Fremde Welten: Unmöglich ist nichts (#3) von Purple_Moon (Prinz Soach und das Prinzip des Chaos) ================================================================================ Kapitel 26: Willkommene und unwillkommene Gäste ----------------------------------------------- Crimson betrachtete den Holzstapel bei den Felsen, der als Ersatzbrennholz diente, und sah zu, wie Fire und Legend ein Lagerfeuer am Strand vorbereiteten. Ishzark und Ray hämmerten Metallstangen in den sandigen Boden, an denen später der Braten gedreht werden sollte. Letzterer wurde derzeit in der Küche vorbereitet. Rosi, Saambell und Milla trugen Geschirr nach draußen und stapelten es auf einem Tisch, den Dharc und Veiler vorher hingestellt hatten. „Erstaunlich gut organisiert für jemanden, der nicht gerade für Ordnung bekannt ist,“ stellte der Schlossherr fest. „Gibt es sonst noch etwas, das ich verpasst habe?“ Soach stand sachlich dabei und überwachte die Vorgänge. „Die Amazonen haben sich von dem Blendzauber erholt. Deine Mutter hat deinem Vater ein violettes Auge verpasst. Er hat Salbe aufgetragen, aber es geht nur langsam weg. Ich habe ihren Antrag, mich als Rehabilitand zu kriegen, abgelehnt und der Zirkel hat das bestätigt.“ „Sie sind aber noch nicht wieder abgereist, oder?“ Crimson wollte seine Mutter und Paladia gerne noch treffen. „Aber nein, sie sehen sich noch ein bisschen hier um.“ Soach seufzte. „Was ist? Dich muss das doch nicht stören, sie bedrängen keinen Mann, der vergeben ist.“ „Da gibt es allerdings ein Problem. Als die Schwarzhaarige mit dem Fellröckchen Lily fragte, ob ich ihrer wäre, hat Lily mich wütend angesehen und der Amazone geantwortet, dass sie mich ruhig haben kann.“ „Oje. Immer noch wegen der Blutfeensache?“ „Das ist zu befürchten.“ Crimson hatte eine Menge Informationen von Cathy bekommen, während er sich angezogen hatte. Der Schlaf hatte ihm wirklich gutgetan, aber nun war schon Nachmittag! „Ach ja, dein Großvater möchte dir ein Buch zurückgeben, das du ihm letztes Jahr ausgeliehen hast. Ein Kochbuch, glaube ich,“ richtete Soach ihm aus. „Es sei nun an der Zeit, meinte er. War das ein besonderes Buch?“ Crimson musste ein wenig in seiner Erinnerung kramen, um darauf zu kommen. „Ach... das war damals, als wir in der Schatzkammer waren und uns die Bücher ansahen, mit Ray, weißt du noch? Du hast ein Buch über Artefaktmagie mitgenommen, und ich nahm eins für Dark und eins für Großvater.“ „Das war aber kein Kochbuch... oder?“ „Nein... Ich bin gespannt, was er mir zu sagen hat, immerhin hätte er es ja auch dir geben können, damit du es auf meinen Schreibtisch legst.“ Soach zuckte mit den Schultern. „Wie auch immer... Vanis und ich sind einige Formulare durchgegangen und haben besprochen, was man hier verändern könnte, um es eines Zirkelmitgliedes angemessen zu gestalten. Wenn du erlaubst, kümmere ich mich darum.“ „Du hast freie Hand, Soach,“ sagte Crimson sofort. Sein Stellvertreter nickte. „Da ist noch eine Sache... Vindictus hat angefragt, ob er Thaumator hierbehalten darf. Er wollte ihn für... wie drückte er sich aus... ein medizinisches Forschungsprojekt. Es ist wirklich nicht so, dass ich es dem alten Zausel nicht gönne, aber ich habe das abgelehnt.“ „Wie du meinst.“ Crimson brauchte dafür keine Erklärung. Zum einen respektierte er Soachs Entscheidung, zum anderen verstand er ihn in diesem speziellen Fall vollkommen. „Sag mal... Vindictus ist nicht schwul, oder?“ fragte Soach. „Häh?“ Crimson wurde von der Frage völlig überrumpelt. „Nein, wie kommst du darauf?“ „Das hat sich im Laufe des Tages herumgesprochen. Angeblich hat er was mit Thaumator. Als ich das erfuhr, hatte ich seine Anfrage aber schon abgelehnt. Das muss ein Missverständnis sein. Allerdings hing der Typ heute auf der Krankenstation rum...Könnte es sein...?“ „Uhm, nun ja... dass er einen Sohn hat, muss ja kein Hindernis sein, oder?“ Beide schwiegen einige Minuten und dachten darüber nach. „Neee,“ beschloss Crimson dann. „Wenn es darum ginge, hätte er dir das sagen können!“ „Ja. Meine ich auch,“ stimmte Soach zu. „Aber wie kommen die Leute auf solche Ideen?“ „Tja, wer weiß. Vermutlich hat jemand etwas falsch gedeutet und nebenbei erwähnt, und ein anderer hat es halb mitbekommen und dem Nächsten erzählt... sowas geht ganz schnell.