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Fremde Welten: Unmöglich ist nichts (#3)

Prinz Soach und das Prinzip des Chaos
von

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Kampfalchemie

Crimson riss die Arme vor seine Augen und wandte sich ab. Fawarius kippte Lucidol, auch bekannt als flüssiges Licht, auf den Boden. Oder besser, er kippte es aus. Der Trank hatte es an sich, dass kurzer Kontakt mit der Luft eine Lichtexplosion auslöste, so dass er nicht wirklich auf dem Boden auftraf. Als Finsternismagier konnte Crimson im Dunkeln sehen, doch seine Augen vertrugen kein helles Licht. Etwas passierte in den wenigen Augenblicken, in denen er nicht hinsehen konnte, das spürte er.

„Ich enttäusche Euch nur ungern, aber weder das Salz noch die Keramikgefäße waren ein Unfall,“ informierte Fawarius ihn und lächelte, wobei er stolz das Kinn hob. „Die Korken sind lichtempfindlich und zerfallen bei hellem Licht. Das Salz reagiert mit dem Inhalt und beides bildet den Klebebannkreis. Eine Erfindung von mir.“

„Was?“ Crimson sah auf den Boden, wo sich nun in glitzernden Kristallen kreisförmig magische Runen abzeichneten. Er selbst und Fawarius befanden sich in dem Kreis, dessen Durchmesser der Breite des Ganges entsprach, also etwa drei Meter. Im Inneren war alles von einer blauen, glänzenden Schicht bedeckt, die einen feuchten Eindruck machte. Als Crimson versuchte, einen weiteren Magieangriff zu beschwören, passierte nichts.

„Falls es Euch noch nicht aufgegangen ist... ich bin ein Kampfalchemist,“ verriet Fawarius ihm. „Ich kann Euch fertigmachen, ohne Magie zu verwenden, und dabei noch Eure Magie negieren.“

Davon hatte Crimson noch nie gehört, zweifelte aber nicht an den Worten seines Gegners. Er hob probeweise die linke Ferse. Es ging, offenbar war das Zeug nicht unter seinen Füßen. Wie weit war es bis zum Rand des Kreises? Vielleicht konnte er springen...

Fawarius zog mit den Zähnen den Korken aus einer Phiole. „Denkt nicht einmal dran.“ Er schleuderte den Inhalt in Crimsons Richtung.

Der Weißhaarige sprang reflexartig zur Seite und wich aus... worauf er auf die klebenden Stellen trat und festhing. „Verdammt...“ Wo vorher seine Füße gestanden hatten, sah man noch die Bodenplatten, aber das blaue Zeug füllte die Stellen langsam aus. Die Flüssigkeit, mit der sein Gegner auf ihn gezielt hatte, verdampfte zischend, als sie aufkam, und hinterließ schwarze Flecken.

„Wollt Ihr Euch denn nicht wehren?“ spöttelte Fawarius.

Crimson biss wütend die Zähne aufeinander. Oh ja, er wollte schon, aber in seinem Reisemantel und seiner Robe befanden sich hauptsächlich medizinische Produkte und der ein oder andere Trank, um einen Feind zu stoppen, wie etwa der Lähmungstrank. Er trug auch einige seltene Zutaten bei sich, falls er etwas frisch herstellen musste, sich aber nicht im Schloss befand. Sein Arsenal war folglich für einen Kampf völlig ungeeignet, denn eigentlich bestritt er Auseinandersetzungen immer mit seiner Magie oder einer Waffe.

Er holte ein Fläschchen mit gelbem Inhalt hervor. „Ich hätte nur das hier im Angebot. Episches Todesfeuer. Lasst mich vorbei, oder ich vergesse mich und äschere das ganze Haus ein!“

„Episches Todesfeuer hat eine orangerote Farbe,“ belehrte Fawarius ihn. „Ihr blufft, das ist wahrscheinlich nur ein Hustenmittel.“

„Es mag normalerweise rotorange sein, aber nicht bei mir. Es ist mein Hobby, Methoden zu finden, um Tränken eine andere Farbe zu geben. Das ist nützlich, wenn es sich um etwas handelt, das in keine falschen Hände fallen soll, oder wenn ich die wahre Natur eines Gebräus vertuschen will,“ klärte Crimson ihn auf.

„Wirklich? Wie interessant... ist das nicht gefährlich?“ hakte der andere Alchemist nach.

