Kill this Killing Man II von Kalea (Höhen und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 66: Und mich -------------------- 66) Und mich Sam stellte den Stapel schmutzigen Geschirrs auf die Spülmaschine. „Heute ist hier ja richtig was los“, stellte er fest. In den letzten zwei Stunden war er nicht zum durchatmen gekommen. Selbst auf einen Sprung nach oben zu Dean hatte er nicht geschafft. „Ja, scheinbar haben sich alle verabredet heute hierher zu kommen“, pflichtete ihm Jo bei. „Das lässt die Kasse klingeln“, sagte Ellen. „Ich hab mich ja auch nicht beschwert. Ich finde es nur ungewöhnlich.“ „Hin und wieder gibt es solche Tage.“ Ellen schaufelte einen Teller voll und stellte ihn vor Sam. „Bring ihn hoch und vielleicht schaffst du ja deinen Bruder dazu zu bewegen, dass er auch mal nach unten kommt.“ „Ich kann es ja versuchen, aber ich glaube nicht daran.“ Sam klang niedergeschlagen. Er nahm noch eine Flasche Wasser mit und machte sich auf den Weg in ihr Zimmer. Wie konnte er Dean nur aus seiner Lethargie reißen? Was brachte ihn dazu wieder am Leben teilnehmen zu wollen? Wenn er wenigstens wüsste, was Dean so verstört hatte. So hatte er ja nicht mal reagiert, als Dad gestorben war. Gut, da wollte er auch kaum reden aber er hatte sich wenigstens beschäftigt. Jetzt hockte er nur da und starrte Löcher in die Luft. Obwohl? Vorhin hatte er in einem Buch gelesen, in dem Buch, das er von Adam bekommen hatte. Er öffnete die Tür und schaute sich um. Sein Bruder saß weder am Tisch noch lag er im Bett. Nein, er hockte auf der Couch in der Ecke! Das hatte er am Abend vorher auch schon gemacht. Also keine Verbesserung. Doch dann blätterte Dean eine Seite um und über Sams Gesicht huschte ein kurzes Lächeln. Sein Bruder las noch immer. War das jetzt eine Verbesserung? „Dean? Bitte komm essen“, sagte er und stellte den Teller auf den Tisch. Dean bekam von seinem Umfeld nichts mit. Er war tief in seiner Lektüre versunken und versuchte so viele Informationen wie nur möglich zu verarbeiten. Dieses Buch offenbarte ein paar ganz neue Ansätze, um ihre Gegner zu bekämpfen. Es gab ein Heilmittel für Vampire! Zumindest konnte man damit diejenigen zurückverwandeln, die noch kein Blut getrunken hatten. Und es gab ein Gegengift das bei Berührungen durch Dshinns half. Und das Wichtigste, es erzählte ihm hin und wieder etwas über die Kindheit seiner Mom. Sie mochte dieses Leben nicht, hat aber nie so rebelliert wie Sammy als Kind. Und hin und wieder, zumindest aus Samuels Sicht, schien ihr das Jagen auch Spaß gemacht zu haben. Aber je älter sie wurde um so mehr wünschte sie sich ein richtiges Leben, das sie jedoch erst bekam, als ihre Eltern von Azazel getötet worden waren. Tränen drängten sich in seine Augen. Seine Mom hatte sich ein normales Leben gewünscht und John bekommen. Liebe, Streit, zwei Kinder und einen grausamen Tod. War es das was einen Jäger erwartete, wenn er ausstieg? „Dean!“, forderte Sam jetzt lauter und sein Bruder zuckte zusammen. „Leg das Buch weg, Dean, bitte. Du musst essen!“, erklärte Sam ruhig aber bestimmt. Müde wischte sich Dean über das Gesicht und beseitigte so auch die Spuren seiner Trauer, bevor er ihm fragend in die Augen schaute. Er hatte doch gerade erst gegessen! „Das ist schon Stunden her“, beantwortete der Jüngere diese unausgesprochene Frage und deutete auf den Teller, der auf dem Tisch stand. Hühnchen mit Maisbrot. „Iss auf, dann gibt’s Kuchen als Nachtisch“, versuchte er ihn zu locken und hoffte nur, dass noch welcher da war. Die Gäste hatten ganz schön zugeschlagen und er selbst hatte auch ein Stück gegessen. Der war wirklich lecker gewesen. Noch einmal atmete Dean tief durch. Er hatte keine Lust zum Essen. Viel lieber wollte er weiter in dem Buch lesen aber Sam würde wohl keine Ruhe geben und ihm fehlte die Kraft für eine längere Auseinandersetzung. Er legte das Buch auf die Seite und ging zum Tisch. Sam grinste. So ganz schlimm war es gar nicht wenn Dean mal wortlos tat, was er von ihm wollte. Trotzdem würde er das liebend gern sofort wieder ändern wollen. „Ich hol den Kuchen“, sagte er und verließ den Raum. „Kannst du mir helfen?