Fremde Welten: Unmöglich ist nichts (#3) von Purple_Moon (Prinz Soach und das Prinzip des Chaos) ================================================================================ Kapitel 11: Ein geschlagener Hund --------------------------------- Als Soach feststellte, dass das Gift erneut anfing zu wirken, klopfte er an die Tür, um es Fawarius zu sagen, der auf dem Gang Wache hielt und auf seinen Einsatz wartete. Leider hatte er vorhin die Glaskaraffe wieder mitgenommen, ebenso alles andere an Geschirr, was vielleicht als Waffe getaugt hätte. Soach hatte nicht protestiert, um keinen Verdacht zu erregen. Der Alchemist ließ ihn auf den Flur und führte ihn nach rechts. „Der Lord ist nicht mehr in seinem Verhörzimmer,“ bemerkte er, als der Gefangene direkt die benachbarte Tür ansteuerte. Es ging ein Stück weiter den Gang entlang. Zum Ausgang führte der Weg in die andere Richtung. Doch Flucht war momentan nicht in Soachs Sinne. Früher hatte er sich oft überlegt, was er täte, wenn er wüsste, dass er nur noch einen Tag zu leben hätte. Nun gab es nur noch eins. Von vorne kam ihnen jemand entgegen, eine ältere Frau in einfacher Kleidung, vielleicht ein Dienstmädchen. Sie sah sich suchend um, öffnete Türen und rief in die Zimmer: „Junger Herr! Kommt bitte heraus!“ Als sie die beiden Männer erblickte, musterte sie Soach kurz und nickte Fawarius respektvoll zu, wobei sie eilig vorbei huschte. „Junger Herr! Bitte, es gibt doch gleich Essen! Jetzt ist nicht die Zeit für Spiele!“ Fawarius nahm das Gespräch wieder auf, als die Frau um eine Ecke bog. „Bitte wisst, dass ich es nicht befürworte, wie mein Herr mit Euch umspringt. Doch das ändert nichts an meiner Treue zu ihm. Bestimmt wird er wieder normal, wenn diese Sache vorbei ist...“ „Darauf würde ich nicht wetten,“ bemerkte Soach. Er musste relativ langsam gehen, damit der Boden nicht zu sehr wackelte. „Und für mich zählt nicht, wie der Lord früher mal war, sondern nur, wie er jetzt ist.“ Der Magier seufzte. „Wie auch immer... Ich werde Euch nicht helfen, wenn ich dafür die Befehle meines Herrn untergraben müsste. Höchstens... wenn Ihr später an diesem Tage beschließt, dass Ihr es Euch leichter machen wollt, könnte ich vielleicht... also...“ Soach runzelte verwundert die Stirn. „Was meint... oh. Verstehe. Das weiß ich zu schätzen, aber wenn ich mit einer solchen Bitte an Euch herantreten sollte, erinnert mich an diese Unterhaltung. Daran, dass ich meine Familie schützen muss, und zwar bis zum letzten Atemzug.“ „Das werde ich. Eins noch... ich konnte dem Lord einreden, dass Euer Zustand zu instabil ist, als dass er Euch körperlich misshandeln sollte. Ihr könntet sonst vor der Zeit sterben. Also... hört auf, so zu tun, als ginge es Euch gut, sonst stehe ich als Lügner da. Übertreibt es ruhig ein bisschen, das wird ihn freuen, und vielleicht ist er dann gnädiger zu Euch.“ Soach rang sich ein Lächeln ab. „Sagtet Ihr nicht gerade, Ihr würdet mir nicht helfen?“ „Nicht wenn ich seine Befehle untergraben müsste. Ich habe meinem Herrn nur einen medizinischen Rat gegeben, was zu meinen Aufgaben als Alchemist gehört. Von mir wird erwartet, dass ich mich mit Giften auskenne. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für dieses Thema. Ihr braucht das Gegenmittel.