Fremde Welten: Unmöglich ist nichts (#3) von Purple_Moon (Prinz Soach und das Prinzip des Chaos) ================================================================================ Prolog: Vor 19 Jahren --------------------- Der Alptraum eines jeden Mannes, insbesondere eines werdenden Vaters, wurde für Soach, den Prinzen der Eisigen Inseln, an einem milden Sommerabend beinahe Realität. Er flog seinen Drachen gemächlich zu den Feuerwäldern, einer Gebirgskette mit Wäldern, deren Bäume durch lange Evolution immun gegen Feuer geworden waren, so dass sie die häufigen kleinen Vulkanausbrücke in großer Zahl überstanden. Dies war die Heimat des Flammenbrunnen-Hexenzirkels, einer Gruppierung von zehn bis zwölf Magierinnen, die hier ihre Feuermagie praktizierten. Sie waren gastfreundlich, galten aber als aufbrausend und leicht reizbar. Als Soach sich näherte, sah er schon von weitem eine Verschiebung der magischen Ströme, die das Gebiet durchzogen. So etwas kam zuweilen vor, konnte jedoch auch herbeigeführte Ursachen haben. Er trieb Gandora zur Eile an, und der Drache stieß ein lautes Brüllen aus, um seine Ankunft zu verkünden. Die Gebäude auf dem so genannten Infernogipfel waren beschädigt oder zerstört, die Gärten vernichtet von trampelnden Füßen. Kein Feuer brannte, obwohl sonst ein ewiges Lagerfeuer den Berg erhellte, gespeist von einer geheimnisvollen Quelle, aus der brennbare Flüssigkeit an die Oberfläche drang. Doch der Brunnen war kalt, und als der Besucher sich näherte, kamen nur sehr zögernd und wachsam zwei oder drei der Frauen aus ihren behelfsmäßigen Unterkünften und winkten ihm. Gandora landete so nah wie möglich. Soach sprang vom Rücken des großen, schwarzen Drachen und rannte auf eine Frau zu, die ihm bereits rufend entgegen kam. „Funkenflug! Was ist hier passiert? Wo ist Fuega?“ Funkenflug hatte Tränen in den Augen. „Soach! Wir wurden von raubenden Goblins überfallen! Es war am Fest der Götterflamme, nach dem Ritual... du weißt ja, dass wir dann alle nur sehr schwache Magie übrig haben. Sie kamen zu Dutzenden und hatten Bestienwölfe dabei... Brandis und Gluthitze wurden getötet, aber Fuega geht es gut. Komm mit!“ Die Magierin führte Soach zu einem befestigten Zelt, aus dem es auffällig nach Heilkräutern roch. Im Inneren gab es mehrere Schlaflager direkt auf dem Boden, in denen verwundete Magierinnen ruhten, aber eines enthielt einen Mann. Fuega kniete bei ihm und fütterte ihn mit Brühe. Als sie sich umwandte und Soach bemerkte, sprang sie auf, so schnell es ihr Zustand erlaubte. Sie war am Kopf und an der rechten Schulter bandagiert, vor allem aber hatte sie schwer an ihrem ungeborenen Kind zu tragen. Erleichtert schloss er sie in die Arme. „Oh, Fuega... warum war ich bloß nicht hier!“ „Du kannst nicht immer dort sein, wo du gebraucht wirst, das ist der Lauf der Dinge,“ meinte sie. „Komm... ich möchte dir jemanden vorstellen.“ Sie führte ihn an das Lager des Mannes, der bei näherer Betrachtung ein Krieger zu sein schien, denn seine Aura war nicht magiertypisch. Außerdem war er sehr kräftig gebaut, gut trainiert und sonnengebräunt. Momentan aber wirkte seine Lebenskraft sehr schwach, und er war an zahlreichen Körperstellen bandagiert und zeigte frische Schrammen an den sichtbaren Hautpartien. Er konnte sich anscheinend kaum bewegen, geschweige denn hinsetzen. „Rahzihf, dies ist Soach, der Vater meines Kindes und ein Magier von den Eisigen Inseln. Ich habe dir von ihm erzählt,“ sagte Fuega zu dem Krieger. Rahzihf nickte schwerfällig. „Es ist... mir eine Ehre...