Fremde Welten: Unmöglich ist nichts (#3) von Purple_Moon (Prinz Soach und das Prinzip des Chaos) ================================================================================ Kapitel 16: Die Stunde des Hellsehers ------------------------------------- Soach ließ sich bis zum Hals in das Badewasser sinken, was zur Folge hatte, dass seine Knie herausragten. Er schloss die Augen und genoss die Wärme. Immerhin war es das letzte Mal... wie fast alles, was er tat. „Soll ich dir den Rücken schrubben und die Haare waschen?“ bot Crimson nach ein paar Minuten an. Soach sah ihn an und lächelte. „Gleich. Wir haben es schließlich nicht eilig.“ Der Magier schenkte ihm ein Glas Wasser aus der Karaffe vom Tisch ein. „Hier. Du solltest genug trinken.“ Soach nahm das Glas und leerte es rasch. „Weißt du... als Kayos sagte, dass ihr noch das Mittel sucht, freute mich das, aber als ich erfuhr, dass es keins gibt, schockierte mich das gar nicht. Es war, als könnte ich mich jetzt ganz auf meinen persönlichen Kampf gegen das Gift konzentrieren, ohne noch jemanden mit Botengängen belasten zu müssen.“ „Cathy hat mir verraten, dass Dark hierher unterwegs ist, um neue Zutaten zu bringen. Ich werde dich mit Hilfsmittelchen versorgen, so lange es geht.“ „Nun... dagegen ist nichts einzuwenden. Ich glaube, ich brauche bald etwas neues. Der Raum schaukelt.“ Crimson reichte ihm ein Portionsfläschchen. „Warte nicht unnötig, es ist noch genug da. Fawarius kann neues machen, sobald Dark eintrifft.“ Soach nickte und trank. Die Symptome ließen nach. „Irgendwann wird es vermutlich nicht mehr helfen. Hat die letzte Portion nicht schon für kürzere Zeit gewirkt als die vorherige?“ „Schwer zu sagen, du hast geschlafen,“ meinte Crimson. „Wir wissen nicht, wann genau die Wirkung aufgehört hat.“ „Naja, wie auch immer... Ich hoffe, dass Fire bald wieder auftaucht. Ich möchte noch ein wenig Zeit mit meiner Familie verbringen. Hoffentlich verträgt er sich mit Ray.“ „Die Frau...“ „Fuma.“ „Sie muss ja nicht dabei sein. Er wird sich schon zusammenreißen, und wenn es nur dir zuliebe ist. Außerdem hast du Ray deinen Segen gegeben. Ich hab das noch nicht ganz verstanden, warum hat er sie zur Frau genommen?“ Crimson nahm die Badebürste zur Hand. Soach beugte sich nach vorne und ließ sich den Rücken schrubben. „Eine politische Entscheidung, und eine menschliche... Mutter hat die alte Lady Arae und ihren Sohn Edeh verschont. Aber nachdem ihre Gnade von damals ihr nun den Sohn nimmt, wird sie dieses Mal kein Erbarmen kennen und sowohl die Witwe des Feindes als auch sein Kind auslöschen. Natürlich nicht, wenn die beiden inzwischen zu ihrer eigenen Familie gehören. Ray vermeidet Opfer und verhindert einen Konflikt zwischen den Häusern Arae und Jagerillia. „Ich dachte, Jagerillia ist nur der Zweitname deiner Mutter...“ „Nein, es ist der Name einer Unterweltlerfamilie und eines Clans... wenn ich mit Unterweltlerangelegenheiten zu tun habe, stelle ich mich als Soach Jagerillia von den Eisigen Inseln vor. Aber ansonsten nicht. Ich fühle mich mehr dem Königshaus zugehörig.“ „Äh... klingt ziemlich kompliziert. Achtung...“ Crimson kippte ihm einen Eimer Wasser über den Kopf und massierte dann Seife in die Haare. Da sie nur noch kurz waren, wurde er schnell fertig und spülte sie ordentlich aus. Soach nahm das Stück Seife an sich und wusch den Rest seines Körpers. Die Seife kam ihm bekannt vor... sie sah aus und roch genau wie die von Lord Genesis. Aber der Lord ließ sie aus Blumen aus seinem Wald herstellen. Ob er Arae manchmal welche geschenkt hatte? Immerhin waren sie Kollegen im Zirkel des Bösen... Crimson hielt ihm ein Handtuch hin, was Soach zum Anlass nahm, den Badezuber zu verlassen. Er band sich das Tuch um die Hüften und nahm ein zweites, um Haare und Oberkörper abzutrocknen. „Setz dich mal kurz, dann mach ich den alten Verband ab...“ Crimson schob ihn zum Sofa, wo er die Wunde am linken Unterarm neu verband. „Sag, wie war es, das Elixier der Verdammten zu trinken?“ „Alchemistische Neugier? Wahrscheinlich kann man das nicht oft jemanden fragen.“ Soach dachte darüber nach. „Aber ich weiß kaum noch etwas. Als hätte da mein Gedächtnisspeicher ausgesetzt.“ „Das könnte sein.