„Ab und zu ist mir beim Experimentieren was um die Ohren geflogen,“ gab Crimson zu. „Aber das kennt Ihr sicherlich auch...“

„Oh ja, es ist nicht so einfach, einen Weg zu finden, um ein bewährtes Rezept wunschgemäß zu verändern, aber der Aufwand lohnt sich meistens. Vorausgesetzt, die Wirkung wird dadurch nicht zu sehr abgeschwächt. Es hat mich ganze sechs Jahre der Forschung gekostet, bis...“ Fawarius unterbrach sich. „Wir müssen diese Unterhaltung für später aufheben!“

„Ja, fein, zurück zum Thema! Lasst mich zu meinem Freund durch, oder ich entfessele ein Inferno!“ drohte Crimson erneut.

„Das würdet Ihr nicht wagen... es ist viel zu gefährlich in geschlossenen Räumen, Ihr gefährdet Euch selbst und Prinz Soach, den Ihr doch befreien wollt! Was mich betrifft, hätte ich kein Problem damit, dass Ihr ihn befreit, aber er würde nicht weggehen, sondern meinen Herrn angreifen, und das lasse ich nicht zu.“

„Ganz wie Ihr meint.“ Crimson warf sein Fläschchen in die Richtung, in der sich der Ausgang befand. Es flog einige Meter weit, kam dort auf dem Teppich auf und blieb heil. „Menno...“

Fawarius stand ungerührt an seinem Platz und lachte verhalten. „Soviel zu Eurem schrecklichen Feuer. Habt Ihr noch etwas auf Lager?“

Zumindest wusste Crimson jetzt, dass Dinge aus dem Bannkreis hinaus fliegen konnten, doch er vermutete bereits, dass auch Personen das Feld verlassen konnten, sonst hätte Fawarius ihn nicht daran gehindert. „Was wäre wenn nicht?“ erkundigte er sich.

„Das wäre jammerschade, denn dann müsste ich Euch einfach ausschalten und gefangen nehmen, da ich nicht hier stehen bleiben und warten will, bis Eure Freunde kommen.“

„Oh, wir sind schon da,“ mischte sich eine neue Stimme ein.

Soach kam von weiter vorne den Gang entlang, zusammen mit Blacky. Er stützte sich auf den Zauberstab seines Sohnes – Crimson hoffte, dass es nicht schon das Gift war, das ihm Probleme bereitete. Vielleicht war er einfach generell etwas schwach auf den Beinen.

„Kommt nicht näher, Soach, sonst bewerfe ich Euren Freund mit einer ätzenden Substanz,“ sagte Fawarius ruhig. „Das gilt auch für Euren Begleiter... Kayos, nehme ich an. Unverkennbare Familienähnlichkeit.“

Soach blieb in gut zwei Metern Entfernung stehen. Obwohl Crimson schon wusste, dass es ihm schlecht ging, schockierte ihn der Anblick des Herrn des Chaos in diesem Zustand. Lord Arae hatte ihm alles genommen – sein langes Haar, das Mal seines früheren Schlossherzes, seine Kleidung und persönlichen Sachen und zu guter Letzt vielleicht das Leben. Er hatte ihn gezwungen, seinen Stolz abzulegen und sich selbst zu erniedrigen, hatte ihn verspottet und wahrscheinlich nur deswegen nicht weiter gefoltert, weil er den Prinzen noch eine Weile lebend wollte. Soach trug lediglich ein Nachthemd mit einem Loch auf der Brust, und er schien es nicht mehr für nötig zu halten, den Starken zu spielen. Entweder das oder er konnte es schlichtweg nicht. Oder... war das etwa seine Maske der Stärke, und es ging ihm noch viel schlechter? Crimsons Hals fühlte sich wie zugeschnürt an. Doch er gab die Hoffnung nicht auf, bevor er nicht alle alchemistischen Register gezogen hatte. Allerdings setzte das voraus, dass er heile aus diesem Duell hervorging.

Blacky baute sich an der Seite seines Vaters auf. „Ihr mögt die Magie innerhalb des Bannkreises blockieren, aber ich kann meine benutzen.“

„Das könnt Ihr gerne versuchen. Nur zu,“ forderte der Kampfalchemist ihn heraus.

Der Chaosmagier zuckte mit den Schultern und warf ihm eine dunkle Entladung entgegen. Die Magie verpuffte in der Luft auf Höhe des Salzkreises. Somit konnte also drinnen auch keine Magie wirken, die von außen kam.