“ Sie blieben vor einer Tür auf der linken Seite stehen. Soach ließ seine Schultern erschlaffen und senkte den Blick, um möglichst leidend und frustriert auszusehen, was ihm nicht besonders schwerfiel. Wenn er ehrlich war, entsprach das seinen Empfindungen, die er aber unter anderen Bedingungen nie gezeigt hätte. Doch sein Ziel bestand in Araes Tod, nicht darin, seinen Stolz zu bewahren. Darauf kam es jetzt nicht mehr an. Der Magier hielt ihn nicht länger hin, sondern öffnete die Tür und trat hinter ihm ein. „Herr, ich bringe Prinz Soach.“ Arae legte ein Buch zur Seite. Sie befanden sich in einer kleinen, gemütlichen Bibliothek, dementsprechend gab es vor allen Wänden Regale mit Büchern. Vor dem Fenster standen drei einfache braune Ledersessel um einen runden Tisch herum, auf dem sich außer einigen schmalen Bänden die Kristallkaraffe mit dem Gegenmittel und ein passender Kelch befanden. Der Lord lehnte in einem der Sessel, den er so gedreht hatte, dass er die Tür im Blick und den Tisch zu seiner Linken hatte. Erhaben lächelte er den Ankömmlingen entgegen. „Ah ja... ich habe mich schon gefragt, wie lange das wohl dauert. Das müssten fast neunzig Minuten gewesen sein, ich bin gespannt, ob das nach und nach weniger wird.“ Den Sessel direkt am Fenster belegte eine junge Frau mit rotem Haar, die ihr Buch noch aufgeschlagen vor sich hielt und über den Rand hinweg die beiden Männer ansah. Lady Arae? Soach wollte es lieber nicht erfahren, denn darauf konnte er keine Rücksicht nehmen. Er vermied es, sie genauer zu betrachten. „Ich lasse euch lieber allein,“ sagte die Dame und erhob sich graziös. „Ja, das ist mir auch lieber,“ stimmte der Lord zu. „Prinz Soach mag ein bisschen gezähmt sein, aber ich habe dich lieber nicht mit ihm im selben Raum.“ Er wartete, bis die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, ehe er sich besagtem Prinzen zuwandte. „Es ist ganz einfach, lieber Bruder. Knie vor mir nieder und erbitte den nächsten Schluck. Dann werde ich darüber nachdenken.“ Widerstrebend näherte Soach sich dem Hausherrn bis auf drei Schritte. Der Teppich unter seinen bloßen Füßen fühlte sich zu weich an, und der Raum wankte ein bisschen. Aber noch hielten sich die Symptome in Grenzen. Soach sank auf ein Knie und senkte das Haupt. „Lord Arae. Ich bitte Euch um einen Schluck des Gegenmittels.“ Die Worte brannten wie Säure auf der Zunge. Hoffentlich erfuhr Lady Charoselle nie davon. „Guter Junge,“ spottete Arae. „Komm auf allen Vieren zu mir wie ein braver Hund und mach Männchen, dann kriegst du auch eine Belohnung.“ Soachs Magen verkrampfte sich, und es lag nicht am Gift. Er biss sich auf die Lippe, während er das zweite Knie senkte und die Hand, die auf diesem geruht hatte, neben die andere auf den Boden legte. Beide krallten sich in den Teppich. Er musste seinen eigenen Körper dazu zwingen, seinem Willen zu gehorchen, doch vorher musste sein Wille noch von der Vernunft überzeugt werden, die darauf bestand, den Schwur zu erfüllen. Na los... du hast es doch schon einmal geschafft! Soach versetzte eine Hand nach vorne, gefolgt vom gegenüberliegenden Knie. Er hörte seinen eigenen Herzschlag schnell und laut, spürte einen Adrenalinschub, mit dem er dieser Situation