“, bat Jo und deutete auf mehrere Teller, die noch auf der Anrichte standen. „Gab´s noch eine Invasion?“, wollte er wissen und belud sich den Arm. „So könnte man es nennen. Da draußen sitzt ein Reisebus voll dicker, aufgetakelter Weiber, die sich lauthals darüber beschweren hier gelandet zu sein.“ „Und warum fahren sie nicht einfach weiter?“ „Der Bus hat Probleme mit dem Kühler! Wenn ich die durch die Gegend kutschieren müsste, hätte ich die auch.“ Jo setzte ihr falschestes Lächeln auf und verschwand durch die Tür. Zufrieden schloss Dean die Augen. Das Hühnchen war gut gewesen, fast so wie bei Mom. Augenblicklich verflog das kleine Glücksgefühl. Er war noch nicht wieder soweit die Erinnerungen an sie genießen zu können. Im Moment waren Rubys Worte eher hole Versprechen. Aber er hatte auch schon erlebt, dass sie sich ein kleines bisschen bewahrheiteten. Ob diese Zeiten wiederkommen würden? Er stand auf und ignorierte den kaum noch zu unterdrückenden Bewegungsdrang, der seinen Körper erfasste. Er wollte einfach nur weiter lesen. Doch sein Körper kribbelte immer stärker, selbst ein kurzes Dehnen und Strecken half ihm nicht. Mit einem unwirschen Knurren nahm er den Teller und brachte ihn in die Küche. Hier lief er Ellen in die Arme. Sie nahm ihm den Teller ab und lächelte ihn warm an. „Möchtest du ein Stück Kuchen?“ Stumm blickte er sie mit großen Augen an bis er zögerlich nickte. „Da drüben ist noch ein kleiner Tisch frei“, sagte sie, gab ihm den Teller mit einem großen Stück Apfelkuchen und beobachtete ihn wie er langsam auf den Tisch zusteuerte, immer bedacht den Menschen aus dem Weg zu gehen und jeden Blickkontakt meidend. Ja, er reagierte fast wie damals, vor so vielen Jahren, als John den kleinen verwirrten, um seine Mom trauernden Jungen hier abgegeben hatte. Sie hätte die Jungs gerne aufwachsen sehen, doch dann hatte John ihren Mann im Stich gelassen und der Kontakt brach ab. Wie unrecht sie Dean doch tat, als sie ihn damals, nachdem Jo den Fall in Philadelphia mit den Jungs bearbeitet hatte, mit seinem Vater verglich. Auf seinem Weg zurück in die Küche wären Sam fast die Teller aus der Hand gefallen, so sehr hatte ihn der Anblick seines Bruders hier unten erschreckt, im positivsten Sinn erschreckt, aber trotzdem. Nie hätte er erwartet, ihn heute noch hier unten zu sehen. Erst als Jo fast noch in ihn hinein rannte, erwachte er aus seiner Starre und beeilte sich, das Geschirr loszuwerden. „Ich setze mich eine Weile zu ihm“, erklärte er, holte für sich und Dean Kaffee und setzte sich seinem Bruder gegenüber. Wortlos schob er ihm die Tasse hin und freute sich über den kurzen Blick, den sein Bruder ihm schenkte. Kaum war seine Tasse geleert, erhob sich Dean und brachte sein Geschirr in die Küche, bevor er zu den Toiletten verschwand. Auch Sam trank schnell aus und brachte seine Tasse ebenfalls in die Küche. „Kannst du mir mit den Getränkekisten helfen?