Corruptio optimi pessima von Noveen (Die Entartung des Besten führt zum Schlimmsten) ================================================================================ Prolog: ankommend ----------------- >>Was um Himmelswillen ist das denn für ein Kaff?« »Das Kaff in dem wir ab jetzt wohnen werden…« »Ach du…« »Gewöhnt dich lieber daran.« Der blonde Dreadhead lehnte sich in den Rücksitz des Autos zurück und schloss kurz die Augen. Au jeh das konnte ja heiter werden! Er hörte seine Eltern leise miteinander reden, hörte aber nicht mehr genau hin. Ihm war immer noch schleierhaft wie seine Mutter darauf kam, dass er in diesem Dorf überleben würde. Er würde hier auffallen wie ein bunter Hund. Aber das interessierte ja anscheinend keinen… Nur eine halbe Stunde später war er dabei mit seinem Stiefvater Gordon das Gepäck auszuräumen. Der LKW mit ihren Möbeln kam erst morgen. Schon jetzt spürte er die Blicke in seinem Nacken kribbeln. Aus den Augenwinkeln sah er Gardinen wackeln und Türen zugehen. Das fing schon einmal gut an. Unbeirrt ging er mit seiner Kiste weiter in sein neues Heim und versuchte nicht laut zu schreien… er hasste sein neues Zuhause schon jetzt. Als das Auto leer geräumt war, schnappte er sich den Hund der Familie und legte ihm die Leine um. »Komm, Sammy. Erkunden wir mal die Lage hier.« Der Hund hechelte zustimmend und sprang vorfreudig um ihn herum. »Du bist aber zum Abendessen wieder da, Tom!« »Ja, ja… bin ich 10 oder was?!« »Nein, ich will nur sicher sein, dass du dich nicht verläufst hier…« »Das ist ein Dorf, Mom… wo soll ich mich bei 10 Häusern und drei Straßen verlaufen« grummelte der Blonde sarkastisch und ging hinaus. Zeit um seine Umgebung mal zu erkunden. Unruhig schob er sich sein Cappy weiter ins Gesicht und ging mit Sam die Straße entlang. Er traf nicht wirklich viele Menschen, doch alle die er traf, egal ob Jung oder Alt, sahen klischeehaft dorfdeutsch aus. Irgendwann verlor er die Lust herumzulaufen. Was sollte er auch groß tun? Er hatte alle seine Freunde in Hannover zurückgelassen… irgendwie fühlte er sich plötzlich schrecklich einsam. Irgendwie kam er sich vor wie ein Wolf unter Schafen, so wie ihn die Leute musterten. Als wäre etwas abartig anderes. Etwas das hier nicht her gehörte… Und das tat er ja eigentlich auch nicht. Seufzend machte er sich auf den Weg zurück zum Haus und war fast froh, als die Tür hinter ihm zufiel und ihn vor den verachtenden Blicken schirmte. Eine dunkle Ahnung sagte ihm, dass er es hier nicht leicht haben würde Anschluss zu finden. Er ließ Sam von der Leine, hängte diese wieder an den Kleiderhaken, den Gordon anscheinend schon angebracht hatte und ging durch den kurzen Flur zur Küche. »Bin wieder da.« »Ah, Tom. Wie schön und wie war der Ausflug?« Er zuckte die Achseln, gab aber keine direkte Antwort darauf. Irgendwie konnte er seiner Mutter die Abneigung, die bereits jetzt in ihm wuchs, nicht zeigen… sie hatte sich so auf den Neuanfang gefreut. Nach dem Abendbrot, welches stiller als sonst abgelaufen war, hatte er sich in sein neues Zimmer verkrümelt. Das leere Zimmer ödete ihn schon jetzt an… Für heute musste er auf einer Luftmatratze schlafen. Doch das störte ihn eigentlich weniger… Eher der Gedanke, dass er morgen in die neue Schule gehen würde, machte ihn nervös. Eigentlich war ihm regelrecht schlecht vor Angst… wobei er sich eher die Zunge abbeißen würde, als das zuzugeben. Um sich abzulenken, klappte er seinen Laptop auf und meldete sich bei MSN an. Er brauchte nur einen Blick um zu sehen, dass der Mensch der ihn jetzt am meisten helfen konnte online war. Er startete die Videochat anfrage und schon Augenblicke später sah er sich seinem besten Freund gegenüber. Dieser grinste breit. »Ey, Trümper. Ich dachte ich hätte mal Ruhe vor dir, hast du etwa schon Sehnsucht?« Tom lächelte schief. »Hey, Georg.« Der Angesprochene zog die Augenbrauen zusammen, als er die Stimmung seines Freundes wahrnahm. »Was ist passiert?« »Nichts… eigentlich… es ist nur… ich bin auf ein Dorf gezogen.« seufzte der Blonde und fuhr sich übers Gesicht. »Scheiße, ich bin nicht mal einen Tag hier und mir is schon langweilig, alter. Wie soll das denn weitergehen?« »Lass es doch erst Mal auf dich zukommen. Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm.« »Du hast gut Reden, Junge. Du sitzt ja auch nicht hier fest!« Sein Braunhaariger Freund lachte auf. »Recht hast du. Aber sei mal unbesorgt, wäre ja gelacht, wenn du das nicht hinbekommen würdest. Du bist immerhin Tom!« Im Endeffekt war er froh, dass er mit Georg gesprochen hatte. Er hatte durch seinen besten Freund etwas von seiner Selbstsicherheit wiedererlangt und war fast zu der Meinung gekommen, dass es morgen in der Schule gar nicht so schlimm sein konnte. Er würde es irgendwie schaffen. Das Gespräch mit Georg und Gustav, der WG – Mitbewohner seines Freundes, der später noch zum Chat dazu gestoßen war, hatte echt gut getan. Fast fühlte er sich wieder gut. Völlig ermüdet vom Tag machte er den Rechner aus und krabbelte er auf seine Luftmatratze nachdem er sich seiner Klamotten entledigt hatte. Gerade als er die Augen schloss und versuchte die Gedanken an morgen zu verdrängen, hörte er das leise Winseln vor seiner Tür. Unwillkürlich musste er lächeln. »Na komm schon rein…« sagte er halblaut und kurz darauf hörte er wie die Tür aufging und dann klackerten die Krallen seines Hundes über das Parkett. Nur Sekunden später ließ Sam sich mit einen Seufzen neben ihn nieder und schmiegte seinen Kopf an Toms Seite. Er kraulte den Mischling kurz hinter dem Ohr und drehte sich schließlich zum Schlafen auf die Seite. Die Wärme des Hundes beruhigte ihn. Ihm war generell schleierhaft wie dieser seine Gefühle so einfach lesen konnte. Er war einfach immer da, wenn Tom sich nicht gut fühlte. So als wäre es für ihn etwas ganz Natürliches. Er schlief schnell ein und fiel in einen traumlosen Schlaf. Seit langer Zeit schlief der Blonde wieder eine Nacht durch. Kapitel 1: vernichtend ---------------------- Als Tom am nächsten Morgen erwachte, hatte sich ein fester Knoten in seinem Magen gebildet. Schwerfällig rappelte er sich auf und tapste ins Bad um seine Morgenhygiene durchzuführen. Als er geduscht und angezogen war, ging er in die Küche. Doch beim Anblick des liebevoll angerichteten Frühstücks wurde ihm schlecht. Er würde nichts hinunter bekommen… da war er sich sicher. Also nahm er sich die Brotbüchse und steckte sie in seinen Rucksack, bevor er sich zum Gehen wandte um die Bushaltestelle noch pünktlich zu erreichen. Müde ging er zur Haustür, verabschiedete sich noch kurz von Sam und machte sich dann auf den Weg. Er hoffte nur, dass seine Mutter wegen dem verschmähten Frühstück nicht allzu enttäuscht war, sie war bestimmt ziemlich früh dafür aufgestanden. Er brauchte nur wenige Minuten zur Bushaltestelle. Also blieb ihm nichts anderes übrig als zu warten… unruhig tappte er von einen Fuß auf den Anderen. Scheiße war er nervös! Seine Haut kribbelte und sein Magen rumorte. So etwas hatte er schon lange nicht mehr empfunden. Eigentlich konnte er sich nicht erinnern sich je so gefühlt zu haben. Er fühlte sich als würde er den Weg zum Schafott bestreiten. Wenn er nur wenigstens nicht alleine wäre… Wie automatisch berührte er seine Kette unter dem übergroßen T – Shirt mit den Fingerspitzen. Immer wenn er das tat fühlte er sich ihm ein wenig näher, und gleichzeitig war es ihm, als würde ihm jemand die Luft abschnüren. Das kalte Silber lag wie beruhigend auf seiner erhitzten Haut. Irgendwann ließ er seine Hand wieder sinken und es war ihm, als wäre seine Angst kleiner geworden. Was natürlich absoluter Unsinn war… Er wartete noch weitere Minuten. Es kam Tom wie eine kleine Ewigkeit vor. Doch er war wieder etwas ruhiger geworden. Erst als er den Bus auf sich zukommen sah, bildete sich wieder dieser dicke Kloß in seinem Hals. Oh Himmel…, das dürfte jetzt schwieriger werden, als alles was er bisher gemacht hatte. Mit zitternden Knien stieg er ein und würgte ein ´Guten Morgen´ hervor, als er am Fahrer vorbei ging. Und plötzlich fühlte er sich wie in diesen Träumen wo man ohne Hosen vor der Klasse erschien. Alle Augen richteten sich auf ihn. Sie starrten ihn an. Tapfer versuchte er weiterzugehen. Er würde sich einfach normal benehmen. Vielleicht würde dann alles halb so schlimm. »Was ist das denn für Einer?« »Hat seine Klamotten wohl aus der Kleidertonne…« »Und ne linke Sau isser auch, schau mal die Schnürsenkel!« »Und die Haare, ey. Wischmoppstyle würde ich sagen.« Tom presste fest die Lippen zusammen und ließ sich auf den hintersten Platz im Bus fallen. Sein Herz schlug heftig gegen seine Rippen, während der Bus anfuhr und ihn in Richtung Schule brachte. Jede Hoffnung, dass der erste Tag gar nicht so schlimm war, war gerade gestorben. Dieser Tag würde schlimm werden. Das wusste er nun wo er neben einem Mädchen mit dicker Brille und einem Jungen mit viel Akne im Gesicht saß, die sonst eher nicht zu seiner unmittelbaren Umgebung gehörten. Doch daran schien er sich gewöhnen zu müssen… Mit seiner Heimatstadt, seinen Freunden, seinen Bekannten und seiner gewohnten Umgebung, hatte er auch seine Beliebtheit in Hannover zurückgelassen. Ade… Schlimmer geht immer… Wer auch immer das gesagt hatte, war ein sehr schlauer Mensch gewesen. Sein Tag entwickelte sich jedenfalls zur Hölle schlechthin. Die Schüler ignorierten ihn vollkommen und tuschelten hinter seinem Rücken aufgeregt miteinander und die Lehrer musterten ihn verachtend und weigerten sich ihn im Unterricht sprechen zu lassen. Am Sport durfte er Aufgrund seines Piercings, das er nicht rausnehmen wollte, und der weiten Klamotten nicht mitmachen und auch ansonsten lief nichts wie es sollte. Tom fühlte sich seltsam ausgeschlossen und einsam. Gefühle die er nie kennengelernt hatte und jetzt fielen sie ihn einfach von hinten an. Spontan und unerwartet. Und es tat weh… Trotzdem ließ er sich nichts anmerken. Das ließ sein Stolz einfach nicht zu. Er setzte sich in den Pausen in eine stille Ecke, grenzte sich im Unterricht ab und war stiller als sonst. Alle seiner Freunde hätten ihn wohl gefragt ob er krank war… Aber die waren natürlich nicht hier. Absolut niemand war hier bei ihm. Er war alleine. Der Tag wurde immer mehr zu seiner persönlichen Hölle und er ertrug es notgedrungen. Doch bei dem Gedanken, dass es jetzt jeden Tag so gehen würde, wurde ihm schon wieder schlecht. Wie sollte er das je aushalten? Innerhalb von einem Tag wurde Tom auf der neuen Schule zum Antichrist. Er galt als Großstadtgör, Freak, arrogant und dauerschlechtgelaunt. Letzteres war er tatsächlich, aber eigentlich nur, weil er immer noch nicht mit seiner neuen Position unter den Schülern klarkam. Je schlechter seine Mitschüler ihn behandelten, desto mehr vermisste er seine alte Schule. Seine Freunde und vor allem seine Stadt. Dort wo nicht jeder, jeden kannte… dort wo es Privatsphäre gibt. Er war noch nie so unbeliebt gewesen. Wäre es wohl auch nicht, wenn ihm die Anderen eine Chance geben würden Fuß zu fassen. Aber hier waren alle Vorurteile stärker. So ertrug er alle Gemeinheiten. Jedes Schimpfwort, jeden Streich… einfach alles, mit so viel Würde wie es ihm möglich war. Er sagte nichts als sie seine Tasche aus dem dritten Stock warfen, er sagte nichts als er in der Mittagspause mit Essensresten beworfen wurde, er sagte nichts als er die unzähligen Spekulationen über seine Herkunft über sich ergehen lassen musste. Und dann kurz vor Schulschluss reichte es. Es waren nur ein paar unbedachte Worte gewesen, aber das reichte um sein Fass zum Überlaufen zu bringen. Und es quoll eine richtige Sintflut daraus hervor. »Wenn der einen Bruder hätte würde er sich sicher unendlich für diesen Wischmopp schämen« hatte der Anführer der coolsten Clique seiner Klasse, gesagt. Nicht ahnend, was er damit lostrat. ** Tommy… lass mich nicht alleine. Nein, niemals. Also bleiben wir immer zusammen? Natürlich. Versprichst du es? Ja das tue ich. Dann sind wir Beide von heute an nie mehr alleine… ** Die Erinnerungen brachen einfach über ihn hinein und ehe er sich versah, war er bei diesem Hans oder wie der hieß gewesen und hatte ihm seine Faust ins Gesicht gerammt. Im Nachhinein hätte er nicht einmal mehr sagen können, wie er so schnell vor den Idioten gekommen war. Was er wusste war allerdings, dass er ihn übel erwischt hatte. Und ehe Tom überhaupt wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, befand er sich in einer ausgewachsenen Prügelei mit dieser ach so coolen Gruppe. Er steckte einiges ein, doch er teilte genauso sehr wieder aus. Alles an negativen Gefühlen, was sich im Laufe des Tages angesammelt hatte, brach aus ihm heraus. Er mutierte zum Berserker ohne es zu merken. Blinde Wut tobte in seinen Inneren. Nur am Rande bekam er mit wie immer mehr der Anderen die Flucht ergriffen. Anscheinend bekamen sie langsam Angst vor den Großstadtfreak… Gut so! Gerade als er dem Letzten der Clique hinterhersetzen wollte, wurde er am Handgelenk festgehalten. »Woha. Mach mal ruhig, Neuer.« hörte er deutlich eine weibliche Stimme hinter sich. Tom wirbelte herum und blitzte die Person an, die ihn gerade davon abgehalten hatte, diesen Idioten eine weitere Lektion zu erteilen und … und sich wahrscheinlich gleich den ersten Schulverweis zu holen. »Fahr mal ein Gang runter, ey. Was ist denn mit dir?