entgehen wollte, aber er widerstand der Versuchung. Den Schwur erfüllen. Bleib am Leben, bis die Gelegenheit da ist. Er krabbelte bis kurz vor Araes Füße, und jede Bewegung war ein Kampf gegen sich selbst. Fast bereute er, einen Schwur geleistet zu haben, aber andererseits trieb der Gedanke daran ihn weiter, verhinderte, dass er sich aufgab. Fawaruis' Rat folgend, gab er ein unterdrücktes Stöhnen von sich, als er den Oberkörper aufrichtete. Die Bewegung schmerzte tatsächlich, als würde das Gift nach und nach Scherben in seine Muskeln pumpen, aber das war noch lange kein Grund zum Jammern. Er biss die Zähne zusammen und legte die Stirn in Falten, aber weniger vor Schmerz als vielmehr vor Anstrengung, in seiner Rolle zu bleiben. Vielleicht würde Arae ihn bald für geschlagen und harmlos halten. Es gab nichts Besseres als einen Feind, der einen unterschätzte. Er starrte eine Minute auf Araes Knie, welche in einer feinen Brokathose steckten, und stellte sich vor, wie er ihn in einem Moment der Unachtsamkeit erledigte. Dabei atmete er tief durch und ließ es so aussehen, als hätte er sehr starke Schmerzen, die ihn zwangen, sich erst einmal zu sammeln. Dann hob er langsam die Hände auf Brusthöhe und hielt sie wie ein Hund, der sich auf die Hinterbeine hockte. Den Blick ließ er weiterhin gesenkt, um das schadenfrohe Gesicht nicht sehen zu müssen. Doch Lord Arae war unerbittlich: Er griff unter sein Kinn und hob es an, bis er ihm in die Augen blickte. „Sehr brav. Dafür gibt es ein Leckerli. Fawarius, füll den Kelch zur Hälfte.“ Der Magier trat an den Tisch heran und tat es mit sachlicher Mine. Wie ein guter Diener reichte er seinem Herrn das Trinkgefäß. Soach schielte zu ihm hin, eine willkommene Ausrede, um den Blickkontakt zu brechen, den er lieber trotzig gehalten hätte. Arae streichelte ihn grinsend am Unterkiefer und hielt ihm den Kelch an die Lippen. „Da, mein kleines Hundchen. Trink nur. So ist's fein.“ Das farblose Mittel schmeckte in etwa so, wie man sich den Geschmack von überaltertem Blumenwasser vorstellte, und rann beißend die Kehle hinunter. Auch im Magen machte sich ein Brennen breit, doch Soach trank weiter, bis er den letzten Tropfen geschluckt hatte. Auf seiner Zunge blieb ein säuerlicher Geschmack zurück. Der Lord tätschelte seinen Köpf und ließ die Finger durch die unregelmäßig kurzen Haare gleiten. „Na bitte, es geht doch, guter Kerl. Fawarius, bring meinen Hund zurück in seinen Zwinger.“ Soach wollte sich erheben, doch der Unterweltler drückte ihn zurück nach unten. „Nein, nein... geh auf allen Vieren wie der Hund, der du bist. Und wenn du das nächste Mal dein Leckerli haben willst, komm so herein und leck mir vor Wiedersehensfreude die Finger ab.“ Soach sah ihn fassungslos an, ehe er sich beherrschen konnte. Sein Gesicht wurde ganz heiß. Sein Feind lachte und machte eine wegscheuchende Geste mit einer Hand. Soach wich vor Lord Arae zurück und stieß gegen das Tischchen. Die Karaffe schwankte bedrohlich. Fawarius, der noch beim Tisch gestanden hatte, verhinderte ein Unglück. Das Gegenmittel wirkte. Soach konnte klarer denken, da der Nebel, der den Fußboden in ein wankendes Floß verwandelt hatte, aus seinem Gehirn verschwand. Die Muskelschmerzen wurden für den Moment