“ Crimson reichte ihm das Nachthemd, das sie aus dem Schrank im Schlafzimmer mitgenommen hatten. Soach zog es über und griff sich automatisch in den Nacken, um seine Haare aus dem Kragen zu ziehen – natürlich fassten seine Hände ins Leere. Vielleicht hatte er einfach andere Sorgen – zum Beispiel, dass er starb – und es kümmerte ihn deswegen nicht weiter. Generell schien sich seiner ein gewisses Gefühl der Gleichgültigkeit zu bemächtigen. „Gibt es Gifte, die dem Opfer den Kampfeswillen nehmen?“ fragte er stirnrunzelnd. „Das will ich mal nicht ausschließen,“ meinte Crimson. „Ich gehe davon aus, dass es deinen Körper schwächt, selbst wenn das Gegenmittel es behindert. Aber vielleicht ist dein Verstand einfach dazu übergegangen, sich nur noch auf eine wichtige Sache zu konzentrieren. Und dein Haar ist es nicht.“ So hatte Crimson also, bewusst oder unbewusst, etwas von seinen Gedanken mitbekommen. Aber das war ihm nur recht, immerhin sollte der Magier sein Bewusstsein auffangen, wenn es sich vom Körper löste. „Was du annimmst, könnte stimmen,“ stellte er fest. „Ich kann im Moment keine Trauer empfinden...“ „Oh... möglicherweise ein Nebeneffekt von Gundulahs Allheilmittel, obwohl umstritten ist, ob es seelische Krankheiten wie andauernde Niedergeschlagenheit heilen kann...“ „Wenn es so ist, macht es mir die Sache leichter.“ Crimson schwieg dazu. Soach konnte spüren, dass ihm das Thema unangenehm war, also erhob er sich und hakte sich bei seinem jungen Freund ein, als dieser es ihm anbot. Stolz spielte keine Rolle mehr, jedenfalls nicht bei Crimson. Als sie auf den Flur traten, winkte Malice ihnen bereits. „Hey, da kam ein blonder Typ an. Hat gesagt, dass Dark da ist, aber den hat der Alchemist wohl gleich an der Tür abgefangen. Der Blonde wartet drin.“ „Was für ein blonder Typ?“ fragte Crimson nach. „Ich kann mir nicht alle Namen merken,“ grinste Malice. „Aber ist ein Bekannter, würde ich sagen. Jedenfalls wollte er dich sehen.“ „Vielleicht Appi,“ überlegte Crimson. „Soweit ich weiß, hängt der immer noch an Darks Rockzipfel, um geheime Tricks von ihm zu lernen. Malice hielt ihnen die Tür auf, obwohl es sonst nicht seine Art war. Gerade so, als verspräche er sich etwas davon. Als sie in den Raum traten, erhob sich Neo von einem Sessel am Bett. „Ah, da seid ihr ja. Es freut mich sehr, dich noch lebend anzutreffen, Soach, denn ich wollte dir unbedingt sagen, wie sehr ich dir dein Schicksal gönne... ich habe mir gewünscht, dich in diesem Zustand zu sehen, seit ich weiß, dass du ausgebrannt wurdest, aber sterbend gefällst du mir noch besser!“ Noch während der Lichtmagier redete, verspannte sich Crimson merklich, aber Soach nutzte seine geistige Verbindung zu ihm, um ihn von jedweder Reaktion abzuhalten. Er wollte sich selbst darum kümmern. „Freut mich, dass ich helfen konnte,“ sagte er lediglich, ließ Crimsons Arm los und ging die letzten Schritte allein zum Bett, wo er unzeremoniell zurück unter die Decke kroch. „Wenn du gehst, finde doch bitte meine Familie und sag ihnen, dass ich mein Bad beendet habe.“ Neo öffnete den Mund und starrte ihn an, aber anscheinend hatte er darauf keine Antwort. Soach wedelte mit der Hand. „Na los, husch, husch!“ Neo blinzelte. „Wa--- Du eingebildeter Fatzke, was erlaubst du dir! Führst dich auf wie...“ „Wie ein Prinz, wolltest du das sagen?“ „Soll ich dieses Individuum entfernen, Majestät?“ ließ sich Malice vernehmen, der im Türrahmen stand und alles mitverfolgte. „Ich bin sicher, das wird nicht nötig sein,“ erwiderte Soach mit einem scharfen Blick in Neos Richtung. Dieser begriff dann wohl auch, was besser für ihn war, und marschierte hinaus. Soach wartete, bis die Tür hinter seinem Feind ins Schloss krachte. Dann ließ er sich schnaufend zurückfallen. Seltsamerweise amüsierte ihn die Sache nicht besonders, auch wenn ihm das Ergebnis gut gefiel. Er empfand eigentlich gar nichts weiter. „Ich glaube, das Allheilmittel lähmt die Emotionen. Aber wie gesagt... das macht es einfacher.“ Er schloss die Augen und schluckte. Nichts stand mehr zwischen ihm und dem Tod, abgesehen von ein paar Portionen Zaubertrank, vergleichbar mit einem Spinnennetz, das über den Weg gespannt war. „Mir ist neu, dass es diese Wirkung hat, allerdings nimmt man es normalerweise nicht in so kurzen Abständen hintereinander,“ sagte Crimson. Soach zwang sich, die Augen wieder zu öffnen. Dabei erschien es ihm viel sinnvoller, sie einfach geschlossen zu lassen und einzuschlafen. Für jemanden, der bis zum Ende kämpfen wollte, fühlte er sich viel zu sehr mit sich im Reinen. „Wenn es nicht das Mittel ist, warum bin ich dann so... gelassen? Es ist fast gruselig aber... das wiederum stört mich auch nicht.