Fremde Welten: Unmöglich ist nichts (#3) von Purple_Moon (Prinz Soach und das Prinzip des Chaos) ================================================================================ Kapitel 18: Der Zirkel zieht Bilanz ----------------------------------- Crimson ging im Laufe des Morgens in die Küche, um etwas zum Frühstück zu kochen, denn er wusste nicht genau, ob die Bediensteten schon arbeiteten – oder ob sie heute überhaupt arbeiteten. Es spielte aber auch keine Rolle, er wollte einfach etwas tun, das ihn entspannte. Zu seiner Überraschung traf er nicht etwa den Koch, sondern Lady Charoselle, die gerade ein Tablett mit belegten Brotscheiben forttrug. Sie lächelte ihn im Vorbeigehen freundlich an, was ihn mehr überraschte, als wenn sie ihm ein Schwert unter die Nase gehalten hätte. Es sah ganz so aus, als wäre für Soach schon gesorgt. Crimson sah sich um und fand ein paar große Eier und einen noch größeren, geräucherten Schinken. Das sollte für das Frühstück reichen, entschied er. Während Eier mit Schinkenstückchen in mehreren Pfannen auf dem Herdfeuer brieten, räumte er ein bisschen auf. Lady Charoselle hatte das wohl nicht für nötig befunden, oder wer auch immer noch vor ihr hier gewesen war. Doch Crimson nahm das so genau wie in seinem Alchemieturm. Die Lady hatte einen Laib Brot angeschnitten und dann nicht abgedeckt. Er schnitt den Rest auf und legte die Scheiben auf ein Tablett, zusammen mit Besteck und drei Schüsseln Rührei. Teller konnte er nicht mehr mitnehmen, aber er persönlich sah kein Problem darin, mit anderen aus einer Schüssel zu essen. Er hoffte nur, dass es genug war, um auch die Soldaten zu verpflegen. Zufrieden mit seinem Werk machte er sich auf den Weg zu dem Zimmer, das die Freunde in Beschlag hatten. Als er aus dem Küchen- und Lebensmittellagerbereich in den Hauptgang einbog, stieß er fast mit zwei Gestalten in Umhängen zusammen. „Nana, Crimson,“ grinste Lord Genesis. „Das wird aber langsam Zeit, dass du mir mal wieder das Frühstück bringst.“ „Angelus!“ entfuhr es Crimson. „Uhm... ist das nicht eine etwas späte Tageszeit für dich?“ Sein Blick wanderte zu dem anderen Mann neben dem Vampir. „Äh... Marquis Belial, wie... nett...“ „Ich bin für den Zirkel unterwegs und konnte aus organisatorischen Gründen erst jetzt kommen,“ sagte Genesis. „Aber sag mal, was machst du denn hier?“ „Ich kam, um meinen Chaoshexer zu befreien,“ entgegnete Crimson knapp. „Lord Arae hat uns durch ein Kontaktformular mitgeteilt, dass Sorc hier aufgetaucht sei und ihn bedroht habe... Er deutete an, er werde entsprechend reagieren. Konntet Ihr die Situation bereits klären, Lord Crimson?“ erkundigte sich Belial. „Kann man so sagen,“ murmelte der Magier. „Gehen wir doch irgendwo hin, wo wir in Ruhe reden können, und ich wollte das Essen zu meinen Freunden bringen.“ Die beiden aristokratisch anmutenden Männer folgten ihm und warteten auf dem Gang, als Crimson in den Aufenthaltsraum ging und das Tablett auf den Tisch stellte. Er nahm sich notgedrungen nur eine Scheibe Brot und ging mit den Besuchern in das Schlafzimmer, welches er benutzte. Nebenbei fiel ihm auf, dass Malice wieder vor Soachs Tür stand. Ihn konnte er vielleicht für eine Zeugenaussage gebrauchen. Crimson ließ den beiden Zirkelmitgliedern die Sessel, die er nahe zum Bett zog, und setzte sich selbst auf die Bettkante. Er überlegte, wieviel er den beiden erzählen sollte, und biss hektisch etwas von seinem Brot ab, um etwas mehr Bedenkzeit herauszuschlagen. Schließlich sagte er: „Lord Arae muss sehr verbittert gewesen sein, weil die Strafe, die er sich für Soach ausmalte, noch immer nicht eingetroffen war... Er, ähm... stellte ihm hier eine Falle, um ihn zu töten. Wir eilten zu Soachs Rettung und es kam zu einem Handgemenge, wobei der Lord ums Leben kam.“ Zum ersten Mal sah er Genesis völlig sprachlos, während Belials Gesicht ausdruckslos blieb, aber die Augen weiteten sich ein wenig. „Edeh ist... tot?“ hauchte der Vampir. „Oh... wart ihr befreundet?“ fragte Crimson zögerlich. „Ja, das würde ich so ausdrücken,“ bestätigte Genesis. „Wir haben uns einmal im Monat zum Spieleabend getroffen und manchmal gemeinsam ein Dorf terrorisiert und den zur Rettung eilenden Helden zusammen bekämpft.“ „Wie bedauerlich,“ murmelte Crimson sarkastisch. „Ich meine... tut mir Leid, dass du einen Freund verloren hast... Aber anscheinend hat er sich in die Sache zu sehr hinein gesteigert.