« Vor ihm stand ein Mädchen, dass ungefähr gleichgroß war, schwarze, schulterlange Haare hatte, die mit auffälligen blauen und pinken Haarverlängerungen verziert waren. Auf ihrer Nase saß eine große Sonnenbrille, die beinah ihr komplettes Gesicht verdeckte. Sie trug eine Lederjacke und an sich sehr ausgefallene, enge Klamotten. Überhaupt war sie hier das Auffälligste was er heute gesehen hatte. Er starrte sie an. »Hallo? Hast du deine Zunge verschluckt oder so?« wollte sie nun wissen und schob ihre Sonnenbrille elegant hinauf in die Haare. Plötzlich sahen ihm die faszinierendsten blau – graue Augen entgegen, die er seit langem gesehen hatte. »Ich… wo kommst du denn her?« brachte er perplex heraus. Wie konnte er so jemanden wie sie bis jetzt übersehen haben?! »Wo ich herkomme? Aus meiner Klasse… du bist doch der neue aus der Parallel oder?« Tom nickte nur. Es war unfassbar. Er war sich sicher, dass sie auch nicht vom Dorf kam. »Hey, schön dich kennenzulernen. Ich bin Jenny.« »Tom.« sagte er und griff mechanisch nach der ihm dargebotenen Hand. »Die haben dir ganz schön übel mitgespielt, hm? Du blutest ja…« Wieder nickte er nur. »Mach dir nichts draus… an alles Neue was unbekannt ist, müssen sie sich erst Mal gewöhnen. Ignorier das einfach. War bei mir und meinen Schwestern nicht anders.« »Hab ich bemerkt.« murmelte er und sammelte seinen Rucksack wieder ein, den er beim Angriff auf den Boden geworfen hatte. Jenny grinste. »Die Wunde da an deinen Kopf müsste auch versorgt werden und dann… - Magst du mit mir ne Kaffee trinken? Du scheinst cool zu sein.« »Klar.« Sie grinste breiter und gemeinsam gingen sie zuerst zu einem Lehrer, der ihnen skeptisch die Utensilien gab um die Wunde des Blonden zu versorgen. Und nachdem das vollbracht war, gingen sie runter in den Essensaals der Schule und zogen sich am Getränkeautomaten einen Kaffee, ehe sie sich hinsetzten und diesen gemeinsam tranken, ehe die letzte Stunde begann. So kam es das Tom Jenny kennenlernte. Sie war eine von Drillingen, wie er erfuhr und kam ursprünglich aus Berlin. Sie waren mit ihrer Mutter hierher gezogen um sich von der Großstadt zu erholen, wie sie es nannte und waren bereits ein halbes Jahr hier in Loitsche zu Hause. Wenn man der Schwarzhaarigen glauben konnte, ging der Anfangsstress vorbei. Irgendwann gewöhnten sich die Leute an alles, hatte sie gesagt und dabei gelacht. Jennys Schwestern gingen nicht an ihre Schule sondern holten ihre kleinere Schwester immer von der Schule ab und begleiteten sie nach Hause. Sie waren beide in einer Schule in Magdeburg… Es war merkwürdig, als er sie das erste Mal zu dritt erlebt hatte… sie sahen völlig identisch aus. Alle hatten schwarze Haare mit Verlängerungen in den gleichen Farben und trugen diese engen Lederklamotten die sie mit schrillen Accessouris verfeinerten. Und alle drei hatten diese großen, blau – grauen Augen. Eigentlich konnte man sie für Klone halten. Tom hatte sie nur angestarrt und die Drei hatten synchron angefangen zu lachen, was irgendwie noch beängstigender gewirkt hatte. Aber langsam gewöhnte er sich an den Anblick und die Tatsache, dass es Jenny quasi dreimal gab. Eigentlich unterschieden sich nur ihre Stimmen minimal voneinander und das war wirklich nicht viel. Es war verflixt schwer sie auseinander zu halten, doch irgendwie störte ihn das nicht. Nach einigen Tagen hatte sich Tom ihnen einfach angeschlossen… und er genoss das Gefühl nicht mehr allein sein zu müssen. So etwas wollte er nie mehr fühlen! Er verstand sich gut mit den Dreien und genoss jede Minute mit ihnen. Sie waren in dem grauen Dorfleben seltsam erfrischend und farbenfroh. Die erste Woche verging. Es wurde nicht besser, aber auch nicht unbedingt schlimmer. Damit konnte der Dreadhead leben. Seit der Prügelei waren die Meisten seiner Mitschüler in seiner Gegenwart relativ kleinlaut, dass hieß aber nicht, das sie nicht mehr redeten. Jenny war ihm in den Pausen eine große Stütze und hörte immer zu, wenn er wieder einmal über seine Mitschüler oder die Lehrer klagen wollte. Natürlich galt das auch andersherum. Tom hätte nie gedacht, dass ausgerechnet ein Mädchen mal sein erster Ansprechpartner sein würde. Er hatte noch nie eine beste Freundin gehabt… Aber für alles gab es ein erstes Mal. Und wenn er ehrlich war, war Jenny nicht ansatzweise so weiblich wie sie aussah… Sie trank mehr Bier auf Ex als Gustav das jemals geschafft hätte (an Tom und Georg kam so schnell keiner ran), fluchte exzellent, hatte ein wirklich loses Mundwerk und schien in ihrer schmalen Figur Muskeln wie Drahtseile zu verstecken. Außerdem war sie gnadenlos ehrlich und direkt. Tom erinnerte sich noch genau an den Tag, an den zwei Kerle aus seiner Klasse versucht hatten sie aufzuziehen, weil sie ständig mit ihm rum hang. Jenny hatte nur gelacht und ihnen den Stinkefinger gezeigt… als die Beiden daraufhin echt wütend geworden sind und auf sie losgingen, hatte sie Tom kopfschüttelnd zurückgehalten, ihre Sonnenbrille abgelegt und die Beiden mit zwei Griffen einfach zu Boden geworfen. Tom selber war wie erstarrt gewesen, aber die Worte, die die Schwarzhaarige so kalt ausgesprochen hatte, würde er so schnell nicht wieder vergessen. Sie hatte sich über die Beiden gebeugt und gezischt: »Ihr haltet euch für Götter, oder? Dabei seid ihr nur kleine Mücken, die sogar ne Großstadtfrau auf die Bretter schicken kann. Also haltet eure Kauleisten und lasst uns in Ruhe.« Damit war sie gegangen und hatte den Blonden einfach hinter sich her gezogen. Und ab da an fiel es ihm nicht mehr schwer sie als seine beste Freundin zu bezeichnen. Jenny war absolut taff und entsprach irgendwie nicht dem klischeehaften Bild einer Frau. Später hatte sie ihm erklärt, dass sie Selbstverteidigungsunterricht genommen hatte, weil sie in Berlins Straßen einfach hatte auf sich alleine aufpassen müssen. Außerdem hatte sie zwei Jahre Kickboxen gemacht und nebenbei Karate angefangen. Tom fand, dass das logisch klang und war beeindruckt. Außerdem meinte sie, dass man den Leuten hier ab und an ruhig eine Lektion erteilen musste; man durfte einfach nicht zu viel über sich ergehen lassen, sonst würden sie es ausnutzen... Auch darin stimmten ihre Meinungen überein. Sie hatten sich von Anfang an gut verstanden, doch erst ab da an waren sie richtig gute Freunde geworden. Mit jedem Tag mehr… Als die zweite Woche an ihm vorbeizog, war er vom tristen Alltag hier fast erschlagen. Alles war hier gleich; jeden Tag aufs Neue. Hier gab es nichts zu erleben und nichts zu tun. Tom ertrank in seiner Routine. Immer wieder versuchte er auszubrechen, doch in diesem Dorf gab es nicht viel zu unternehmen. Und nach Magdeburg konnte er auch nicht jeden Abend. Er begann sich zu langweilen, da konnte auch Jenny nicht wirklich helfen, auch wenn sie sich sichtlich Mühe gab. Auch Georg und Gustav hatten nicht immer Zeit. Sam war die einzige noch bestehende Konstante… er schaffte es immer ihn aufzumuntern, wenn er wieder überlegte ob er sich erst im nahegelegen kleinen See ertränken musste, damit etwas geschah. Wenn er sich nicht gerade mit seinem Hund beschäftigte, spielte er Gitarre und arbeitete an seinen Liedern. Das war ein Hobby, das er sich schon über Jahre erhalten hatte. In Hannover hatte er mit seinen beiden Freunden in einer Band gespielt, aber als ihr Sänger abgesprungen war, hatte sich das auch im Sande verlaufen. Nach Tobis Tod jedoch, hatte er wieder mehr gespielt und auch ein paar eigene Lieder verfasst. An diesen arbeitete er, doch er sah bald ein, dass das seine Stimmung auch nicht wirklich besser machte. Eher erinnerte es ihn immer mehr an den Verlust und das tat sehr weh… Trotzdem zog ihn sein Instrument immer mehr magisch an. Die Schule war nicht besser. Auch dort wiederholte sich alles… Tom wollte bereits aufgeben, sich damit abfinden das er sich hier wahrscheinlich irgendwann zu Tode langweilen würde, da sah er ihn … Er saß gerade, wie jede Mittagspause, mit Jenny in der Cafeteria und sie beredeten irgendetwas Unwichtiges. Er saß wie immer mit dem Gesicht zur Tür, das war so etwas wie sein Stammplatz geworden. Und je ging die Tür auf und ein Junge kam herein und zog sofort alle Blicke auf sich. Der Blonde konnte nicht anders als ihn anstarren. »Wer ist das?« fragte er Jenny ohne weiter darüber nachzudenken. »Wen meinst du?« »Ihn.« meinte er und deutete so unauffällig wie möglich auf den Neuankömmling. »Oh, das. Das ist Bill Kaulitz.« antwortete Jenny und winkte eben benannten zu. Bill sah sie an und hob kurz die Hand. Danach wand er sich dem Automaten zu. Tom fragte sich gerade wie er ihn nicht hatte bemerken können… er war nun wirklich alles andere als unauffällig. »Ist er in deiner Klasse?« »Ja. Aber er kommt nicht oft zum Unterricht.« »Aha?« »Hm… wie du dir sicher denken kannst, hat er es hier alles andere als leicht, außerdem …- hey! Setzt dich doch zu uns, Bill!« rief sie, ihren vorherigen Satz einfach unterbrechend. Er sah auf, als der Angesprochene an ihren Tisch erschien und sich einen dritten Stuhl näher zog. »Hi, schön, dass du auch mal wieder im Lande bist… grade erst angekommen?« Der Andere nickte nur und lächelte schief. »Na ja, viel hast du nicht verpasst. Das ist übrigens Tom… er ist vor zwei Wochen neu hierhergezogen. Tom das ist Bill.« stellte sie die Beiden einander vor. »Hallo, freut mich dich kennenzulernen.« sagte der Dreadhead und hielt ihm die Hand hin. Das war nicht mal eine Floskel. Er freute sich wirklich; irgendwie faszinierte ihn der Andere sehr. Seine Hand wurde ergriffen und ihm wurde ein schüchterner Blick geschenkt. Eine Antwort allerdings blieb aus. So unauffällig wie möglich musterte Tom den Neuankömmling genauer, während er seinen Kaffee trank. Er trug ausschließlich schwarz, enge Röhrenjeans, ein Sweatshirt mit Nieten an den Schultern und Ärmeln bis zu den Fingerspitzen und schwere Stiefel. Viele Ketten verzierten seinen Hals und genauso viele Armbänder sein Handgelenk und… wenn er das richtig sah… trug er auch Ringe. Seine schulterlangen, schwarzen Haare waren mit weißen Strähnchen verziert und perfekt gestylt. Das auffälligste an ihm waren jedoch seine dunkel geschminkten Augen, die ebenso dunkel waren. Wahrscheinlich wirkte das durch die schwarze Schminke so, eigentlich waren die Augen hellbraun… zur Iris hin wurden sie immer tiefer braun… Unglaublich. Dieser Bill war all das, was er niemals in diesem Dorf erwartet hätte. Er blieb stumm und beobachtete die einseitige Unterhaltung von Jenny, die fast die ganze Zeit redete. Bill antwortete meist mit Kopfschütteln oder Nicken, nur manchmal fuchtelte er für den Blonden undeutlich mit den Fingern herum. Die Schwarzhaarige schien ihn jedoch genau zu verstehen. Irgendwann stand er auf. Er machte wieder schnell aufeinanderfolgende Handzeichen und wand sich dann ab. »Okay. Geh schon Mal vor, bis gleich.« Damit verschwand er genauso schnell wie er gekommen war. Tom konnte nicht anders als ihn hinterher sehen. Er stellte fest, dass sich Bill elegant wie eine schwarze Katze bewegte. Alles an ihm wirkte eher feminin… überhaupt nicht männlich. Hatte er überhaupt ein einziges Wort geredet, als er hier saß? »Hallo…? Hey! Erde an Tom!« meinte Jenny und fuchtelte mit ihrer Hand vor seinem Gesicht herum. Auf ihren Lippen lag ein fettes Grinsen. »Ich sehe schon… Bill hat dich voll in seinen Bann gezogen.« »Hm…« machte Tom nur einsilbig. »Was ich vorhin eigentlich sagen wollte. – du hast es sicher schon mit bekommen. – Bill redet nicht. Nie.« sprach die Schwarzhaarige einfach weiter. Der Blonde versuchte diese Information zu fassen. Das ergab Sinn… Ob das, für ihn sinnlose, Gefuchtel dann Gebärden gewesen waren? Er hatte mal von Gebärdensprache gelesen… aber live gesehen, hatte er so etwas noch nie. »Ist er stumm?« fragte er. »Hm… nein. Er hat eine Stimme. Er summt manchmal und redet, denke ich auch das nötigste mit seiner Mutter. Aber gegenüber allen anderen ist er verstummt. Wenn man den Erzählungen hier glauben darf ist wohl irgendetwas Schreckliches vorgefallen… seit da an redet er nicht mehr. Das muss vor etwa zwei Jahren gewesen sein.« Tom nickte. Er versuchte alles Gesagte zu verarbeiten. Was brachte einen Menschen dazu so lange nicht mehr zu sprechen? Egal was es war… es musste sehr schlimm sein, oder? »Stammt er von hier?« »Ja, soweit ich weiß ist er hier aufgewachsen.« »Das hätte ich nicht gedacht…« »Mhm, wegen dem Stil? Sicherlich ist er ausgefallen, aber ich denke das will er auch irgendwo. Auffallen. Aber hier fährt er damit nicht gut… er hat es wirklich nicht leicht.« Tom nickte. Das glaubte er ihr aufs Wort. »Komm, wir müssen los.« »Ja. Okay.