“ „Nimm es einfach hin, denn gleich werden deine Leute zu dir kommen. Ich werde in der Nähe sein,“ versprach Crimson. Er legte einige Phiolen auf den Nachttisch. „Hier, falls du mehr brauchst.“ Soach nickte. „Danke. Danke für alles, Crimson.“ Der Jüngere lächelte. „Hey... du bleibst mir erhalten, so oder so. Ich... gehe jetzt nachsehen, ob die anderen schon da sind.“ Vorher schob er noch ein paar Zierkissen unter das Kopfkissen, damit Soach nicht ganz so flach lag. Er drückte kurz seine Hand, ehe er zur Tür ging, sich noch einmal umsah und dann aus dem Raum verschwand. Soach blieb einen Moment alleine. Sein Herz beschleunigte den Takt, beruhigte sich aber rasch wieder, als die Tür erneut aufschwang und seine Verwandten eintraten. Ishzark, Ray, Kayos und Fire... sie kamen zu ihm, um sich zu verabschieden. Sie stritten nicht, obwohl Rays Bund mit der Arae-Witwe sicherlich noch einiges an Diskussionen verursachen würde. Vielleicht rissen sie sich um seinetwillen zusammen. Er fragte nicht nach, sondern genoss die Gelegenheit. Crimson lehnte sich neben der Tür an die Wand und atmete tief durch. „Brauchst du Hilfe?“ Er zuckte erschrocken zusammen – Malice hatte er ganz vergessen! „Nein, jedenfalls nicht deine,“ zischte er. „Bleib einfach auf deinem Posten.“ Ärgerlich, dass er so abgelenkt war, aber derzeit erforderte die Situation all seine Konzentration. Soach wollte garantiert nicht vor seinen Lieben in Tränen ausbrechen, und Crimson half ihm dabei... allerdings verriet er ihm das nicht. Er befürchtete nur, dass er es nicht durchhalten würde, aber es genügte, wenn er es schaffte, bis die Angehörigen wieder gingen. „Hey, Crimson.“ Dark tätschelte seine Wange. „Vielleicht solltest du dich auch etwas hinlegen.“ Crimson schreckte zusammen – er hatte seinen Cousin weder gehört noch gesehen, bis er vor ihm stand. „Geht schon... Hast du den Alchemisten getroffen?“ „Ja, ich komme gerade aus dem Alchemielabor. Neo hat sich freiwillig gemeldet, um mir beim Tragen zu helfen, aber ich finde ihn nicht mehr, seit wir uns getrennt haben...“ „Der taucht schon wieder auf.“ Crimson erlebte die Szene im Zimmer im Hintergrund seiner Gedanken mit. Die Familie unterhielt sich über lustige Dinge, wie es schien, denn ab und zu lachte jemand. Nun ja... vermutlich wollten sie das letzte Beisammensein für Soach so schön wie möglich gestalten. Fire verzichtete auf Selbstbeschuldigungen oder Anklagen gegen Ray, und dieser widersprach nicht, als das Gespräch darauf kam, dass er den Thron erben müsse, da Soach es ja noch nie gewollt hatte. Der Wunsch ging auf makabere Weise in Erfüllung. Die Themen beschäftigten sich immer wieder halb ernst damit, wie es ohne Soach weiterging. Sie schienen bestimmte Dinge absichtlich zu vermeiden. Zum Beispiel sprach niemand Lily und ihr ungeborenes Kind an, oder Eria. Es fiel Crimson schwer, Soachs Gedanken auszublenden, darum ließ er sich widerstandslos von Dark in den Aufenthaltsraum führen, wo der geleerte Badezuber gerade weggetragen wurde. Jemand füllte die Wasserkaraffe nach, dann blieben die beiden Magier ungestört. Sie nahmen nebeneinander auf dem Sofa platz. Crimson rieb sich die Schläfen. „Ich habe deinen Rat befolgt und Cathy aufgetragen, Soachs Gefühle zu dämpfen... aber dadurch kann ich mich kaum mehr auf etwas anderes konzentrieren.“ „Es muss ja auch nur sein, solange er noch mit seiner Familie redet,“ beruhigte Dark ihn, wobei er kameradschaftlich einen Arm um seine Schultern legte. „Ich werde später versuchen, sie davon zu überzeugen, nicht mehr ins Zimmer zu gehen.“ „Das dürfte eine schwierige Aufgabe werden.“ „Auch nicht schwieriger, als einem Freund auf seinem letzten Weg beizustehen. Du solltest danach sofort zu deinem Schloss aufbrechen, um sein Bewusstsein in Sicherheit zu bringen.“ „Ja... und du solltest etwas wegen Neo unternehmen. Er ist immer noch voller Hass. Irgendwann tickt er noch total aus.“ Crimson berichtete von der Szene, die Neo veranstaltet hatte. „Das hätte ich nicht gedacht,“ murmelte Dark. „Er wirkte seit der Sache damals immer etwas in sich gekehrt, aber... Nun, ich habe die Zeichen wohl nicht ausreichend beachtet. Danke für den Hinweis.“ „Sag mal... du bist hier, um Blacky zu trösten, oder?