“ Genesis verfiel in Schweigen, daher ergriff Belial das Wort: „Warum bitte war denn Sorc hier? Als Rehabilitand der Stufe vier hat er bis auf weiteres in Eurem Schloss zu bleiben, bis entschieden ist, wohin er versetzt wird – oder ob er versetzt wird.“ „Der Junge war noch bei uns. Er wollte ihn begleiten, um sicherzustellen, dass er heile hier eintrifft,“ erklärte Crimson. „Ich verstehe nicht ganz... wusste Lord Arae, dass er das tun würde? Oder wie konnte er ihm eine Falle stellen?“ hakte der Marquis nach. „Immerhin hättet Ihr ja auch jeden beliebigen anderen aus Eurem Schloss mit dem Jungen mitschicken können. Aber ihr schicktet jemanden, der eigentlich nicht in der geeigneten Verfassung war, so kurz nach der Ausbrennung.“ Darauf fiel Crimson keine Antwort ein, mit der er sich nicht weiter in Widersprüchen verheddert hätte. Er zog in Erwägung zu behaupten, dass alle anderen auf Kinahf wütend gewesen waren und sich geweigert hatten, ihn zu begleiten, aber das wäre kaum glaubwürdig gewesen. Im Zweifelsfall hätte er den Burschen auch alleine reisen lassen können, schließlich war er kein kleines Kind mehr. Das Schweigen lastete schwer auf der Gruppe, bis Genesis wieder sprach. „Ich dachte mir von Anfang an, dass mehr dahinter steckt. Warum sollte ein Magier wie Sorc seine Magie opfern für einen Bengel, der irgendwann mal in seinen Diensten gestanden hat? Mir scheint vielmehr, er wollte ganz sicher gehen, dass der Junge vom Haken ist.“ „Ähm... er hat ihn begleitet, damit ihm unterwegs nichts passiert, denn dann wäre das Opfer umsonst gewesen?“ bot Crimson als Erklärung an. „Ah ja...“ rief Belial aus. „Damit lässt sich arbeiten. Oder wir einigen uns darauf, dass der Junge ihn darum gebeten hat.“ „Nein, das würde ja implizieren, dass er von Anfang an in Araes Auftrag gehandelt hat,“ wiegelte Genesis ab. „Das passt nicht zum Rest der Geschichte.“ Er lehnte sich vor und sah Crimson eindringlich an. „Nichts desto trotz wüsste ich gerne, ob es nicht doch so war... so aus reiner Neugier und für meinen persönlichen Seelenfrieden.“ „Es lohnt sich vielleicht, einen Krieger Namens Rahzihf zu dem Thema zu befragen,“ antwortete Crimson ausweichend. Genesis hob eine Augenbraue. „Der einarmige mit dem Magitech-Arm?“ „Äh... ja,“ stimmte Crimson zu, dem der Begriff Magitech nichts sagte. „Du kennst ihn? Dann weißt du vielleicht auch, dass Kinahf, also der fragliche Junge, sein Sohn ist?“ Genesis wiegte den Kopf hin und her. „Wer weiß.“ Der Magier verdrehte in Gedanken die Augen. Sein Freund schien immer mehr zu wissen, als er durchblicken ließ, wollte aber die Geschichte trotzdem erzählt bekommen. Belial zückte sein Klemmbrett. „Lasst uns doch zunächst die Akten ergänzen, wo doch Sorc sich solche Mühe gegeben hat, uns seine eigene Version zu präsentieren, obwohl dies zur Ausbrennung seiner Magie führte. Das sollten wir akzeptieren.“ Genesis rieb sich das Kinn. „Sorc begleitete den Jungen Kinahf zurück zu seinem Wohnort, um sicher zu gehen, dass ihm dort nichts zustößt.“ „Ähm... Soach wusste nicht, dass Kinahf bei Lord Arae wohnt und sogar in dessen Diensten steht,“ warf Crimson ein. „Das solltet ihr erwähnen, denn so ist klar, dass Soach es nicht auf Araes Leben abgesehen hatte!“ „Ihm war bis dahin der Wohnort des Jungen nicht bekannt...“ murmelte Belial und schrieb. „Hm, jetzt habe ich in zwei aufeinander folgenden Sätzen der Junge geschrieben...“ „Es ist ein Bericht, also spielt es keine Rolle. Sei sachlich,“ grummelte Genesis. „Lord Arae missverstand Sorcs Ankunft als Angriff auf seine Person, deshalb nahm er den Rehabilianden gefangen und drohte an, ihn zu töten,“ fuhr Belial fort. „Durch seinen bereits lange schwelenden Wunsch, Sorc zum Tode zu verurteilen, steigerte er sich in einen Wahn hinein, der dazu führte, dass Lord Crimson und weitere Personen von Schloss Lotusblüte zu Sorcs Rettung anreisten. Dabei kam es zu Kampfhandlungen, in deren Verlauf Lord Arae sein Leben verlor.“ Die drei Männer ließen sich die Formulierung durch den Kopf gehen. „Sollen wir genauer erklären, wie der Lord starb?“ überlegte Genesis. Crimson fand zwar, dass dem Leid, das Soach durch Arae erfahren hatte, nicht genug Rechnung getragen wurde, aber auf der anderen Seite stand in dem Bericht nicht, dass er den tödlichen Schlag ausgeführt hatte. Deshalb sagte er: „Mir erscheint das ausreichend.