Soach ließ seinen Blick schweifen, als suchte er nach einer Lösung. Vielleicht konnte er etwas sehen, das Crimson entging? „Offenbar arbeitet Ihr ganz ohne Magieeinsatz,“ stellte er im Plauderton fest. „Schade, das hätte ich gerne gelernt... wäre vielleicht eine Möglichkeit für mich gewesen. Kampfalchemist. Klingt gut. Braucht man dafür wirklich gar keine Magie?“

„Doch, wenn ich die Sachen herstelle, muss ich manchmal Magie einsetzen, zum Beispiel, damit sich der Klebebannkreis so aufbaut, wie Ihr ihn hier seht,“ erklärte Fawarius. „Dazu sind lange Vorbereitungen nötig. Theoretisch wäre es wohl denkbar, diese von einem anderen machen zu lassen. Im Kampf selbst kann ich ohne Magie agieren. Ich habe sogar meine Technik darauf ausgelegt, schließlich befinde ich mich mit dem Gegner im Kreis.“

„Darf ich es mir aus der Nähe ansehen? Bitte, ich verspreche auch, dass ich nichts berühren werde. Ich bin nur neugierig.“

„Na gut... aber haltet ausreichend Abstand!“

Soach trat näher, bis er, wenn er sich vorbeugte, die Struktur des Salzes erkennen konnte. „Die klebrige Substanz reicht bis zum Rand des Kreises und bedeckt das Salz wie eine Schutzschicht... wirklich geschickt. Wie eine komplizierte Kartenkombination bei Duel Monsters.“

Crimson fragte sich, ob er ihm einen Hinweis zukommen lassen wollte, indem er den Bannkreis so beschrieb, falls ja, verstand er ihn nicht.

„Mit Duel Monsters habe ich keine Erfahrung,“ sagte Fawarius. „Soweit ich weiß, gibt es keine Karte von mir.“

„Schade... der Kampfalchemist wäre doch ein passender Titel. Es würde zahlreiche Karten geben, die Euch unterstützen, um Eure Kampftechnik zu simulieren. Ich persönlich bin immer sehr für Taktiken, bei denen der Gegner vom eigentlichen Vorhaben abgelenkt wird.“ Soach richtete sich wieder gerade auf und lächelte den Alchemisten berechnend an.

In dem Moment, als Crimson erkannte, dass Soach irgendetwas mit der Unterhaltung bezweckt hatte, ging das wohl auch seinem Gegner auf, denn diesem entglitten alle Gesichtszüge. Eine schattenhafte Bewegung auf der anderen Seite des Kreises – dann krachte scheppernd eine kleine, bauchige Vase an Fawarius' Hinterkopf, worauf der Mann ganz große Augen bekam, die sich dann schlossen. Er kippte seitlich weg, da er sich ein bisschen verdreht hatte, um Soach ansehen zu können. Sechs verbleibende Glasphiolen rutschten aus seinen erschlaffenden Fingern.

Soach sprang vor, konnte jedoch unmöglich alle auf einmal erwischen. Crimson wollte zurückweichen, konnte seine Füße aber nicht heben, so dass er strauchelte und auf den Hintern fiel. Auch die rechte Hand, mit der er sich abstützte, kam auf dem Boden auf und blieb kleben. Er hörte Glas brechen, hob vorsichtshalber den verbleibenden Arm vors Gesicht, hielt die Luft an und kniff die Augen zu. Der Geräuschkulisse nach zu urteilen gab es eine kleine Explosion und Flüssigkeiten, die miteinander zischend reagierten. Mehrere dicke Tropfen landeten auf seiner Kleidung.

„Mist,“ murmelte Soach. „Ich bin auf eine Scherbe getreten.“

Crimson nahm vorsichtig seine Deckung runter und wagte einen Atemzug. Ein Geruch wie von Schimmel stieg ihm in die Nase. Fawarius lag mit dem Gesicht nach unten am Boden, Soach dicht daneben. „Du beschwerst dich wegen einer Scherbe? Dabei klebst du doch sicher auch da fest!“

„Naja... schon!“ grinste Soach. „Aber wenigstens hab ich drei gefangen!“ Er hielt eine Hand hoch, die zwei Phiolen hielt, während die andere nur halb so hoch kam, weil der Ellenbogen festklebte.

Crimson freute sich, dass Soach noch einen gewissen Sinn für Humor behalten hatte. Aber... wer hatte eigentlich auf Fawarius gezielt? Da stand jemand...