betäubt. „Vorsicht, Hundchen. Du willst doch nicht dein Lebenselixier verschütten,“ verhöhnte Arae ihn. Die Karaffe gehörte zu der Sorte ohne Griff, mit hübschen geschliffenen Mustern und einem zierenden Verschluss. Sie hatte einen langen, schmalen Hals und bestand zu einem Drittel aus einem bauchigen Behälter, der etwa zwei Liter Flüssigkeit fasste. Etwas mehr noch passte in den Karaffenhals, aber dieser Anteil war bereits verbraucht. Soach wich ein wenig zurück, so dass er wiederum vor des Unterweltlers Füßen hockte, aber die Karaffe im Blick behielt. Er atmete sichtbar und hörbar auf. „Das war knapp...“ Fawarius ging an ihm vorbei. „Kommt bitte mit, Prinz Soach...“ „Nenn ihn nicht so, er ist das Hundchen,“ grinste Arae. Der Magier seufzte. „Komm, Hundchen.“ Soach stellte sicher, dass Fawarius ihm den Rücken zuwandte, während er zur Tür schritt. Der Lord amüsierte sich prächtig. Er nahm seinen Gegner nicht ernst. Eine bessere Gelegenheit gab es vielleicht nicht, auch wenn... auch wenn es vielleicht wirklich das letzte war, was er tat. Soach stieß sich ab, packte die Karaffe und wuchtete sie mit all der Kraft seines Zorns herum. Gefüllt war sie relativ schwer, zumal die Qualität des Gefäßes auch ihr Gewicht hatte. Das Riffelmuster gab seiner Hand guten Halt. Der Unterweltler reagierte, indem er eine Hand hob und sich zugleich wegdrehte, aber das Kristallglas traf seinen Kopf und zerschellte an einem der Hörner. Splitter und Flüssigkeit spritzten in alle Richtungen weg. Als Sohn einer Unterweltlerin wusste Soach, dass Hörner ziemlich empfindlich sein konnten, obwohl sie wie Waffen aussahen. Im Moment brummte diesem Exemplar vermutlich ordentlich der Schädel. Es kniff die Augen zusammen, um die Flüssigkeit nicht hinein zu bekommen. Soach holte mit dem abgebrochenen Stück aus, das er noch in der Hand hielt, und zielte auf den Hals, alternativ das Gesicht. Er spürte, dass er etwas traf, aber im nächsten Moment traf etwas ihn. Der Lord kam mit einem wütenden Brüllen auf die Füße und entlud einen Schwall seiner Macht. Die Wucht katapultierte den Angreifer von ihm weg. Soach klammerte sich an seine Waffe, kam wieder auf die Füße, kaum dass er gelandet war, und stürzte sich erneut auf den Feind. Dieses Mal riss ihn ein magischer Angriff von Fawarius von den Beinen. Der Magier schrie ihm etwas zu, was er aber nicht beachtete. In seinem Eifer spürte Soach keinerlei Schmerz. Seine Hand hielt noch immer das Stück von der Karaffe, als wäre sie damit verwachsen, und sein ganzer Körper spannte sich zu einer letzten Anspannung an. Plötzlich ragte der Lord über ihm auf. Er trat so brutal auf seinen Unterarm, dass die Knochen knackten. Soach packte das Bein mit der freien Hand und biss mit aller Kraft zu, ganz wie ein Hund, den sein Herr einmal zuviel geschlagen hatte. Arae zog reflexartog sein Bein zurück, doch Soach klammerte sich mit den Zähnen und Fingern daran fest. Seine andere Hand kam frei. Zwar schmerzte der Unterarm, doch er rammte dem Feind das gebrochene Glas in die Wade. Die feine Hose bot kaum Widerstand. Voller Genugtuung hörte er Arae fluchen. Eine mächtige Pranke packte ihn hart im Nacken und drückte zu. Als er daraufhin nicht sofort den Kiefer lockerte, trat ihn der Lord mit seinem anderen Fuß in den Magen, worauf Soach mit einem Keuchen die Luft ausstieß und nachgeben musste. Arae entzog ihm das verletzte Bein und schleuderte ihn von sich. Soach prallte gegen ein Bücherregal. Seine Waffe entglitt ihm und kullerte aus seiner Reichweite. Hastig griff er nach einem willkürlichen Buch und schleuderte es dem Lord entgegen. „Du weißt nicht, wann du genug hast, oder?