“ „Ich hätte schon gerne ein oder zwei Sätze dazu festgehalten,“ entschied der Vampir. „Also?“ Crimson seufzte. „Der Praktikant Malice kann dazu etwas sagen... Er war es, der sich mit Arae duelliert hat.“ Blieb nur zu hoffen, dass der Kerl auch weiterhin die lizenzierte Wahrheit sagte. Sie riefen Malice herbei und befragten ihn nach dem Kampf, bei dem der Lord gestorben war. Malice, das musste Crimson unumwunden zugeben, spielte seine Rolle hervorragend. Erst einmal setzte er ein geschocktes Gesicht auf. „Muss ich das wirklich alles noch einmal...? Also gut...“ Er machte eine Show daraus, auf die Bettkante zu sinken – Crimson musste sich beherrschen, um nicht von ihm wegzurücken – und sich zu sammeln, bevor er sprach: „Ich wollte allen beweisen, wozu ich fähig bin, und den Boss besiegen, wie es uns Praktikanten beigebracht wird. Hoffte auf einen guten Loot und so. Aber der Mann war mir über – er entwaffnete mich und ich gab mich geschlagen. Doch Arae war außer sich, er wollte mich umbringen! Da hat ihn Sorc von hinten mit einem Zauberstab erschlagen. Es war ein entsetzlicher Anblick...“ Malice fasste sich theatralisch an die Stirn. An ihm war wirklich ein Schauspieler verloren gegangen. „Also rettete Sorc dir das Leben.“ Belial hatte weitere Notizen gemacht und ließ das Klemmbrett unter seinem Umhang verschwinden. „Nun gut. Lassen wir es dabei bewenden. Du kannst gehen, Malice. Oder gibt es noch Fragen?“ Genesis schüttelte den Kopf. Er wartete, bis der Praktikant wieder fort war. „Nun möchte ich aber die inoffizielle Fassung hören,“ bestimmte er dann. Crimson zögerte. „Also... diese Variante habe ich nicht selber erlebt, daher kann ich mich irren...“ begann er. Belial und Genesis nickten feierlich. „Natürlich.“ Also berichtete Crimson alles, was er wusste, angefangen bei dem Moment, als Soach vom Zirkel abgeführt wurde, um für eine Tat vor Gericht gestellt zu werden, die er wegen eines alten Versprechens auf sich nahm. „Ich bin satt, wirklich,“ versicherte Soach seiner Mutter. Er hatte bereits mehr gegessen, als nötig gewesen wäre, um seinen Hunger zu stillen, einfach weil sie sich so darüber freute. Sie hatte nie richtig kochen gelernt, aber die von ihr höchstpersönlich belegten Brotschnitten schmeckten und erinnerten ihn an seine Kindheit. Soach ließ sich in sein Kissen zurücksinken und rieb zufrieden seinen Bauch. Vielleicht hatte das Schicksal ihn an den Rand des Todes getrieben, damit er lernte, dass auch ein Leben ohne Magie immerhin ein Leben war. Andererseits wäre er ohne Magie gestorben, denn sie hatte Ujat veranlasst, seine Prinzipien zu ignorieren und zu handeln. Dies überzeugte ihn umso mehr davon, dass es einen Weg gab, wieder ein Magier zu sein, aber vermutlich einen schmalen, dunklen, beschwerlichen, den er nur bedingt finden konnte. Sende mir nur irgendein Zeichen, Magie, und ich gehe, wo immer ich hin muss, um wieder dein Werkzeug zu werden. Malice, der nun wieder vor der Tür wachte, kam herein, ohne zu klopfen. „Da sind zwei Männer angekommen, Sorc. Dieser Vampirlord und ein gefiederter Unterweltler.“ Soach fuhr hoch, als hätte ihn etwas gestochen. „Etwa... als Vertreter des Zirkels des Bösen?“ Sein Herz schien in seinen Hals zu klettern, ein Gefühl, das er in letzter Zeit immer besser kennen lernte. Charoselle drückte ihn zurück in die liegende Position. „Reg dich nicht auf. Du bist krank. Sie werden dir nichts tun, dafür sorge ich schon.“ Sie schritt an Malice vorbei und befahl, ohne ihn anzusehen: „Lass diese Leute nicht in dieses Zimmer.“ Malice stand stramm. „Ja, Mylady.“ Er grinste hinter ihrem Rücken, warf Soach einen Blick zu und nahm seinen Posten auf dem Gang wieder ein. Der blonde Heldenpraktikant war der Einzige, der nicht sentimental geworden war angesichts eines sterbenden früheren Kollegen, und mit keinem Wort hatte er sich dazu geäußert, dass dieser nun noch lebte. Soach lächelte bei dem Gedanken. Es passte irgendwie zu Malice. Eigentlich gab es keinen Grund zur Sorge. Selbst wenn die neuen Besucher ein Todesurteil für ihn in der Tasche hatten, weil ein Rahabilitand der Stufe vier nicht verreisen und Zirkelmitglieder umbringen durfte, so würde es kaum dazu kommen, dass sie ihn auch nur festnahmen. Und außerdem konnte er alles erklären. Dennoch... ein schweres Gefühl in der Magengegend wurde er nicht los, und es lag nicht an den Schnittchen. Blacky verschlang schnell eine Scheibe Brot und ein wenig Rührei und trat dann auf den Flur, um eingreifen zu können, falls die Herren vom Zirkel irgendetwas vor hatten, bei dem sein Vater nicht mitmachen wollte. Er hatte kurz dort gewartet, als Lady Charoselle aus Soachs Zimmer stürmte, während Malice sich wieder vor der Tür postierte. „Ah, Kayos! Wo sind die Zirkelleute?