Malice klappte sein Visier hoch und kramte umständlich ein winziges Buch aus seiner Gürteltasche. „Oje, oje... ich habe etwas Wichtiges vergessen. Zuerst versuchen, die Angelegenheit diplomatisch zu regeln. Sagen wir einfach, das hättet ihr schon versucht, ja? Dann ist Schritt zwei: Konsequenzen androhen. Hm... das habe ich weggelassen, weil ich dachte, dass dann Schritt drei – Konsequenten ausführen – nicht mehr so effektiv wäre.“

„Ist schon recht,“ sagte Soach.

Malice hob den gelben Trank auf, den Crimson geworfen hatte. „Was ist das? Oh... steht drauf. Elixier der Verdammten. Hm...“ Das Fläschchen verschwand in der Gürteltasche.

„Hey!“ protestierte Crimson.

Dummerweise brachte ihm das die Aufmerksamkeit des Praktikanten. „Ah... Crimson, mein Lieblingsmagier. Das gefällt mir, wie du da klebst. Dumm nur, dass ich es nicht ausnutzen kann, ohne auch festzukleben. Naja das haben wir gleich...“ Er holte aus einer Gürteltasche auf der anderen Seite ein verkorktes Röhrchen hervor und kippte den Inhalt auf das Innere des Bannkreises. Sofort ließ die Klebewirkung von dieser Stelle ausgehend nach, bis alles neutralisiert war.

Crimson starrte ihn fassungslos an. „Du hast Zeug gegen Klebefallen dabei?“

„Standardfalle für Helden... kein Problem,“ grinste Malice. Er ging zu Soach und half ihm hoch, als wären sie beste Kumpel.

Crimson rappelte sich zähneknirschend alleine auf die Füße. „Rück mein Elixier raus!“

„Aber nicht doch, das ist mein Loot!“ wiegelte der Blondschopf ab. „Kann ich die da auch haben?“

Soach schloss die Hand um seine drei Substanzen. „Die hab ich erbeutet.“

„Na gut.“ Malice hob Hände und Schultern in einer Geste der Gleichgültigkeit und bückte sich nach Blackys Zauberstab, doch das Ding verpasste ihm einen elektrischen Schlag. „Dann nicht...“

Crimson zupfte angewidert an seiner Kleidung, die stellenweise Löcher aufwies, wo sie etwas von einem von Fawarius' Gebräuen abbekommen hatte. Wo er auf dem Kleber gelegen hatte, haftete eine schleimige, bläuliche Masse an dem Stoff. Angesäuert setzte er einen Reinigungszauber ein. Aha, offenbar funktionierte der Bannkreis auch nicht mehr.

„Kriege ich auch einen?“ bat Soach.

Crimson hatte ihn gar nicht kommen sehen, während er seine Kleidung untersucht hatte. Sein Ärger auf Malice verflog augenblicklich, und er schloss den anderen in die Arme. „Du kriegst von mir, was immer du willst.“

„Nana, sag das nicht zu laut,“ neckte Soach ihn. „Ich könnte das ausnutzen.“

„Würdest du aber nicht, deshalb kann ich das ohne Bedenken sagen.“ Über die Schulter des anderen hinweg sah Crimson, dass Blacky sich abwandte und verstohlen mit einer Hand an seine Augen fasste. Er wusste es also auch. Aber kannte er die ganze tragische Wahrheit?

Draußen erklang besonders lautes Drachengebrüll. Kurz darauf konnte er Cathy wieder erreichen. Gerade so, als ob langsam alles wieder in Ordnung kam.

„Ich suche hier das Labor dieses Alchemisten und braue dir was zusammen, das deine Zeit verlängert,“ flüsterte Crimson. „Und wir werden den Lord zwingen, dir zu sagen, wo das Gift herkommt, damit wir das Heilmittel holen können.“

Soach widersprach ihm nicht. Den Informationen zufolge, die Crimson von ihm erhalten hatte, war der Weg zu weit, um ihn rechtzeitig zu schaffen. Aber vielleicht konnte man ihn in einen Schlaf versetzen, der den Prozess aufhielt, oder vielleicht log Arae und es gab doch noch etwas anderes, von dem nicht einmal sein Alchemist wusste. Crimson nahm sich vor, gleich Vindictus zu fragen, wenn er ihn sah, und er informierte sein Schlossherz, damit es nachforschte.

„Jetzt hast du dich wieder dreckig gemacht,“ bemerkte Soach, während er einen Schritt zurück trat. Schleimiges Zeug von seinem Nachthemd klebte nun an Crimsons Kleidung.