« Auf die letzten Stunden konnte sich der Blonde so gut wie gar nicht konzentrieren. Bill spukte durch seinen Kopf. Er hatte tausend Fragen. Zum ersten Mal in seinen Leben war er vom ersten Augenblick an, an einer Person interessiert, die er noch nie zuvor gesehen hatte. In den kleinen Pausen ging er nicht raus, sondern blieb an seinen Tisch sitzen und grübelte. Er war sich unsicher wie er mit dem Anderen umgehen sollte, wenn er nun bei Jenny mit stand. Sie schienen sich ja gut zu verstehen, aber er verstand Bill nicht. Was sollte er also tun? Eigentlich konnte es ihm ja egal sein… schließlich kannte er ihn ja gar nicht. Doch aus irgendeinem Grund war es Tom nicht egal was der Schwarzhaarige dachte. Irgendwie hatte er die leise Ahnung, dass dieser schon genug zu kämpfen hatte. Und so reifte der Entschluss in ihm, Bill einfach so zu behandeln wie jeden anderen auch. Er selbst würde das sicher auch wollen, wären die Rollen vertauscht gewesen. Auch wenn es schwer werden dürfte. Er war einfach kein Gefühlsmensch… noch nie gewesen. Empathie existierte bei ihm nur in ganz geringen Maßen. Es gab sie, aber eben nicht in Massen. Damit mussten alle leben, auch wenn es nicht allen passte. Es war nun einmal schwierig sich in andere Menschen hinein zu versetzten, da konnte man ihm erzählen was man wollte… dazu musste man geboren sein, fand Tom. Und das war er definitiv nicht. Also würde die Kommunikation mit Bill ihn wohl vor ein größeres Problem stellen. Doch es nutzte nichts sich Gedanken darüber zu machen, wenn es noch gar nicht so weit war. Er würde es einfach auf sich zukommen lassen. Irgendwie würde er das schon richten. Wenn er seine Neugier stillen wollte, blieb ihm auch keine andere Wahl, als das. Es ging bestimmt irgendwie… Damit versuchte er seine Gedanken zu verdrängen um wenigstens noch die letzte Stunde ein wenig von dem Stoff in seinen Kopf zu bekommen. Es nutzte nichts, wenn er sich hier unnötiges Kopfzerbrechen bereitete. Er wand sich wieder den Unterricht zu. Aber er erwischte sich immer wieder dabei, wie seine Gedanken abglitten. Fast zwanghaft musste er der Lehrerin zuhören, die irgendetwas über den zweiten Weltkrieg redete. Es wurde wirklich langsam Zeit, das die Stunde zu Ende ging… Er wollte nach Hause. Als die letzte Stunde verstrichen war und die Lehrerin das Signal zum Einpacken gab, stopfte er schnell seine Sachen in den Rucksack und machte sich auf den Weg nach draußen. Vor der Schule wartete er am Hoftor auf Jenny. Diese kam auch Minuten später, im Schlepptau Bill. Als die Beiden bei ihm ankamen, setzte er sich ein Grinsen auf die Lippen. Sein Entschluss stand fest… er würde auf jeden Fall versuchen ihn so normal wie möglich zu behandeln. »Na, alles gut überstanden?« »Joha… du?« »Auch…« »Wo warst du in der kleinen Pause?« »Drinnen.« antwortete Tom. »Ich brauchte mal Zeit um meine Gedanken zu sortieren.« Jenny nickte nur. »Gehen wir dann?« »Hm… kommen deine Schwestern heut gar nicht.« »Ne, die haben noch Unterricht. Irgend son wichtiger Tag heute.« »Aha.« Die Drei setzten sich in Bewegung und liefen die Straße hinunter. Immer wieder spürte Tom schüchterne Blicke auf sich ruhen, doch wenn er hochschaute, schaute Bill wieder weg. Dieses Spiel spielte er dreimal mit, danach wurde es ihm doch etwas zu kindisch. »Sag mal, wo wohnst du eigentlich?« fragte er den Schwarzhaarigen direkt. »Wenn es auf den Weg liegt, können wir dich ja noch bringen.« Der Angesprochene sah überrascht zu ihm auf, dann biss er sich auf seine volle Unterlippe und senkte die Augen wieder. Ein paar Augenblicke herrschte Stille, bevor er Jenny hilfesuchend ansah. »Er wohnt nicht weit von mir weg… wir sind quasi Nachbarn.« »Okay. Dann bring ich euch…« »Super.« Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Er hätte auch nicht gewusst was er noch hätte sagen können, beim besten Willen nicht. Trotzdem spürte er die scheuen Blicke auf sich ruhen. Sie hielten nie lange an, kamen jedoch immer wieder. Eine Viertelstunde später kam er zuhause an. Zuerst hatte er Bill und dann Jenny nach Hause begleitete. »Bin wieder da!« »Das ist aber schön. Wie war dein Tag?« »Ganz gut, eigentlich.« »Hast du Hunger?« »Ein wenig…« »Dann setz dich doch zu mir, ja? Und erzähl mir ein bisschen was…« Tom seufzte. Aber diesen Gefallen konnte er seiner Mutter einfach nicht abschlagen. Eigentlich erwischte er sich seit dem Unfall öfter dabei, dass er mehr versuchte ihr alles Recht zu machen als sonst. Er wollte sie einfach nicht noch mehr verletzen. Also setzte er sich zu ihr an den Tisch, aß etwas von dem Nudelauflauf und erzählte von der Schule. Als er seinen Teller in den Spüler gestellt hatte, verabschiedete er sich und ging auf sein Zimmer. Seit die Möbel eingetroffen waren, sah es hier schon wohnlicher aus. Nichts desto trotz fühlte er sich hier einfach nicht so wohl wie in seinem alten Zimmer. Da war die Einrichtung egal… Er schmiss den Rucksack in die Ecke und sich selber auf die Couch. Dann griff er nach seiner Gitarre. Bei den ganzen Grübeleien heute, war ihm eine neue Melodienidee gekommen. Der Blonde stimmte das Instrument nach Gehör und begann dann darauf zu spielen. Er versuchte viel herum, verwarf Griffe und prägte sich die guten ein. Stellte Akkorde um, bis ihm die Reihenfolge gefiel… Irgendwie war die Melodie, die er da spielte ziemlich tragisch. Aber irgendwie fühlte er sich so… mitgerissen von der Geschichte die er heute gehört hatte und die er so gerne noch näher ergründen wollte. Was brachte einen Menschen dazu zu verstummen? Diese Frage interessierte ihn schon sehr. Er war neugierig; ohne Frage. Immer weiter baute er sein Spiel aus und versuchte sich die Griffe einzuprägen. Nur am Rande bekam er mit wie Sam in sein Zimmer getapst kam und sich zu seinen Füßen niederließ. Während er spielte, ruhte sein Hund auf seinen Zehen und schien zu lauschen. Der Melodie die von Einsamkeit und Trauer zu erzählen schien… Vor dem zu Bett gehen, spielte er dieses Lied noch einmal. Versuchte sich die Griffe einzuprägen, bis ihm die Augen zufallen wollten. Erst dann stellte er die Gitarre zur Seite und legte er sich ins Bett. Als er das leise Fiepen hörte, rutschte er näher zur Wand und ließ es zu, dass Sam zu ihm aufs Bett sprang. Irgendwie hatte er sich so an die Nähe seines Hundes gewöhnt, dass er gar nicht mehr so streng sein konnte, wie er es gerne wollte. Sam vergrub seine Schnauze zwischen Toms Arm und seiner Seite und gab ein zufriedenes Geräusch von sich, ehe er die Augen schloss. Er tat es dem Tier gleich und driftete auch fast augenblicklich in einen unruhigen Schlaf ab. In dieser Nacht kehrten die Träume wieder. Eine Endlosschleife unruhiger Bilder von Tobi, dem Unfall und Bill. Unlogische Szenerie und Horrorszenarien. Und im Hintergrund erklang leise diese tragische Melodie, welche er heute zum Leben erweckt hatte… __ Nachwort: Ich bin begeistert das meine Blitzidee so gut bei euch Lesern anzukommen scheint. Ich danke noch mal den Kommischreibern und freue mich natürlich weiterhin über eure Meinungen. Damit ihr eine Ahnung habt was Tom sich da Schönes zusammenklimpert ist hier ein Link für euch. Dieses Lied ist einfach unvergesslich toll, finde ich.^^ http://www.youtube.com/watch?v=LCyhW7kU1Lk Kapitel 2: schweigend --------------------- Herzlich Willkommen zu einem neuen Kapitel meiner Geschichte.^^ Ich möchte euch hier noch den Link zum Lied geben. Dieses ist nämlich nicht mein geistiges Eigentum und gehört der tollen Band Samsas Traum… ich leih es mir nur für diesen Zweck, da es so wundervoll ist. Leider habe ich es nicht als komplett Version im Internet gefunden, da es ein ziemlich langes Vorspiel hat._. Ich kann euch also daher leider nur diesen Link geben: http://www.musicline.de/de/player_flash/4260063943218/0/10/50/product. Wen das Bild dazu interessiert, dass Tom gemalt hat… das findet ihr hier. http://www.pinkhatmedia.com/gallery/main.php?g2_view=core.DownloadItem&g2_itemId=902&g2_serialNumber=5 Und jetzt wünsche ich viel Spaß beim Kapitel… _____ Die nächste Woche vergingen trotz der Routine, die sich einmal eingeschlichen hatte, sehr rasch. Aber der schwarzhaarige, stumme Junge ging Tom nicht mehr aus dem Kopf. Immer wieder erwischte er sich dabei, wie er über den Grund grübelte. Sich immer wieder die gleichen Fragen stellte. Er war neugierig. Auf die Geschichte und Vergangenheit, doch auch auf Bills Persönlichkeit. Auf sein Wesen… auf seine Stimme. Erst wenn ein Mensch nicht mehr redet, stellt man fest, wie viel die Sprache unter Menschen ausmacht. Welchen hohen Stellenwert sie besitzt und wie sehr sich die Menschen, im Umgang miteinander, auf sie verlassen… All das erkannte Tom, als er mit Bill zu tun bekam. Es waren oft nur flüchtige Begegnungen in der Pause oder nach dem Unterricht. Aber er merkte schnell, dass, wenn er alleine mit dem Anderen war und Jenny nicht seinen Dolmetsche spielen konnte, die Kommunikation mehr als eingeschränkt war. Sie existierte eigentlich gar nicht... Und das lag nicht nur daran das Tom nicht wusste was er sagen sollte (er kam sich einfach blöd bei solche Selbstgespräche vor), sondern auch an Bill. Wenn man mal davon absah, dass er den Schwarzhaarigen eh nicht verstanden hätte, wenn er antworten wollen würde… daran lag es nicht. Bill ignorierte ihn einfach. Es war als würde er ihn zwar an Jennys Seite akzeptieren, doch es fand keinerlei Umgang statt. Er hielt keinen Augenkontakt, reagierte nicht auf Ansprache oder ähnliche Bemühungen und schien ihn eigentlich gar nicht wahrzunehmen. Das einzige Indiz, dass er ihn doch bemerkte, waren die verstohlenen Blicke, die er dem Blonden immer zuwarf, wenn er dachte, Tom würde dies nicht merken. Dieser schob dieses Verhalten einfach auf seine Vergangenheit. Wenn Bill wirklich so etwas Schreckliches erlebt hatte – was auch immer das war - war es dann nicht normal, dass er so auf Fremde reagierte? Mit diesem Gedanken jedenfalls beruhigte er sich immer wieder. Und er gab nicht auf. Wusste der Geier was er an diesem Kerl gefressen hatte, er wusste es nicht. Das einzige was er wusste war, dass Bill ihn sehr interessierte… er würde gerne mal seine Stimme hören. Wenn man eine Stimme hatte, musste man doch irgendwann sprechen, oder? Irgendwann rutschte einem doch ein Wort raus, wenn man sprechen konnte…! So viel zur Theorie. Er wollte den Anderen sprechen hören. Ihn interessiere es sehr, wie Bill klang. Wo doch schon sein ganzes Erscheinungsbild androgyn und irgendwie modellmäßig war. Nie hätte er gedacht, dass er in diesem Kaff so Jemanden treffen würde… So verging ein Monat. Und eigentlich war der Blonde immer noch genauso weit wie am Anfang. Es schien kein herankommen an diesen stummen Jungen zu geben. Als er darüber einmal mit Jenny geredet hatte, hatte sie ihm gesagt, dass sie fast das ganze halbes Jahr, das sie schon hier war, gebraucht hatte, bis er mit ihr kommuniziert hat und ihr soweit vertraute das er mit ihr Augenkontakt halten und mehrere Stunden alleine mit ihr sein konnte. Das war keine gute Nachricht für Tom. Er war noch nie sehr geduldig gewesen… Aber er wollte nicht aufgeben. Warum auch immer, Bill hatte es ihm angetan. Er wollte, dass er ihm vertraute. Deswegen würde er nicht aufgeben. Die Faszination die der Schwarzhaarige auf andere hatte lag nicht nur an seinem Äußeren sondern auch an dieser gewissen Tragik die er ausstrahlte. Da war er sich sicher. Und wie sich herausstellte, zahlte sich seine Geduld früher aus als er gedacht hatte. Er bekam die Chance hinter die Fassade vorzudringen… früher als er es selbst gehofft hätte. Ob das nun gut oder schlecht war, lag im Auge des Betrachters. Es war an einem verregneten, unspektakulären Tag… Mit andren Worten überhaupt nicht sein Tag. Er fühlte sich schon seit dem Morgen so merkwürdig melancholisch ohne genau zu wissen warum. Also beschloss er heute alleine mit dem Bus nach Hause zu fahren. Sonst lief er ja immer mit den Drillingen. Damit Jenny Bescheid wusste, tippte er im Gehen eine SMS an sie in sein Handy und schickte diese ab als er einstieg. Nun war er fast froh darüber, dass sie heute eine Stunde länger hatte als er. Auf Fragen und mitleidige Blicke hatte er jetzt keinen Bock. Und so stellte er den Ton seines Handys aus und wartete bis er aussteigen konnte. Heute würde er alleine sein. Als er zehn Minuten später die Haustür aufschloss wurde er von Sam begrüßt, der schwanzwedelnd um ihn herumsprang und ihn so wieder unwillkürlich zum Lächeln brachte. Dieser Hund war einfach nur dumm… Treu und unendlich traurig. Tom zog sich die Schuhe und seine Hoodie aus, ehe er sich hinkniete und den Vierbeinern zu streicheln begann. Dieser jaulte leise und leckte ihm zärtlich übers Gesicht. »Sammy, du Sau…« lachte er und befreite sich von dem übermütigen Hund. Dieser trotte ihm in die Küche hinterher und ließ sich an seinen Füßen nieder, als er begann sich Nudeln zu machen. Dort lehnte er sich gegen das Bein seines Herrchens und sah bettelnd nach oben. Der Blonde, der gerade begann die Würstchen zu schneiden sah ihn streng an. »Vergiss es.