“ begehrte sie zu erfahren. „Immer mit der Ruhe, Oma,“ beschwichtigte Blacky sie. „Ich glaube, Crimson ist mit ihnen in sein Schlafzimmer gegangen. Wir sollten seine Unterhaltung mit den beiden nicht stören, zumal es da drin wahrscheinlich nicht genügend Sitzplätze gibt.“ Sie warteten. Nach einigen Minuten stieß Ray zu ihnen. Seine Frau begleitete ihn. Sie trug nicht mehr ihre ramponierte Kampfkleidung, sondern ein dunkelblaues Samtkleid mit engen Ärmeln und einem gesitteten, runden Ausschnitt. Das rote Haar trug sie geflochten und die kurze Strähne, die ihr zuvor ins Gesicht gehangen hatte, klemmte in einer silbernen Spange über ihrem rechten Ohr. Sie hielt das Kinn etwas höher, als nötig gewesen wäre. „Mutter. Dies ist Fuma,“ sagte Ray schlicht. „Fuma, meine Mutter Charoselle.“ Lady Charoselle spießte die jüngere Frau förmlich mit Blicken auf. „Ah ja... freut mich.“ Ihre Stimmlage klang irgendwie eher nach „wie abscheulich“. Fumas Mund verzog sich gerade so weit zu einem Lächeln, dass die Augen es wahrnahmen, wenn der Betrachter nicht blinzelte. Sie nickte zum Gruß, wobei ihr Kopf sich jedoch kaum bewegte. „Ich bin entzückt.“ Ihre Hände umklammerten fest einen kleinen Stapel lederner Bücher. Blacky sah, wie die Auren der beiden Damen mittig zwischen ihnen aufeinanderprallten und einen wahren Funkenregen bewirkten. Ray tat so, als bemerkte er das alles nicht – zumindest hielt Blacky es für ausgeschlossen, dass er es wirklich nicht bemerkte. „Wir haben die Rechnungsbücher überprüft,“ erklärte der Prinz. „Dabei fanden wir etwas heraus, das Crimson sehr interessieren dürfte.“ Blacky deutete auf die Tür hinter sich. „Er redet mit Lord Genesis und Marquis Belial vom Zirkel des Bösen. Ich vermute, dass sie von den Ereignissen hier irgendwie unterrichtet wurden.“ „Edeh hat eines dieser Formulare benutzt, die sich bei Unterschrift von selbst auflösen und zu einem gewählten Empfänger teleportiert werden,“ bemerkte Fuma. „Er schickte sie meistens zu Lord Genesis.“ „Zweifellos mit Verleumdungen gegen meinen Sohn!“ zischte Charoselle. „Ich hatte keinen Grund, an seinen Motiven zu zweifeln,“ informierte Fuma sie. „So, wie er es mir geschildert hat, war er völlig im Recht, Mutter.“ Die Herrscherin der Eisigen Inseln atmete scharf ein. „Was fällt dir ein, mich so zu nennen! Ich habe diesem Bund nicht meinen Segen gegeben und werde es nicht tun! Der Jagerilliaclan wird entscheiden, ob du in ihre Reihen aufgenommen wirst, und der Araeclan muss dich erst einmal gehen lassen, Kindchen!“ „Ich bin keine Unterweltlerin und unterwerfe mich deshalb auch nicht diesem Clangetue. Es war dieser Mann, der darauf bestanden hat, dass wir den Bund schließen.“ Fuma deutete auf Ray. „Wir taten es vor Zeugen und erhielten den Segen von seinem Vater und seinem älteren Bruder. Alle traditionellen Bräuche wurden eingehalten, und ich möchte wetten, dass einige meiner Hausmädchen das bestätigen können.“ Soweit Blacky davon wusste, bedeutete dies, dass sie des Nachts die Tür zum Schlafzimmer nicht fest verschlossen hatten, um potentiellen Zeugen ihren Job zu erleichtern. Die leichte Röte in Rays Gesicht deutete ebenfalls darauf hin. „Die Familien Jagerillia und Arae können meinetwegen widersprechen, wenn sie glauben, damit irgendetwas ändern zu können,“ schloss Fuma für sich das Thema. „Du musst dringend etwas mehr Respekt lernen, junge Dame!“ fauchte Charoselle. „Wenn du von mir Respekt willst, fang das Gespräch nicht mit Beschuldigungen gegen meinen verstorbenen Mann an!“ zischte Fuma. Sie warf der älteren Frau die Bücher vor die Füße, drehte sich schwungvoll um und marschierte davon. „Dreh mir nicht den Rücken zu, ich warne dich, Kindchen!“ knurrte die Herrscherin der Eisigen Inseln. Fuma blieb stehen und wandte sich betont langsam um. „Sonst was?“ Die Auren der beiden änderten sich zu ernsthaften Kampfauren, so dass Blacky den Zeitpunkt für geeignet hielt, sich einzumischen – obgleich der Schlagabtausch durchaus seinen Unterhaltungswert hatte. Er trat zwischen sie und hob die Bücher auf. „Sind das die Rechnungsbücher? Was steht denn darin?