“ knurrte der Lord. Er bewegte eine Hand in Soachs Richtung und entließ einen Energiestrahl. Soachs Schmerzwahrnehmung kehrte wie ein Donnerschlag zurück. Er krümmte sich schreiend am Boden. Nach wenigen Sekunden legte Arae eine Pause ein. Mit rot glühenden Augen sah er auf ihn herab. „Vielleicht ist es besser so... es wirkt viel glaubwürdiger, wenn du auf diese Art stirbst...“ Mit zitternder Hand griff Soach nach einem weiteren Buch. Doch es flog nur wenige Zentimeter weit. „Herr! Bitte beruhigt Euch!“ Fawarius legte eine Hand auf die drohend erhobene des Unterweltlers, als diese bereits erneut aufleuchtete. „Erinnert euch an Euren Plan! Lady Charoselle soll doch dabei sein, wenn ihr Sohn dem Gift erliegt.“ „Falls er bis dahin durchhält, nun da das Gegenmittel verloren ist,“ zischte der Lord. Aber er senkte die Hand und trat zurück. Soach sah Blut in Araes Gesicht, konnte aber nicht beurteilen, wie schlimm es war. Das interessierte ihn auch zweitrangig, denn er erkannte eine letzte Chance: Während Fawarius versuchte, seinen Herrn zu beruhigen, rollte er sich von den beiden weg und kam in der Bewegung auf die Füße. Dieses Mal nahm er die Beine in die Hand – so gut er das vermochte. Bei der Tür angekommen, zog er sie mit der unbeschädigten Hand auf. „Nein, lass ihn nur,“ hörte er Araes Stimme hinter sich. „Lauf, Soach. Aber dann werde ich meinen Leuten sagen, dass sie dich nicht unbedingt lebend ergreifen müssen. Es wäre vielleicht gnädiger als der Tod durch Gift, der dich ohnehin erwartet.“ Soach zögerte und drehte sich um. Offenbar hätte Fawarius ihn längst aufhalten können, stand jedoch noch bei seinem Herrn und behandelte eine Verletzung an dessen Schläfe. „Wenn sie dich lebend kriegen, werde ich dich töten,“ fuhr Arae fort. „Schmerzhaft, aber es wird nur wenige Minuten dauern, das verspreche ich.“ Er grinste böse, als hätte er eine konkrete Vorstellung davon, was er jemandem alles in wenigen Minuten antun konnte. „Und wenn ich... bleibe?“ fragte Soach. Arae zuckte mit den Schultern. „Dann wirst du in spätestens zwölf Stunden tot sein. Aber immerhin... bleibt dir die Zeit noch.“ Soach überdachte rasch seine Möglichkeiten. Vielleicht konnte er entwischen, zumindest bis hinter den ersten Schild, so dass er um Hilfe rufen konnte. Falls er es weiter schaffte, konnte Gandora ihn wegbringen. Er konnte es bis zu Schloss Lotusblüte schaffen. Andererseits befand sich Crimson vielleicht schon auf dem Weg. Zwölf Stunden, um seinen Schwur zu erfüllen... zwölf Stunden, in denen er immer noch Fawarius bitten konnte, es zu beenden, wenn das Gift ihn in die Knie zwang. „Ich gehe... in mein Zimmer,“ entschied Soach und trat auf den Flur. „Warte! Knie vor mir nieder und bitte mich um Vergebung!“ rief Arae hinter ihm her. „Soach!“ Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, als er bereits einige Schritte entfernt war. Er gelangte zu dem Zimmer, das sie ihm zugeteilt hatten, und trat ein. Schwer atmend lehnte er sich von innen gegen das Holz. Wie lange blieb ihm jetzt noch, bevor die Schmerzen und die Schwindelanfälle wieder anfingen? Wie lange, bis es noch schlimmer wurde? Inzwischen wurden ihm die von Araes Tritt schmerzenden Rippen bewusst, sein Körper war generell etwas mitgenommen. Er starrte in die Luft und presste die sich Hand auf den Mund, damit ihm kein weinerlicher Laut entkam. Er zweifelte nicht daran, dass Crimson rechtzeitig zu ihm kommen würde, so dass noch alles gut wurde und sein Bewusstsein nicht verloren ging. Warum konnte er nicht auch daran glauben, dass der Alchemist ein Heilmittel finden würde? Er konnte auf das Wissen von vier Schlossherzen zurückgreifen, und vielleicht war das alles nur eine Lüge und Arae besaß doch etwas. Möglicherweise ließ sich das Gift mit bloßer Willenskraft überstehen. Das würde er dann wohl herausfinden. Soach grübelte, bis er auf ein Geräusch im Zimmer aufmerksam wurde. Schnell wischte er sich mit dem Ärmel durchs Gesicht und sah sich wachsam um. Das Zimmer war großzügig eingerichtet, wie zu erwarten in einem solchen Haus. Teuer aussehende Einrichtung aus dunklem Holz, unter anderem ein Bett, in dem zwei Personen locker zusammen Platz hatten. Soach schlich sich an, griff nach dem Zipfel der Tagesdecke und zog sie mit einem Ruck weg. „Waaaargh!“ kreischte ein kleines Kind und kugelte sich lachend zum anderen Rand, um sich zu Boden plumpsen zu lassen und unter das Bett zu verkriechen. „Na wenn das nicht der junge Herr ist,“ murmelte Soach. Vielleicht half das Schicksal ihm ja doch. *** Crimson hatte eine Festung, ein Schloss oder eine Villa erwartet, doch es gab nichts dergleichen, als seine Gruppe das Zielgebiet erreichte. Leider hatte Soach sich nicht noch einmal gemeldet, bevor die Verbindung abgebrochen war. Es gab daher keine Erinnerung von ihm, die geholfen hätte, schließlich las Cathy nicht ständig seine Gedanken. Es gab allerdings ein paar Dörfer. Soweit sie wussten, hatte sich Soach zum Dorf Schwarzbach im Donnertal aufgemacht, nun mussten sie nur herausfinden, welches das war. Logischerweise eines in einem Tal, sollte man meinen. Insofern protestierte Crimson nicht, als seine Gruppe eine Siedlung in einem Tal ansteuerte. Die Drachen brüllten, um sich anzukündigen. Menschen kamen neugierig aus ihren Hütten oder hielten bei der Feldarbeit inne. Furcht zeigten sie nicht. Ishzark gestikulierte seinem General, dass er mit den Soldaten etwas außerhalb bleiben sollte, und landete selbst am Dorfrand, gefolgt von Ray, Vindictus, Crimson, Blacky und Fire. Black Luster blieb in seiner Drachengestalt und wartete bei den anderen Drachen, während ihre Reiter das Dorf betraten. „Ich finde es seltsam, dass diese Leute nicht ängstlich wirkten, obwohl wir mit einer kleinen Armee anrücken,“ bemerkte Crimson. Einer der Einwohner hatte ihn gehört und kam ihnen lachend vom Feld entgegen, die Hacke zurücklassend. „Aber nicht doch, wir haben doch den Chaos-Imperatordrachen bereits erkannt und auch die Drachen des Ordens.“ „Ey voll krass,“ rief Fire. „Haste auch von mir gehört?“ Der Mann musterte ihn und rieb sich das Kinn. „Nein, tut mir Leid. Bist du ein berühmter Held, den ich kennen sollte?