„Wenn's weiter nichts ist...“ Der Weißhaarige reinigte sie beide mit einer kleinen Handbewegung. „Schon besser. Lass uns zusammen das Labor suchen und etwas ausprobieren. Ich habe eine Idee...“

„Nein... ich will Lord Arae suchen, solange ich es noch kann. Das Gift wirktt wieder... ich fühle mich wie auf einem Schiff. Alles schaukelt ein bisschen...“ Soach nahm Crimsons Hand und plazierte die drei Phiolen darin. Dann wandte er sich zu Blacky um. „Kannst du Fawarius ebenfalls mit dem Heilzauber schlafen lassen, den du auf Rahzihf angewendet hast? Ich möchte nicht, dass er uns im falschen Moment in die Quere kommt.“

„Ich kümmere mich darum,“ nickte Blacky, hob seinen Stab auf und reichte ihn ihm erneut.

Soach nahm das Artefakt entgegen, stellte das untere Ende auf den Boden und stützte sich darauf ab wie auf einen Krückstock. „Gut. Wenn du fertig bist, geh mit Crimson.“

„Aber jemand muss bei dir bleiben!“ protestierte Crimson.

„Ich werde Malice mitnehmen.“

„Oh... wirklich?“ fragte Malice, wirkte aber nicht wirklich überrascht.

„Doch nicht im Ernst!“ rief Crimson aus.

„Krieg dich ein, ich bin genau der richtige für den Job!“ verkündete der Möchtegern-Krieger. „Es geht schließlich darum, ein Dungeon zu klären und den Darklord unschädlich zu machen. Ach ja, kann ich diesen Kerl da looten? Vielleicht könntest du ihn auch mit so einem Reinigungszauber behandeln, damit ich mir nicht die Finger schmutzig machen muss...“

„Du lässt die Finger von seinem Kram!“ Das fehlte noch, kampfalchemistisches Zubehör in den Händen dieses Kerls! Crimson war entsetzt.

„Die Sachen könnten uns etwas nützen,“ gab Soach zu bedenken.

Da war etwas dran. Aber Crimson gefiel es gar nicht, dass Soach sich mit seinem früheren Kumpanen zusammentat und scheinbar gar nichts daran fand. Aber er lenkte ein und befreite auch Fawarius von den Spuren der Klebesubstanz, oder was das sonst noch alles war.

Sogleich kniete Malice neben ihm nieder und fing an, ihn methodisch zu durchsuchen und alles einzustecken, was ihm gefiel. Seine Gürteltaschen schienen unendlich geräumig zu sein. „Da drüben liegt ein Dolch, ist das auch seiner?“

„Den hab ich verloren.“ Soach hob ihn auf, aber er hatte nichts, wohin er die Waffe stecken konnte und erleichterte schlichtweg Fawarius um seinen Gürtel. Er band ihn sich um und steckte den Dolch darin fest.

„Wie ich sehe, hast du das Prinzip meiner Arbeit schon kapiert,“ grinste Malice. „Gibt es hier eigentlich einen großen Schatz zu holen? Weißt schon, ein Epic Loot oder irgendein Special Item?“

Langsam wurde es Crimson zu bunt. „Wovon spricht der Kerl da?“

„Oh, das ist Gamersprache, glaube ich,“ sagte Soach.

Auch Blacky nickte bestätigend, so dass Crimson sich dumm vorkam.

Malice zuckte mit den Schultern. „Was soll ich machen – Marik hat immer diese RPGs am Computer gespielt. Der Held geht in ein Dungeon, erledigt alle Feinde und erhält dafür Items und Loots. Das hier ist meine erste richtige Mission! Gibt es hier irgendwo einen Waffenhändler?“

„Du glaubst nicht im Ernst, dass es hier zugeht wie in einem Spiel, oder?“ regte Crimson sich auf.

Blacky kam zu ihm und zog ihn sachte am Arm. „Lass uns den Kampfalchemisten in irgendeinen Raum schaffen und dann das Labor suchen. Wenn Papa sagt, dass er mit dem Heldenschüler klarkommt, vertraue ich darauf, dass sie es zusammen hinkriegen.“

„Aber---!“

[Crimson.] Soach nahm zu ihm Kontakt auf, ohne es sich äußerlich anmerken zu lassen. Er betrachtete mit Malice die Sachen, die der Irre erbeutet hatte. [Ich weiß, dass du derjenige an meiner Seite sein willst. Aber ich werde jemanden umbringen. Das möchte ich weder dir noch meinem Sohn zumuten, zumal Kayos vielleicht Gewissensbisse hätte und einschreiten würde. Malice hingegen...]