“ Als er das oberste aufschlug, erblindete er fast angesichts der sehr ordentlich notierten Posten der Ausgaben von Lord Arae. Kein Chaosmagier würde so etwas jemals tun. Schnell klappte er den Buchdeckel wieder zu. „Erinnerst du dich an den Angriff auf Schloss Lotusblüte letztes Jahr?“ fragte Ray. Blacky nickte bedächtig und sah aus dem Augenwinkel, dass sowohl Charoselle als auch Fuma mit verschränkten Armen dastanden und sich Blitze aus den Augen zuschossen, bildlich gesehen. „Crimson hat nie erfahren, warum das passiert ist, hat dann aber auch nicht weiter nachgeforscht, weil er andere Dinge zu tun hatte.“ „Es war Lord Arae,“ informierte Ray ihn. „Er hat zur fraglichen Zeit notiert, dass er Söldner und Beschwörer bezahlt hat. Naja, er nennt sie temporäre Angestellte. Wir fanden außerdem eine Art Tagebuch, in dem er seinen Misserfolg bedauert. Er versuchte bereits damals, Soach zu töten.“ Blacky sah seinen Onkel an und fragte sich, ob dieser wohl einen Traum gehabt hatte, der ihn aufforderte, die Rechnungsbücher zu prüfen und das Tagebuch zu suchen, oder ob seine Frau ihm einen Tipp gegeben hatte. Aber er hakte nicht nach, denn nur das Ergebnis zählte. „Crimson wird sich freuen, das zu hören,“ sagte er. Charoselle entriss Blacky die Bücher und drückte sie Ray in die Hand. „Dann solltest du das den Herrschaften vom Zirkel vielleicht mitteilen, ehe sie deinen Bruder doch noch zum Tode verurteilen, weil er einen der ihren umgebracht hat!“ „Mutter, niemand wird Soach umbringen. In einer Vision sah ich ihn als... ach, vergiss es. Du würdest mir nicht glauben, wenn ich prophezeien würde, dass es am Morgen hell wird.“ Der blonde Prinz klemmte sich die Bücher unter den Arm, klopfte an die Zimmertür, hinter der sie Crimson und die Besucher wussten, und trat ein. Fuma gönnte Charoselle einen letzten hasserfüllten Blick und folgte ihrem Mann. Die Tür knallte zu. Die Herrscherin der Eisigen Inseln warf in einer Geste der Verzweiflung die Hände in die Luft. „Was soll ich nur mit den Kindern machen? Iquenee würde ich meinen Thron ungern überlassen, sie ist einfach zu hart. Ray hingegen ist viel zu weich, und dann diese Hellseherei... er kann doch seine Handlungen nicht nach Träumen richten!“ „Nun ja... aber die Träume helfen vielleicht,“ wagte Blacky zu bemerken. Charoselle hörte den Einwand gar nicht oder ignorierte ihn. Sie fuhr sich hektisch mit den Fingern durch die Haare und schritt auf und ab wie ein nervöses Tier. „Ich werde ihn auf keinen Fall König werden lassen mit diesem Luder an seiner Seite, soweit kommt es noch! Oder dass dann ein Araebengel sein Nachfolger werden könnte, unvorstellbar! Nun hat Soach ein Einsehen und hört auf, sich zu weigern... aber er ist an dieses Schloss gebunden, und als Unterweltlerin weiß ich, dass er sich nicht zu lange von seiner Seele entfernen darf, oder er wird sich Schaden zufügen.“ „Oma, denk darüber jetzt nicht nach.“ Blacky ergriff ihre Schultern und brachte sie dazu, ruhig stehen zu bleiben. „Als Herrscherin darfst du dich nicht so gehen lassen.“ Sie seufzte laut. „Ich denke andauernd daran. Es ist nicht mehr lange hin bis zu meinem Thronjubiläum, und da erwartet eigentlich das Volk, dass ich meinen Nachfolger benenne. Ich wollte immer Soach als meinen Erben. Aber er müsste praktisch von Schloss Lotusblüte aus regieren. Vermutlich hätte ich seine Geschwister mehr auf diese Rolle vorbereiten sollen, statt das alles ihm aufzubürden.“ „Zweifellos wird Crimson eine Lösung finden, falls es so kommen sollte. Aber ist es denn schon zu spät, Iquenee darauf vorzubereiten?“ Blacky vermied es tunlichst, Ray vorzuschlagen. Charoselle verdrehte die Augen. „Iquenee hat sich viel zu lange mit der Kriegskunst beschäftigt. Ich würde sie mit einem geeigneten Partner verheiraten, wenn sie sich für Männer interessieren würde.“ Blacky hob eine Augenbraue. „Für Frauen auch nicht,“ ergänzte seine Großmutter. „Wüsste ich jedenfalls nicht.“ „Was ist mit Blizzis Vater?“ „Er scheint der Grund zu sein, warum sie nichts von Männern wissen will.“ „Oh.“ Blacky überlegte, kannte sich aber nicht genug mit der Etikette des Eisigen Königshofes aus, um eine sinnvolle Lösung für das Problem aus dem Ärmel schütteln zu können. Zumal seine Ärmel irgendwie auch zu schmal dafür waren. „Das wird sich bestimmt alles finden,“ sagte er deshalb. „Zunächst muss Soach sich erholen. Bevor er König wird, muss er zur Magie zurück finden, oder er wird niemals zur Ruhe kommen.