“ „Offmbah nich,“ grummelte Fire. „Ach, macht doch nichts,“ fand der Bauer. „Du bist ja noch jung. Ich heiße Grylos. Willkommen in Schwarzbach. Kann ich etwas für Euch tun, Reisende? Wollt Ihr hier rasten? Ich kann Euch frisches Brot anbieten und einen Schluck Selbstgebrannten. Und meine Frau könnte Eier braten.“ „Ich weiß nicht, ob wir hier richtig sind,“ sagte Blacky zu seiner Gruppe. „Da hinten habe ich etwas gesehen, ein Schutzfeld, das den ganzen Berg überspannt. Ist das nicht seltsam für ein Bauerndorf?“ Grylos zuckte mit den Schultern. „Normalerweise wohl schon, aber wir haben uns daran gewöhnt. Die Siedlung am Berg heißt Donnerfels. Dort wohnt Fawarius, der Magier. Er übt wahrscheinlich nur. Ein bisschen unter Verfolgungswahn leidet er auch, wenn Ihr mich fragt, denn er meint immer, er könnte von Drachen angegriffen werden. Ihr solltet nichts darauf geben.“ „Sollten wir nicht, he?“ Crimson wandte sich um. Die Hütten am Hang, von hier aus ein paar braune Gebilde, wirkten harmlos, bäuerlich. „Warum wohnt ein Magier in einem Bauernhaus?“ „Wahrscheinlich will er sich vor seinem früheren Orden oder sowas verstecken.“ Grylos winkte ab. „Er stört uns nicht, im Gegenteil. Manchmal ist es ganz praktisch, ihn zu haben.“ „Wir suchen jemanden, einen Mann, der aussieht wie eine ältere Version von Blacky hier,“ fuhr Crimson fort. „Habt Ihr ihn gesehen? Er wollte einen gewissen Rahzihf besuchen, den Vater eines Jungen Namens Kihnaf.“ Das Gesicht des Bauern hellte sich auf. „Ah, natürlich! Die beiden wohnen am nördlichen Dorfrand. Folgt mir.“ „Sind sie denn auch zu Hause?“ wandte Ray ein. Er machte keine Anstalten, Grylos zu folgen, und auch die anderen hatten sich nicht bewegt. Crimson stand unschlüssig dabei. Sein telepathischer Kontakt zu Soach fehlte nach wie vor. In Schwarzbach gab es aber keinen ersichtlichen Grund dafür. „Blacky... bring mich zu dem Schild, den du gesehen hast,“ beschloss er. „Das erscheint mir wahrscheinlicher...“ Zu dem Bauern sagte er freundlich: „Mein Freund besucht anscheinend diesen Fawarius. Er interessiert sich für alles, was mit Magie zu tun hat. Wir werden nachsehen.“ Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden, zumal Ray deutlich auch für diese Variante war. Grylos hingegen schien sich große Sorgen um seine Gäste zu machen. „Aber Ihr habt doch sicher Hunger, wollt Ihr nicht erst einmal was essen?“ „Danke, vielleicht später,“ antwortete Ishzark. Die Gruppe folgte Crimson Richtung Berg. In einiger Entfernung schlugen die Soldaten ein provisorisches Lager auf, aber General Raiho sah seinem Herrn nach, bereit, auf dessen Zeichen einzugreifen. „Der Bauer kam mir etwas sehr freundlich vor,“ merkte Vindictus an, als sie Schwarzbach hinter sich ließen. „Man könnte meinen, er wollte uns von dem Berg da fernhalten. Ich war zu weit weg, aber seine Pulsfrequenz und Atmung schienen erhöht zu sein.“ „Is das ein Zeichen dasser lügt?“ wollte Fire wissen. „Möglich,“ nickte der Heiler. „Kann natürlich auch sein, dass er nur gerade hart gearbeitet hat.