« Sam sah ihn groß an und gab einen klagenden Laut von sich. Er streckte eine Pfote aus, als wolle er nach Tom greifen. Dieser schüttelte lächelnd den Kopf. »Na fein…« sagte er und zeigte eine Faust in die Luft. Sofort warf sich der Hund hin und begann sich zuerst in eine und dann in die andere Richtung zu rollen. »Sehr gut. « lobte Tom und warf ihm ein Stück Wurst hin. Sam verspeiste es selig. Während er die Soße anrührte und die Nudeln in kochendes Wasser warf, beobachtete er aus den Augenwinkeln seinen Hund. Wenn er ehrlich war, wollte er gar nicht wissen, was dieses Tier so dachte. Schließlich hatte nicht nur Tom viel verloren, sondern auch die Anderen. Vor allem Sam… Er war Tobis Hund gewesen und war von ihm aufgezogen und geliebt worden. Natürlich hatte er ihn auch schon immer geliebt, aber er war damals einfach nicht so viel zuhause gewesen. Eigentlich war er fast nie da gewesen. Aus Angst… Sam war Tobis Hund gewesen und diesem treu ergeben. Er hätte alles für den kleinen Jungen gemacht. Fast vier Tage hatte er an seinem Sterbebett gesessen und sich nicht von seiner Seite bewegt und…- Tom verdrängte die Gedanken so schnell er konnte. Seine Kehle schnürte sich zusammen. Scheiße! Warum musste er gerade jetzt an so etwas denken?! Krampfhaft versuchte er sich wieder auf seine Tätigkeit zu konzentrieren und es klappte so einigermaßen. Er bekam langsam wieder richtig Luft. Als der Kurzzeitwecker klingelte, goss er das Wasser ab und schüttete die Nudeln in ein Sieb zum Abtropfen; ehe er sich ein paar auf den Teller machte und sie mit Soße und Wurststückchen verzierte. Er setzte sich mit dem Teller an den Küchentisch und begann zu essen. Doch wie sehr er sich auch bemühte, immer wieder wollten die Gedanken an Tobias in sein Bewusstsein vordringen. Sie versuchten es mit aller Macht. Es war anders als in der Nacht… da klopften die Erinnerungen leise an und kamen aus dem Hinterhalt getarnt als Träume und Vorstellungen. Doch am Tag brachen sie einfach über ihn herein wie ein Sturm, ausgelöst durch alle möglichen Kleinigkeiten und quälten ihn. Das Essen zum Beispiel… Wie oft hatte er es für Tobi gemacht? Und wie viele unzählige Male hatte er dabei zugesehen wie Dieser die Nudeln freudig verputzt hatte und nach fast jedem Bissen mit dem Löffel über seinen Mund fuhr? Tom ließ den Löffel fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Wann würde es endlich aufhören so wehzutun? Er tat doch schon alles. Wann wurde er endlich von diesem Schmerz befreit, der ihm die Luft raubte? Der Blonde wurde von Sam zurückgeholt, der winselnd unter dem Tisch saß und seinen Kopf an Toms Bein rieb. Er blickte zu ihm auf und für einen Moment dachte er wirklich in den Augen des Tieres auch Schmerz zu erkennen. Als wolle er sagen, dass er ihn verstehen würde. Doch das war absurd… oder? Er streckte eine Hand nach dem Rüden aus und kraulte sein Ohr. »Habe ich mich eigentlich jemals bei dir bedankt?« fragte er leise und sah wie Sams Ohren zuckten. »Dafür… das du mich damals geholt hast? Du bist nie aufgestanden außer um mich…- wenn du mich nicht geholt hättest, Sammy… wäre… er alleine ge – gestorben.« Tom spürte die Tränen auf seine Wangen, doch er konnte nichts mehr dagegen tun. Ohne es richtig zu realisieren, ließ er sich vom Stuhl auf den Boden gleiten, schlang die Arme um den stämmigen Hund und begann hemmungslos zu weinen. Sam bewegte sich nicht. Er ertrug es die ganze Zeit über ohne sich auch nur einmal gegen die Umklammerung zu wehren. Es war als wolle er ihm sagen, dass er von nun an auch immer für ihn da sein wollte. Als sich Tom wieder etwas beruhigt hatte, stand er auf und nahm seinen Teller um den Rest Nudeln zu entsorgen. Er würde keinen Bissen mehr herunterbringen. Er kippte die Nudeln in den Mülleimer und stellte den schmutzigen Teller dann in den Spüler, ehe er sich sein Glas nahm und ins Wohnzimmer übersiedelte. Seine Kehle schmerzte immer noch und seine Augen brannten unangenehm. Er hasste es zu weinen. Unelegant warf er sich auf die Couch und angelte dann nach der Fernbedienung. Irgendwie musste er sich ablenken um wieder ein wenig zu sich selbst zu finden, ehe seine Mutter nachhause kam. Er wollte nicht, dass sie seinen jetzigen Zustand mitbekam. Lustlos zappte er durch die Programme, fand aber nichts Interessantes, weswegen er einfach bei irgendeiner Talkshow hängen blieb. Irgendwann sprang Sam zu ihm aufs Sofa, streckte sich vor ihm so lang aus, wie er nun einmal war und vergrub seine Schnauze in seiner Armbeuge. Tom lächelte schwach. Wie konnte er dem Hund jetzt auch noch verbieten hier oben zu sein? Na all dem? Er verlor vor dem TV das Zeitgefühl… eigentlich starrte er nur auf die sich bewegenden Bilder ohne den Sinn dahinter zu verstehen und versuchte wieder zu seiner Stärke zu finden. Das war ihm auch fast gelungen, da klingelte es an der Tür. Was? Er setzte sich auf und schob den Hund dabei sanft von der Couch. Vielleicht seine Mutter? Aber das konnte nicht sein, sie würde nicht klingeln, wenn sie ihren Schlüssel vergessen hätte… sie würde eher am Fenster klopfen oder – Wieder ein Klingeln, dieses Mal mehrmals hintereinander. »Ist ja gut! Bin unterwegs!« brüllte Tom und machte sich auf den Weg zur Tür. Nach einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel, der im Flur hing und ihm versicherte, dass man von seinem vorherigen Ausbruch nichts mehr sah, riss er die Tür auf. Sein erster Impuls war die Tür wieder zuzuschlagen. Der Zweite eher zu schreien. Vor ihm stand Jenny und das erste Mal seit er sie kannte, sah sie hilflos und völlig verzweifelt aus. »Tom du musst ihm helfen! Bitte…« Es dauerte einige Augenblicke mehr bis Tom die ganze Katastrophe vor seiner Haustür genau erfasst hatte. Ihm blieb für einen kurzen Moment die Luft weg. Dort stand seine beste Freundin in ihrer linken Hand hielt sie eine blutige Nagelschere und an der rechten Hand hatte sie einen völlig apathischen Bill. Dem Schwarzhaarigen rann das Blut im Strömen an seinem Armen hinunter. Hinter ihm rastete Sam völlig aus und begann wie wild zu kläffen. Anscheinend roch er das Blut. Zischend atmete er aus. »Sag mal, bist du komplett bescheuert!« schrie er Bill an und packte ihn an der Schulter. Dieser zuckte erschrocken zusammen, reagierte aber sonst nicht. »Los reinkommen… und du auch!« Er zog Bill mit sich mit ins Haus und Jenny folgte ihnen wenig später. »Sam aus! Geh auf deinen Platz!« wies er den Hund streng an, der sofort aufhörte mit Bellen und dem Befehl seines Herrchens nachkam. Tom drückte den Anderen aufs Sofa und wirbelte dann zu der Schwarzhaarigen herum. »Sag mir was passiert ist! Und warum bist du nicht gleich zum Arzt mit ihm?« »Ich weiß es auch nicht genau! Ich wollte nach Hause, weil du ja schon weg warst und meine Schwestern konnten mich heute nicht abholen! Und an dem Pavillon da am Spielplatz hab ich ihn so gefunden! Er wollte mir nichts sagen und er wollte auch nicht zum Arzt. Du bist der einzige, der mir eingefallen ist, der ihm helfen würde… bitte! Er verblutet noch…!« »Quatsch. Der verblutet schon nicht so schnell.« seufzte Tom. Na großartig so hatte er sich seinen Tag heute nicht vorgestellt… eigentlich hatte er ja mal nicht an den stummen Jungen denken wollen. War wohl nichts! »Geh mal in die Küche und hol ihm ein Glas Wasser, okay? Ich seh was ich tun kann.« Jenny nickte. Sie sah ziemlich mitgenommen aus. Aber sie befolgte seine Anweisungen ohne zu wiedersprechen und verschwand in die Küche. Ein wenig kannte sie sich immerhin aus, schließlich war sie schon ein paar Mal dagewesen. Die Wasserflaschen würde sie sicher auch finden. Tom lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Jungen, der vor ihm saß. Es war das erste Mal das er Bill ohne lange Ärmel sah. Jetzt wusste er auch warum das so war. »Scheiße, Alter. Deine Arme sehen aus wie ein Kriegsgebiet.« stellte er leise fest und starrte den Anderen vor sich an. Das stimmte auch. Die Kompletten Unterarme waren voller Narbengewebe und frischen Wunden. Wenn man nicht genau hinsah konnte man die bereits verblassten Narben für gesunde Haut halten, so dicht lagen sie aneinander. Nur vereinzelt blitzte ein Stück unverletzte Haut zwischen den weißen Spuren hervor. Dann trat er einen Schritt näher, packte den Anderen am Handgelenk und besah sich die frischen Wunden. »Boha ey, Junge. Was machst du nur für Scheiße. Komm mit… wir müssen das säubern, sonst kriegst du noch ne Blutvergiftung. Ich kann mir nicht vorstellen das du die Schere vorher desinfiziert hast.« Bill bewegte sich nicht, als er an seiner Hand zog. Ungeduldig wie er nun einmal war, packte Tom ihn unter den Armen und stellte ihn einfach mit etwas mehr Kraftaufwand auf die Beine. »Zick nicht rum. Ich will dir bloß helfen.« Damit zog er ihn mit sich. Im Augenwinkel registrierte er wie die Schultern des Schwarzhaarigen nach unten sackten, doch er ließ es ohne Gegenwehr zu das er ihn mit sich zog. »Wir sind im Bad!« »Okay!« Immerhin. Er war sich sicher, dass seine Mutter Tobis Koffer noch irgendwo aufbewahrte. Wenn nicht hatte er gleich ein großes Problem. Als er mit Bill im Bad ankam, drückte er ihn auf den Toilettendeckel. »Bleib da sitzen. Wir müssen deine Arme erst einmal versorgen.«sagte er während er sich umdrehte und begann in den Schränken zu wühlen. Irgendwo hier musste er doch sein… Aber er fand nichts. Würde sie ihn im Schlafzimmer aufbewahren? Musste ja wohl so sein, wenn er ihn hier nicht fand. Der Blonde rannte ins Schlafzimmer seiner Eltern hinüber und tatsächlich… er fand den Koffer schließlich in der Kommode seiner Mutter. Komischer Ort um so etwas aufzuheben, aber darüber konnte er sich später den Kopf zerbrechen. Er ging zurück ins Bad und sah, dass Jenny inzwischen auch da war und Bill gerade das Glas reichte. Während Jenny auf dem Badwannenrand hockte, kniete er sich vor dem Schwarzhaarigen hin und stellte den Koffer neben sich ab. »Ich wird deine Wunden erst Mal reinigen und dann versorgen, okay? Wenn es wehtut melde dich einfach.« sprach er ruhig und klappte den Deckel des blauen Koffers auf. Routiniert suchte er alle Utensilien die er benötigte und begann mit der Säuberung der frischen Wunden. »Was ist das?« fragte Jenny als er die große Flasche hervorzog erstaunt. »Das ist Wundspüllösung.« antwortete er und schüttete etwas auf einen Mulltupfer, ehe er es vorsichtig auf den Arm verteilte. »Das wird die Wunden desinfizieren und verhindern das Keime eindringen können.« Dann nahm er eine Pinzette aus dem Koffer, riss ein Alupäckchen auf und förderte etwas daraus zutage, was aussah wie Mückengage. Dieses dünne Netz klebte er auf die Wunden und zupfte es mit der Pinzette so, dass es alle offenen Stellen bedeckte. »Die Wundgage ist mit Creme getränkt, die er Haut hilft sich schnell wieder zu regenerieren und sie verhindert außerdem das der Schorf an der Binde hängenbleibt und du dir die Wunden wieder aufreißt, wenn du den Verband abmachen willst.« erklärte er und nahm zum Schluss einen Verband aus dem Koffer, riss auch dort die Verpackung ab und begann mit geübten griffen den Arm zu verbinden. Die gleiche Prozedur führte er auch mit dem anderen Arm durch. »Sag mal bist du Arzt oder so was?« wollte Jenny perplex wissen und starrte ihn an wie eine Erscheinung. Tom lachte leise. »Red keinen Mist, oder denkst du echt, wenn es so wäre, würde ich freiwillig noch in die Schule gehen?« »Stimmt auch wieder.« »Sagen wir es einfach mal so,… ich habe eine Menge Erfahrungen sammeln können.« winkte er ab und sah dann zu dem Schwarzhaarigen auf. »Alles okay? Hat es sehr wehgetan?« Er bekam ein zaghaftes Nicken gefolgt von einem Kopfschütteln, was ihn zum Grinsen brachte. »Na immerhin. Du kannst den Verband ruhig drei Tage drum lassen…da hat die Creme Zeit einzuwirken und du brauchst nicht ständig neue Verbände, hm?« Ein Nicken. »Na gut. Lasst uns zurück ins Wohnzimmer gehen… hier ist es nicht wirklich bequem.« Im Endeffekt blieben Jenny und Bill noch eine ganze Weile. Und auch wenn Tom sich den Tag durchaus anders vorgestellt hatte, es störte ihn nicht wirklich. Es tat gut mit Jenny zu scherzen und zu reden und es war schön Bill zu beobachten. Irgendwie war es ihm, als hätte er die Distanziertheit abgelegt. Aber wieso so plötzlich? Es fühlte sich so an, als hätte man eine Mauer aus Eis durchdrungen. Und plötzlich machten viele Gesten und Bewegungen einen Sinn… so als hätte man nur die Augen viel eher aufmachen müssen. Tom war mehr als zufrieden, weil er begriff das er auf einen guten Weg war um Bills Vertrauen vielleicht doch zu bekommen. Aber so richtig klar wurde es ihm erst, als sich die Beiden nach geschätzten drei Stunden von ihm verabschiedeten. Nachdem Jenny ihm ein Küsschen auf die Wange gegeben hatte, war Bill an ihn heran getreten und hatte ihn das erste Mal direkt angesehen. Dann war er einen Schritt vorgetreten und hatte ihn in eine kurze, aber sehr herzliche Umarmung gezogen, bevor er sich umwandte, als wäre nichts geschehen und davon ging. Jenny hatte gelacht. »Das ist denke ich seine Art dir Danke zu sagen.« Tom hatte sich mehrere Augenblicke nicht bewegen können. Er hatte einfach nur da in dem Türrahmen gestanden und den Beiden hinterhergesehen. Sie gingen die Straße entlang und irgendwie fühlte es sich nicht an wie ein Abschied… Eher wie der Anfang einer Freundschaft. Als Tom nach dem Abendbrot in seinem Zimmer auf dem Bett saß, hatte er die Begegnung von heute noch immer nicht ganz verwunden. Bill hatte sich selbst verletzt. Die Frage war nur, warum eigentlich? Was quälte ihn so sehr, dass er zu solchen Mitteln greifen musste? Doch das was ihn am meisten beschäftigte, war die plötzliche Veränderung des Verhaltens ihm gegenüber. War das nur eine Phase gewesen oder konnte er jetzt hoffen? Grübelnd saß er auf der Tagesdecke und riss ein Stück Papier in kleine Streifen. Eigentlich brachte es überhaupt nichts, wenn er sich jetzt hier den Kopf darüber zerbrach… er musst es einfach auf sich zukommen lassen. Das war die einzige Möglichkeit. Und er musste versuchen Bill – Es klopfte und seine Mutter steckte den Kopf zur Tür hinein. »Tommy?« Bei dem Spitznamen zuckte er wie unter einem Peitschenhieb zusammen. »Oh entschuldige! Tom wollte ich sagen-… ich-…« »Schon okay. Was gibt es?« »Ich wollte hören wie dein Tag so war.« »Ach ja. Und wirklich?« »Was meinst du damit?« »Mom, nimm mir das nicht übel, aber dich hat die letzten Monate nicht interessiert wie mein Tag war, wieso solltest du es gerade heute wissen wollen?« »Du hast Recht. Es tut mir sehr leid, dass ich dich so vernachlässigt habe. Aber das soll anderes werden, verstehst du? Alles soll hier anders werden und irgendwo muss ich ja anfangen.« sagte sie mit brüchiger Stimme und er konnte genau sehen, wie sie mit den Tränen zu kämpfen hatte. Sein Herz krampfte sich bei diesem Anblick zusammen. Er hatte sie nicht verletzten wollen! »Ja, okay. Setz dich zu mir.