“ Wie Crimson ja nur zu gut wusste. Zwei geflügelte Personen in locker sitzender Kleidung, die er durch Cathys Informationen als Lilys Eltern identifizierte, traten vor ihn hin. „Ihr seid der Schlossherr, Crimson vom Lotusschloss?“ verlangte die Frau zu erfahren. Crimson nickte. „Und Ihr müsst Petunia sein.“ Sie machte sich nicht die Mühe, das zu bestätigen oder zu verneinen. „Lavender und ich sind in einem winzigen Zimmer untergebracht, in dem kaum zwei Betten Platz haben! Die Betten sind außerdem viel zu schmal und stehen nicht nebeneinander! Das Fenster ist winzig und blickt auf einen verwilderten Garten, und ein Gestrüpp nimmt ohnehin fast die ganze Sicht und behindert den Lichteinfall! Es hat kein eigenes Bad! Das kann nicht Euer Ernst sein!“ „Mein Zimmer hat auch kein eigenes Bad,“ fiel Crimson als Erstes dazu ein. „Wir haben hier und da ein Etagenbad, aber meistens wird das Bad im Keller genutzt, welches wirklich sehr schön ist – vor einem Jahr ganz neu renoviert. Davon abgesehen ist das Meer direkt vor der Tür.“ „Ihr verlangt, dass wir mit all diesen... Leuten... das Bad teilen?“ Petunia sah aus, als hätte man ihr vorgeschlagen, den Lavasee unter dem Schloss zu benutzen. „Oh, das steht Euch selbstverständlich vollkommen frei,“ entgegnete Crimson sehr freundlich. „Im Prinzip hat es ein eigenes Bad,“ wandte Soach ein. „Der Raum fünf Türen weiter. Derzeit benutzt ihn sonst niemand.“ „Ihr meint diese Abstellkammer mit Wasserbecken?“ empörte sich die Fee. „Ich darf doch sehr bitten!“ entgegnete Soach. „Wir lagern dort nur ein oder zwei Gießkannen. Wenn sie Euch stören, stellt sie einfach ins Nebenzimmer.“ „Wir wissen, dass es im Schloss größere Räumlichkeiten gibt, daher verstehen wir diese Unterbringung nicht,“ ergriff nun Lavender das Wort, da sich das Gespräch wohl für seinen Geschmack zu sehr um Bäder drehte. „Beispielsweise in einem der Türme!“ „Oh, das tut mir Leid. Aber andere Zimmer waren nicht mehr verfügbar. Wir haben bereits einige Gäste, dann gibt es mehrere Schlafsäle für die Schüler, ansonsten nur Lagerräume für überschüssige Möbel,“ erklärte Crimson. Tatsächlich bedurften noch viele Zimmer einer Grundsanierung. Theoretisch wäre wohl durchaus noch eins übrig gewesen, das mussten die beiden aber nicht wissen. „Nun gut.“ Penunia schnaubte schicksalsergeben. „Für einige Tage wird es wohl gehen, es ist schließlich für unsere Tochter.“ Sie und ihr Mann machten auf dem Absatz kehrt und marschierten Richtung Schloss davon. „Wo kommen die denn her, dass sie ein eigenes Bad verlangen?“ wunderte Crimson sich. „Kennst du ein Schloss, wo jeder ein eigenes Bad hat?“ „Nun, ich kenne eins, wo zumindest die Besitzerfamilie ein eigenes hat, aber wahrscheinlich ist es ein weit verbreitetes Vorurteil, dass es in Schlössern so läuft,“ vermutete Soach. „Vielleicht sind sie es auch gewohnt, dass ihnen immer ein Bad alleine zur Verfügung steht, wenn sie irgendwo zu Gast sind.“ „Na das haben sie jetzt ja auch,“ grinste Crimson. „Deshalb verstehe ich das Problem nicht.“ „Wie lange wollen die Zirkelleute noch bleiben?“ erkundigte Soach sich in einem verschwörerischen Flüsterton. „Bis morgen noch, glaube ich,“ antwortete Crimson genauso leise. „Hmpf. Ich werde sie fragen, ob sie noch ein oder zwei Tage länger bleiben wollen, auch wenn das bedeutet, dass Thaumator bleibt.“ „Mach das.“ Das sagte ja viel darüber aus, was Soach von diesem Feenpärchen hielt. Inzwischen war außer Crimson auch Lord Genesis wieder aus dem Bett gekrochen und schritt in einer für ihn sehr legeren Aufmachung umher – er trug ein auffälliges, blütenweißes Rüschenhemd zu einer glänzenden dunkelgrünen Hose. Immerhin war der Kragen des Hemdes nicht zugeschnürt, sondern stand locker offen, obgleich er sonst gerne noch eine Goldbrosche an der Stelle trug. Die Amazonen machten einen Bogen um ihn. Soach machte sich auf, um mit den Herrschaften vom Zirkel zu sprechen, so dass Crimson zurückblieb. Alles schien gut organisiert zu sein, die Aufgaben verteilt, wodurch er nicht gleich eine für sich fand. Während er herumspazierte, um vielleicht irgendwo zu helfen oder zu schauen, ob er nicht seinen Großvater fand, lief er einer rotblonden Amazone praktisch in die Arme. „Hey, du musst Crimson sein,“ stellte sie fest, ihn aufmerksam musternd. „Ich bin Ellaira. Du gefällst mir...