“ Die Herrscherin verzog das Gesicht, als hätte sie Schmerzen. „Oh... das. Ray... hat das geahnt, und ich habe ihm mal wieder nicht geglaubt. Ich sagte, rede nicht so einen Unsinn, Soach würde nie zulassen, dass ihm die Magie genommen wird...“ Sie sammelte sich einen Moment und sah Blacky dann hoffnungsvoll an. „Gibt es einen Weg? Haben sie seine Magie vielleicht nur... gesperrt?“ Blacky schüttelte den Kopf. „Nein, sie wurde zerstört. Doch er ist ein Chaosmagier. Er wird einen Weg finden.“ Das zumindest hätte er selbst getan, und wie er seinen Vater einschätzte, würde er sich nicht mit der Situation abfinden. „Ich hoffe nur, dass er keine Enttäuschung erlebt,“ murmelte Charoselle. „Oh, sicherlich wird er ein paar Versuche brauchen,“ meinte Blacky. „Aber davon lässt sich jemand wie er nicht aufhalten.“ Die Unterweltlerin musterte ihren Enkel, als wäre es das erste Mal. „Zweifelst du nie?“ „Nein, nie,“ versicherte Blacky. „Nur manchmal... manchmal stelle ich fest, dass ich nichts tun kann außer jemandem beizustehen. So wie gestern...“ Charoselle nickte bedächtig. „Könntest du aufpassen, dass die Zirkelleute nichts mit Soach anstellen? Ich muss ein bisschen spazieren gehen.“ „Natürlich, geh nur.“ Blacky nutzte die Gelegenheit nur zu gerne. Crimson war etwas überrascht, als Ray und Fuma sich zu ihm und den beiden Vertretern des Zirkels gesellten, um ihnen mitzuteilen, was sie herausgefunden hatten. Belial nahm interessiert die Bücher an sich und sichtete das Beweismaterial. „Ich habe schon gar nicht mehr an diesen Vorfall gedacht, sondern ihn als etwas abgehakt, das ich wohl nicht aufklären werde,“ meinte Crimson schulterzuckend. „Da beeinflusst dich wohl dein Schloss, denn es ist etwas, das Soach tun würde,“ lächelte Ray. „Wie ich hörte, habt Ihr die Witwe meines verstorbenen Freundes zur Frau genommen,“ bemerkte Genesis. „Vielleicht können wir uns noch kurz mit Euch unterhalten, ehe wir darüber beratschlagen, was nun zu tun ist.“ „Sicher,“ stimmte der Prinz zu. „Ich werde wohl nicht mehr gebraucht,“ stellte Crimson erleichtert fest und verließ das Zimmer. Erst draußen fing er an zu zittern, eine körperliche Reaktion auf die Anspannung. Da er jedoch nicht von Malice verspottet werden wollte, tat er so, als hätte er etwas zu tun und marschierte den Gang entlang, weg von dem Kerl, um sich in das nächstbeste freie Zimmer zu verziehen. Seltsam, dass es ihn gerade hierhin verschlagen hatte... er befand sich in der Bibliothek. Die Möbel und den weichen Teppich erkannte er aus den Erinnerungen, die Soach ihm geschickt hatte. Der Sessel stand an einer anderen Stelle, und an seinem ursprünglichen Platz sah der Teppich dunkler aus. Crimson bückte sich und fühlte Feuchtigkeit. Es roch nach Seife. Er seufzte und ließ sich in den Sessel sinken. Araes Sessel... jetzt sein Sessel. Genesis und Belial stimmten seiner Übernahme zu. So weit, so gut. Crimson rieb sich die Schläfen, schloss die Augen und versuchte, an nichts zu denken. Doch er sorgte sich um Soach. Zwar vermutete er, dass die inoffizielle Version der Geschichte – die Wahrheit – keine Beachtung finden würde, weil die beschönigte Variante besser zu den Akten des Zirkels passte, aber zum Schluss hatten die beiden Männer ziemlich nachdenklich gewirkt und tatsächlich überlegt, ob es nicht doch besser wäre, die Akten zu überarbeiten. In diesem Fall wäre zwar erklärt, warum Soach den Mord an Arae begangen hatte, aber Crimson wollte jedes Risiko vermeiden, dass ihn jemand deswegen belangen könnte, daher bevorzugte er die zurechtgebogene Wahrheit, die zu den Aussagen des Chaoshexers vor Gericht passte. Er verband sich mit Soachs Gedanken und sah nach, ob er allein war. Blacky hielt sich bei ihm auf, stellte er fest. Sie schienen einen liebevollen Vater-Sohn-Moment zu haben, den Crimson nicht stören wollte, deshalb zog er sich wieder zurück. Eigentlich hätte sein Magen knurren sollen, weil der Besuch der Zirkelvertreter sein Frühstück vereitelt hatte, aber seine Gedanken drehten sich zu sehr um andere Dinge, stellten sich Möglichkeiten vor, die ihm nicht gefielen. War das Angst? Wieviel davon gehörte ihm und wieviel kam von Soach? Es ließ sich immer etwas schwer beurteilen, aber in diesem Falle teilten sie vermutlich ihre Bedenken. Nach einer Weile öffnete sich die Tür. „Ah, Crimson... ich hatte so eine Ahnung, dass du hier bist,“ sagte Ray. Wie immer folgte Fuma ihm auf dem Fuße. Sie hatten die Bücher nicht mehr dabei. „Genesis und Beliel beraten ihr weiteres Vorgehen,“ teilte der Prinz ihm mit. „Könntest du in der Zwischenzeit noch einmal erzählen, was hier passiert ist?