« lenkte er ein und klopfte neben sich auf die Matratze. Sie schenkte ihm ein schiefes Lächeln und folgte seinem Angebot sofort. Als sie sich neben ihn gesetzt hatte, schwiegen sie eine Weile. Es tat ihm weh, dass sie immer noch so tiefe Augenringe hatte und so blass war. Sie schien immer noch nicht wirklich schlafen zu können. Und auch tagsüber fand sie keine Ruhe… »Ich will wirklich wissen wie es dir geht, Schatz…« fing sie an und musterte ihn so liebevoll, dass es ihm die Kehle zusammenschnürte. Sie lächelte. »Wir haben dich ja quasi ins kalte Wasser geworfen mit dem Umzug… und… wie hast du dich denn eingelebt? Hast du schon Freunde? Wie läuft die Schule?« Tom erwiderte das Lächeln trotz des Engegefühls in seiner Brust. Das war kein fröhliches Lächeln, sondern eines, dass man jemanden schenkt, wenn man nicht will, dass er sich genauso schlecht fühlt wie man selbst. Ein Aufmunterungslächeln quasi. Davon hatte sie ihm in letzter Zeit schon so viele geschenkt. Also begann er von der Schule zu erzählen, von Jenny und ihren Schwestern, von Lehrer die er leiden und welchen die er nicht ausstehen konnte und von Bill… Alles was am ersten Tag passiert war und auch alles was er jetzt manchmal noch zu ertragen hatte, weil er anders war, ließ er aus. So etwas würde er seiner Mutter wahrscheinlich nie mehr erzählen können. Auch wenn sie in den letzten Wochen wieder mehr zu sich selbst gefunden hatte, er konnte sie manchmal noch mitten in der Nacht weinen hören. Etwas was ihm fast das Herz zerriss. Doch es war auf jeden Fall besser als in Hannover. Wenn Tom an die letzten Tage in ihrer alten Wohnung zurück dachte, lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Er konnte nicht mehr sagen wie oft er seine Mutter in einem total verwüsteten Zimmer im Arm gehalten hatte. Sie hatte geschrien und geweint… Diese Schreie hatten sich tief in seinen Innersten eingebrannt. So was vergaß man nicht, auch wenn man es wollte, man konnte es nicht vergessen… und auch wenn es enger zusammenschweißte, distanzierte es auch gleichzeitig. Nie mehr würde er mit ihr über alles reden können, aus Angst ihr wehzutun und diese grausamen Schreie noch einmal hören zu müssen. Diesen wahnsinnigen Schmerz den keiner versuchen sollte in Worte zu fassen. Der Schmerz der ihn Tag für Tag…- »Tom? Hörst du mir überhaupt zu?« »Oh… verzeih. Ich war eben in Gedanken.« »Hab ich gemerkt. Ich habe dich gefragt, was du davon halten würdest, wenn wir dieses Wochenende zum See fahren würden. Campen oder so… einfach mal rauskommen und zusammenfinden… wegen…« Sie fuchtelte hilflos mit den Händen herum. Aber der Blonde verstand sie auch so. Es war wahr, dass sie, er und Gordon sich nicht mehr so nahe waren wie früher, aber das war auch irgendwie verständlich. Jeder ging mit dem Schmerz und der Trauer anders um. Sie hatten sich sehr voneinander entfernt… niemals war es so still in der Familie Trümper gewesen wie jetzt. Aber campen gehen? Er hasste Natur. Noch mehr hasste er die Vorstellung in dieser zu schlafen. Vor allem wenn der Familienfrieden so erzwungen werden sollte. Das klappte doch nie. Doch das konnte er ihr nicht sagen. Er sah die Hoffnung in den braunen Augen, dass alles wieder so werden würde wie früher. Doch das war absurd. »Okay… wieso nicht.« stimmte er zu und seufzte. »Aber versprich dir nicht zu viel davon.« »Danke…« sagte sie leise und strich ihm sanft über die Wange. »Wirklich… vielen Dank. Ich weiß, dass du es nicht magst. Ich freue mich sehr, wirklich… und auch für das Gespräch. Ich habe es vermisst so mit dir zu reden, weißt du das?« »Ja Mom, ich habe es auch vermisst.« Einige Minuten herrschte Stille. »Würdest du mir einen Gefallen tun, Tom - …Tom?« fragte sie und man sah ihr ganz genau an, dass sie sich seinen Spitznamen mit aller Kraft verkneifen musste. »Was du willst.« »Spiel das Lied für mich, ja?« »Du… du meinst?... hälst du das für eine gute Idee?« »Ich will es hören. Außerdem habe ich dich so lange nicht mehr spielen gehört… bitte.« Tom presste die Lippen zusammen, doch schließlich erhob er sich und holte seine Gitarre aus der Zimmerecke, wo diese in ihrem Ständer stand. Er konnte seiner Mutter einfach keinen Gefallen abschlagen. Schon lange nicht mehr. Sie hatte den Kopf gegen die Wand gelehnt, die Augen geschlossen und lächelte traurig. Der Blonde nahm die Gitarre und zupfte die ersten Saiten an. Die Melodie ging ihn so flüssig von den Fingern… er brauchte nicht einmal darüber nachdenken. So oft hatte er sie gespielt. Immer wieder. Und immer wenn er sie spielte erinnerte er sich an Tobi, wie er begeistert mitgesummt hatte und ihm dabei zugesehen hatte wie er dieses Lied immer weiterentwickelte. Er erinnerte sich an all die Gelegenheiten wo der Kleine ihn von hinten umarmt hatte, während er spielte. So ziemlich die einzige Zärtlichkeit die ihnen Beiden je möglich gewesen war… Der Text zum Lied war erst viel später, nach seinem Tod entstanden, doch Tom war sich sicher, dass sein kleiner Bruder über die Zeilen begeistert gewesen wäre. Auch wenn es eigentlich eine eigenständige Melodie ohne Text gewesen war, konnte er das gut in einem langen Vorspiel kaschieren. Es war eigentlich das schönste Lied was er je geschrieben hatte, fand er. » Katzenlöwenseelenhund, deine weißen Pfoten. Tragen uns vom Erdenrund ins ferne Reich der Toten…« sang er nach dem Vorspiel. Seine Stimme zitterte bedenklich und man konnte die Tränen deutlich in seiner Stimme hören, doch mit jedem Wort wurde er sicherer. »Katzenlöwenseelenhund, schnupperst Du an mir. Katzenlöwenseelenhund, dann gehe ich mit Dir. Katzenlöwenseelenhund, du kennst alle Sorgen… Tief auf meinem Herzensgrund, erblicke ich den Morgen? Katzenlöwenseelenhund, wo werde ich sein? Katzenlöwenseelenhund, du weißt es allein. Katzenlöwenseelenhund, wann kommst Du mich holen? Himmelspforte, Höllenschlund – auf deinen leisen Sohlen? Katzenlöwenseelenhund, ist es für mich Zeit? Katzenlöwenseelenhund, bin ich für Dich bereit.,,« Zum Ende hin wurde seine Stimme sowie sein Gitarrenspiel immer leiser, bis Beides schließlich ganz verstummte. Tom atmete ein paar Mal zittrig aus und wand sich zu seiner Mutter um. Er war nicht wirklich überrascht zu sehen, dass sie weinte. Aber sie sah auch friedlich aus. So als würde sie wirklich daran glauben, was er ihr eben vorgesungen hatte. Und er musste zugeben, dass es irgendwie eine sehr schöne Vorstellung war. ** Was soll das denn sein? Ein Katzenlöwenseelenhund… Ein was?! Na jemand, der auf meine Seele aufpasst, wenn ich sterbe… Tobi… Aber so was gibt es, Tommy. Ganz bestimmt! Ich kann nur nicht so gut malen wie du. Lass uns nicht darüber reden… Aber – Nein! Ich will nicht darüber reden! Hörst du? Tut mir Leid… Hey… nicht weinen. Ich wollte dich nicht anschreien… wirklich. Malst du ihn mir, Tommy…? Was? Na den Katzenlöwenseelenhund. Ich weiß doch gar nicht wie der aussieht… Aber ich, ich beschreib ihn dir, okay? Bitte! Mach es für mich, ja? Ja. Wirklich? Ja… für dich würd ich alles machen. Ich hab dich so lieb! Ich dich auch, Kleiner. ** Die Tage bis zum Freitag vergingen leider viel zu schnell. Und es regnete immer noch durch. Es hieß zwar, dass sich das Wetter am Wochenende bessern sollte, doch dieser Vorhersage stand Tom noch skeptisch entgegen. Eigentlich konnte es ihm ja egal sein, wenn der Ausflug ins Wasser fiel, aber irgendwie hatte er die böse Vorahnung, dass auch Regen die Planung seiner Mutter nicht durchkreuzen konnte. Lustlos saß er in der Cafeteria und starrte aus dem Fenster. Es war so dunkel und grau wie an Wintermonaten um 5 nachmittags… dabei war es gerade mal elf Uhr. »Hey…« »Oh, hi.« begrüßte er Jenny abwesend, die sich neben ihm auf den Stuhl fallen ließ. »Scheißwetter, ehrlich. Meine Haare kräuseln sich schon wieder!« »Hm…« Na wenn die keine anderen Sorgen hatte. »Sag mal hast du Bill eigentlich gesehen?« »Ich? Wieso ich? Du bist doch mit ihm in einer Klasse und hängst andauernd mit ihm rum.« »Schon aber…« Jennys Gesicht verdüsterte sich. »Aber?« »Na ja… ein paar Spacken haben ihn heute wieder einen echt üblen Streich gespielt,… seitdem ist er nicht mehr aufgetaucht.« »Was haben sie gemacht?« Jenny seufzte. »In der ersten Pause haben sie ihm auf dem Gang eine Schale Müsli übern Kopf gekippt. Sie meinten das würde gut zu seinem Style passen.« Wieso musste die Kantine auch Müsli ausgeben? »Was?!« fragte Tom scharf. »Wie tief unten ist das denn? Der ihre Dummheitsskala hat nach unten hin wohl ein Loch, was? Was ist dann passiert?« »Na ja… alle haben gelacht und noch weitere unpässliche Kommentare gerissen, dann ist Bill weg und seitdem habe ich ihn nicht wieder gesehen.« »Scheiße.« »Ja… ich dachte er wäre vielleicht bei dir.« »Wieso sollte er? Er kann mich nicht mal leiden.« »Das stimmt doch gar nicht, Tom. Er mag dich sehr… schließlich hat er dich umarmt.« »Reit da nicht so drauf rum… er war mir nur dankbar, mehr nicht. Seitdem beachtet er mich genauso wenig wie vorher…« »Er kann es eben nicht so zeigen. Aber er ist an dir interessiert… das weiß ich genau. Schon alleine wie er dich ansieht und dich immer beobachtet.« »Hör schon auf. Das klingt gruslig, wenn du es so sagst.« »Sorry.« »Was nun? Suchen wir ihn?« »Besser wär´s… sonst hast du seine Arme wohl umsonst behandelt.« Tom seufzte, packte sein Essen wieder ein und folgte seiner Freundin aus der Kantine. Eigentlich nicht so schlecht… Hunger hatte er eh keinen und so wurde er wenigstens von schrägen Gedanken abgelenkt. Trotzdem sollte er sich wohl nicht über eine solche Situation freuen. »Hat er Plätze wo er immer hingeht?« »Ja… du könntest auf den Toiletten nachschauen und ich geh in den leeren Musiksälen gucken. Wenn wir nichts gefunden haben treffen wir uns in fünf Minuten wieder hier an der Hoftür. Dann wird er wohl draußen sein.« »Draußen, bei dem Regen?« Jenny zuckte nur die Schultern und ging ohne noch etwas zu sagen. Er suchte wie befohlen die Jungentoiletten in allen Stockwerken ab, fand aber nichts. Also ging er zu der großen Flügeltür, die zum Hof führte und als auch Jenny wenig später ankam, wusste er, dass er wohl keine Wahl mehr hatte. »Ich will da nicht raus…« maulte der Blonde, zog sich aber trotzdem die Kapuze über sein Cappy und verstaute seine Dreads darunter, ehe er die Tür aufstieß. Zusammen traten sie in den Regen. Der Wolkenbruch war so stark, dass Tom schon nach wenigen Minuten spürte, wie der Stoff an seinen Haut zu kleben begann. Na herzlichen Glückwunsch… Warum genau holte er sich noch einmal den Tod hier? Sie suchten den Hof ab und wurden schließlich in der hintersten Ecke, zwischen zwei großen Hecken, die das Schulgelände von der Straße abgrenzten, fündig. Dort kauerte Bill. Die Beine eng an seinen Körper gezogen, die Arme um die Knie geschlungen und den Kopf auf die Arme abgelegt. Er rührte sich nicht. Wenn er wirklich die ganze Zeit schon hier war, musste er völlig durchgeweicht sein. Als Tom und Jenny näher kamen, sahen sie auch die Lehrerin, die über ihm stand und mit Kleinkindstimme auf ihn einredete: »Na komm, steh schon auf. Es ist doch ganz doll nass hier draußen, hm? Wir gehen rein und dann hol ich dir erst Mal einen warmen Kakao, ja Süßer?« Ging es eigentlich noch? Warum bot sie ihm nicht gleich noch einen Teddy und ein Platz in der Krabbelgruppe an?! Der Junge war 16, verdammt! Jenny warf ihn einen Blick zu der deutlich signalisierte: Ich hab´s dir doch gesagt! Ja, das hatte sie… aber das war echt krass. Ihm wurde ganz schlechte, wenn er sich vorstellte, dass jemand so mit ihm reden würde. Ohne weiter darüber nachzudenken, bewegte er sich unaufhaltsam auf die Szene zu. Er schob die Lehrerin etwas unsanft beiseite und unterbrach sie damit in ihren Ausführungen warum Regen so ungesund war. Dann packte er Bill am Arm und zog ihn hoch. »Junge, was machst du hier draußen? Du holst dir noch den Tod.« fuhr er ihn an. »Jenny und ich suchen dich hier wie die Bekloppten und du sitzt hier seelenruhig und erkältest dich?!« Der Schwarzhaarige ließ sich widerstandslos erst von ihm hoch – und dann mitziehen. Erst als sie drin waren, drehte Tom sich nach seiner Freundin um. Diese stand grinsend hinter ihm. »Du hättest mal das Gesicht von der Wickert jetzt sehen müssen.« »Mir doch vollkommen egal. Die Frau hat nicht mehr alle Bemmen im Beutel.« meinte der Blonde trocken und kramte in seinem Rucksack nach einem sauberen Handtuch. Er wurde auch sofort fündig. Zum Glück hatten sie heute Sport gehabt… sonst wäre der Zufall wohl eher unwahrscheinlich gewesen. Die Schwarzhaarige begann lauthals zu lachen und bekam sich nicht wieder ein. »Be – bemmen im… B… b…« quietschte sie und wurde wieder von einer Lachsalve geschüttelt. Tom hob eine Augenbraue, sagte aber nichts mehr dazu. Er zog seine Jacke aus, drückte Bill, der immer noch verloren neben ihm stand auf eine Bank und warf ihm das Handtuch über den Kopf. »Halt still… du bist ja klitschnass.« Während er versuchte sein stummen Gegenüber mit dem Handtuch einigermaßen trocken zu bekommen, beruhigte sich Jenny langsam wieder. »So, geschafft,… jetzt bist du wenigstens einigermaßen trocken.« »Du solltest dich lieber schnell umziehen, sonst erkältest du dich wirklich noch…« warf nun auch die Schwarzhaarige besorgt ein. Bill nickte und sah die Beiden dann an, die immer noch vor ihn standen. Etwas Undefinierbares lag auf einmal in seinem Blick und dann, ehe Tom sich auch nur bewegen konnte, schlang er wieder seine Arme um ihn. Das zweite Mal diese Woche… Da er noch saß und Tom vor ihm stand, umarmte er eher seinen Bauch, doch er ließ nicht mehr los. Völlig überrumpelt stand der Dreadhead da; das Handtuch noch immer in seiner Hand. Bill klammerte sich an ihn und schien in nächster Zeit nicht geplant zu haben ihn wieder freizugeben. »Ähm… ich - Sag mal heulst du?