“ „Ich wurde schon von einer Amazone erwählt,“ sagte er schnell. „Du meinst Paladia?“ Ellaira zuckte mit den Schultern. „Sie hat dein Kind geboren und keine weiteren Ansprüche auf dich erhoben.“ Crimson konnte gerade sehr gut nachvollziehen, wie es Soach wohl ging, auf den Lily auch keine Ansprüche erhoben hatte. Aber sie war keine Amazone. Bestimmt setzte sie trotzdem voraus, dass der Kindsvater ihr treu blieb. Er selbst hatte derzeit wirklich keinen Bedarf nach einer weiteren Beziehung zum Zwecke der Fortpflanzung. Vielleicht log Ellaira ja auch, Palladia war ihm nämlich noch nicht begegnet – ein Teil von ihm hoffte das. Die junge Amazone ergriff seinen Arm und kam ihm so nah, dass er ihren Brustpanzer spüren konnte. „Findest du mich nicht hübsch? Oh, vielleicht denkst du, ich sei zu jung? Keine Sorge, ich bin neunzehn.“ Sie schmiegte ihr Gesicht an seine Schulter. Crimson überlegte fieberhaft, wie er sie möglichst ohne Aufsehen loswerden konnte. Andererseits... vielleicht war es besser, sie bei sich zu haben, um die anderen auf Distanz zu halten. Aber erst musste er von Paladia selbst hören, dass sie ihn nicht mehr wollte. Indessen spielte Ellaira mit seinem langen Haar. Sie war wirklich ganz attraktiv, fast so groß wie er und ausgestattet mit einem festen, drahtigen Körper, welcher von Lederstücken an den wichtigen Stellen verhüllt wurde. Das rotblonde Haar trug sie offen. Es verfügte über eine leichte Krause, die es voluminöser machte und zu einer wilden Masse verband. Sie grinste. Plötzlich wanderte ihre Hand nach unten und fand mit einem geübten Griff ihr Ziel. „Huh, ich hab dich scharf gemacht, was? Du stehst voll auf deine Schwester!“ Er zuckte ungläubig vor ihr zurück. „Hey...! Was?!“ Die junge Frau kicherte ungehalten. „Keine Sorge, ich wollte nur mal sehen, ob‘s klappt, Bruder. Ja, wir haben dieselbe Mutter. Oder hast du dir eingebildet, dass sie nach Shiro keinen Mann mehr ansieht, geschweige denn erwählt?“ „Natürlich nicht,“ behauptete er. „Ich dachte einfach nie darüber nach.“ In seiner Gedankenwelt hatte er immer seine beiden Eltern als nur seine gesehen. „Die meisten Amazonen bekommen wenigstens eine Tochter,“ belehrte Ellaira ihn. „So stirbt der Stamm nicht aus.“ Sie blickte sich nachdenklich um. „Hm... ich könnte deinen Vater angraben, wäre das nicht lustig?“ „Nein, finde ich nicht,“ erwiderte Crimson etwas schroffer als nötig. Sicherlich scherzte sie, aber man konnte nie wissen. Ellaira ignorierte seinen Tonfall komplett. „Oh, Prachtexemplar voraus!“ rief sie. „Bis später, Crimson!“ Sie hüpfte hinter Mava her, der gerade einen großen Weinkrug zum Strand brachte. Bei ihm würde sie wohl auch abblitzen, aber Crimson schätzte sie so ein, dass für sie dadurch die Welt nicht zusammenbrach. Er drehte sich um – und prallte fast gegen seine Mutter. „Wie ich sehe, habt ihr euch schon bekannt gemacht,“ sagte sie amüsiert. „Hast du mir noch mehr Geschwister verschwiegen?“ grummelte Crimson. „Verschwiegen habe ich dir Ellaira nicht, nur hatte ich keine Zeit, sie dir vorzustellen,“ stellte Amazia klar. „Jedenfalls ist mir ja die Überraschung gelungen.“ „Das beantwortet nicht meine Frage!“ Sie seufzte. „Das ist die einzige.“ „Gut,“ atmete Crimson auf. „Und wer ist der Vater?“ „Oh... Gilford. Ich weiß nur nicht genau, welcher,“ winkte Amazia ab. Er starrte sie an. „Du weißt nicht, welcher?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Na, das sind Zwillinge! Nackt sehen sie total gleich aus, bis auf ein paar Narben vielleicht, aber sowas merke ich mir nicht.“ „Dann hast du die gleichzeitig erwählt gehabt?“ „Tja, sie teilen alles brüderlich. Mir war es recht, es erhöhte die Wahrscheinlichkeit auf ein Kind.“ Crimson fand es irgendwie befremdlich, dass seine Mutter mit zwei gleichen Muskelbergen ins Bett sprang. Andererseits kannte er sie ja kaum, und damals war sie jünger gewesen. „Hast du Paladia gesehen?“ fragte er sie, um das Thema zu wechseln. Amazia überlegte kurz. „Ich glaube, sie ist mit diesem Unterweltler ins Gespräch gekommen. Dem mit den roten Haaren.“ „Aha.