“ Als sie dem Weg den Berg hinauf folgten, kam der Chaos-Imperatordrache zu Fuß hinter ihnen her. Plötzlich knurrte er ein Gebüsch an, in dem sich etwas bewegte. Ein Vogel schoss heraus, nein... Gandora in seiner verkleinerten Gestalt. Er landete auf Crimsons Schulter und nahm Kontakt zu ihm auf. Wahrscheinlich verstand niemand den schwarzen Drachen besser als Soach, Crimson jedenfalls fand es generell gewöhnungsbedürftig, wie diese Wesen kommunizierten. Gandora übermittelte ihm keine Worte, sondern die Information manifestierte sich im Gehirn des Empfängers wie dessen eigene Idee oder Erkenntnis. Crimsons Zeigefinger deutete wie von selbst nach vorne. „Soach ist dorthin gegangen und aus Gandoras Blickfeld verschwunden, kurz nachdem er den ersten Schild durchdrungen hatte. Dabei brach auch die telepathische Verbindung ab.“ „Dann hatte ich ja Recht,“ stellte Blacky fest. „Moment... heißt das, es gibt mehr als einen Schild da oben?“ „Sag du es mir, du bist doch derjenige von uns, der das sieht,“ entgegnete Crimson. Sie beschleunigten ihre Schritte, verharrten aber an der Grenze des ersten Schildes, oder jedenfalls dort, wo Blacky sagte, dass diese Grenze sich befände. „Wir sollten diesen Schild einfach einreißen,“ schlug Ishzark vor. Crimson hob eine Augenbraue in seine Richtung. „Und das von Euch, Lord Ishzark? Vielleicht handelt es sich hier nur um ein Missverständnis.“ „Geh halt nachsehen,“ drängte der Ältere ihn. „Ich komme mit dir mit,“ setzte Blacky fest, während Gandora zu Ray wechselte, da er den Schild nicht durchdringen konnte. Crimson nickte, denn wie Soachs Vater hatte auch er es recht eilig. „Gut, wir gehen rein und kommen in fünf Minuten wieder, um euch allen zu berichten, ob etwas Ungewöhnliches dahinter ist. Wenn nicht, macht es auf Eure Art, Ishzark.“ Ja, das erschien ihm eine gute Lösung zu sein. Sollten sie in Schwierigkeiten geraten, dauerte es nicht lange, bis Hilfe kam, und wenn nicht, sprach nichts dagegen, das den anderen schnell genug zu sagen. Crimson ging als Erster. Er konnte nichts erkennen, deshalb vermutete er nur, wo sich die magischen Barrieren befanden. Einen Augenblick lang spürte er etwas, als wäre an der einen Stelle die Luft wärmer. Als er sich kurz umblickte, sah er die anderen noch, und sie ihn anscheinend auch, denn Ray winkte und lächelte aufmunternd. „Vorsicht jetzt,“ warnte Blacky ihn. „Noch zwei Schritte.“ Der Chaosmagier schloss zu ihm auf, und im selben Moment durchdrangen sie zusammen den zweiten Schild. Crimson bemerkte den Übergang optisch daran, dass sich die Aussicht änderte, doch er kam nicht dazu, das neue Bild zu betrachten, denn die telapatische Verbindung zu seinem Freund rastete wieder ein. Soachs Gedanken schwappten wie Wasser aus einem umgekippten Fass in seinen Kopf. Erinnerungen manifestierten sich in wenigen Sekunden, Emotionen des anderen stürmten auf ihn ein. Crimson konnte erst wieder klar denken, als er einen Schrei hörte – seinen eigenen. Er sah alles verschwommen, denn er hatte Tränen in den Augen. Doch er stand auf den Füßen, da sein Begleiter ihn stützte. „Blacky! Ishzark soll den Schild mit aller Brutalität einreißen!“ ordnete er an. „Das würde ich ihm nicht empfehlen,“ erwiderte eine fremde Stimme. Crimson blinzelte die Tränen weg und starrte auf drei Lanzenspitzen, an deren Ende sich jeweils ein Krieger befand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)