“, fragte Jo und schaffte einige in den Keller. Sofort nahm Sam die restlichen und folgte ihr. Der Tisch in der Nische war besetzt, als Dean zurückkam. Er setzte sich an die Theke und holte sich ein Bier darunter hervor. Schweigend vor sich hin starrend leerte er das Bier und hielt Ellen, die gerade aus der Küche kam, die leere Flasche hin, damit sie ihm eine neue geben konnte. Noch zwei Mal wiederholte er das Spiel und Ellen nahm sich vor, ihm keine weitere Flasche zu geben, sollte er noch eine wollen. Doch sie hatte ihre Überlegungen zu früh angestellt. Der Winchester stellte seine letzte Flasche leer auf die Theke und rutschte vom Hocker. Als er nach oben in ihr Zimmer gehen wollte, wurde er von Ellen aufgehalten. „Wen hast du verloren Dean?“ ‚Einen Vater den ich nie hatte!’, schrie er in Gedanken. Doch er sprach den Satz nicht aus. Warum auch. Es würde nichts ändern. Er musste allein mit seinen Dämonen klarkommen. Wie immer! Sanft zog Ellen ihn in eine Umarmung. Er vergrub sein Gesicht an ihrer Schulter. Eine einsame Träne tropfte in ihre Bluse. ‚Und mich’ Immer wieder strich sie beruhigend über seinen Rücken. Mehr konnte sie leider nicht für ihn tun, so gerne sie es auch wollte, doch dafür müsste der Junge reden und das würde er wohl noch nicht so schnell. Wortlos entließ sie ihn aus ihrer Umarmung. Noch einmal schaute sie ihn aufmunternd an und strich mit ihrer Hand immer wieder über seinen Oberarm. Dankbarkeit flutete durch seinen Körper und machte ihm für einen Moment das Atmen leicht. Seine Augen glänzten warm. Ellen lächelte und wandte sich ab. Auch wenn Dean nicht mit Worten sprach, so hatte er doch jede Menge Möglichkeiten zu reden. „Hat er was gesagt?“, fragte Sam, der gerade wieder Kisten aus dem Keller schleppte. Ellen schüttelte den Kopf. Und trotzdem machte sich ein Hauch von Eifersucht in ihm breit, doch der verpuffte augenblicklich, als sein Handy zu klingeln begann. Schnell stellte er die Getränke hab und schaute auf das Display. „Bobby“, sagte er und ging, während er nach draußen lief dran. „Grüß ihn!“, rief Ellen ihm noch nach. „Hey Bobby“, grüßte er den alten Freund. „Wo seid ihr? Wie geht es euch?“, wollte der ein wenig ungeduldig wissen. „Wir sind im Roadhouse. Dean verschließt sich. Er redet mit niemandem. Ich mache mir große Sorgen um ihn, auch wenn es langsam besser zu werden scheint.“ „Er trauert“, antwortete Bobby nur. „Ich weiß. Er hat auch noch den Rest Achtung für Dad verloren. Das mit Adam war zu viel für ihn und da hilft es auch nicht, dass er einen Bruder dazubekommen hat. Er versucht schon seit einer Weile sich von Dad zu lösen. Er sagt ja auch schon so lange nur noch John, aber das mit Adam hat ihm die Füße weggerissen. Wenn Dad schon damit gelogen hat, womit dann noch? Ich meine ich weiß, dass sich Dean neu sortieren, wahrscheinlich neu erfinden muss. Trotzdem macht sein Verhalten … Er macht mir Angst!“, legte Sam seine Gefühle offen. Bobby atmete schwer durch: „Er war ein ganz normales kleines Kind. Von seinen Eltern geliebt, lag ein glückliches Leben vor ihm, in dem er alles hätte werden können, bis der Dämon kam und alles zerstörte. Auch den kleinen unschuldigen Jungen. John hat ihn dann nach seinem Gutdünken geformt. Er hat dabei nur auf das geachtet was erforderlich war, um ihm den Rücken freizuhalten und dich zu versorgen. Die kleine Kinderseele war ihm vollkommen egal. Er brauchte einen Soldaten und den hat er aus Dean gemacht. Mit Adam habt sich aber vieles, was John ihm als Gesetz verkaufte, in einen Haufen Müll verwandelt, den dein Bruder jetzt beiseite räumen und sich aus den Resten ein neues Leben formen muss. Er wird mal wieder deine Hilfe brauchen, Sam. Unaufdringlich und unauffällig. Sag ihm, wie sehr du ihn achtest, wie toll er dieses Leben hinbekommen hat und das nicht wegen sondern trotz Johns Erziehung. Sag ihm, wie sehr du heute diese Freiheiten, die er dir verschafft hat zu schätzen weißt. Er hat so viele Eigenschaften die er nicht von John hat. Dein Bruder ist vollkommen verunsichert und das ist ein Zustand den er hasst und mit dem er nicht umgehen kann.