“ Soach kniete sich neben das Krankenlager, legte die zu einer lockeren Faust geschlossene rechte Hand auf sein Herz und neigte den Kopf zu einem respektvollen Gruß. „Rahzihf... wie ich sehe, habt Ihr tapfer gekämpft.“ „Dieser Mann hat uns gerettet,“ erklärte Fuega. „Er hat uns gegen die Feinde beigestanden und sie fast alleine in die Flucht geschlagen. Wäre er nicht gewesen, hätte ein Goblin mir den Bauch aufgeschlitzt und unser Kind getötet! Ohne seine Hilfe wären wir wahrscheinlich alle verloren gewesen.“ Soach blickte von ihr zu dem Mann und fand kaum Worte. „Ich... ich danke Euch. Ich weiß nicht, wie ich ausdrücken soll, was Ihr für mich getan habt!“ „Nur... meine Pflicht,“ presste Rahzihf hervor. „Ich bin Krieger... ich helfe, wo... ich kann! Mein Schwert... verteidigt... die Schwachen und Hilflosen...“ Es strengte ihn sehr an, deshalb brachte Fuega ihn sanft zum Schweigen. Normalerweise hätte sie jeden gegrillt, der implizierte, dass sie schwach oder hilflos war, aber das hatte er wohl nur allgemein gesagt. Soach hatte eigentlich nur kurz zu Besuch kommen wollen, aber er blieb mehrere Wochen und half bei der Pflege der Verwundeten. Rahzihf war so schwer verletzt, dass sein Schwertarm amputiert werden musste. Er war es sogar selbst, der es aussprach, nachdem tagelang keine Besserung eingetreten war und ein Wundfieber seine Gesundheit noch mehr bedrohte. „Nehmt mein Schwert und tut, was nötig ist,“ sagte er zu Soach, der sich darauf in der ungemütlichen Lage befand, einem Mann den Arm abschlagen zu müssen. Aber er war der Einzige, der es tun konnte, denn es erforderte eine gewisse Körperkraft sowie einige Kenntnisse im Umgang mit einem Schwert. Die meisten Hexen kurierten noch ihre eigenen Verletzungen aus und übernahmen deshalb die Aufgabe, dem Krieger ein schmerzlinderndes Mittel zu kochen und sich anschließend um die Wunde zu kümmern. Soach bewunderte die Tapferkeit des Kriegers. Nicht nur wegen der Schmerzen, die er ertrug, sondern auch, weil er den Arm verlor, der ihm sein tägliches Brot sicherte. „Ich werde einfach lernen, mit der linken Hand das Schwert zu führen,“ sagte Rahzihf dazu. „In meinem Beruf kommen Verstümmelungen häufig vor. Es ist keine Schande.“ Inzwischen hatte Fuega einen gesunden Jungen geboren. Soach konnte ihn nicht ansehen, ohne immer daran denken zu müssen, dass ihm dieses Glück fast verwehrt geblieben wäre. Nach mehreren Wochen konnte Rahzihf die Hexen verlassen. Er trug sein Schwert an der rechten Seite, so dass er es mit links ziehen konnte, und verbarg seinen Armstumpf unter einem Reiseumhang. „Seid Ihr sicher, dass ich Euch nicht auf dem Drachen heimbringen soll?“ fragte Soach erneut. „Nein, ich komme schon zurecht,“ versicherte der Krieger. Soach respektierte das mit einem Nicken. Er ließ sich von Fuega ein Armband geben, das sie getragen hatte. „Nehmt dies als Pfand meines Dankes. Ich habe es eigentlich für meine Frau gemacht, damit sie mich immer finden kann. Aber nun sei es Euer. Wenn Ihr ein Problem habt, für das Ihr die Hilfe eines Magiers benötigt, kommt zu mir. Dafür, dass Ihr mein ungeborenes Kind gerettet habt, werde ich für Euch tun, was immer Ihr braucht. Ihr habt das Wort von Soach, Prinz der Eisigen Inseln.“ Darüber diskutierte Rahzihf nicht, beteuerte weder, dass es nicht nötig sei, noch dass seine Tat nicht der Rede wert wäre. Ein Krieger wusste um den Wert seiner Taten, und um den Wert eines Gefallens, den ihm ein Magier schuldete. Er nahm das Geschenk dankend an und verabschiedete sich mit einem Kriegerhandschlag seiner linken Hand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)