« stammelte Tom fassungslos und sah auf die zuckenden Schultern des Anderen hinunter. Was war denn jetzt kaputt…? »Ich lass euch dann mal alleine…« sagte Jenny plötzlich dicht hinter ihm. »W – was? Nein das kannst du nicht machen!« »Warum nicht?« »Wenn du nicht da bist, versteh ich ihn doch nicht!« »So ein Unsinn… er kann schreiben und du sicher auch lesen.« winkte Jenny bestimmt ab. »Rette ihn Tom. Ich weiß du kannst ihn retten… er braucht jemanden zum fest halten und ich denke, den hat er jetzt gefunden. Er scheint das auch so zu sehen.« »Aber…« Doch damit hatte sie sich schon umgedreht und war davon gegangen. Kapitel 3: rettend ------------------ Noch immer überfordert, blickte er der Schwarzhaarigen hinterher, die gerade um die Flurecke bog und somit aus seinem Sichtfeld verschwand. Super… und nun? Er sah hinunter auf den gebrochenen Jungen, der da heulend vor ihm saß und sich an ihn klammerte. Wenn der so weiter macht, schmiert er sein ganzen Liedschatten an meinem Shirt ab, meldete sich eine böse kleine Stimme in seinem Hinterkopf. Tom schüttelte diesen Gedanken ab und packte den Anderen an den Schultern um ihn von sich zu lösen. Eine Aktion die sich als schwieriger herausstellte als gedacht. Denn Bill wehrte sich gegen seinen Griff und drückte sich an ihn, so als hätte er Angst, sobald er sich von ihm löste, würde Tom wegrennen. »Nun lass mich schon los. Ich werde mich nicht in Luft auflösen.« Er löste die Finger des Schwarzhaarigen aus seinem T – Shirt und trat dann einen Schritt zurück. Der Blick, den er dafür bekam, ging ihn durch Mark und Bein. In diesen Augen stand pure Verzweiflung und Angst. Diese dunklen Augen schrien ihm quasi entgegen, dass er nicht gehen durfte… das er bleiben musste… bei ihm bleiben und ihn festhalten musste. Tom schluckte. Sämtliche Beschützerinstinkte, die jeder große Bruder nun einmal hatte, meldeten sich in ihm. Er wollte diesen Jungen schützen. Vor allem die ihm wehtaten. Warum musste dieser Fremde seine Gefühle so dermaßen verwirren? »Na los, steh auf. Du musst aus den nassen Klamotten raus und dein Make – up solltest du auch ausbessern. Das ist schon total zerlaufen.« Augenblicklich senkte Bill seinen Blick wieder. Was denn nun, war ihm das jetzt peinlich? Ohne lange zu überlegen, nahm er die Hand des Anderen und zog ihn mit sich mit. »Hast du Sportsachen oder so hier?« Ein Kopfschütteln. »Hm… das heißt du kannst dich nicht hier umziehen?« Wider ein Kopfschütteln. »Hast du jemanden der dich abholen kann?« Ein Nicken. Tom stöhnte innerlich auf. Ihm war so als hätte er auch genauso gut mit einem Pullover reden können. Er mochte es einfach nicht, wenn er sich hier allein unterhielt. Aber das konnte er ja schlecht sagen. Er versuchte sich nichts von seiner inneren Ungeduld anmerken zu lassen. »Dann geh dich mal frisch machen.« sagte er stattdessen laut und deutete auf die Jungentoilette. Der Schwarzhaarige zögerte und blickte zwischen der Tür und ihren verschränkten Fingern hin und her. Der Blonde brauchte eine Weile um zu schalten. »Ich warte hier auf dich.« versprach er und lächelte schief, als ihm der Andere einen skeptischen Blick schenkte. »Wirklich. Ich bleibe hier, also geh schon.« Und tatsächlich löste sich Bill wiederwillig von ihm und verschwand durch die Tür. Sie hatten noch ein paar Minuten Pause, hoffentlich beeilte er sich. Tom schlenderte derweil auf die Fensterbank zu und nahm darauf Platz. Es war ihm einfach zu dumm mitten im Gang zu stehen und auf einen Jungen zu warten, der sein Make – up aufbesserte. Eigentlich war die Tatsache und was er hier grade tat lächerlich. Doch wenn er an Bills traurige Augen und an seine zerschnittenen Arme dachte, konnte er nicht lachen. Ob er jetzt wirklich einen Zugang zu ihm gefunden hatte? Oder war es wieder nur Dankbarkeit gewesen? Würde er ihn morgen wieder wie Luft behandeln? Irgendwas in ihm hoffte, dass es dieses Mal etwas anderes war. Auch wenn er sich nicht erklären konnte warum das so war, wünschte er sich, dass Bill ihm nun ein wenig vertraute und mit ihm normal umging. So wie mit Jenny. War das so absurd? Er war doch nur neugierig. Der Dreadhead wurde aus seinen Gedanken gerissen, als auf den Flur ein lautstarker Tumult ausbrach. Er blickte auf und sah Bill, der umringt von ein paar anderen Jungs, aus der Toilette stolperte. »Hey, warum hast du es denn so eilig? Hast du dich nicht extra schön gemacht für uns?« lachte ein Schrank von einem Kerl und wollte nach dem Gürtel des Schwarzhaarigen greifen. Panisch schlug Bill die Hand weg und wich an die Wand zurück. In seinen Augen stand nackte Angst. »Zier dich nicht so, du Hurensohn.« Tom klappte der Mund auf. Verstand er die Anspielung gerade richtig? Wollten sie…? Für einen Moment trafen Bills Augen auf seine, doch dann wand der Schwarzhaarige das Gesicht ab und schlang schützend die Arme um sich. So als würde er keine Hilfe erwarten. Als wäre er es gewöhnt im Stich gelassen zu werden. Der Blonde biss die Backenzähne zusammen und spürte wieder sämtliche Instinkte in sich aufflammen. Er konnte ihn jetzt schlecht sich selbst überlassen… auch wenn er nicht glaubte, dass die Anderen das wirklich tun würden. Ohne weiter über die Konsequenzen nachzudenken ging er zu der Gruppe, die immer noch irgendwelche Sprüche abließen, die er gar nicht mehr bewusst registrierte, und schubste den augenscheinlichen Anführer beiseite. Dann, ohne die Anderen zu beachten streckte er Bill seine Hand hin und lächelte. »Da bist du ja endlich. Komm, du solltest endlich nach Hause fahren.« Der Schwarzhaarige sah ihn fassungslos an, doch es dauerte nur Sekunden ehe er die dargebotene Hand ergriff und sich mitziehen ließ. »Hey! Was soll das, du Großstadtfreak? Willst du ei - « Tom wand sich im Gehen um. »Mach die Fresse zu, du Sitzpinkler.« Damit zog er den Anderen weiter, ohne auf eine Reaktion zu warten. Er hatte zwar schon immer gerne eine große Fresse, aber mit drei solchen Schränken wollte er sich zum Freitag nur ungern anlegen. Er war sich bewusst, dass er den Überraschungsmoment seines Auftauchens super ausgespielt hatte… und eigentlich wollte er gar nicht rausfinden wie die Holzköpfe da reagiert hätten. Er zog Bill um zwei weitere Ecken, ehe er ihn wieder losließ und sich zu ihm umwand. »Hast du schon wo angerufen? Langsam solltest du echt aus den Klamotten raus.« Der Angesprochene nickte. »Gut. Ich warte mit dir hier… dich kann man ja keine Minute alleine lassen.« meinte er sanft spottend. Und tatsächlich huschte ein scheues Lächeln über die blassen Lippen. Tom rauschte ein Schauer den Rücken runter. Okay, das war mehr als merkwürdig. Was machte dieser Junge nur mit ihm? Sie warteten schweigend nebeneinander. Bill stand ganz dicht bei ihm. Ihre Schultern berührten sich. Tom wehrte sich nicht gegen die Nähe. Wenn es den Anderen beruhigte sollte es ebenso sein. Irgendwann vibrierte Bills Handy und er klappte das Display auf um es Tom kurze Zeit später unter die Nase zu halten. Stehe vor der Schule, bis gleich. , stand da. »Okay. Wir sehen uns dann am Montag, ne?« Ein Nicken. Bill umarmte ihn noch einmal flüchtig, ehe er verschwand. Der Blonde beobachtete ihn noch durchs Fenster, wie er zügig über den Schulhof ging und in ein Auto einstieg, dann ging er ins Klassenzimmer. Man brauchte nicht erwähnen, dass der geplante Wochenendausflug der reinste Horror für Tom wurde. Nicht nur das er Natur generell nicht ausstehen konnte und nun mitten in Dieser schlafen musste, nein, auch seine Vermutung hatte sich bestätigt. Es war als wäre die ganze Atmosphäre zum Zerschneiden dick. Alles was sie redeten war banales Geplänkel… er hatte es gewusst. So würden sie nicht wieder zueinander finden. Es würde ihn wundern, wenn sie es überhaupt jemals wieder schafften. So kam es, dass er sich größtenteils mit Sam beschäftigte. Der Hund genoss die Aufmerksamkeit sichtlich und spielte so ausgelassen wie schon lange nicht mehr. Für einen zumindest hatte sich der Ausflug hierher in die Einöde wenigstens gelohnt. Sein Glück im Unglück war wohl, dass sie am Samstagnachmittag bereits alle ihre Zelte abbrechen mussten und nachhause zurückfuhren, da es wieder anfing unaufhörlich zu regnen. Damit war auch der Rest der Stimmung versaut. Schweigend fuhren sie zurück nach Loitsche und Tom fragte sich, was Tobi wohl denken würde wenn er sie so sehen würde. Allein dieser Gedanke schnürte ihm das Herz zusammen. Als sie wieder zurück im Haus waren, half er Gordon die Taschen auszupacken und später bereitete er mit seiner Mutter das Abendessen zu. Danach ging er mit Sam hinaus um seine abendliche Runde zu drehen. Es regnete noch immer. Und das war gut so… denn so musste er sich nicht eingestehen das er eventuell ein wenig heulte. Wieder einmal. Er verlängerte die Runde von einer halben Stunde auf eine Ganze. Doch auch als diese vorbei war, konnte er sich nicht dazu durchringen wieder zurückzugehen. Die Stille im Haus machte ihn wahnsinnig und die Gesichter seiner Eltern machten ihn wütend… Wieso konnten sie nicht einfach darüber reden? Und weiterleben… Warum mussten sie in der Trauer um ihren Jüngsten den ältesten Sohn vergessen? Irgendwann würden sie ihn wahrscheinlich gar nicht mehr wahrnehmen. Wie lange es wohl noch dauern würde bis er Luft für sie war? Tom setzte sich auf eine abgelegen Parkbank und streckte sein Gesicht dem Himmel entgegen. Er würde sich wahrscheinlich völlig durchnässt sein, krank werden und stunden brauchen ehe er seine Dreadlocks wieder halbwegs trocken hatte. Aber das war im Moment alles egal. Sam blieb an seiner Seite und das obwohl er nicht einmal eine Leine trug. Er kroch unter die Parkbank und wartete. Tom saß weiter im Regen… Er konnte gar nicht mehr genau sagen wie lange. Er starrte einfach nur gerade aus. Da der Park nicht besonders groß war, konnte er von seinem Platz aus die Straße erkennen. Wenn auch schon in der Woche wenig Autos dort entlangfuhren... jetzt, am Wochenende, war fast gar keins hier unterwegs. Irgendwann hörte der Regen über ihm plötzlich auf, obwohl er die Tropfen vor sich deutlich sehen konnte. Als er nach oben schaute, sah er einen weißen Regenschirm mit schwarzen Punkten. Gehalten wurde dieser von Bill, der ihn aus seinen geschminkten Augen aufmerksam musterte. »Hey…« sagte Tom rau und lächelte schwach. »Was machst du bei so einem Wetter denn draußen?« Der Andere zuckte die Schultern und deutete dann auf ihn. Der Blonde brauchte eine Weile um zu begreifen was er da sagen wollte. »Ich bin mit meinem Hund spazieren.« erklärte er und deutete unter sich, dort wo Sam zusammengerollt zwischen der Bank und seinen Beinen lag. Bill nickte und lächelte ihn dann an. Etwas was bei Tom ein elektrisierendes Kribbeln auslöste. Er streckte seine Hand aus. Tom ergriff diese ohne darüber nachzudenken und ließ sich hochziehen. Auch der Hund rappelte sich nun auf und trottete den Beiden hinterher, als sie sich in Bewegung setzten und gemeinsam unter einem Schirm aus dem Park schlenderten. Sie gingen schweigend nebeneinander her. Was hätte er auch groß erzählen sollen? Aber alleine Bills Anwesenheit reichte aus damit es ihm besser ging. Verstehe das wer will, Tom tat es nicht… es war ihm absolut schleierhaft was dieser Junge mit ihm machte. Als sie vor einem hellvioletten Haus angekommen waren, blieb Bill stehen und zeigte zuerst auf das Haus und dann auf sich. Tom verstand. »Okay. Schönen Abend noch. Wir sehen uns übermorgen.« Der Schwarzhaarige nickte und schenkte ihm noch so ein schönes Lächeln, dann verschwand er im Haus. Während Tom nach Hause ging, spuckte ihm nur ein Gedanke durch den Kopf. Bill musste unbedingt mehr lächeln. Zuhause angekommen, steckte er sich und Sam erst einmal unter die Dusche und seine Klamotten in die Waschmaschine. Wie vermutete verbrachte er eine gefühlte Stunde damit seine Haare ordentlich zu trockenen… Doch das alles war halb so schlimm. Er fühlte sich gleich etwas besser, musste aber bald feststellen, dass er da der einzige war. »Wo warst du?« Ertappt wandte er sich um. Seine Mutter stand im Türrahmen seines Zimmers. Sie trug bereits ihr Nachthemd und sah ihn mit geröteten Augen an. Die Uhr, die unmittelbar über der Tür hing, verriet ihm das es bereits um elf war. »Mit Sam Gassi.« »Zwei Stunden lang?« »Ja, tut mir Leid, ich hab nicht auf die Zeit geachtet…« Als ob sie es bemerkt hätte das er weg gewesen war. Wahrscheinlich hatte sie ihn erst gehört, als er wiedergekommen war. »Ich hab mir Sorgen gemacht! Wozu hast du so ein dummes Handy, wenn du es nicht benutzt und abnimmst wenn ich dich anrufe!« Hatte sie das? Er hatte es gar nicht gehört… »Mom…« »Ich hab schon einen Sohn verloren…-« »Mom, es tut mir Leid! Es ist alles in Ordnung. Ich bin doch wieder hier.« »Aber wenn dir was passiert wäre…« Er sah die Tränen in ihren Augen und hasste sich im Moment für sein egoistisches Handeln. »Mir ist aber nichts passiert, Mommy. Es ist doch alles okay.« sagte er sanft und nahm sie in die Arme. Er wusste sehr gut, dass der Spitzname sie immer etwas runter brachte. »Tschuldigung… ich weiß das ich übertreibe… es ist nur - « nuschelte sie an seine Halsbeuge. »Ich weiß schon…« unterbrach die Tom. Ein paar Augenblicke standen sie so da und sagten nichts, dann löste sich seine Mutter von ihm und lächelte ihn verschwommen an. »Möchtest du was essen? Ich hab dir Abendbrot aufgehoben.