[Der dürfte damit kaum Probleme haben.] Das sah Crimson ganz genau so. Vielleicht war er auch einfach ein bisschen eifersüchtig, dass ihm so jemand vorgezogen wurde. Es ließ sich nicht ändern, dass er es so empfand, obgleich er wusste, dass es Blödsinn war. Schließlich eignete er sich besser als derjenige, der den Heiltrank braute. Ungern wich er von Soachs Seite, hatte er ihn doch gerade erst wiedergefunden.

„Nun gut,“ lenkte er schließlich ein. „Viel Glück, und dass du dich nicht von Arae töten lässt, während ich dir Medizin koche!“

„Ich habe noch einen Schwur zu erfüllen, Crimson.“ Soach wandte sich in die Richtung, aus der er gekommen war, gefolgt von Malice.

Der Praktikant drehte sich noch einmal um. „Achte auf deinen Rücken, Crimson!“

„Argh!“ Der Weißhaarige verspürte das kaum zu bändigende Bedürfnis, ihm den Hals umzudrehen.
 

Lord Arae wartete in seinem Thronsaal auf den Helden, der zu ihm vordringen wollte. Es war nicht wirklich ein Thronsaal, schließlich wohnte er nur in einer Villa, aber immerhin... hier konnte er sich schon einmal in seine zukünftige Rolle als Herrscher der Eisigen Inseln einfühlen.

Im Grundsatz handelte es sich um ein großes Zimmer im ersten Obergeschoss, das man nur erreichte, wenn man vorher an allen anderen Räumen vorbeiging und dem Gang bis zum Ende folgte. Das wiederum war nur dem möglich, der unten die Treppe fand.

Der Raum überspannte die ganze Breite der Etage. Somit gab es große Fenster mit besonders schönen Buntglasscheiben an beiden Seiten, dazwischen mit weißem Marmor verkleidete Wände. Arae dachte noch darüber nach, ob er Vorhänge anschaffen sollte, doch er wollte die Motive auf den Scheiben nicht verdecken.

Der Boden bestand aus einem aufwändigen Mosaik kleiner Fliesen in verschiedenen Blautönen, und ein royalblauer Teppich führte von der Tür zu seinem vorläufigen Thron. Dieser bestand aus Metall, veredelt mit Silber, so dass er zur allgemeinen frostigen Atmosphäre passte.

Arae selbst trug dem Anlass entsprechend seine Kampfrüstung. Bei ihr hatte er sich nicht den Inseln angepasst, die er zu beherrschen trachtete, sondern war bei seinen eigenen Farben geblieben, Schwarz und Grau mit etwas Rot. Die Rüstung ließ ihn größer und breiter erscheinen, als er ohnehin war. Ein Helm gehörte allerdings nicht dazu, aber natürlich ein mächtiges Schwert, das für einen Menschen zu schwer sein dürfte. Er präsentierte sich breitbeinig sitzend, wobei er das Schwert mit der Spitze auf dem Boden rechts vor sich hielt, während es auf seinen Einsatz wartete.

Tatsächlich erschien dann auch bald ein Herausforderer, noch bevor der allgemeine Kampflärm in Haus und Garten nachließ. Zu seiner Enttäuschung handelte es sich dabei um Malice, den Praktikanten aus dem Drachenhauchorden und ehemaligen Komplizen von Prinz Soach. Doch Arae ermahnte sich selbst, den Jungspund nicht zu unterschätzen – solch ein Fehler war ihm heute schon einmal unterlaufen.

Er setzte seine gruseligste Mine auf, als Malice sich näherte – und seinen Blick überhaupt nicht beachtete! Statt dessen blätterte der Typ mit hochgeklapptem Helmvisir in einem kleinen Buch, das er mit der Linken hielt, gleichzeitig fuchtelte die Rechte mit dem Schwert herum.

