Eine zweite Chance von Verlest (Still a better Lovestory than Twilight) ================================================================================ Kapitel 5: Scheiden tut weh --------------------------- Die Aussöhnung Amaros mit seinem anderen Elternteil ließ leider ein wenig länger auf sich warten. Narsil de Varro tauchte zwar nur wenige Tage später überraschend in seinem eigenen Zuhause auf, doch sein Sohn war zu diesem Zeitpunkt leider in Weyersdorf. Die Geschäftsbriefe seiner Mutter enthielten ein paar zu klärende Angelegenheiten, die Amaro allerdings anbot für seine Mutter zu erledigen, da ihre Anwesenheit nicht unbedingt erforderlich war und er sie nicht die ganze Strecke zu Fuß zurücklegen lassen wollte. Amüsiert und erfreut über die nicht zuvor gekannte Ritterlichkeit ihres Sohnes ließ sie ihn gewähren. Sicherlich würde es ihm auch nicht schaden noch einmal ein wenig mit Erlaubnis rauszukommen und seine Familie in Weyersdorf zu besuchen. Schließlich hatte er dort auch einige fast gleichaltrige Cousins und Cousinen die er sicher gerne sehen wollte. Hildegard de Varro hatte einige Zeit gehabt sich die Ereignisse der letzten Tage durch den Kopf gehen zu lassen, aber klarer sah sie nicht. Sie hoffte einfach auf eine schnellstmögliche Klärung mit ihrem Ehemann und eine glücklichere Zukunft für sie alle, die von dem schönen Abend mit Tiron de Varro und ihrem Sohn eingeläutet sein sollte. So dürften alle ihre Tage enden, dachte sie. Doch seit Tiron und jetzt auch ihr Sohn weg war, saß sie abends allein zuhause und wartete sehnsüchtig auf Narsils oder Amaros Rückkehr, je nachdem wer von ihren beiden Männern schneller den Weg zurück zu ihr fände. Narsil de Varro ließ tatsächlich überraschend kurz nur auf sich warten, aber auch Narsil hatten die letzten Tage viel Stoff zum Nachdenken gegeben. Auf der einen Seite hatte er ausgezeichnete Laune wegen der in Aussicht gestellten Versöhnung mit seinem Bruder - verflucht, ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr ihm Tiron gefehlt hatte - zum anderen mischten sich darin aber auch Zweifel. Fünfzehn Jahre war er mit Hildegard verheiratet, aber es stimmte, die Luft war raus. Ohne spektakulären Auftritt kam der Weltenbummler also heim, brachte das Pferd in den Stall und spazierte ins Haus. Hildegard saß mal wieder alleine in der Küche, wo sie sich bereits einen kleinen Platz eingerichtet hatte. Dort konnte sie schnell frischen Tee aufsetzen und bei Kerzenlicht noch Briefe lesen und schreiben. Vor allem wenn sie alleine war, fand sie es weniger unangenehm in der kleinen Küche zu sitzen, als die ganze Stube für sich allein zu beanspruchen. Sie nippte an ihrem bereitgestellten Glas Wein und besah sich noch einmal die letzten Korrespondenzen, als sie die Haustür zuschlagen hörte. Sie hob den Kopf und entschied sich Papier Papier sein zu lassen und zur Tür zu eilen um nachzusehen. Wer auch immer da käme, würde sich sicherlich über ihre Begrüßung freuen. „Narsil? Oh, wie schön, dass du wieder da bist!“ und sie fiel ihrem Mann um den Hals und drückte ihn kurz an sich. „Hat Tiron dich gefunden?