“ ging es Crimson auf. „Die Alchemistischen Zutaten hätte ja auch ein anderer bringen können...“ „Ja, sicher,“ nickte sein Cousin. „Er tut immer so, als hätte er alles im Griff, aber in diesem Fall wird er mich brauchen.“ „Ist ja nicht so, als wäre das sonst anders.“ „Du solltest die Gelegenheit nutzen, um ein bisschen zu pausieren. Ich werde veranlassen, dass dir jemand Essen holt.“ „Schick Malice.“ „Nun gut.“ Crimson konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als Dark auf den Flur trat und Malice auf einen Botengang in die Küche schickte. Zugegeben, der Kerl war nützlich. Außerdem musste er den Weg in die Küche ja schon kennen. Dark kam zurück und ging ein wenig auf und ab, als wäre er selbst nervös. Warum auch nicht – sein Geliebter erwartete einen herben Verlust. Falls es Dark nichts ausmachte, dass Soach starb, sorgte er sich doch um Blacky. Aus Mangel an sonstiger Beschäftigung überflog der Dunkle Magier die Buchtitel in den Regalen und schaute in den Schrank. „Oh... es sind Spiele drin. Das soll wohl ein Zimmer sein, wo man sich länger beschäftigen kann...“ „Ich will nichts spielen.“ Crimson brauchte all seine Konzentration, um zusammen mit Cathy Soachs Emotionen im Griff zu behalten. Es fand es schwieriger, seit die Familie bei ihm war. Und dann gab es plötzlich einen Moment, als Soach ihn dabei erwischte. Er äußerte sich nicht dazu, aber Crimson spürte es deutlich. Offenbar war er zu unvorsichtig geworden oder wurde langsam müde, und Soach hatte sich nur für einen Augenblick aus dem laufenden Gespräch mit seinen Verwandten ausgeklinkt, hatte sich möglicherweise einmal mehr über seine eigene Ruhe gewundert. Doch statt Ärger spürte Crimson Dankbarkeit. Also behielt er seine Bemühungen bei. Bald brachte Malice etwas zu essen, aber Crimson achtete beim Essen nicht darauf, was es war, er machte sich nicht einmal die Mühe, dem verhassten Irren einen bösen Blick zuzuwerfen. Er bekam mit, dass Soach die Phiolen mit dem Trank in relativ kurzer Zeit nacheinander leerte – vielleicht im Abstand von einer halben Stunde – und behauptete, Crimson habe ihm das so empfohlen. Möglicherweise war die Dosis zu klein, andererseits würden sie sich bald damit arrangieren müssen, dass kein Mittel mehr half. Ishzark, Ray, Blacky und Fire blieben fast zwei Stunden bei Soach, ehe dieser befand, dass sie lieber gehen sollten. Plötzlich konnte niemand mehr so tun, als wäre alles gut. Die tragische Abschiedszene erschütterte Schloss Lotusblüte. Jeder umarmte Soach noch einmal, sagte ihm unter Tränen ein paar letzte, liebe Worte und verließ dann zögernd das Sterbebett. Auch Rays Wangen waren feucht, doch er wirkte erstaunlich gefasst, dafür dass er seinen geliebten Bruder verlor. Zuletzt verabschiedete sich Fire. Er brachte keine Worte mehr heraus und hielt Soachs Hand, bis er sich zu weit entfernt hatte, und dann ließ er sie noch ausgestreckt, während er rückwärts zur Tür ging. Soach vermied es, etwa zu sagen, und beherrschte sich lange genug, um sie denken zu lassen, dass er es mit Fassung trug. Die vier ließen Crimson eintreten. Der Magier schloss schnell die Tür, obwohl es ihm eher unwahrscheinlich erschien, dass draußen jemand hörte, was drinnen vor sich ging, denn dort, vermutete er, wurde jetzt hemmungslos getrauert. Schätzungsweise dirigierte Dark die Leute in den Aufenthaltsraum. Soach leerte gerade noch eine Portion des Trankes. „Die letzte hat nicht gewirkt,“ informierte er Crimson. „Aber ich wollte meine Familie nicht beunruhigen...“ Im Moment saß er auf der Bettkante, und Crimson nutzte das aus, um ihn ebenfalls noch einmal fest in die Arme zu schließen. „Dann... hast du noch ein paar Stunden...“ flüsterte er und spürte, wie auch ihm die Tränen kamen. Er konnte nicht länger Soach helfen, denn seine eigenen Gefühle wollten hervorbrechen. Auf seinen Befehl hin schirmte Cathy sich gegen die beiden ab, so gut es ging, um die Schlossbewohner nicht zu sehr zu beunruhigen. Er ließ von Soach ab und nahm die leere Phiole entgegen. Soach schüttelte stumm den Kopf. Also half Gundulahs Allheilmittel wirklich nicht mehr. „Versprich mir, dass du es niemandem erzählst, falls ich... wirres Zeug rede oder schreie oder so...“ bat der Prinz. „Das versteht sich ja von selbst,“ murmelte Crimson. Er setzte sich neben ihn, legte einen Arm um seine Schultern und ermunterte ihn, sich anzulehnen. „Ich... ich bin bei dir. Von jetzt an weiche ich nicht mehr von deiner Seite, bis... der Kampf zwischen dir und dem Gift entschieden ist.