« »Klar, gerne.« Als er am Montag in die Schule kam, wurde er bereits auf dem Pausenhof von Jenny und Bill erwartet. Er hob eine Augenbraue. »Seit wann wartet ihr auf mich?« fragte er als er bei ihnen ankam. Im Nächsten Moment hatte er einen stürmischen Schwarzhaarigen um seinen Hals hängen. Verblüfft schloss er die Arme um den zierlichen Körper und sah Jenny fragend an. Diese lachte. »Jetzt weißt du es. Er hat auf die warten wollen und… ich hab ihn noch nie so aufgeregt gesehen…« schüttelte sie schmunzelnd den Kopf. »Okaaay.« Bill löste sich von ihm und lächelte ihn schüchtern an. Anscheinend fragte er sich gerade ob er etwas falsch gemacht hatte. Oh man… »Ich wünsche dir auch einen schönen guten Morgen…« grinste Tom zurück. »Wollen wir mal reingehen, sonst kommen wir noch zu spät.« »Hey! Wir können nichts dafür, wenn du auf den letzten Pfiff kommst!« schaltete sich Jenny wieder ein. »Ja, ja… Laber Rhabarber…« Die drei gingen zusammen hinein, erst vor ihren Klassenraum hielt Jenny ihn zurück. »Gehst du schon mal vor, Bill? Ich möchte noch kurz was mit Tom besprechen…« Der Angesprochene nickte und verschwand um die nächste Ecke. Der Blonde sah seine Freundin fragend an und wurde umso verwirrter, als er den ernsten Blick von ihr auffing. »Ich warne dich Tom, wenn du ihn verletzt muss ich dir leider den Hals brechen.« »Ihn verletzen?« wiederholte er perplex. »Moment mal, spul noch mal zurück… kannst du mir erst mal erklären warum du mir grade drohst, ey?« War er hier irgendwie im falschen Film? »Bill will dir vertrauen, raffst du das nicht?« »Aha,… und?« »Du hast das erreicht was du die ganze Zeit wolltest. Er beginnt dir zu vertrauen und hat seine Schutzschilde dir gegenüber fallen lassen.« sagte sie mit blitzenden Augen. »Überleg dir gut ob du mit ihm umgehen kannst… noch kannst du zurück. Wenn er dir erst einmal richtig vertraut, würde es ihn umbringen wenn du ihn zurückstößt. Verstehst du das?« Tom nickte und versuchte die Informationen zu fassen. »Denk darüber nach. Aber meine Warnung gilt.« Damit verschwand die Schwarzhaarige auch und ließ einen völlig erstarrten Tom zurück. Kapitel 4: irrend ----------------- Die Warnung… na ja, eher die Drohung hatte gesessen. Tom konnte die ganze Zeit an nichts anderes mehr denken. Konnte er das wirklich? Wollte er für das Glück eines Menschen verantwortlich sein? Einmal reichte… Und damals war er auch total überfordert gewesen. Wie sollte er das noch mal stemmen? Konnte er das überhaupt? Hatte er die Kraft? Natürlich war er neugierig. Er wollte gerne wissen was damals passiert war… mehr über Bill erfahren. Die Frage war nur ob er die Verantwortung tragen konnte. Und daran zweifelte er wirklich. Warum musste das Leben auch immer so scheißkompliziert sein! Fuck… Der Unterricht war für ihn gelaufen. Der Blonde konnte sich einfach nicht mehr konzentrieren. Immer wieder schweiften seine Gedanken zu Bill ab und Jenny… Lustlos kritzelte er das Geschriebene von der Tafel ab und versuchte seine Konzentration wiederzufinden, aber das gelang nicht wirklich. Super toll. Der Tag verging nur schleppend. Die Krönung war die Ansage ihrer Klassenlehrerin das das Sportfest nächste Woche anstand. Eigentlich sollte er sich ja darauf freuen, denn er mochte Sport. Uneigentlich hatte er gerade keinen Nerv dafür und Gedanken erst recht nicht. Die waren voll mit einer Person die er erst knapp zwei Monate kannte. Scheiße… was hatte er an diesen Typen nur gefressen?! Er konnte sich das einfach nicht erklären! Ungeachtet der Anderen stürmte er aus dem Klassenzimmer, als die Schulglocke das Ende dieses Tages ankündigte. Er wollte einfach nur noch nachhause. Weg von hier… Er ging über den Hof und grüßte Jana und Jill, die bereits auf Jenny zu warten schienen. »Woha… was hat dich denn gestochen?« lachte Jill. Jedenfalls glaubte er, dass es sich um die Älteste der Drillinge handelte. »Willst du nicht warten?« »Nein will ich nicht. Fragt Jenny…« murmelte er und ging an ihnen vorbei. »TOM! STEHEN BLEIBEN!« Er zuckte zusammen. »JENNY,… WIESO BRÜLLST DU SO?!« Jenny kam auf sie zu gerannt und dicht hinter hier war Bill. Super… gerade die zwei Personen die er gerade nicht sehen wollte. »Die Frage ist eher… warum du nicht wartest?!« »Dumme Frage« knurrte er. Damit wollte er sich umdrehen und gehen doch er wurde wieder zurückgehalten. Er drehte sich um. Da stand er, der Grund seines ganzen Kopfkinos, hielt ihn am Arm fest und schaute ihn eingeschüchtert an. So ein…- Wieso musste der ihn jetzt anschauen wie ein verwaister Hund ihm Wald? Es folgten mehrere schnelle Handzeichen die für ihn absolut keinen Sinn ergaben. »Ähm…« »Er will wissen warum du heute nicht mit uns gehen willst.« »Ich…« Tom atmete einmal tief durch. Er musste das jetzt einfach durchziehen, wenn er jetzt nachgab wurde er noch bekloppter. »Ich hab heut was vor und muss mich ein wenig beeilen… sorry!« Damit riss er sich los und ließ die Vier einfach stehen. Die nächsten Tage entfernte er sich immer weiter von Bill ohne es eigentlich bewusst wahrzunehmen. Auch wenn Jenny und Bill immer noch die einzigen an der Schule waren mit denen er Kontakt hielt, konnte er im Moment einfach keinen der Beiden ertragen. Nicht solange er sich nicht absolut sicher war… So kam es, dass er sich immer mehr zurückzog und mit Sam oder mit seiner Gitarre Zeit verbrachte. Er dachte viel nach. Jeden Nachmittag und das brachte ihn schier um den Verstand. Ihm war klar, dass er diese Entscheidung nicht leichtfertig treffen sollte, doch ihm war so als wenn er, je länger er darüber nachdachte, sich immer weiter von der Antwort entfernte. Er konnte so eine Entscheidung nicht einfach so treffen. Wie sollte er das können? Er wusste nicht einmal was alles da dran hing. Es war nun schon der 4. Nachtmittag den er hier in der Wohnung hockte und den großen Denker mimte. »AAAhhh, scheiße verdammt!« ließ er seiner Wut freien Lauf und trat gegen den Hocker. Dieser fiel um und verteilte die Lyrikblätter im Raum. Sam sprang jaulend auf und versteckte sich hinter dem Sessel. Tom atmete einmal tief durch und hockte sich dann hin. »Tut mir Leid Kumpel… na komm schon wieder her. Ich bin ganz ruhig.« Sam streckte seinen Kopf um die Sesselecke und sah ihn aus seinen braunen Knopfaugen prüfend an. Dieses Bild ließ ihn grinsen. »Na komm schon. Ich machs auch nicht wieder…« Und tatsächlich kam der Vierbeiner mit hängendem Kopf zu ihm und schmiegte sich an ihn, ehe er ihn einmal quer übers Gesicht schleckte. Jetzt wieder lachend versuchte er sich vor der rauen Zunge zu retten und fiel dabei auf den Hintern. Das nutzte der Hund schamlos auf und kroch auf seinen Schoß um munter weiter seine Liebe zu bekunden. »Moha… Sammy du bist schwer, verdammt. Runter… RUNTER JETZT!« Hechelnd gehorchte er. »Man muss man dich immer erst anschreien?« fragte der Blonde das Tier und blickte zu ihm, wie er ihn treu doof ansah. Er seufzte und begann damit das Chaos wieder zu richten. Dabei fiel sein Blick auf das Bild seines Bruders. Damals, kurz nach Tobis Tod, hatte er einen kleinen Schrein für ihn errichtet. So wirklich hatte er keine Ahnung mehr wie er eigentlich auf so eine kitschige Idee gekommen war, doch es hatte ihm geholfen. Die Gewissheit, dass sein Bruder immer da war und ihn beobachtete… Diesen Schrein hatte er auch hier in seinem neuen Zimmer wieder aufgebaut. Es war nichts Besonderes, nur ein Brett, welches er mit Dübeln das der Wand neben seinen Kleiderschrank montiert hatte. Auf diesem stand ein gerahmtes Bild von Tobi außerdem befanden sich die letzten Habseligkeiten darauf, die ihm von seinem Bruder geblieben waren. Der kleinen Teddy, den er so geliebt hatte. Zwei Briefe die er ihm geschrieben hatte, als er es noch konnte und sein Lieblingsspielzeugauto, außerdem noch ein kleines Album, das alle wichtigen Fotos beinhaltete… Nun stand er vor genau diesem Regal und blickte auf das Bild. Es zeigte ihn und den Kleinen, als es ihm noch besser ging. Sie saßen auf einer Parkbank und grinsten gemeinsam in die Kamera. »Ey Bruder, kannst du mir nicht irgendein Zeichen von da oben senden oder so?« fragte er fast verzweifelt und blickte in die braunen Augen, die seinen so ähnlich waren. Kopfschüttelnd wand er sich ab und wollte wieder zur Couch gehen, als plötzlich etwas hinter ihm raschelnd zu Boden fiel. Tom blickte sich um und sah, dass sein Rucksack umgefallen war. Aus der Öffnung ragte etwas Weißes. Seufzend ging er zurück, stellte den Rucksack wieder auf und nahm die Knistertüte in die Hand. Wie sich herausstellte, handelte es sich um eine Chips Tüte. Verblüfft blickte er auf die Marke und fing dann schallend an zu lachen. JA!, stand auf der Tüte. »Ausrufezeichen! Sam ich hab ein Zeichen bekommen!« Der Hund sah bei der Erwähnung seines Namens auf und kläffte einmal. Als wolle er ihm sagen er solle aufhören wie ein Verrückter wegen einer Chips Tüte zu lachen. Wieder wand er sich seinem Bruder zu. »War das deine Antwort?« Tobi lächelte. »Ich rede mit Bildern und halte Chips Tüten für Zeichen… wie tief kann man eigentlich sinken?« stöhnte er genervt und fuhr sich übers Gesicht. »Los, Sam. Wir gehen raus… ich brauche frisch Luft.« Und als könnte er ihn verstehen, kam der Hund angelaufen und wedelte vorfreudig mit seinem Schwanz. Die letzten Tage der Woche vergingen viel zu schnell. Und es war nur eine Frage der Zeit bis Jenny ihm dieses Ausweichverhalten nicht mehr durchgehen ließ… Wie sollte sie auch!? »Tom, du Arsch mit Ohren, bleib sofort stehen!« Fuck, hätte sie nicht noch ein paar Tage warten können? »Was willst du?« Sie Schwarzhaarige baute sich vor ihm auf und funkelte ihn an. »Du hast auch ein Empathie Empfinden von einer Dampfwalze oder? Wie kannst du nur so mit ihm umgehen, Alter! Ich habe es dir doch gesagt!« zischte sie und bohrte einen Finger in seine Brust.»Du klärst das mit Bill, hast du mich verstanden?« »Man Jenny, ich hab jetzt keinen Nerv dazu…« erwiderte er und schlug sanft ihre Hand weg. »Lass mich einfach gehen, okay? Ich klär das schon noch irgendwann.« »Nicht irgendwann, jetzt! Weißt du eigentlich was du mit deinem hirnrissigen Verhalten anrichtest?« »Nein weiß ich nicht, man!« wurde nun auch er ungehaltener. »Ich weiß gar nichts über ihn, falls dir das entgangen sein sollte… genau da liegt ja mein Problem! Und jetzt lass mich in Ruhe! Von mir aus buddel dir nen Loch und quatsch das zu!« Damit stapfte er an ihr vorbei. »Boha, sag mal geht’s noch? Bleib sofort stehen!« Im nächsten Moment wurde er am Arm gepackt und zurückgezogen. »Jenny im Ernst, lass sofort los.« meinte er lauernd. »Ich bin total ernst! Und wenn du nicht sofort deine Fresse aufbekommst und die An - « Sie unterbrach sich als Bill auf die Beiden zukam und sie intensiv musterte. Er schien total verunsichert zu sein. Auch das noch. Blieb ihm eigentlich heute nichts erspart? »Ich geh zurück« sagte er nur gleichmütig und wand sich erneut zum Gehen. Und wieder wurde er am Arm gepackt, doch dieses Mal von dem stummen Jungen, der ihn traurig anblickte. Einen Moment schien er noch zu überlegen, dann jedoch zog er sein Handy raus und tippte etwas ein, was er Tom dann unter die Nase hielt. Hab ich irgendetwas falsch gemacht?, stand dort. Der Blonde schluckte ein paar Mal und wusste nicht was er sagen sollte. Was sollte er nur tun…? Er sah ihn so an, als würde seine Welt zusammenbrechen, wenn er jetzt ging… Warum tat er das nur? Sie kannten sich doch gar nicht! Und wieso zur Hölle fühlte er sich plötzlich so schuldig?! »Nein, du hast überhaupt nichts falsch gemacht.« antwortete er auf die Frage. »Ich hab nur zurzeit so viel ihm Kopf und bin ein bisschen drüber, okay? Vielleicht kann ich dir das ein anderes Mal erklären, aber nicht heute. Ich muss zurück in meine Klasse. Sorry.« Damit machte er sich los und ging. Zum zweiten Mal in einer Woche stieß er Bill zurück. Scheiße. Warum hatte er gerade das Gefühl etwas falsch gemacht zu haben? »Tom du verfluchter Volltrottel!