“ Mit wem auch immer sie gerechnet haben mochte, jetzt musste sie wohl mit ihrem Gatten Vorlieb nehmen, der im Flur stand und gerade mit einer eleganten Bewegung Mantel und Hut ablegte. Dann hatte er auch schon Hildegard am Hals und wunderte sich ein bisschen, dass diese so schnell im Flur war. Hatte sie jemand anderen erwartet? Aber den Gedanken schob er gleich wieder von sich, drückte Hilde kurz und trat dann einen Schritt zurück, um sich das Wams gerade zu ziehen. "Ja, ich bin wieder da und ja, Tiron hat mich gefunden - weiß der Himmel, wie." Hildegard de Varro kicherte. „Das ist schön! Dann hat er dir sicher auch ausgerichtet, dass es mir leid tut und ich gerne noch einmal mit dir über alles sprechen möchte.“ Sie lächelte ihren Ehemann freundlich an und berührte ihn sanft am Arm. „Und diesmal ganz in Ruhe, ohne Vorwürfe, okay?“ Sie drehte sich um und machte einen Schritt zurück ins Haus hinein. „Ich habe mir vorhin eine Flasche Wein aufgemacht, möchtest du auch welchen? Oder vielleicht etwas frischen Tee?“ „Wein wäre ganz wunderbar... „ Narsil war froh, dass Hildegard in dem Moment, in dem sie ihm voran in die Küche ging, seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Nein, davon hatte Tiron absolut nichts erwähnt. Und eigentlich sah das seinem Bruder nicht besonders ähnlich. “Ja, sicher hat er das gesagt. Glaube ich. Wir haben über so viel geredet, du weißt ja, nach all der Zeit“ fuhr er aber in überschwänglichem Plauderton fort „Ich war auch total überrascht, als Tiron eines Tages plötzlich hier in der Tür stand, das kannst du mir glauben!“ gab seine Frau lachend mit einem Blick über die Schulter zurück. „Aber es freut mich unaussprechlich, dass wir diesen alten Streit endlich beilegen können. Amaro ist auch überglücklich.“ In der Küche angekommen schenkte sie ihrem Mann ebenfalls ein Glas Wein ein. „Und, sollen wir uns in die Stube setzen, oder hierbleiben?“ Sie sah ihn mit einem freundlichen Lächeln und ihren Bernsteinaugen an, die im Kerzenlicht so warm leuchteten. „Wir können es uns ja ruhig gemütlich machen. Ich hoffe ja, dass wir es diesmal schaffen nicht direkt wieder zu streiten. Ich werde mir zumindest Mühe geben!“ schwor sie mit erhobener Hand und gespielt ernstem Blick. „Vielleicht die Polsterbank, was meinst du? Ich glaube wir haben lange nicht mehr zusammen dort gesessen.“ „Ganz, wie du möchtest.“Narsil ließ ihr mit einer eleganten Verbeugung den Vortritt, die aber vor allem dazu diente, seine Bestürzung zu überspielen. Hildegard schien ja gerade, beflügelt von Tirons Besuch, alles an eine große Aussöhnung zu setzen und er trug sich mit ganz anderen Gedanken. Und wusste auch, dass er derjenige sein würde, der ihre Hoffnungen auf eine glückliche Zukunft zunichte machen würde, egal, was er tat. Sagte er heute nichts, würde sein nächster "Ausflug" sie nur wieder verletzen, selbst wenn sie sich noch so viel Mühe gab. „Ja, es hat gut getan, mit Tiron zu sprechen. Auch über die guten alten Zeiten und all das...“ Hocherfreut und voller Optimismus verließ Hildegard, gefolgt von Narsil, die Küche und machte es sich mit angezogenen Füßen und dem Glas Wein in ihrer Hand bequem auf der gepolsterten Bank. Sie schaute ihren Ehemann erwartungsvoll an. „Irgendwie hat Tiron mit seinem ersten Schritt neuen Wind herein geweht, denke ich. Und ich dachte, wenn selbst dort etwas passiert und die Fronten sich öffnen, dann könnten wir beide vielleicht auch etwas neues schaffen. Ich weiß, dass Amaro ebenfalls sehr unter unseren ewigen Streitereien leidet und ich, um einmal ganz offen zu sprechen, mich nimmt es auch sehr mit. Ich weiß, dass lasse ich mir nicht unbedingt anmerken...