“ Das konnte eigentlich nur Gorz sein. Dass sein Untergebener ihm womöglich die Frau ausspannte, war fast noch befremdlicher als seine Mutter mit zwei identischen Kriegern auf demselben Schlaflager. Aber es war Paladias Entscheidung... und damit stand wohl auch fest, dass sie nicht an einer langfristigen Bindung mit ihm interessiert war. Crimson ging in sich und versuchte herauszufinden, ob er wirklich und wahrhaftig darauf gehofft hatte... aber wenn er das schon nicht so genau wusste, traf es ihn wohl nicht ganz so hart. Schließlich gab es ja auch andere Frauen in seinem Leben. Er wollte sich nach Scarlett erkundigen, entschied dann aber, sich das für ein Gespräch mit Paladia aufzuheben, falls es irgendwann doch noch dazu kam. „Ach sag mal... Was läuft zwischen dir und diesem ausgebrannten Magier?“ unterbrach Amazia seine Gedanken. „Als wir eintrafen, sahen wir ihn vom Schloss wegrennen... fliehen, wenn du mich fragst. Dabei scheint er viel Wert darauf zu legen, hier zu bleiben. Passt irgendwie nicht zusammen. Wenn du dich da nicht reinlegen lässt!“ „Ja, Mutter, danke für den Hinweis.“ Crimson verdrehte innerlich die Augen, unwillig, sich auf diese Diskussion einzulassen. Er musste sich ja wohl für die Wahl seiner Verbündeten und Freunde nicht rechtfertigen, auch nicht vor seiner Mutter. Offenbar fand Amazia seine Reaktion verdächtig, denn sie hob eine Augenbraue und schien auf mehr zu warten. „Nun gut,“ meinte sie, als er nichts weiter hinzufügte. „Aber beschwer dich hinterher nicht. Falls er Zicken macht, sag Bescheid.“ Crimson nickte bloß, obwohl ihm eine ellenlange Erklärung auf der Zunge lag. Seltsamerweise kam diese Taktik wohl bei der Amazone gut an, denn sie lächelte anerkennend. „Das ist mein Junge...“ Sie tätschelte seine Schulter und entfernte sich. Da hatte er anscheinend etwas richtig gemacht. Bei näherer Überlegung erschien ihm das ganz plausibel, schließlich waren Amazonen Kriegerinnen, die machten nicht viele Worte, wenn ein Schwerthieb genügte. Lange Rechtfertigungen hätten ihn schwach wirken lassen. Er überlegte, wohin er nun gehen sollte, da erschütterte Drachengebrüll die Szene, dass alle zusammenzuckten und nach oben blickten. Ein großer Schatten verdunkelte den Himmel, aber Crimson fühlte sich nicht bedroht, obwohl seine Schüler und einige der Gäste aufgeregt riefen und nach oben zeigten. Durch Cathy konnte er etwas genauer den gewaltigen Drachen erkennen, der das Schloss einmal umkreiste und dann auf die Landeplattform zusteuerte. Dort erwartete ihn Soach. Als der Drache landete, neigte der Prinz zum Gruß den Kopf und sprach ihn mit seinem Namen an. „Emerald.“ Das Wesen war hauptsächlich grün bis bläulich und an manchen Stellen wuchsen Edelsteine auf der Haut – dem Namen nach vermutlich Smaragde. Einen faustgroßen, ebensolchen Edelstein legte Soach ihm in diesem Moment ins Maul. Crimson stöhnte innerlich. Hoffentlich fraß Emerald auch Fisch und es handelte sich nur um ein Willkommensgeschenk. Soach streichelte den Bereich zwischen den Augen, während der Drache kaute. Das Schloss kannte Emerald – er gehörte zu den Drachen, die seinerzeit für Sorc und Malice gearbeitet hatten und zu denen, auf deren Anrufung Soach bisher verzichtet hatte. Crimson erinnerte sich, einmal gefragt worden zu sein, ob er größere Drachen wollte, damals hatte er aber abgelehnt, weil er ja nur eine Schule führte. Nun gehörte ein gewaltiger, älterer Schimmerdrache zu seiner Sammlung. Er passte gerade so auf die Landeplattform, die möglicherweise nicht für diesen Zweck geschaffen worden war. Die geistige Präsenz des Geschöpfes sickerte langsam zu ihm durch. Soach schirmte ihn ab, vermutlich, damit es ihn nicht gleich überwältigte. Das wusste Crimson zu schätzen. Er vermutete, dass dies nicht der einzige Neuzugang bleiben würde. Rosi zupfte an seiner Robe. „Gehört der jetzt zu uns?“ „Ja, soweit man das bei einem Drachen sagen kann,“ nickte Crimson. „Boah,“ staunte das Mädchen und drehte sich zu den anderen um. „Habt ihr das gehört?