“ Er ahnte mehr als dass er es sah, dass Soach gerührt lächelte. Sie saßen einige Minuten so da, ehe Vindictus leise hereinkam und wortlos seinen angestammten Platz wieder einnahm. Die folgenden Stunden gestalteten sich schwierig, ganz wie Vindictus geahnt hatte. Soach fürchtete sich vor seinem Ende, auch wenn er das nicht zugab. Wer wollte es ihm verdenken? Im Prinzip hätte er ja noch viele Jahre vor sich gehabt, und ein besonders angenehmer Tod erwartete ihn nicht. Das fand Vindictus immer am schlimmsten: wenn der Patient litt, etwa wegen einer Krankheit oder einer schweren Verletzung... oder eben Gift. Er kannte aber kein anderes Gift dieser Art. Crimson hielt sich wacker, obwohl es bestimmt das erste Mal war, dass er jemanden auf diesem Wege begleiten musste, dann auch noch einen so guten Freund und Vertrauten. Oder vielleicht hielt er gerade deswegen durch. Und er wurde auf eine harte Probe gestellt. Als das Ersatzgegenmittel nicht mehr die gewünschte Wirkung brachte, verschlechterte sich Soachs Zustand rapide, gerade so, als gäbe es etwas nachzuholen. Er klagte über Schwindelanfälle, mehr noch als über Schmerzen, die man ihm eher anmerkte. Als Prinz der Eisigen Inseln wollte er selbst sterbend niemandem zur Last fallen, deshalb verkniff er sich das Jammern zum größten Teil – anfangs jedenfalls. Er unterhielt sich ein wenig mit Crimson, versuchte, Witze zu machen, bis er dafür zu abgelenkt war. Ihm stand der Schweiß auf der Stirn, während Vindictus sich bemühte, die Symptome zu lindern. Für den Heiler stellte dies eine Dauerbelastung dar, die er aber gerne auf sich nahm, schließlich konnte er sonst nichts tun. Es war demütigend für jemanden mit seiner Erfahrung und seinen Fähigkeiten, aber Gift ließ sich nur schwer aus dem Organismus entfernen, wenn er es nicht sofort behandeln konnte. Vindictus hatte es versucht, es war wie ein Krieg an zu vielen Fronten. Insgeheim beschloss er, dafür zu sorgen, dass Schloss Lotusblüte einen entsprechenden Spezialisten anheuerte. Ganz offensichtlich gab es auch im Kristallschloss keinen. Es fiel Soach zusehends schwerer, in seiner Entscheidung, den Tod nicht zu beschleunigen, standhaft zu bleiben. Doch standhaft blieb er. Irgendwann konnte er keine Nahrung und nicht einmal mehr Wasser bei sich behalten, deshalb trank er nichts mehr. Er fing an, letzte Wünsche mitzuteilen, wie es nur Leute tun, die sich kaum noch Chancen ausrechnen. Seine Körpertemperatur fiel bedenklich. Vindictus wies Crimson an, sein Obergewand auszuziehen und sich neben Soach zu legen, um ihn warm zu halten. Und dann kam der Sterbende zu dem Punkt, an dem sein Geist von Nebel umfangen wurde und keine Kommunikation mehr möglich war. Soachs Körper war fast schon zu schwach, um durchzuhalten, auch wenn ihn das Gift noch nicht tötete. Es gab eine Grenze, ab wann jemand nicht mehr zu retten war. Vindictus befürchtete, dass sein Patient rasch darauf zu ging. „Jungchen. Es ist soweit. Geh in seine Astralwelt, ehe sein Bewusstsein verloren geht. Er hat vielleicht noch ein oder zwei Stunden, aber du musst jetzt handeln,“ drängte er Crimson. Der weißhaarige Magier nickte, zog den Freund enger an sich und schloss die Augen. Den Weg in dessen Astralwelt kannte er vermutlich noch, jedenfalls bat er nicht um Hilfe. Vindictus konnte nur abwarten und seinen Job machen – der eigentlich nur noch daraus bestand, den Todeszeitpunkt festzustellen. *** Soach fand sich in einer dunklen Welt wieder. Er konnte genug sehen, um etwas zu erkennen, aber alles hielt sich in verschiedenen Schwarz- und Grautönen. Der schieferfarbene Himmel leuchtete, als gäbe es hinter dichtem Nebel eine Lichtquelle. In mondhellen Nächten sah die Schattenspäre manchmal so aus. Die Landschaft zeigte sich deutlich in diesem schaurigen Licht. Viel zu sehen gab es nicht. Er stand in einem kargen Gebiet, in nicht allzu weiter Ferne begrenzt von Schwärze. Nichts rührte sich, demnach blieb alles still. Soach starrte in die Dunkelheit. Er fühlte sich beobachtet. Die Schwärze schien sich auf ihn zu zu bewegen. Dann spürte er ganz deutlich eine fremde, feindliche Präsenz. Ein großes, mächtiges Wesen... Eigentlich fürchtete er solche Geschöpfe nicht, aber in diesem Fall entschied er sich zur Flucht. Das muss ein Traum sein. Ich hoffe, es ist nur ein