“ und sie legte ihre Hand vorsichtig auf den Arm ihres Mannes „ich weiß durchaus Narsil, dass ich dich auch von mir weg treibe. Und das will ich einfach nicht. Und ich wäre froh, wenn wir eine Lösung finden könnten.“ Sie endete ihren Monolog in der Hoffnung, dass ihr Ehemann ihr beipflichten würde und sie endlich den Stein ins Rollen gebracht hätten. Narsil de Varro stimmte ihr voll und ganz zu. "Vielleicht hast du Recht und es ist tatsächlich Zeit, etwas wirklich Neues anzufangen, Hildegard. Ich merke ja auch, dass Amaro darunter leidet, dass wir so oft streiten und ich weiß, dass es keine Lösung ist, wenn ich nicht heimkomme, damit wir nicht streiten." Er seufzte leise, stellte das Weinglas kaum angerührt bei Seite und legte seine Hand auf Hildegards. "Und ich weiß jetzt auch, wie sehr ich dir damit Unrecht tue. Du hast alles Recht, mir Vorwürfe zu machen, du bist schließlich diejenige, die sich um alles kümmert, die so viel von ihrer Freiheit geopfert hat für diese Familie..." Hildegard bekam glänzende, feuchte Augen bei dieser Ansprache und drückte die Hand ihres Ehemannes, doch Narsil de Varro versuchte, sich von Hildegards feuchten Augen nicht beirren zu lassen. Letztendlich, versuchte er sich selbst zu überzeugen, tat er das Richtige. Sie als Heilerin würde das verstehen. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. "Ich bekomme so viel mehr Verständnis von dir, als ich verdient habe und ich kann dir nicht genug dafür danken. Wirklich." Er drückte ihre Hand und sah ihr, plötzlich sehr ernst, tief in die Augen "Du weißt, dass ich mich anders verhalten würde, wenn ich könnte, oder?" Hildegard schluckte und drehte sich langsam näher zu ihm hin. „Ich...ich denke, ja.“ stimmte sie zögerlich zu. „Und ich sehe langsam ein, dass ich dir wirklich viele Vorwürfe gemacht habe und dich womöglich zu sehr unter Druck gesetzt. Aber ich denke, dass wir es auch anders schaffen können, wenn wir wollen. Ich... ich dachte daran wie schön es am Anfang mit uns war.“ Sie blickte traurig zu Boden, schluckte und fuhr sanft mit dem Daumen über Narsils Handrücken. „Wir waren früher mal sehr glücklich Narsil. Wir können die Zeit nicht einfach zurückdrehen, das weiß ich. Aber können wir nicht irgendetwas tun? Irgendetwas, dass uns zurückbringt auf den Weg und wir wieder Glück miteinander empfinden? Ich versuche in Zukunft verständnis- und rücksichtsvoller zu sein.“ Sie machte eine kurze Pause und setzte dann leise hinterher „Aber ich würde mich auch freuen, wenn wir wieder mehr Zeit miteinander verbringen könnten.“ Sie stockte und sah ihrem Mann fragend in die Augen. „Ich habe auch daran gedacht. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen, aber das heißt nicht, dass wir nicht jeder glücklich sein können.“ Einen Moment noch sah er ihr in die Augen, dann schlug er den Blick kurz nieder. Als er wieder aufblickte, lächelte Narsil amüsiert „Ich glaube nicht, dass du noch verständnisvoller sein könntest, Hildegard. Du reißt dir ja so schon ein Bein aus.“ Dieser ehrlichen Feststellung konnte Hildegard nur mit einem schiefen Lächeln begegnen. „Naja... „ Sie seufzte. „Ich versuche mir wirklich Mühe zu geben, Narsil.“ „Ich weiß, ich weiß...