“ Sie hatten. Legend heizte die Schüler an, und sie jubelten dem Drachen zu, was diesem zu gefallen schien. Wenn sie eins gelernt hatten, während Endymions Ritter Cross im Schloss gelebt hatte, dann wie man mit Drachen umging. Das Thema war für sie vermutlich auch interessanter als beispielsweise Alchemie oder Heilkunst. „Ist doch schon ein guter Anfang,“ vernahm er Vanis‘ Stimme. Der Unterweltler tauchte neben ihm auf. „Ich habe vorhin mit Eurem Stellvertreter gesprochen und ihm geraten, noch ein paar Drachen oder ähnliche Helfer zu besorgen. Das kann nie schaden.“ „Ich glaube, Soach hat da noch welche in der Hinterhand,“ nickte Crimson. Hoffentlich fraß der nächste nicht Diamanten, sonst würde sich die Schatzkammer ganz schnell leeren. „Übrigens eine gute Idee, die Aufnahme in den Zirkel am Strand zu feiern,“ fuhr Vanis fort. „Wir haben nichts dagegen, wenn es mal nicht in einem Ballsaal ist.“ „Oh... das freut mich.“ Crimson tat mal so, als wäre das tatsächlich seine Idee gewesen. „Hier scheint ja alles unter Kontrolle zu sein... ich möchte mal nach meinem Großvater suchen, er wollte etwas mit mir besprechen. Entschuldigt mich...“ Sage hielt sich gerade in der Schlossbibliothek auf. Das passte ja, denn auch wenn sich das Buch, über das er mit ihm reden wollte, nicht dort befand, so hatten sie doch einen guten Ansatzpunkt für das Thema. Crimson hatte schon gar nicht mehr an jenes Buch gedacht. Dass sein Großvater nun seine Meinung änderte, konnte bedeuten, dass es etwas mit dem Zirkel des Bösen zu tun hatte. Aber das hätte er ihm doch ruhig sagen können, fand er. Nun gut, in Kürze würde er mehr wissen... Vindictus überraschte es nicht, dass Thaumator nicht bleiben durfte. Soviel hatte er sich schon vorher gedacht. Derzeit überlegte er sich ein paar Möglichkeiten, die Meinung von Soach, dem Schlossherz oder Crimson, vorzugsweise allen dreien, zu seinen Gunsten zu verändern. Während er durch das Schloss streifte, sich am Strand umsah oder einfach seinen Dienst als Heiler versah, schienen immer wieder Leute hinter seinem Rücken zu tuscheln und dabei in seine Richtung zu blicken. Seltsam. Die taten ja fast so, als lebte er erst seit gestern hier! Die Schüler wuselten ansonsten umher, trugen Zeug nach draußen und benahmen sich generell wie eine Horde aufgescheuchter Niwatoris. Vindictus beobachtete sie eine Weile, und schließlich fiel seine Aufmerksamkeit auf den jungen Fire. Ein Feuermagier, der große Stücke auf sich hielt, aber die Eisige Universität ohne Abschluss verlassen hatte. Da ließ sich vielleicht was mit anfangen. Der Alte schlenderte zu ihm. „Habt ihr auch daran gedacht, eine Ausrüstung für Notfälle bereitzustellen?“ Dies war immer ein Anliegen für ihn, in diesem Falle aber vor allem ein Vorwand, mit dem Jungen ins Gespräch zu kommen. Fire sah ihn überrascht an. „Meinste dassis nötich?“ „Man kann nie wissen,“ ermahnte Vindictus ihn in schulmeisterlichem Ton. „Ihr habt hier schließlich Wein, und angetrunkene Leute verletzen sich eher, besonders mit einem Feuer in der Nähe. Wie leicht spielt da mal jemand mit rum!“ Fire baute sich mit stolzgeschwellter Brust auf. „Kein Problem, Legendärer Lord der Flammen passt schonn auf.“ „Oh!“ Vindictus tat überrascht. „Dann willst du nichts trinken, damit du einen klaren Kopf behältst? Ich hätte sonst Thaumator vom Zirkel gebeten, ein Auge auf das Feuer zu haben. Er ist auch ein Feuermagier, wusstest du das?“ „Neeee... nich Finsternis?“ hakte Fire nach. „Das dachten wir alle, scheint mir. Zumal ich gehört habe, dass seine Ausbrennflamme kalt ist. Aber danach kann man nicht gehen...“ So, da hatte er den Köder ausgeworfen. Soachs Sohn sprang brav darauf an. „Das... dassis der Typ, der Vadder das angetan hat?“ Er blickte sich suchend um. „Ich wa ja nich sicha...“ „Einer von zweien, ja,“ nickte Vindictus. „Also sei lieber vorsichtig und leg dich nicht mit ihm an, obwohl ich mir denken kann, wie du dich fühlst...“ „Pah... der kann mich mal!“ grummelte Fire. „Hab noch zu tun...