“ Die Frau trat vor ihn. „Ich wüsste das sehr zu schätzen, Lord Crimson, denn bisher erfuhr ich nur, dass mein erster Mann von Prinz Soach umgebracht wurde, aber ich weiß den genauen Grund nicht. Natürlich ist mir bekannt, dass Edeh den Prinzen gefangen hielt, aber er hat es mir gegenüber so dargestellt, als wäre das sein gutes Recht.“ „Das kann ich mir denken,“ antwortete Crimson. „Mal so aus Neugier... wieso habt Ihr zugestimmt, Euch an Prinz Lichal zu binden?“ „Wir duellierten uns im Garten mit Schwertern,“ erzählte sie. Ihr Tonfall blieb die ganze Zeit kühl und sachlich. „Lichal langweilte mich während des Kampfes mit Geschichten von irgendwelchen Visionen, die er gehabt haben will... er wusste es, als Edeh ums Leben kam. Ich glaubte ihm natürlich nicht, doch zu meiner Schande lenkten mich seine Behauptungen ausreichend ab, dass er mich entwaffnen konnte. Er überredete mich sehr hartnäckig dazu, den Bund mit ihm zu schließen, falls er Recht behielte. Auf diese Weise wollte er mich und meinen Sohn beschützen. Dass er von meinem Sohn wusste, überraschte mich. Es ist zwar nicht direkt ein Geheimnis, aber wir haben es auch nicht bekannt gemacht, weil Edin noch zu klein ist. Lichal wusste sogar seinen Namen. Ich... hielt es für vernünftig, seinen Vorschlag anzunehmen, wenn man bedenkt, dass ich jetzt genauso gut seine Gefangene sein könnte.“ „Ja, das ist wohl richtig... Edeh war nur noch am Leben, weil Lady Charoselle ihn als kleines Kind verschont hat, wisst Ihr das?“ fragte Crimson. „Lichal erwähnte es,“ sagte Fuma. „Wenn es stimmt, dass Ihr mit seinem Bruder telepathisch verbunden seid und wisst, was er erlebt hat, so schildert es mir jetzt bitte.“ „Warum fragt Ihr Soach nicht selbst?“ „Ich möchte dem Mörder meines Mannes nicht unter die Augen treten. Schlimm genug, dass ich mir seinen Segen zu meinem neuen Bund geben lassen musste. Ich gebe zu, er sah... mitgenommen aus. Doch ich weiß nur, dass er mich zur Witwe machte.“ Crimson nickte verstehend und erzählte noch einmal, was er gerade Genesis und Belial berichtet hatte. Auch dieses Mal hielt er sich streng an die Fakten und fasste sich kurz, ohne etwas auszulassen. Besonders wichtig fand er allerdings die Episode mit Edin. Soach hatte die Möglichkeit gehabt, ihn zu töten, es jedoch nicht getan. Er hatte es nicht einmal fertig gebracht, ihn effektiv als Geisel zu benutzen. Während er sprach, beobachte er, dass Fuma sich ab und zu auf die Lippen biss und nachdenklich zur Seite blickte, so als überdachte sie ihre Meinung zu dem Thema. Crimson erwähnte abschließend, wie Ujat aufgetaucht war und Soach durch das Mittel, das er mitbrachte, gerettet werden konnte. „So wie Ihr es schildert, hatte mein Schwager keine niederträchtigen Motive,“ stellte sie fest. „Aber ich kann mich nur auf Euer Wort verlassen, und Ihr seid sein Freund.“ „Dann fragt Fawarius und Rahzihf,“ warf Crimson ein. „Sie waren zumindest teilweise eingeweiht.“ „Von ihnen habe ich bereits gehört, dass Edeh dem Prinzen eine Falle gestellt hat. Beide erwähnten auch einige... Foltermaßnahmen, die vielleicht nicht nötig gewesen wären. Aber sie wussten nichts von seinen Motiven. Darüber sprach er nur mit mir, ehe er sie Prinz Soach mitteilte.“ „Wie es aussieht, war Euer Mann einem Irrtum verfallen,“ meinte Crimson diplomatisch. „Er muss wohl fest der Ansicht gewesen sein, dass die Familie Jagerillia ihn um sein rechtmäßiges Erbe gebracht hat. Er wollte einen vermeintlichen anderen legitimen Erben seines Vaters aus dem Weg räumen und seinen Thron zurückerobern.“ „Streng genommen hatte er Recht,“ bemerkte Ray. „Er war der legitime Erbe. Aber nur, solange sein Vater herrschte, und der wurde abgesetzt, weil er das Volk tyrannisierte.“ Crimson rieb sich erneut die Schläfen, als er versuchte, all die herrschaftlichen Verwicklungen zu verstehen. Letztendlich gab er es auf. Lady Charoselle hatte gewonnen, somit herrschte sie jetzt und ihre Kinder erbten. Ende. „Was machen jetzt eigentlich die Herren vom Zirkel?