“ Er hob die Hand seiner Frau kurz an die Lippen. „Und es ist mehr als überfällig, dass ich dir diese Bürde abnehme. Amaro wird bald fünfzehn, er ist fast erwachsen und du musst nicht mehr den ganzen Tag auf ihn aufpassen.“ Hildegard de Varro blinzelte ein paar Tränen weg, drückte die Hand ihres Mannes und lehnte sich spontan vor, um ihm einen Kuss zu geben. Etwas, was sie schon viel zu lange nicht getan hatte. Aber er hatte es jetzt mit Sicherheit verdient. Narsil de Varro fing den Kuss mehr oder weniger ab, indem er Hildegard in seine Arme zog aber so, dass ihr Kopf an seiner Schulter zu liegen kam. So ganz lief das nicht, wie er sich das vorgestellt hatte. Da half offenbar wirklich nur ein sauberer Schnitt. "Du hast etwas besseres verdient, als Tag für Tag auf einen Mann zu warten, der es einfach nicht schafft, an einem Ort heimisch zu werden. Vielleicht.... ist es besser, wenn wir uns trennen", murmelt er in ihr Ohr und wappnete sich gedanklich schonmal auf den Ausbruch. „Vor Schrecken blieb Hildegard die Luft weg. Hatte sie da gerade richtig gehört? Das konnte doch nicht sein Ernst sein, oder? Sie redeten doch von Versöhnung, nicht von Trennung. Oder? Sie blinzelte ein paar Momente mit den Augen, bevor sie tief Luft holte. Vielleicht hatte sie sich das nur eingebildet. Sie musste ihn Fragen. „Was hast du gesagt?“ kam es aus ihrem Mund, als würde dieser gar nicht ihr gehören. Genauso wenig wie diese Ohren oder diese belegte Stimme. Alles war ihr fremd. Narsils Schulter hob und senkte sich einmal unter ihrem Kopf, als er tief durchatmete „Ich habe gesagt, dass es besser wäre, wenn wir getrennte Wege gehen, Hildegard. Wenn wir diese Verpflichtungen lösen, die mich zwingen, ein schlechtes Gewissen zu haben für Dinge, die ich nicht ändern kann und die dich zwingen, hier zu sitzen und zu warten und dich zu Recht zu grämen und die außerdem nur dazu führen, dass unsere dauernden Streitereien unserem Sohn das Leben hier verleiden.“ Sie schluchzte auf und schloss die Arme um ihren Mann, schmiegte sich an seinen Hals, atmete seinen vertrauten Geruch ein und weinte. Narsil de Varro legte behutsam die Arme um Hildegard und ließ sie sich ausweinen, streichelte dabei ab und zu über ihre Haare und die bebenden Schultern und schaute vor sich ins Leere. Irgendwann versiegten die Tränen und ihr brannten einige Fragen auf dem Herzen, die sie Narsil am liebsten alle gleichzeitig gestellt hätte. Sie schniefte und wischte sich die letzten Tränen weg, bevor sie ihrem Ehemann ins Gesicht sah. „Narsil.. diese Entscheidung ist endgültig, oder? Egal was ich sage, ich werde dich nicht umstimmen können? Ich meine...wir sind einen Bund eingegangen, vor Menschen und Göttern. Und du hast mir deine Liebe gestanden, damals. Wir haben einen gemeinsamen Sohn. Ich trage deinen Namen und deinen Ring, ich... „Sie schluchzte noch einmal kurz auf, fasste sich dann aber wieder. Noch einmal sog sie tief Luft in ihre Lungen und versuchte sich zu entspannen. „Ich kenne nur noch dieses Leben Narsil und ich will kein anderes mehr. Ich kann nicht wie du einfach etwas anderes, neues anfangen. Ich bin zu alt um wieder in mein...voriges Leben zurückzukehren. Und unser Sohn ist zwar fast alt genug, kann aber keineswegs schon alleine für sich sorgen, das weißt du auch. Er kennt das Leben da draußen nicht, so wie wir es tun.