Traum... Soach rannte. Er sah sich nicht um, denn das hätte ihn nur verlangsamt. Ihm reichte es völlig, dass er seinen Verfolger spüren konnte. Plötzlich hörte sein Weg auf. Er hielt auf einen Abgrund zu, aber einen Sprung weit entfernt befand sich schon die andere Seite. Nach rechts oder links auszuweichen erschien ihm zu riskant, also hielt er auf die Kante zu und sprang. Das Manöver gelang, aber der Boden unter ihm schwankte leicht, als er aufkam... und er stellte fest, dass es sich keineswegs um die andere Seite einer Schlucht oder etwas ähnlichem handelte, sondern er stand auf einer schwebenden Plattform aus Landmasse, von der aus es tief nach unten ging... wohin, ließ sich nur erahnen. Es gab weitere Plattformen, aber er konnte nicht erkennen, ob sie irgendwo hinführten. Als er sich umblickte, sah er eine dunkle Masse, die sich gegen die allgemeine graue Landschaft abhob. In ihr blitzte es manchmal, als wäre Magie darin. Vielleicht ein Wesen, das sich auf diese Weise tarnte. Und möglicherweise... möglicherweise war es sein Tod. Anscheinend befand er sich in einem Traum, den man träumt, wenn der Tod langsam aufholte, und man lief weg, bis die eigenen Kräfte nachließen. Dies war die Bühne für seinen Todeskampf. Das Gefühl dieser Erkenntnis ließ sich schwer beschreiben. Seltsam, dass er es überhaupt wusste. Und Crimson... er war nicht bei ihm. Soach versuchte, die Gedankenverbindung zu finden, den Weg, den sein Bewusstsein nehmen musste, wenn der Körper erschlaffte. Keine Antwort... es fühlte sich an, als würde er nach etwas greifen und ins Leere fassen. Ich muss aufwachen! Er nahm auf seiner Plattform so viel Anlauf, wie er konnte – etwa vier Meter – und sprang auf die nächste. Dort hielt er sich gar nicht erst auf, sondern rannte über sie hinweg und sprang weiter. Er dachte nicht darüber nach, ob der Abstand zu groß war oder der Anlauf zu gering. Es musste einfach genügen. Sechs oder sieben Plattformen überwand er auf diese Weise, doch bei der nächsten bröckelte der Boden unter seinem Fuß weg. Er fiel lang hin und kam mit dem Oberkörper auf, doch unterhalb der Rippen hing er über der Leere... und rutschte tiefer. Trotzig grub er seine Finger in den harten Boden, winkelte die Ellenbogen an, versuchte, mit den Füßen Halt zu finden... irgendwie bekam er es hin und blieb keuchend auf der Plattform liegen. Mit einer zitternden Hand strich er sich die Haare aus dem Gesicht und suchte nach der Kraft, sich zu erheben. Moment... Haare? Nun... für einen Traum war das wohl nicht ungewöhnlich. Er brachte sich in eine sitzende Position und stellte fest, dass seine Haare bis zur Mitte seines Rückens reichten. Er trug stabile, bequeme Kleidung, wie man sie für eine Reise wählen würde. Und er schien ungefähr zehn zu sein, vielleicht auch jünger. Seine Linke Hand zeigte eine frisch verschorfte Brandwunde, die nach der kürzlichen Benutzung an ein paar Stellen aufgesprungen war und Eiter absonderte. Die Haut spannte und schmerzte. Dies ist meine Astralwelt! Sie zerfiel unter dem Einfluss des Giftes, nahm er an. Repräsentiert durch dieses... Fremde. Der Eindringling schien nicht greifbar, damit auch nicht angreifbar. Das wiederum passte dazu, dass es kein Heilmittel gab. Soach blickte in die Richtung, aus der er gekommen war. Die Schwärze verschlang in diesen Augenblicken die ersten beiden Plattformen. Crimson antwortete nicht. Auch Cathy konnte er nicht erreichen. Somit verschwand sein Bewusstsein irgendwo im Nichts, wenn er starb... Er blickte in die andere Richtung: weitere Plattformen waren zu sehen, aber sie wirkten klein und zu weit weg, so als könnten sie sein Gewicht gar nicht tragen, selbst wenn er es schaffte, dorthin zu springen. Nach unten bot sich auch nicht an. Nach wie vor blieb offen, ob sich dort vielleicht Wasser befand oder Steinboden, vielleicht auch gar nichts... mal abgesehen von dichter Dunkelheit, die nicht einmal sein Magierauge durchdringen konnte. Eine weitere Plattform fiel der Schwärze zum Opfer, dann noch eine. Zwei blieben noch zwischen Soachs Standort und dem tödlichen Nichts. Er drehte sich zu seinem Fluchtweg um. Der Sprung erschien ihm zu gewagt, das Ziel zu klein, zu weit weg. Aber in seiner eigenen Astralwelt hatte er ja wohl noch das Sagen! Er ging in die Knie und legte seine Hände auf den Boden. Flieg vorwärts! Hinter sich hörte er Geräusche wie von einem Erdrutsch, als