“ Vindictus lächelte, als Fire davonstapfte. Bei manchen half es am besten, ihnen zu sagen, dass sie etwas sein lassen sollten, damit sie es taten. Der Plan hatte nur eine Macke... er konnte nach hinten losgehen. Sehr sogar, zumal er Thaumator nicht eingeweiht hatte. Vielleicht konnte er das noch nachholen. Während er darauf wartete, das Ergebnis beobachten zu können, bereitete der alte Heiler einige Notfallutensilien vor und postierte sie in Reichweite, nur für den Fall, dass bei der Strandparty irgendetwas schiefging. Die generelle depressive Stimmung des Schlosses, die für gewöhnlich auch auf die Bewohner abfärbte, fühlte sich heute besser an, vielleicht durch die Aufregung und durch die vielen Besucher, die noch nicht lange genug hier verweilten, um davon betroffen zu sein. Vindictus fühlte sich entspannt und gedachte dies zu nutzen, solange es anhielt. Plötzlich erschütterte ein lautes Drachengebrüll das Schloss – zum zweiten Mal an diesem Nachmittag. Ein roter Drache landete auf dem Turm mit der Plattform. Anders als die Schüler und andere Zeugen schenkte Vindictus ihm allerdings kaum Beachtung. Er kannte ihn aus seiner Zeit als Sorcs Necromant. Ein Weißhorn Drache, den Malice aus irgendeinem Grund Florence getauft hatte. Wenn Soach nun seine richtig großen Drachen zusammentrommelte, versuchte er wohl, dem neuen Rang als Zirkelmitglied gerecht zu werden. Als es dunkel wurde, begann Lilys Bereitschaftsdienst und Vindictus hatte frei. Er ging an seinen Arbeitsplatz, um die Fee zu fragen, ob sie vielleicht lieber am Strand mitfeiern wollte. In dem Fall gedachte er für sie einzuspringen. Er näherte sich den Flügeltüren der Krankenstation und fand dort Dsasheera vor, die anscheinend am Eingang lauschte. Sie hielt einen Finger vor den Mund, daher stellte er sich einfach schweigend zu ihr. Ein Spalt stand offen. Drinnen wurde außerdem laut genug gesprochen, um alles bequem zu verstehen. „Es ist mir völlig egal, was die Nachbarn sagen oder eure Kollegen!“ schrie Lily in einem Tonfall, der mehr als aufgebracht klang, eher... rasend vor Wut. „Wenn ich entscheide, dass mein Kind nicht als Blutfee aufwächst, dann zu seinem eigenen Schutz und nicht, weil ihr sonst schlecht dasteht! Ihr denkt immer nur an euch, schon als ich weggegangen bin, um die andersartige Medizin zu lernen, habt ihr mir vorgehalten, dass ich euch zum Gespött mache!“ „Liebes, ich kann verstehen, dass du im Moment sehr empfindlich bist. Wenn du es so machen willst, ist doch alles in Ordnung!“ sagte Petunia. „Das ist die richtige Entscheidung, glaube mir. Eine Blutfee, das ist viel zu gefährlich, sie könnte... dunkle Kräfte entwickeln!“ „Sag mal, plant ihr noch mehr Kinder miteinander, du und dieser Prinz?“ fragte Lavender. „Ich meine ja nur... vielleicht wäre es nicht ratsam, mit ihm zusammen zu bleiben. Wie soll er dich denn auch beschützen, nachdem sie ihn ausgebrannt haben?“ Aha, davon hatten die beiden also auch schon auf die ein oder andere Weise gehört. Vielleicht von Lily, aber es war ja nicht direkt geheim. „Wer sagt denn, dass ich Schutz brauche?“ erwiderte Lily scharf. „Ich mag zwar manchmal etwas emotional wirken, aber wer sich mit mir anlegt, hat selber Schuld!“ Das zumindest konnte Vindictus guten Gewissens bestätigen. „Lily Schatz, wir möchten dir doch nur helfen. Du solltest nach Hause kommen, da bist du bis zur Geburt sicher...“ Bei diesen Worten der Mutter zuckte Dsasheera zusammen und presste die Hände gegen ihre Schläfen. Vindictus kannte das, deshalb fragte er nicht nach, sondern passte lediglich auf, dass sie sich nicht den Kopf anstieß. Indessen konnte er weiter das Gespräch hören. „Ich bin zu Hause,“ entgegnete Lily der älteren Frau. „Hier habe ich meinen Arbeitsplatz.“ „Das willst du doch wohl nicht als Zuhause bezeichnen,“ empörte sich nun der Vater. „Ein Magierschloss, ich bitte dich! Hier gehen andauernd Unterweltler und andere dubiose Gestalten ein und aus! Ich dachte, nun, da du mit deiner eigenwilligen Lehre fertig bist, kommst du zurück zu uns und gründest eine Familie!“ „Du musstest eigentlich gar keine Lehre machen, dein Verlobter kann für dich sorgen,“ meinte Petunia. „Du hast doch auch was Eigenes gelernt!“ widersprach Lily ihr. „Ich habe eine Grundausbildung als Heilerin und den Rest habe ich von deinem Vater,“ teilte ihre Mutter ihr mit. „Ich habe mich um euch Kinder gekümmert und er hat gearbeitet.“ Vindictus konnte sich vorstellen, dass Lily die Augen verdrehte. Teilweise vertraten die Feen doch eine seltsame Auffassung von geschlechtlicher Rollenverteilung. „Mir geht es gut hier,“ sagte die junge Fee. „Die Leute sind nett zu mir und die Arbeit macht mir Spaß. Kamill kann sich eine andere Frau suchen! Ich dachte eigentlich, das hätte er längst getan. Schließlich findet er es doch sicherlich auch seltsam, was ich mache.