“ Umso mehr sie sagte, umso schneller sprudelte jetzt alles aus ihr heraus. „Es scheint mir wirklich das Beste - für uns alle.“ Er streckte die Hand aus und wischte ein paar Tränenspuren von Hildegards Wange „Und es heißt ja nicht, dass ich auf nimmerwiedersehen verschwinde. Es heißt, dass du nicht warten musst., dass wir einander zu nichts mehr verpflichtet sind. Wir haben beide alles getan, was wir konnten. Vielleicht hat es einfach nicht gereicht. Und du bist stärker als du glaubst, du findest einen Neuanfang!“ versichert er ihr dann. „Manche Dinge ändern sich nicht.“ Dabei musste er an etwas anderes denken und bemühte sich vergebens, nicht zu grinsen. Hildegard begriff sein Grinsen als Aufmunterungsversuch und gab sich Mühe es zu erwidern, konnte aber nicht so recht. „Ich..ich weiß nicht Narsil. Aber...“ und sie suchte nach Argumenten, die nicht lauteten 'aber mir ist nicht wohl dabei, ich will, dass du bei mir bleibst' Denn das, soviel wusste sie, war kein wirkliches Argument und würde ihn auch nicht überzeugen. Sie gestikulierte ein wenig unmotiviert und ließ dann die Arme hängen, zog die Beine wieder näher an sich und senkte den Blick auf ihre Knie. Sie brauchte jetzt einen Moment um sich zu sammeln. Narsil de Varro ließ ihr Zeit, Zeit Argumente zu finden und zu verwerfen, Zeit sich mit der Situation anzufreunden. Aber letztendlich hatte sie Recht gehabt, seine Entscheidung war gefallen. Sie legte die Arme um ihre Beine und sah zu ihrem angetrauten Ehemann herüber. Ob sie ihn überhaupt mit Argumenten würde umstimmen können? Er wirkte sehr überlegt und hatte diesen Entschluss sicher nicht erst gerade eben gefasst, dachte sie. Ob sie vielleicht...? „Narsil..?“ „Ja?“ Der Barde hob den Kopf und sah zu ihr herüber. Am liebsten wäre er dem Gespräch ausgewichen oder jetzt verschwunden, aber da musste er durch und das würde er auch bis zum letzten Wort durchstehen. Wenigstens soviel war er Hildegard ja wohl schuldig. „Würdest du mich nochmal festhalten. Bitte?“ Sie sah ihn leidend aus tränenfeuchten Augen an und hoffte, dass er ihr diesen Wunsch nicht abschlagen würde. Narsil de Varro schluckte schwer und zog Hildegard dann in seine Arme, wiegte sie leicht vor seiner Brust hin und her, wie man ein weinendes Kind halten würde. "Es tut mir so leid, Hildegard", wisperte er in ihre Haare und das war noch nicht einmal gelogen. Sie schlang noch einmal die Arme um ihn, hinterließ einen feuchten Kuss und einige Tränen an seinem Hals und begann Abschied zu nehmen. Abschied von ihrer Familie, ihrem Leben und dem Mann den sie vor mehr als 15 Jahren geheiratet hatte. Die nächsten Tage verbrachten sie zusammen in einer seltsamen Stimmung, die geprägt war von nostalgischen Anekdoten, kurzen Intermezzos einträchtiger Freundschaft und immer wiederkehrenden Weinanfällen seiner Frau. Doch Narsil de Varro bewies, dass er kein schlechter Mensch war und man sich durchaus auf ihn verlasse konnte, nur eben nicht als treusorgenden Familienvater. Er wollte seine noch-Ehefrau nicht im Stich lassen und es ihr alleine überlassen ihrem Sohn von der Trennung zu erzählen. Also hielt er durch und stand es gemeinsam mit ihr durch, auch wenn es bedeutete, dass er sie immer wieder trösten und Aufbauen musste, sie daran erinnern, dass ihr Leben ja nicht vorbei sei und sie sich wiedersehen würden, nur unter anderen Umständen. Im