die vorletzte leere Plattforn zerfiel. Doch er sah nicht zurück. Flieg! Beweg dich! Tatsächlich schien die kleine Plattform vor ihm näher zu kommen. Er trieb seine mit aller Willenskraft voran, bis sie auf einmal bebend zum Halten kam. Soach warf nun doch einen Blick zurück. Die Schwärze hatte aufgeholt und löste seinen Zufluchtsort auf. Aber er war ein Stück voran gekommen. Entschlossen nahm Soach soviel Anlauf, wie er wagte – gerade mal zwei Schritte – und sprang zur nächsten Plattform. Er ruderte mit Händen und Füßen, während er flog, und bekam sie mit den Händen zu fassen wie einen großen Felsbrocken. Dieser fing unter seinen Fingern bereits an zu bröckeln. „Unfair!“ protestierte Soach. „Crimson! Wo bist du?! Hilfe!“ Er versuchte, den Brocken in eine Richtung zu lenken, konnte sich aber nicht ausreichend konzentrieren, während er den Halt verlor. Er fiel... ...und eine Hand packte sein linkes Handgelenk. Die Brandverletzung schmerzte, aber er war weit davon entfernt, sich zu beschweren. „Endlich finde ich dich! Warum hast du nicht eher gerufen?“ Soach traten Tränen der Erleichterung in die Augen. „Ich dachte, ich wäre allein hier...“ Crimson wuchtete ihn schwungvoll hoch, um besseren Halt an ihm zu bekommen. Soach schlang die Arme um seinen Hals und die Beine um seine Hüften. „Du fliegst ja!“ fiel es ihm auf. „Ist das deine Unterweltlergestalt?“ „Ja...“ Crimson klang verlegen. „Als ich herkam, bebte der Boden und du warst nicht zu sehen, also änderte ich meinen Monstertyp mit dem Ring, den ich immer trage.“ Crimson trug ihn auf weißen Lederschwingen von der Schwärze weg, doch als Soach nach unten sah, konnte er kaum mehr intakte Landmasse erkennen. Sie mussten bald irgendwo landen, schließlich konnten sie nicht ewig so weiterfliegen. „Da! Eine Plattform mit einem Baum drauf! Oder eher... ein Baum mit etwas Erde...“ Crimson folgte Soachs Fingerzeig. Der Baum erwies sich als kleiner, als er aus der Ferne angenommen hatte. Er war ein verkrüppeltes Exemplar mit einem schiefen, gewundenen Stamm und Ästen wie von der Witterung gebeutelt, das jedoch mit den Wurzeln fest einen Brocken Erde umklammerte. Crimson und Soach konnten sich neben dem Stamm niederlassen und sich daran festhalten, besser als nichts. Crimson stieß fast gegen die untersten Äste, und der Stamm war zwar relativ dick für so einen kleinen Baum, ließ sich aber noch leicht mit den Armen umfassen. „Dieser Baum hat tatsächlich noch Blätter,“ stellte Soach fest. „Dabei ist sonst alles hier schon ganz karg...“ „Wir können noch einen Moment bleiben,“ sagte Crimson. „Aber wir sollten beizeiten in meine Astralwelt wechseln, denn deine... nun, es gibt sie bald nicht mehr. Ich wusste nicht, dass sie zerfallen, wenn man stirbt.“ Soach blickte sich nach der Schwärze um. Es sah in allen Richtungen trostlos aus. Hatten sie sie für den Augenblick abgehängt? „Nur noch ein wenig,“ bat er und umklammerte den Baumstamm fester. Finde ein Stück Land! Er glaubte zu spüren, dass der Baum in eine Richtung flog. Allerdings bildete er sich das vielleicht auch nur ein. Womöglich gefährdete er Crimson, wenn er sich länger weigerte, die Tatsachen zu akzeptieren. Es gab einen Ruck, der ihn fast von seinem Baum fort schleuderte. Zum Glück klammerte er sich so fest daran, dass er sich lediglich den Kopf am Stamm anstieß. Crimson fluchte, hielt sich aber ebenfalls fest. Etwas veränderte sich. Soach sah sich um, befürchtete schon, dass die Schwärze sie erwischt hatte, wie seine Plattform vorhin. Zu seiner Überraschung sah er... etwas. Sein Baum war noch vorhanden, ebenso die Landmasse um den Stamm herum. Sie vergrößerte sich. „Crimson, sieh dir das an!“ Der Magier in Unterweltlergestalt bewegte sich. „Was... haben wir intaktes Land erreicht? Nein... es sieht eher so aus, als würde es um uns herum neu entstehen...“ Soach schluckte. „Was bedeutet das... sind wir beide tot? Sind wir in deiner Astralwelt?“ Sie erhoben sich vorsichtig, stets darauf bedacht, einander irgendwie festzuhalten. In stehender Pose überragte Crimson die Baumkrone, zumal sie eher zu einer Seite als in die Höhe wuchs. Deshalb sah er es auch als Erster. „Soach... sieh dort...“ Soach folgte dem Blick seines Freundes und erschauderte. Die Schwärze hatte aufgeholt wie eine Gewitterfront. Es blitzte in ihr, als wäre die Wesenheit darin zornig. Schnell sah er sich nach einem Fluchtweg um. Dieser erstreckte sich scheinbar endlos vor ihm, und in der Ferne schimmerte graues Licht wie am frühen Morgen. „Da lang!