“ Sam grummelte etwas Unverständliches. Darüber musste er erst einmal in Ruhe nachdenken. Für ihn war Dean immer der ruhende Fels in der Brandung gewesen. Egal wie das Leben mit ihnen umgesprungen war, er hatte immer einen Weg gefunden. Konnte er es schaffen, Deans Fels in der Brandung zu werden? „Danke, Bobby!“ „Immer wieder gerne.“ „Und warum hast du wirklich angerufen?“ „Darf ich mir keine Sorgen um euch machen?“ Sams Herz wurde leicht. Wenn er, wenn sie Bobby nicht hätten! „Danke, Bobby!“, wiederholte er mit einer Ernsthaftigkeit, die auch dem alten Jäger das Herz erwärmte. „Und liebe Grüße von Ellen!“, sagte Sam noch, bevor er auflegte. Einige Stunden später wollte Sam auch endlich ins Bett. Der Tag hatte ihn geschlaucht. Er hatte es nicht noch einmal nach oben geschafft. Solche Tage musste er nicht öfter haben! Besorgt musterte er seinen Bruder, der wie eingefroren auf dem Rücken lag. Noch immer schien der regelrecht erstarrt zu sein. Kopfschüttelnd verschwand er im Bad. Wie konnte er ihm nur helfen? So langsam fraß Deans Zustand auch an seinen Nerven und er wusste nicht, wie lange er das noch durchhalten konnte. Ja, er hatte sich Adam gegenüber anfangs nicht gerade fair verhalten, aber das war nun schon ewig her und auch er musste mit dieser Situation erstmal klar kommen. Auch wenn er sich schon lange von John gelöst hatte, so traf es ihn doch, dass der ihnen einen Bruder verheimlicht und dem auch noch all das gewährt hatte, was ihnen regelrecht verboten war. Er setzte sich, nun mit seinem Schlafzeug bekleidet, auf die Kante seines Bettes. Traurig betrachtete er seinen großen Bruder. Auch wenn er eine Vermutung hatte, was genau Dean so beschäftigte, wie passte das mit dem zusammen, was Ellen ihm erzählt hatte? Hatte Dean damals so um Mom getrauert. Konnte ein Kind schon begreifen, was Tod bedeutete? Dass Mom nicht da war, hatte sein Bruder auf jeden Fall gemerkt und er nahm an, dass John ihm auch gesagt hatte, dass sie nie wieder kommen würde. Hatte diese schiere Unmöglichkeit dieser Behauptung Dean stumm werden lassen? Hatte er so versucht … Nein! Er konnte sich nicht vorstellen, was Dean damals gefühlt hatte. Wie auch? Vielleicht war es so wie bei ihm, als Jess gestorben war? Möglich, aber er konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Und wieder wünschte er sich, dass Dean endlich reden würde. Noch einmal nahm er sich fest vor morgen nicht zu kellnern und endlich nach einem Konzert zu suchen. Dann hätte sein Bruder etwas, worauf er sich freuen konnte! Sam rutschte unter die Decke und drehte sich so, dass er seinen Bruder sehen konnte. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis er endlich einschlief. Schweißgebadet schreckte Dean aus einem Traum. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Wieder hatte John ihn und Mom an Azazel verkauft und war mit Sam und Adam zu Kate gegangen. Er hatte gelacht und gemeint dass er Prioritäten setzen müsse. In die Dunkelheit starrend wartete er, dass sich seine Atmung normalisierte und hoffte, dass er Sam nicht geweckt hatte. Ihm war klar, dass die Träume den Loslöseprozess von John symbolisierten und dass er bei ihrem Leben wohl nicht davon träumen würde einfach allein gelassen zu werden oder in ein schwarzes Loch zu fallen, war ihn auch klar. Hilfreich war das Wissen trotzdem nicht, die Träume lähmten ihn bis in die kleinste Zelle. Er drehte sich auf die Seite und starrte in die Dunkelheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)