„Also... wenn ihr den finsteren Herrscher gefunden habt, gehört es zum guten Ton, ihm noch eine Chance zu geben, die Forderungen zu erfüllen... Ah ja,“ murmelte er vor sich hin, dann wandte er sich an den Hausherrn, indem er das Schwert auf ihn richtete. „Finsterer Herrscher! Lass meine Freunde frei und ergreife die Flucht, dann will ich dein Leben heute noch verschonen!“

Arae hob die Augenbrauen. „Freunde? Wen meinst du denn alles?“

„Oh... richtig, wir sind ja nur wegen einer Person hier,“ fiel es Malice ein. Er zuckte mit den Schultern. „Na fein, was soll's. Gib meinen Freund raus! Und nicht dass wir uns missverstehen, Freund gilt hier synonym für jemanden, der auf der Seite ist, für die ich gerade arbeite. Naja es steht so im Buch, dass man das Wort benutzen soll.“

Arae fragte sich, ob der Typ in all der Zeit, die er beim Orden verbracht hatte, immer noch nichts gelernt haben konnte, zumindest benahm er sich wie ein Anfänger. Vielleicht ließen die Helden ihre Schützlinge erst nach einer gewissen Probezeit aufs Feld. Er stand mit einer, wie er fand, sehr bedrohlichen Bewegung von seinem Thron auf und nahm dabei das Schwert kampfbereit in die Hand. „Im Grunde könnte ich Soach herausgeben, aber ich werde es mir nicht gefallen lassen, dass du mit deinen Begleitern hier einfällst, als gäbe es keinen diplomatischen Weg!“

„Äh... heißt das jetzt, dass wir miteinander kämpfen?“

„In der Tat, davon kannst du ausgehen.“

Malice steckte sein Büchlein in seine Gürteltasche, nicht ohne vorher noch letzte Anweisungen daraus zu entnehmen. „Schwert defensiv halten, auf festen Stand achten. Auf Angriff des Gegners warten.“ Er baute sich umständlich den Anweisungen entsprechend auf.

Arae lächelte schief. Die Situation fand er ziemlich lästig. Sie brachten ihren Praktikanten also immer noch bei, erst auf einen Angriff zu warten, weil es sich ja für den Guten nicht geziemte, den ersten Schlag auszuführen. Wenn er jetzt nicht angriff, was würde der Junge dann wohl machen? Er wollte mal nicht so sein, daher tat er, was von ihm erwartet wurde, und führte probeweise einen Schlag gegen Malice aus.

Der Praktikant parierte mühsam und stolperte rückwärts. Dann probierte er einen Angriff, den Arae mühelos abblockte. Wenn das so weiterging, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Bursche sich selbst verstümmelte, ehe er gegnerisches Blut forderte. Man musste ihm zugute halten, dass er nicht schon beim Anblick der gegnerischen Waffe die Flucht ergriff.

„Okay,“ murmelte Malice. „Sieht aus, als wären wir im Geschäft.“ Bei den letzten Worten änderte sich sein Tonfall von unsicher zu spöttisch. Er nahm eine angriffsbereite Pose ein, die einen durchaus ernstzunehmenden Eindruck machte.

Arae schaffte es, sich nicht überrumpelt zu lassen, als der Gegner gleich darauf auf ihn zu stürmte und mit seiner Klinge auf ihn einstach. Er konnte die Angriffe gut wegstecken und sah sich bestätigt darin, dass er ihn besser nicht unterschätzen sollte. Soachs ehemaliger Komplize – er hätte es eigentlich wissen müssen.

Malice bewegte sich schnell, obwohl seine Rüstung den Eindruck erweckte, dass sie ihn verlangsamte – aber das kam oft vor. Der Lord ließ ihn nicht mehr aus den Augen. Der Praktikant versuchte, hinter ihn zu gelangen, aber das konnte er vergessen. Arae parierte einen Schwerthieb und griff dann selber an. Sollte der junge Hüpfer – der auch noch aus der anderen Welt kam – nicht denken, dass er mit ihm so leichtes Spiel hatte! Er stellte sich rasch auf den jüngeren Kämpfer ein und fing an, ihn mit Hieben seiner viel größeren Waffe quer durch den Saal zu treiben. Dabei wurde deutlich, dass er es eben doch nur mit einem Praktikanten zu tun hatte, der gegen einen geübten Schwertkämpfer, noch dazu einen Unterweltler, nichts zu melden hatte. Arae fühlte sich siegessicher. Malice kämpfte verbissen und wollte sicherlich zeigen, was er konnte, aber er würde ihm eine Lektion erteilen!

Moment... war da eine Bewegung in seinem Augenwinkel? Aber Helden griffen nicht hinterrücks an, und sie gaben sich gewiss nicht als Ablenkung her, um...