“ entschied er und zog Crimson an der Hand mit sich. Zwar schien die Schwärze sich nicht nennenswert schnell zu nähern, aber er wollte kein Risiko eingehen. Erstaunlicherweise fühlte er sich noch stark genug, obwohl er bereits körperliche Anstrengungen hinter sich hatte. In der Astralwelt kam es vor allem auf den Willen einer Person an. Soach lief, so schnell er konnte, und Crimson hielt mit. Ihre Füße traten nicht länger auf hartes Geröll, sondern auf frisches Gras. Zusammen rannten sie auf das Licht zu. Plötzlich glaubte Soach zu stolpern, denn die Welt um ihn herum schwankte, drehte sich und das Licht blendete ihn... bis er auf einmal in seinem Bett die Augen aufriss und mit einem heiseren Aufschrei hochfuhr. Starke Hände drückten ihn zurück in die Rückenlage. Er hörte eine Stimme, die er kannte, aber nicht verstand. Seine Augen lieferten kein passendes Bild dazu, sondern nur verschwommene Eindrücke. „Hoach, ruhig... hu hacht eh ge'chafft...“ fuhr die Stimme fort. Zu ihr gehörten anscheinend die Hände. Sie hielten ihn sanft, aber fest nach unten gedrückt. Soach erkannte vage ein Gesicht mit grauweißem Haar und einem Bart. Jemand lachte. „Junge, hör auf zu reden, wie soll er das verstehen?“ Die zweite Stimme gehörte Vindictus. Er lachte eher selten. Soach beruhigte sich. „Wie... wie lange war ich...“ Er musste eingeschlafen sein... „Du warst gut drei Stunden nicht ansprechbar,“ informierte der Heiler ihn. „Wir konnten bisher nicht sicher sein, ob die Schleimborke wirkt... auf jeden Fall hat sie Ujats Zunge betäubt. Vor zwei Stunden noch konnte er gar nicht reden. Köstlich.“ Soach runzelte die Stirn. Seine Augen konnten noch immer nicht klar sehen und sein Geist wirkte benebelt. Ihn beschlich das Gefühl, dass es einen Zusammenhang gab, der ihm nicht aufging. „Dann seid Ihr aus dem Silbergebirge zurück... warum seid Ihr hierher gekommen?“ hörte er Crimsons Stimme dicht neben sich. Die Hände – Ujats Hände – ließen zögernd von ihm ab, wie um sicherzustellen, dass er ruhig blieb. „Weih ik hier gebraucht wurge.“ „Sagt der Mann, der auf seine eigene Gabe nicht hört,“ spöttelte Vindictus. „Haben wir schon... Mitternacht?“ wunderte Soach sich, der sich vage erinnerte, dass die Reise zum Silbergebirge einen halben Tag dauerte. „Nein, Junge, lass mich reden!“ Vindictus sprach mit einer Stimme, die sich fast vor Belustigung überschlug. Er räusperte sich. „Ujat wollte anmerken, dass der Weg hierher nicht so lang ist wie zum Lotusschloss, wenn man vom Silbergebirge kommt. Er hat unterwegs die Schleimborke gekaut, damit sie weich wird und der Wirkstoff austritt, so konnten wir sie benutzen, als er hier eintraf. Das Zeug ist ein Wundermittel. Hätte ich gewusst, dass Ujat dorthin unterwegs ist...“ „Du hast nicht gefragt!“ warf Crimson ein. „Und du hast nichts davon gesagt, obwohl du von diesem Mittel wusstest! Wie konntest du!“ „Als wir hier eintrafen, war es zu spät. Wir hätten die Reise nicht rechtzeitig geschafft, selbst wenn einer von uns aufgebrochen wäre. Außerdem, wenn ich ehrlich bin, habe ich nicht damit gerechnet, dass das klappt.“ „Kein Grund, es nicht zu versuchen!“ motzte Crimson. „Oh... ich muss es den anderen sagen. Vindictus... ist Soach außer Gefahr? Ganz sicher?“ „Ja, sofern er demnächst etwas Wasser trinkt und sich ausruht. Warte noch ein paar Minuten mit der Verkündung...“ Doch Crimson hatte bereits die mentale Verbindung zu Catherine geöffnet und ließ das Schlossherz an der Szene teilhaben. Sofort verbreitete sich die Kunde im Schloss, dann im Kristallschloss und in Burg Drachenfels, was bedeutete, dass Dark es wusste. „Zu spät...“ entgegnete Crimson. Er klang, als würde er grinsen. Soach trank folgsam, als ihm jemand einen Becher Wasser an die Lippen hielt. Eigentlich erwartete er, dass etwas hineingemischt war, ein Schlafmittel oder so, aber er schmeckte nur Wasser. Vermutlich kursierte ohnehin schon genug Zeug durch seine Blutbahn. „Warum ist meine Zunge nicht auch betäubt, wenn ich das Mittel getrunken habe?“ wunderte er sich dann. „Denk mal drüber nach,“ neckte Vindictus ihn. „Schlucken ist nicht das, was man mit Schleimborke macht.“ „Was meinst... oh.“ Soachs Wangen fühlten sich plötzlich ganz heiß an. „Ooooh!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)