dann … dann ...?“ Es fiel ihm so verdammt schwer. „Du willst bis Weihnachten jagen und dann aussteigen?", versuchte Sam das Gestammel zu einem vernünftigen Satz zusammenzusetzen. „Neues Jahr, neues Glück“, grinste Dean schief. „Das wird nicht ganz klappen. Wir haben vorher noch einen Termin.“ „Was denn für ein Termin?“, ging er endlich darauf ein. Sam grinste über alle vier Backen und reichte ihm die Karten. Gespannt wartete er auf dessen Reaktion. Deans Augen wurden immer größer. „Du hast, woher …“ flüsterte er. „Wir wollten zu einem Konzert und nach El Paso. So verbinden wir beides.“ Jetzt leuchteten auch Deans Augen. „Und? Was sagst du?“ Dem älteren Winchester fehlten die Worte. Tränen drohten seine Augen zu überfluten. „Das ist ...“ Spontan fiel Dean ihm um den Hals. „Und dabei magst du die nicht mal wirklich!“ „Einen letzten Fall?“, wollte Sam wissen, nachdem sie sich getrennt hatten. Dean nickte verlegen. Er fühlte sich schon wieder viel zu durchschaubar! „Hast du schon einen im Auge?“ „Nein. Ich habe noch nichts gefunden.“ „Ich kann ja mal das Internet durchsuchen und wenn ich nichts finde, dann fahren wir Richtung El Paso. Irgendwann läuft uns schon ein Fall über den Weg. Ob nun vor oder nach dem Konzert ist doch egal, oder?“ Dean nickte. Je schneller sie etwas finden würden, umso lieber wäre es ihm, aber er konnte auch warten. Vielleicht hatte ja Bobby oder Ellen etwas für sie? Gemeinsam gingen sie wieder nach unten und ließen an ihrem Tisch nieder. Sam fuhr seinen Laptop hoch und Dean vertiefte sich wieder in die Zeitung. Vielleicht stand ja auf den letzten Seiten etwas? Lange blieb es nicht so ruhig zwischen ihnen. „Ich glaube ich hab was gefunden?“, sagte Sam und drehte seinen Laptop zu Dean. „Die Bewohner eines Seniorenheimes in Pagosa Springs mussten in den letzten Monaten immer wieder zu Beerdigungen, aber nicht, weil Mitbewohner starben, sondern deren Angehörige. Von den Bewohnern ist in jener Zeit keiner gestorben", fasste er den Artikel kurz zusammen. Dean nickte und begann in aller Ruhe zu lesen. „Ich weiß nicht. Das könnte einfach nur ein unglücklicher Zufall sein ... oder aber auch etwas für uns“, überlegte er. „Wann haben wir schon mal an Zufälle geglaubt?“, fragte Sam. Jetzt wo sie sich auf bekanntem Gelände bewegte, schien sich sein Bruder schon viel sicherer zu fühlen. „Und wie willst du es angehen?“, wollte Dean wissen. „Erstmals tragen wir alles zusammen, was wir über das Heim finden können. Polizeiakten, Autopsieberichte. Das ist wohl eher mein Part“, grinste Sam „und du könntest sehen, was du über das Altersheim, den Baugrund und die Gegend herauszufinden kannst. Wenn uns das nicht weiterbringt, können wir immer noch versuchen, als Pfleger unterzukommen.“ „Alten Leuten die Windeln wechseln?“ Dean schnaubte verächtlich. Das war jetzt nicht das, was er sich unter einem Fall vorgestellt hatte. „Du hattest schon Schlimmeres und nicht nur an den Händen!", erklärte Sam leise. „Aber nie freiwillig!“ „Das unterschreibe ich sofort!“, Sam grinste und auch über Deans Gesicht huschte ein kurzes Lächeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)