“ fiel es ihm schließlich ein. „Sie stellten uns noch ein paar Fragen, zum Beispiel, wer Araes Familie benachrichtigen soll. Genesis wird das freundlicherweise übernehmen. Dann wollten sie sich beraten, wahrscheinlich tun sie das noch,“ antwortete Ray. „Ich gehe lieber mal nachsehen,“ beschloss Crimson und erhob sich aus seinem Sessel. „Ich werde meine persönlichen Sachen zusammenpacken, wenn Ihr nichts dagegen habt,“ sagte Fuma. „Natürlich nicht. Werdet Ihr auch ein oder zwei Bedienstete mitnehmen, die Euch persönlich nahestehen?“ „Vielleicht.“ Crimson nickte und begab sich zu Soachs Zimmer. Er hatte den Freund noch gar nicht besucht, seit er seine langen Schlaf beendet hatte. Als er das eintrat, war Blacky noch anwesend, doch der Chaosmagier winkte ihn zu sich „Wir haben uns schon gefragt, wo du bleibst,“ sagte er. Soach saß in seinem Bett. Er wirkte viel gesünder, was wohl auch nicht schwierig war, wenn man bedachte, dass er vor einigen Stunden noch im Sterben gelegen hatte. Seinen Augen fehlte noch immer der Glanz, den die Ausbrennung ihnen genommen hatte, aber ansonsten freute er sich offenbar darüber, dass er den Tag erleben durfte. „Ich wollte euch nicht stören,“ erklärte Crimson. „Aber bald werden uns wohl die Vertreter des Zirkels sagen, was sie beschlossen haben.“ „Ja, darauf bin ich auch schon ganz... gespannt,“ murmelte Soach. „Lasst uns zu ihnen gehen, ich möchte nicht, dass sie mich so sehen.“ Er schlug die Decke zurück und wollte aus dem Bett steigen. „Warte,“ hielt Blacky ihn auf. „Vielleicht wäre es besser, sie sehen zu lassen, was Arae dir angetan hat. Wir sollten keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass du das Opfer bist und es dir schlecht geht.“ „Nun gut...“ Soach legte sich wieder hin und ließ sich ordentlich zudecken. Crimson konnte seinen Widerwillen spüren... vielleicht auch ein bisschen Furcht. „Sie wirkten nicht so, als wollten sie irgendeine Form von Genugtuung verlangen,“ versuchte er den Freund zu beruhigen. „Genesis war mit Arae befreundet, aber...“ Er unterbrach sich. Das war vielleicht nicht die schlaueste Bemerkung in dieser Situation. Malice steckte den Kopf herein. „Die Männer vom Zirkel wollen mit euch reden, soll ich sie reinlassen?“ Crimson warf Soach einen Blick zu und gab dessen Nicken an den Praktikanten weiter. Wenige Sekunden später traten Lord Genesis und Marquis Belial ein. „Hallo Blacky, Tag Sorc,“ sagte Genesis. Belial beschränkte sich auf ein grüßendes Nicken und überließ seinem Kollegen das Reden. Der Vampir sah aus, als hätte er Spaß. „Wir haben uns beraten,“ verkündete er. „Das Ergebnis muss noch von den restlichen Mitgliedern abgesegnet werden, aber zunächst einmal möchte ich dein Einverständnis, Crimson.“ Der Magier runzelte die Stirn. „Einverständnis?“ „Ja. Du hast dieses Haus für dich beansprucht, die Witwe hat sich der blonde Prinz geschnappt und dein Stellvertreter hat ein Mitglied des Zirkels erledigt – was vielleicht du getan hättest, wenn er nicht schneller gewesen wäre.“ „Davon kannst du ausgehen,“ gab Crimson unumwunden zu. „Somit ist ein Platz im Zirkel frei geworden, und als der Verantwortliche hast du ein Anrecht darauf. Crimson vom Lotusschloss, wir bieten dir hiermit an, in den Zirkel des Bösen einzutreten.“ Was immer er erwartet hatte, das war es nicht. Crimsons Mund klappte auf und er starrte Genesis entgeistert an. Dann hörte er sich sagen: „Ich bin einverstanden.“ Seine eigenen Worte brauchten einen Moment, um vom Gehirn registriert zu werden, während Belial etwas auf sein Klemmbrett schrieb. Es kostete Crimsons ganze Selbstbeherrschung, sich nicht nach Soach umzudrehen und ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Statt dessen tat er so, als wäre das allein seine Entscheidung gewesen. „Fein,“ lächelte Genesis. „Ich bedaure den Verlust meines alten Freundes Arae, aber ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dir.“ Er schüttelte Crimson kollegial die Hand. „Ich glaube nicht, dass es Probleme geben wird, aber erzähl es lieber noch nicht herum. In Kürze werde ich dich besuchen und alles mit dir besprechen. Aber jetzt muss ich aufbrechen, bevor die Helligkeit draußen zu stark wird. Mach es gut, Crimson!“ Der Weißhaarige starrte den beiden nach, bis sie gegangen waren und die Tür hinter ihnen zufiel. Er drehte sich langsam um. „Soach!“ Der Prinz der eisigen Inseln streckte ihm neckisch die Zunge raus und kicherte, und das entschädigte Crimson für seinen Schrecken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)