“ „Er ist eben vernünftig und weiß, wie wichtig diese Verbindung für unsere beiden Familien wäre,“ erklärte Lavender. Lily seufzte. „Wir sind doch keine Adligen!“ „Umso wichtiger, die Beziehungen zu einer einflussreichen Familie von Händlerfeen auf diese Art zu festigen!“ beharrte ihr Vater. „Dann sag das doch Daisy. Aber warte... sie hat ja schon diesen Typen aus dem Geleit vom Erzlord. Guter Fang...“ „Ja, und sie erwartet schon ihr zweites Kind! Ich wäre ja noch zufrieden, wenn du seinen Kollegen genommen hättest...“ „Ja, ja. Ich muss jetzt arbeiten. Der hintere Bereich ist für Besucher nicht freigegeben. Tschüss.“ Leichte Schritte von einer Person entfernten sich rasch. Anscheinend folgte das Paar ihrer Tochter nicht. Dsasheera kam rechtzeitig wieder zur Besinnung, um Vindictus um die nächste Ecke zu ziehen. Sie waren kaum außer Sicht, als Petunia und Lavender auf den Gang traten. „Sie kommt schon noch zur Vernunft,“ seufzte die Frau. „Hoffe ich wenigstens.“ „Wir sind ihre Eltern, sie muss auf uns hören.“ Lavender ballte eine Hand zur Faust. „Warte einfach ein paar Tage. Vielleicht sollten wir Kamill herholen.“ „Bist du verrückt?“ fauchte Petunia. „Wenn er erfährt, dass Lily schwanger ist von einem Unterweltler, wird er sie nicht mehr wollen! Das geht nicht!“ „Ja, da magst du Recht haben,“ nickte ihr Mann. „Ich verstehe nicht, dass Lady Charoselle nicht strenger zu ihrem Sohn ist, aber was will man von einer Unterweltlerin erwarten. Sie unterschätzt das Problem vollkommen. Wie konnte sie ihm erlauben, mit einer Fee anzubandeln?“ wetterte Petunia. „Wenn wir das doch nur eher gewusst hätten! Dann hätte es kein Kind gegeben!“ „Vielleicht hätten wir das Mädchen von Anfang an nicht in einem Magierschloss anfangen lassen sollen,“ gab Lavender zu bedenken. „Nun ja, das allein wäre ja zur Not noch zu ertragen, aber...“ Die Stimmen verloren sich allmählich, als die beiden sich entfernten. „Prinz Soach ist kein Unterweltler, oder? Oh, ich hasse es, wenn auf solche Feinheiten nicht geachtet wird!“ fluchte Dsasheera. „Da siehst du mal, was das für oberflächliche Leute sind!“ „Und was hast du eben gerade gesehen?“ unterbrach Vindictus ihren Ärger. „Oh... das. Lass nicht zu, dass sie das arme Kindchen mitnehmen. Es sind Feen von der ganz schlimmen Sorte. Sie... sie wollen keine Blutfee in der Familie. Lily ist hier am sichersten.“ „Glaubst du, sie würden ihr etwas antun?“ „Das würde ich nicht ausschließen. Wenn sie nach Hause geht, kommt das Baby nicht lebend zur Welt. Merk dir meine Worte.“ „Da bin ich deiner Meinung, Mutter,“ mischte sich eine neue Stimme ein. Ujat kam mit einem Grinsen um die Ecke. Er trug eine kleine Holzkiste bei sich. „Ich bezweifle, dass Lily mit ihnen geht. Ich gehe sie kurz mal besuchen.“ „Warte,“ bremste sein Vater ihn. „Was ist da drin?“ „Nur ein paar Teebecher.“ Ujat nahm den Deckel von der Kiste ab und zeigte ihnen einen. Der Becher sah aus wie von einem Kind gemacht. „Meine Güte, gibt es die immer noch? Die hast du doch in der Schule gemacht, oder?“ staunte Vindictus. Ujat strich direkt liebevoll über die Oberfläche. „Ich habe letztens mal aufgeräumt und sie dabei gefunden. Ich werde sie der Krankenstation stiften... dann liegen sie nicht länger ungenutzt herum.“ Dsasheera nahm einen Becher aus der Kiste und mustere ihn. „Hm... hast du die damals in Artefaktmagie hergestellt?“ „Nein, im Heimwerkerunterricht. Aber ich habe sie in den letzten Tagen noch etwas überarbeitet beziehungsweise die Artefaktmagieklasse darum gebeten. Den da gebe ich Lily, meint ihr nicht? Es sind besonders schöne Blütenmuster drauf... für das Werk eines Kleinkindes.“ Dsasheera drehte das gute Stück in den Händen. „Ja... wirklich hübsch. Du solltest sowas öfter machen, Junge, das sind ungeahnte Talente.“ Die Familie lachte ausgelassen, dann legten sie alle Becher zurück in die Kiste, und Ujat brachte sie zu Lily. „Ob er irgendwas gesehen hat?“ fragte Vindictus. Dsasheera zuckte mit den Schultern. „Das mag schon sein.“ „Nun ja, in den letzten Tagen hat er seine Meinung zu seinen Visionen grundlegend geändert. Langsam Zeit, wenn du mich fragst.