Grunde würden sie seine Familie bleiben, nur ohne die niederdrückenden Verpflichtungen, dachte er. Hildegard de Varro vermisste ihren Mann hingegen schon jetzt. Nicht, dass sie ihn in den letzten Jahren gehabt hätte, abgesehen von dem ehelichen Band, dass sie beide aneinander festhielt. Das war ihr ebenfalls klar. Aber ihr fielen zu Ende nur noch die schönen Dinge ein, was sie an ihrem Mann liebte und was sie vermissen würde. Sie hatte auch versucht herauszufinden, ob die Flamme endgültig erloschen war. Aber als sie ihren Mann küsste wusste sie, dass die Trennung endgültig war. Nichtsdestotrotz stand er ihr jetzt bei und sie plauderten zwischendurch über das eine oder das andere Thema, machten sich lose Gedanken über die Zukunft und wie sie Amaros nächsten Geburtstag jetzt gestalten sollten. Als dieser von seinem Ausflug nach Weyersdorf zurück kam und seiner Mutter von den Erfolgen berichten wollte, fand er seine Eltern ungewohnt einträchtig auf der Polsterbank sitzend vor. Narsil hatte sich seitlich auf dem Polster positioniert und die langen Beine ausgestreckt, ein Arm lag auf der Lehne und der andere streichelte beiläufig das Haar von Amaros Mutter, die mit angezogenen Beinen und einem Glas vor Narsil auf der Bank saß, den Rücken zu ihm gedreht und den Kopf auf seiner Brust abgelegt. Sie schienen jeder für sich ins Leere zu starren und sich dabei leise zu unterhalten. Sie unterrichteten Amaro von ihren Beschlüssen und ihr Sohn nahm die Entscheidung seiner Eltern besser auf, als sie befürchtet hatten, doch alles andere als erfreut. Sie versicherten ihm beide, dass sie ihn liebten und immer lieben würden, völlig unabhängig von der Scheidung. Amaro entschied sich die kommenden Tage vor allem in seinem eigenen Reich zu verbringen und sich zurückzuziehen, wobei ihn seine Eltern gewähren ließen. Sie wollten ihrem Sohn die Zeit lassen sich an den Gedanken zu gewöhnen und dachten sich, dass er schon zu ihnen kommen würde, wenn er wolle. Als der Termin der Scheidungszeremonie feststand, den sie auf Wunsch von Hildegard von einem Geweihten durchführen lassen wollten, fragten sie ihren Sohn, ob er sie zu der Zeremonie begleiten wolle. Er lehnte ab und wirkte dabei so unglücklich, dass seine Mutter ihn erst einmal eine lange Zeit in den Arm nahm, bevor sie das Zimmer wieder verließ. Am Abend wollte Narsil dann einige Zeit mit seinem Sohn verbringen. Nach einer Stunde zusammen hörte Hildegard schon wieder Gelächter von ihren beiden Männern und lächelte beruhigt in ihren Tee. In dieser Nacht kuschelte sie sich tatsächlich nach langer Zeit und vermutlich zum letzten mal im Schlaf an ihren Mann an. Die Scheidung selbst war eine recht kurze, aber traurige Zeremonie. Beide Ehepartner versicherten unabhängig voneinander dem zuständigen Kleriker, dass es eine reiflich überlegte Entscheidung war und im beidseitigen Einvernehmen. Er hörte sich ihre Geschichte an und nickte, band das Paar mit der zeremoniellen Schnur an den Armen zusammen, sprach ein paar Worte zu den Göttern und eventuell anwesenden sterblichen Zuhörern und löste das Band der Ehe dann offiziell auf, zusammen mit dem zeremoniellen Knoten. Am Ende war Hildegard erleichtert, dass sie es hinter sich hatten und bemühte sich optimistisch in die Zukunft zu schauen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)