Araes Aufmerksamkeit wurde ganz von seinem Gegner gefesselt, der nun noch heftiger auf ihn eindrang. All seine Instinkte schlugen Alarm. Noch jemand befand sich im Raum, ganz sicher! Er musste diesen Kampf beenden, um sich dem Feigling zuwenden zu können, der sich eingeschlichen hatte! Es gelang ihm, Malice zurück zu stoßen, so dass er sich kurz umsehen konnte.

So sah er gerade noch das zu allem entschlossene Gesicht von Prinz Soach, und erst, als es schon zu spät war, registrierte er den Zauberstab, den der ausgebrannte Magier in seine Richtung schwang. Obwohl es völlig unmöglich hätte sein sollen, erstrahlte die Kristallkugel am oberen Ende des Stabes in einem so hellen violetten Licht, dass es die Augen des Unterweltlers blendete... bevor es dunkel für ihn wurde, als die Kugel mit all der Kraft der Verzweiflung, die ein sterbender Mann bei seinem letzten großen Vorhaben aufbringen kann, seinen Schädel traf.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  jyorie
2015-10-10T08:34:16+00:00 10.10.2015 10:34
o͡͡͡͡͡͡͡͡͡͡͡͡͡͡╮(。❛ᴗ❛。)╭o͡͡͡͡͡͡͡͡͡͡͡͡͡͡ Hi,

Marlice hat mir in dem Kapitel besonders viel Spaß gemacht mit seinem Buch und wie dumm er sich da angestellt hat als Praktikant, - aber hey – er ist irgendwie damit durchgekommen ^^°

Soarcs „Angriff“ auf Lucidol fand ich auch prima, wie er mit seinem Geplauder Zeit verschafft hat, das man ihn überwältigen konnte – wobei natürlich die Möglichkeit das sich Soarch als Kampfalchemiest betätigt durchaus nicht abwegig wäre, wenn da nicht noch im Hinterkopf die Vergiftung wäre und das theoretisch baldige Ableben von ihm.

Das Soarc wieder mit Marlice zusammenarbeitet und die beiden so gut harmonieren ist natürlich ein Schlag für Chrimson, vor allem wenn man daran denkt, was die beiden im Duo ihm angetan haben. Aber ich fand seine Begründung gut, warum er lieber ihn mit zu Arae nimmt. Ich bin gespannt nach dem Cliffi, ob Soarch es gelingen wird, seinen Schwur einzulösen. und die Möglichkeit mit dem Schlaf, der die Körperfunktionen verlangsamt find ich auch eine sehr gute Idee, hoffentlich erfahren sie noch, um welches Gift es sich handelt – vielleicht kann Chrimson ja mit den resten den Krugs etwas anfangen, das er eine Idee hat für das Gegenmittel – oder Vindictus, der ist ja auch nicht auf den Kopf gefallen.

Liebe Grüße, Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
22.10.2015 22:16
Hallo! Ich hab mir schon Sorgen gemacht, weil dein Kommi so spät kam! XD

Dieses RPG-Getue von Malice hat zu großen Teilen mein Mann zu verantworten, der zu der Zeit irgendeins gespielt hat und mich mit den Vokabeln beliefern konnte. Ich war nicht sicher, dass das gut ankommt, insofern freut es mich, dass du es witzig findest.

Lucidol ist der Name von dem Zaubertrank, du meinst sicher Fawarius. Der Name ist wohl nicht leicht zu behalten... Hikari-Yumi beklagt sich auch darüber. ^^° Ja, Kampfalchemist wäre eine Möglichkeit für einen ausgebrannten Magier und sicherlich etwas, das Soach aus reiner Neugier gerne ausprobieren würde. Ich überlege noch, ob Crimson sich daran versucht.

Soach bedient sich immer der zur Verfügung stehenden Mittel. Auch wenn das Malice ist. Aber davon abgesehen fand ich es mal ganz nett, dass auch zwischen Crimson und Soach nicht alles immer ganz reibungslos ist. Im Bezug auf Malice wird Crimson sich noch als ziemlich nachtragend erweisen. Oder das ist zumindest der Plan.

Aber jetzt geh ich mal den Cliffhanger auflösen. Viel Spaß!

~PM
Antwort von:  jyorie
23.10.2015 07:17
Hi^^,

war einfach nur 5 Tage im Urlaub gewesen ;-) kein Grund für sorgen, aber schön, das du an mich gedacht hast. :3
Antwort von:  Purple_Moon
24.10.2015 23:06
Und ausgerechnet dann krieg ich was fertig! Nächstes ist auch schon da. ;)


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