“ Vindictus zuckte mit den Schultern. „Wie war das denn früher?“ wollte die Schamanin wissen. „Oh, er war stets davon überzeugt, dass es besser wäre, Hilfsmittel wie Teetassen und Kristallkugeln zu verwenden.“ Vindictus verspürte tief in sich einen leichten Groll, weil sein Junge nicht an seine Unschuld geglaubt hatte, als er vor elf Jahren wegen angeblicher Pädophilie seinen Lehrerposten an der Akademie hatte aufgeben müssen. Ujat hatte nicht gesehen, ob die Gerüchte stimmten oder nicht, möglicherweise, weil er keinen direkten Kontakt zu einer der involvierten Personen gehabt hatte. Und selbst wenn... damals hatte seine familiäre und berufliche Situation es verlangt, dass er sich von einem solchen Vater distanzierte. Sie hatten das geklärt, aber es saß noch tief. Vindictus seufzte. Er wollte das lieber vergessen. „Was grübelst du da rum?“ schimpfte Dsasheera. „Wolltest du nicht etwas Bestimmtes hier?“ Jetzt fiel es ihm auch wieder ein. „Ja, ich wollte Lily anbieten, dass ich länger arbeite, damit sie draußen feiern kann. Aber vielleicht hat sie jetzt keine Lust mehr. Naja. Ich gehe mal fragen...“ Das tat er, und wie sich herausstellte, nahm die Fee das Angebot gerne an, was ihn überraschte. Aber es gab dem alten Heiler Gelegenheit, Zeit mit seinem Sohn zu verbringen, denn Ujat bot sich an, ihm Gesellschaft zu leisten. Indessen suchte Crimson Soach auf dem Turm auf, wo dieser noch ein wenig die Aussicht genoss. Ein Beutel mit Edelsteinen und Silberbesteck lag in der Nähe der Tür, die auf die Plattform führte. Zum Glück schien Florence keine Juwelen zu fressen, dafür aber Metallteile, um sein Horn vergrößern zu können. Da bot sich ja eine ganz neue Möglichkeit, defekte Waffen zu entsorgen. Soach drehte sich nicht um, doch er hatte den Besucher offensichtlich bemerkt. „Wenigstens kann ich noch Gedankenkontakte pflegen,“ begrüßte er den Schlossherrn. „Ich habe noch ein paar mehr Drachen, aber ich will sie nicht alle am selben Tag rufen.“ „Sie sind beeindruckend,“ sagte Crimson. „Ich kann ihre Präsenz spüren, obwohl du sie von mir abschirmst...“ „Irgendwann demnächst muss ich sie auch mal auf dich loslassen, damit du dich daran gewöhnst.“ Soach wandte sich ihm endlich zu und lächelte. Das Lächeln ähnelte sehr dem von früher, doch er konnte ihm nicht die gleiche Arroganz verleihen. Dennoch war es ansteckend. „Es scheint dir heute ganz gut zu gehen, ich hoffe doch, das lag nicht daran, dass ich den halben Tag nicht da war,“ witzelte Crimson. „Nein... dein Vater hat irgendwas mit meinem Hirn angestellt. Weil sein Schlossherz das Bewusstsein eines Kindes hat...“ „Ah, ja... vielleicht erzählt er dir die Geschichte mal, da will ich aber nicht vorgreifen.“ „Was ist das für ein Buch? Kommt mir bekannt vor.“ „Oh, das.“ Crimsons Aufmerksamkeit wandte sich dem Grund für sein Kommen zu. „Wir haben es vor einer Weile aus der Schatzkammer mitgenommen und ich wollte es meinem Großvater geben, erinnerst du dich? Ich habe ihm statt dessen das Kochbuch gegeben, weil er so getan hat, als wäre es ein Verbrechen, das hier zu besitzen.“ „Ja, stimmt.“ Jetzt hatte er Soachs Neugier noch weiter angestachelt. „Also, was ist es?“ Crimson grinste entschuldigend. „Ich habe keine Ahnung! Er hat es mir nicht verraten, mir aber erlaubt, mich jetzt damit zu befassen. Es ist in der geheimen Zirkelsprache geschrieben. Möchtest du es haben?“ „Nein, wie langweilig,“ entgegnete Soach in einem ironischen Tonfall, wobei er gleichzeitig das Buch an sich nahm. Er öffnete es auf einer zufälligen Seite und legte es vor sich in die Luft, doch bevor er es losließ, bemerkte er seinen Fehler. Er schlug es mit einem Knall zu und klemmte es sich unter den Arm. „Ich werde es mir nachher in meinem Zimmer in Ruhe ansehen.“ „Gut,“ nickte Crimson. „Gehen wir zur Strandparty?“ „Na gut, es war schließlich meine Idee,“ stimmte Soach etwas zögerlich zu. Unten schien gerade das Lagerfeuer entzündet zu werden, aber irgendwie klappte es wohl nicht richtig. Die Flammen flackerten und erloschen wieder. Die beiden Männer machten sich gemütlich auf den Weg und brachten das geheimnisvolle Buch vorerst noch einmal im Büro unter, wo sie es in einem Stapel weiterer Wälzer versteckten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)