Ein Haus voller Geschichten von Yalene (Fairy Tail Drabbles) ================================================================================ Kapitel 5: Glas --------------- „Im Glas der geleerten Schnapsflasche schneidet uns unser Spiegelbild hässliche Grimassen.“ Manfred Poisel (*1944), deutscher Werbetexter ~ Die klare, bernsteinfarbene Flüssigkeit schwappte in dem Glas umher. Normalerweise hätte Gajeel aus der Flasche getrunken, aber Lilys Ordnungswahn schien langsam auf ihn abzufärben. Das hatte man davon, wenn man mit einem Exmilitär zusammen wohnte. Und dass dieser gerade abwesend war kam Gajeel gerade gelegen. Er wusste, dass ihm sein Partner missbilligen würde, was er gerade tat. Der Alkohol brannte in seiner Kehle und langsam fühlte er die Wärme und Taubheit, die sich in seinen Gliedern ausbreiteten. Er stellte das leere Glas auf den niedrigen Stubentisch, lehnte sich beinahe mühsam zurück an die Lehne der alten, durchgesessenen Couch und beäugte die halbleere Flasche vor sich. Vielleicht sollte er wirklich einfach aus der Flasche trinken. Das würde den Prozess der Betäubung auf jeden Fall beschleunigen. Gajeel schloss die Augen und schnaubte durch die Nase. Eine für ihn unübliche Lethargie überfiel ihn. Warum hatten sie auch ausgerechnet diese Mission annehmen müssen? Sie war einfach genug gewesen. Jage einen Schwarzen Magier, verhafte ihn, kassiere Geld. Schnell und einfach. Jedoch hatte der Drachentöter nicht damit gerechnet, dass es einer seiner alten Kollegen aus den Tagen von Phantom Lord sein würde. Nachdem er von vielen von ihnen auf die eine oder andere Weise gehört hatte, war er fast schon erleichtert gewesen, dass sie alle irgendwie einen neuen Platz für sich gefunden hatten. Aber offensichtlich traf das nicht auf alle zu. Und dass gerade er es war, der einen von ihnen zur Strecke bringen musste… Gajeel goss sich ein neues Glas ein und trank den Inhalt in einem Zug aus. Der Reiz brannte wohltuend in seinem Rachen bis hinunter in seine Eingeweide. Wenn er dies oft genug wiederholte, dann vergaß er vielleicht irgendwann die Worte von dem Mistkerl, den Lily und er am Vortag zur Strecke gebracht hatten. Wenn Gajeel die Augen schloss, sah er noch immer die lächelnde Fratze seines alten Gildenkollegen vor sich, wie er ihn verhöhnte, ihn an seine Vergangenheit bei Phantom Lord erinnerte, ihn nicht vergessen ließ, was er damals so erfolgreich getan hatte – andere zu verletzen. Er konnte sich an den Spott erinnern, an die Frage, ob er denn ernsthaft daran glauben würde, nur weil er bei den Fairies war, dass alle seine Sünden vergeben wären – ob er tatsächlich annahm, er wäre ein auch nur halbwegs guter Mensch. Gajeel hatte sich gezwungen, diese Worte während des Kampfes zu ignorieren. Schließlich war Ablenkung in Kämpfen wie diesem tödlich. Doch schon auf dem Rückweg nach Magnolia hatte Lily ihn auf seine ungewöhnliche Schweigsamkeit angesprochen. Natürlich hatte sein scharfsinniger Partner etwas gemerkt. Das war auch der Grund, weshalb er es bis jetzt vermieden hatte, Levy zu begegnen. Sie durchschaute ihn noch schneller als der Exceed, clever wie sie war. Und Gajeel konnte ihr nicht in die Augen sehen, ohne an seine Gräueltaten denken zu müssen. Der Spott hallte unaufhörlich in seinem Kopf und ließ trotz aller Bemühungen Gajeels den Zweifel aufkeimen. Hatte er sich denn wirklich zum besseren verändert? Etwas zu wollen und etwas zu können waren immerhin zwei unterschiedliche Dinge. Vielleicht machte er sich auch nur etwas vor. Vielleicht konnte er sich niemals wirklich von seiner Schuld gegenüber all den zerstörten Leben reinwaschen, selbst wenn er jetzt versuchte, ein besserer Mensch zu sein. Es änderte nichts an dem Fakt, dass er Blut an seinen Händen hatte. Seine Vergangenheit war verdorben, seine Gegenwart war ein einziger Kampf um Besserung und der Ausgang seiner Zukunft war ungewiss. Wie konnte jemand wie er auch nur ansatzweise hoffen einem Menschen wie Levy würdig zu sein. Ihre Vergebung war schon Wunder genug. Eines, was er nicht verdiente. Gajeel war wirklich froh, dass Lily nicht da war. So konnte er in aller Ruhe die Flasche leeren und eine zweite anfangen. Als auch diese leer war, schleppte er sich torkelnd ins Bett. Nicht lange nachdem er das Bewusstsein verloren hatte, öffnete sich die Eingangstür. Leichte Fußtritte erklangen in der Wohnung. Die Tür zu Gajeels Schlafzimmer ging langsam auf und im sanften Licht des Mondes, der durch die Fenster hinein schien, musterten kluge Augen, umrahmt von einem kurzen, blauen Haarschopf, den Mann im Bett. Levy hatte Lily nach dessen Rückkehr in die Gilde ausgefragt als es klar war, dass mit dem Drachentöter etwas nicht stimmte. Der Exceed wusste natürlich nicht, auf was der Schwarze Magier mit seinen Bemerkungen angespielt hatte, aber aus Gajeels Reaktionen darauf konnten sowohl er als auch Levy einige Schlüsse ziehen. Letztere hatte die leeren Flaschen auf dem Tisch gesehen. Sie wusste, mit welchen Dämonen der Mann vor ihr kämpfte, wusste, dass sie ein Grund seiner Zerrissenheit war, obwohl sie lieber für sein Glück verantwortlich wäre. Er zeigte keinerlei Reaktion, als sie seine Schuhe auszog und sich zu ihm legte. Mit ihren kleinen Armen umschlang sie soviel von ihm, wie sie vermochte. Sie würde ihn nicht gehen lassen, egal welche Dämonen ihn heimsuchten oder Albträume ihn plagten. Sie würde sie vertreiben, sie würde ihm Gründe geben, das Glas nur zum Feiern zu erheben. Und irgendwann würden sie auf ihr gemeinsames Glück anstoßen. Levy würde dies sicherstellen, selbst wenn sie ihr ganzes Leben daran arbeiten müsste. Für sie gab es keine Alternative mehr – ebenso wenig wie für ihn. Auch wenn er dies jetzt, geblendet von seinen Unsicherheiten, noch nicht sehen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)