« hörte er Jenny brüllen und als er sich umdrehte sah er Bill aus der Tür rennen. Das Handy lag verloren auf dem Fußboden. Das Wochenende verging rasend schnell. Doch sein schlechtes Gewissen nagte an ihm, sodass er sich auf nichts anderes konzentrieren konnte. Immer wieder fragte er sich was der Schwarzhaarige wohl gerade machte. Wenn er so an den einen Nachmittag zurück dachte, machte er sich schon ein wenig Sorgen. Er wollte nicht, dass zu den vielen Narben noch welche dazu kamen. Und schon gar nicht wegen ihm. Er musste unbedingt mit ihm reden! So fieberte er dem Montag entgegen. Und als es endlich soweit war, musste er enttäuscht feststellen, dass Bill nicht in der Schule war. Auch Dienstag blieb er dem Lehrhaus fern und meldete sich nicht bei Jenny. Am Mittwoch war Sportfest. Eigentlich nichts Weltbewegendes… vor allem weil seine Gedanken ganz woanders waren, doch ein Gutes hatte es wohl. Das erste Mal konnte er in der neuen Schule zeigen was er drauf hatte, denn vom Fest durften sie einen nicht einfach so ausschließen wie vom Sportunterricht. Also gab er sein Bestes und es schien zu wirken…- Zumindest einige der Schüler und die Lehrer schienen beeindruckt von seinen Leistungen und zum Ende der Veranstaltung, bekam er auch noch bei den ganzen anwesenden Mädchen eine Chance zu Punkten. Ohne es zu ahnen wohlgemerkt. Als Jenny ihn nämlich aus Spaß einen Wasserflasche über den Kopf kippte, dachte er eine Sekunde nicht nach, zog sich sein T – Shirt einfach über den Kopf und jagte ihr hinterher. Erst im Nachhinein wurde ihm klar, was er da eigentlich genau getan hatte… Fortan wurde nur noch gepfiffen und gekreischt wenn er irgendwo langging. Und plötzlich konnten alle mit ihm reden… ja, es schien beinah so, als würden sie den wahren Tom zum ersten Mal wahrnehmen. Natürlich würde es weiterhin Leute geben, die ihn nicht mochten. Aber das war ja legitim. Trotzdem konnte er nicht anders als sich ein wenig über diese Entwicklung zu freuen. Endlich wurde er angesehen. Wirklich angesehen… und endlich bekam er den Zuspruch den er seit dem Schulwechsel so vermisst hatte. Doch all das half ihm nicht sein schlechtes Gewissen abzulegen. Und die Schatten wurden immer höher, denn Bill erschien die ganze Woche nicht in der Schule und meldete sich auf keine der SMSen die Jenny ihn schrieb. Auch diese machte sich ernsthafte Sorgen. Wo er wohl war und was er gerade wohl tat? Kapitel 5: annähernd -------------------- Sein schlechtes Gewissen piesackte ihn mittlerweile immer zu, egal wie sehr er sich versuchte abzulenken. Es ging nicht… Seine Gedanken kreisten immer um den stummen Jungen, von dem noch immer kein Lebenszeichen gekommen war. Es war bereits Freitagnachmittag. Nur noch wenige Minuten vor Schulschluss… Trotzdem konnte er sich nicht wirklich aufs Wochenende freuen. Nicht wenn er nicht wusste was mit Bill war. Ah, es war zum aus der Haut fahren! Frustriert gab der Blonde es auf mitschreiben zu wollen. Scheiße. Er wollte unbedingt mit Jenny reden… warum konnte sie auch nicht in seine Klasse gehen?! Unruhig rutschte er auf dem Stuhl hin und her. Tom nahm die Blicke der Anderen sehr wohl war, das war der erste Nachteil an seiner plötzlichen Beliebtheit. Er wurde immer und überall wahrgenommen. Und obwohl er sich eigentlich darüber freuen müsste – weil er sich seit seiner Ankunft Aufmerksamkeit gewünscht hatte – konnte er es nicht. Nicht jetzt und nicht so. Deswegen ignorierte er die scheuen Blicke der Mädchen und die abschätzenden der Kerle. Sobald der Gong ertönte, rannte er aus dem Zimmer. Seine Sachen hatte er schon eingepackt gehabt… Nur wenige Augenblicke später sah er Jenny auf den Flur. Anscheinend hatte sie den gleichen Gedanken gehabt. Hastig eilte sie auf ihn zu. Doch schon an ihrem Gesicht konnte er erkennen, welche Nachrichten sie brachte. »Er hat sich immer noch nicht gemeldet…-« Tom verzog das Gesicht. »Was machen wir denn jetzt?« »Wir? Nichts… du wirst das wieder grade biegen!« »Aber…-« »Ohne aber Tom. Du hast es provoziert. Du badest es aus.« meinte Jenny nüchtern und packte ihn an seiner Hand. Gemeinsam liefen sie zum Ausgang. »Denkst du wirklich es würde etwas nutzen, wenn ich jetzt zu ihm gehe? Du bist der Auslöser… du musst es jetzt wieder hinbiegen, wenn du es willst. Wenn du mit ihm befreundet sein willst. Wenn nicht – tja, dann lässt du es.« Tom presste die Lippen zusammen. »Da liegt mein Problem ja, man. Ich hab keine Ahnung ob ich es will oder nicht!« Jenny sah zu ihm rüber. »Dann solltest du dir ganz schnell bewusst werden was du willst, Bill hat nur - « »TOOOM…« Beide zuckten bei den Ohrenbetäubenden kreischen zusammen. Boha! Beliebtheit in allen Ehren aber darauf konnte er echt verzichten. In null Komma nichts waren sie von einer kleinen Meute (anders konnte man es nicht nennen) Mädchen umzingelt, die den Blonden regelrecht mit Fragen bombardierten. »Was machst du am Wochenende?« »Fährst du heute mit dem Bus?« »Was machst du heute noch so?« »Hast du vielleicht heute oder morgen Zeit?« »Ist das da etwa deine Freundin?« Der Dreadhead atmete einmal tief durch. Okay, bloß nicht aufregen jetzt. Schließlich war es das, was er die ganze Zeit gewollt hatte. In Hannover war so was für ihn schon fast Alltag gewesen... und trotzdem, wenn man das so viele Wochen nicht hatte, konnte es leicht beängstigend auf einen wirken. Vor allem da er genau wusste das diese Weiber es wirklich nur auf seinen Körper abgesehen hatten. Sie sahen nicht den wahren Tom, sondern nur den Sportler mit dem trainierten Oberkörper. Hätte er das Sportfest einfach geschwänzt, so wie er es erst vorgehabt hatte, würden sie ihn auch jetzt noch nicht mit dem Arsch anschauen. Er schenkte ihnen eines seiner schönsten Checkergrinsen, die er an seiner alten Schule schon perfektioniert hatte und ignorierte das darauffolgende Kichern und Quietschen einfach gekonnt. Aus den Augenwinkeln konnte er genau sehen wie Jenny ihr Gesicht bei diesen hohen Tönen verzog. »Ich habe leider schon viel vor und keine Zeit und ich fahr auch heute nicht mit dem Bus nach Hause.« beantwortete er geduldig die Fragen. »Das ist zwar nicht meine Freundin, aber eine gute Freundin und mit der muss ich heute was Dringendes erledigen. Also seid nicht sauer, ja? Man sieht sich!« Damit schnappte er Jenny am Arm und zog sie aus dem Kreis der Mädchen zur Tür. Das Kreischen begleitete sie noch auf den Schulhof. Als die Tür hinter ihnen zufiel konnte Tom nur etwas entnervt aufseufzen. Was hatten sie denn da nur für ne Lawine losgetreten? Scheiße. Auf dem Weg zum Tor, verabschiedete ihn jeder Zweite oder wünschte ihn ein schönes Wochenende. Das war gruslig. Und irgendwie wünschte er sich gerade die Anonymität und Stille der letzten Wochen zurück. Aber dafür war es wohl zu spät. »Sag mal, TomTom, kannst du mir mal verraten was die plötzlich alle an dir gefressen haben?« »Nein, JenJen… aber hättest du mir nicht wie ein Kleinkind meine Klamotten versaut, dann hätte ich das Problem jetzt gar nicht!« sagte er gereizt. Was ihn auch sofort leidtat. Die Schwarzhaarige konnte ja im eigentlichen Sinne auch nichts dafür. »Jetzt gibst du mir die Schuld? Alter, das war nur Wasser! Du hättest ja nicht wie Hulk dein T – Shirt runterreißen müssen!« »Lassen wir das Thema,… was wolltest du vorhin sagen?« Jenny stutzte, zuckte dann aber die Achseln. »Keine Ahnung, deine Groupies haben mich total aus dem Konzept gebracht.« Tom schmunzelte leicht. Groupies… hörte sich ja ganz nett an, doch eigentlich konnte er jetzt gut auf diese Aufmerksamkeit verzichten. Dass er das allerdings mal denken würde, hätte wohl niemand vermutet… am allerwenigsten er selber. Trotzdem stimmte es. Er hatte sich irgendwie damit abgefunden nicht gesehen zu werden und es war okay für ihn nur Jenny, ihre Schwestern und Bill zu haben…- Bill. »Wir waren grade bei Bill.« erinnerte er sie. »Das weiß ich. Aber egal, was ich dir eigentlich vermitteln wollte war, dass es keinen Sinn macht mit ihm zu reden, wenn du dir nicht sicher bist was du willst. Entweder du lässt dich ganz auf ihn ein oder gar nicht. Alles andere tut ihm nur weh. Also solltest du dich erst Mal entscheiden.« »Das hört sich so an als würdest du mich verkuppeln wollen!« »Wer sagt das ich das nicht will?« Bei dieser Frage verschluckte sich der Blonde an seiner eigenen Spucke, was die Schwarzhaarige zum Lachen brachte. »Das war ein Witz, ey.« »Nicht witzig!« hustete er vor sich hin. Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Genug Zeit für Tom noch einmal über alles nachzudenken… doch eigentlich gab es nichts mehr zu denken. Eigentlich hatte er sich doch schon entschieden oder? Würde es ihm sonst nicht völlig egal sein was mit dem Schwarzhaarigen war? Sollte er es doch wagen? Als er die Wohnungstür aufschloss, stürmte Sam die Treppe hinunter und sprang ihn an. »Woha! Ja ich hab dich auch vermisst, Dicker!« lachte er und versuchte den übermütigen Hund zu bändigen, der vor Freude ganz aus dem Häuschen war. Logisch irgendwo, schließlich war er es bis vor kurzem auch noch nicht gewohnt den ganzen Tag alleine zu sein. Kein Wunder also, dass er so ausrastete. Der Blonde stellte seinen Rucksack ab und nahm sich die Leine. »Was meinst du gehen wir gleich raus und essen später was?« Sam kläffte begeistert und wedelte mit dem Schwanz. »Ich werte das jetzt mal als Ja…« Gesagt getan. Er ging mit seinem Hund die kleine Runde durch den Park und beschloss sich gleich an dem Imbiss in der Querstraße schnell Pommes zu holen. Seine Eltern würden sicher wieder bis zum späten Nachmittag nicht zuhause erscheinen und er hatte auch nicht so großen Hunger, dass er sich jetzt zuhause hinstellen und irgendetwas kochen wollte. So aß er die Kartoffelstangen im Laufen, während seine Gedanken um den nächsten Schritt kreisten. Jenny hatte gemeint er solle sich zu hundert Prozent sicher sein, ehe er mit Bill sprach. War er das wirklich? Ganz genau konnte er das nicht sagen. Das einzige was er wusste war, dass er das Bedürfnis hatte mit Bill zu sprechen um das alles aus der Welt zu schaffen. Schon alleine die Vorstellung, dass der Junge sich wegen ihm wieder selbst verletzte, zerriss ihm irgendwie das Herz. Und das obwohl er ihn eigentlich gar nicht kannte! Seufzend schmiss er die leere Pappschale in den Mülleimer neben einer Bank und ließ sich auf die nieder. Sam kam sofort zurückgelaufen, als er bemerkte, dass sein Herrchen nicht mehr folgte und schmiegte sich zwischen seine Beine. Legte seinen Kopf auf den rechten Oberschenkel des Hoppers ab. »Was mach ich denn nur, Sammy?« wollte er von dem Vierbeiner wissen und kraulte ihm gedankenverloren hinterm Ohr. »Ich weiß ja selber das es doof ist, was ich mache… aber… ich weiß einfach nicht ob ich das nochmal packe für zwei stark zu sein, weißt du?« Der Hund jaulte leise. »Ich hab einfach so Angst noch was falsch zu machen…« Tom wischte sich durchs Gesicht. Hier rumzusitzen und mit seinem Hund zureden brachte ihn auch nicht weiter. Deswegen stand er auf und lächelte seinen Begleiter an. »Na komm, lass uns gehen. Das sieht nach regen aus.« Sam gehorchte. Gerade als sie den Park verließen, vibrierte sein iPhone in der Hosentasche. Erstaunt nahm er es heraus und ging ran. »Ja?« »Hey, Alter. Ich hatte mal Bock deine Stimme zuhören. Stör ich?« »Ne, alles okay. Du doch nicht.« »Klasse. Wie läuft’s in der Provinz?« »Haha… selten so gelacht. Hast du nen Clown gefrühstückt, ey?« »Man wird ja wohl noch ein Scherzchen machen dürfen. Was denn los mit dir?« »Nichts… und hier geht auch nicht viel… außer das plötzlich alle Mädchen meiner Schule auf mich abfahren und das ich beim Sportfest alle weggehauen habe.« »Echt? Erzähl!!« Das Telefonat dauerte ungefähr die 5 Minuten die der Blonde brauchte um vom Park aus, wieder in seine Straße zu gelangen. Irgendwann verabschiedete er sich von Georg. Von Bill erwähnte er nichts. Es war auch schwierig zu erklären,… sein bester Freund verstand so einiges, aber auch er war nicht der feinfühligste Mensch. Eigentlich war er das selbst auch nicht, weshalb es ihn auch so wunderte, dass er sich plötzlich so eine Platte um den Schwarzhaarigen machte. Eigentlich war immer Gustav in ihrem Freundeskreis der Menschenversteher gewesen. Entweder hatte er unbewusst etwas davon abbekommen, oder dieser stumme Junge war daran schuld, dass er auf einmal so sentimental wurde… Aber eigentlich war der Grund ja auch egal. Jetzt musste er sich erst mal auf den nächsten Schritt konzentrieren, dann würde er ja sehen wie es weiter ging und später … - Er sah schon von weitem das Jenny vor seiner Tür stand. Sofort schlug sein Herz schneller und er beschleunigte den Schritt ohne, dass er es merkte. »Wolltest du zu mir?« fragte er, als er bei ihr angekommen war. Die Angesprochene wirbelte herum und starrte ihn einen Moment lang einfach nur an. dann verdunkelte sich etwas in ihrem Gesicht und sie kam einfach auf ihn zu und umarmte ihn. Völlig perplex erwiderte die Geste, löste sich aber nach kurzer Zeit wieder von ihr. »Was ist los?« fragte er und sah ihr prüfend ins Gesicht. Irgendetwas war hier ganz und gar nicht in Ordnung. Es war irgendetwas geschehen… »Hast du dich schon entschieden?« »Ja… dafür.« »Okay. « lächelte sie leicht. Doch dieses Lächeln erreichte ihre Augen nicht und wirkte einfach nur erschreckend. »Dann kannst du gleich mitkommen… Bills Mutter hat mich eben angerufen. Ich soll hinkommen, etwas ist passiert.« Ein Schlag ins Gesicht, wäre nicht minder schmerzhaft für Tom gewesen. »Was-« »Weiß ich noch nicht… also kommst du?« »Ich – ja, gehen wir.« entschied sich Tom einfach und versuchte sein Herzklopfen zu ignorieren. Gerade war er sich gar nicht mehr so sicher, ob das so eine gute Idee war. Doch er zwang seine Beine zum weiter laufen. Es fühlte sich an wie der letzte Weg zum elektrischen Stuhl, was eigentlich absolut lächerlich war. Wieso nur machte er sich so viele Gedanken? Als sie das hellviolette Haus am Ende der Straße erreichten, zitterten seine Knie bedenklich. Er hoffte nur, dass Jenny mit sich selber beschäftigt war und es nicht mitbekam. Tom würde sich lieber die ihm heiligen Dreads abschneiden, als jemanden zu gestehen, wie es ihm gerade ging. Er war nervös… scheiß nervös! Dann standen sie vor der Tür und die Schwarzhaarige drückte auf die Klingel. Der Blonde musste sich unterdessen zusammenreißen um nicht wegzulaufen. Wie gerne wäre er der Situation jetzt entkommen… doch das wäre kindisch und dumm gewesen. und im Endeffekt hätte er dann weder Jenny und Bill, noch sich selber im Spiegel ansehen können. Also blieb er stehen und hielt für wenige Augenblicke den Atem an. Er spürte wie Sam sich gegen sein Bein lehnte und fühlte wie sich die Ruhe des Tieres ein wenig auf ihn zu übertragen schien. Einen Moment bevor die Tür aufging, fragte er sich, warum er eigentlich seinen Hund mitgeschleppt hatte. Er hätte ihn zuhause absetzten und Futter geben können. Er wusste nicht mal ob Frau Kaulitz Hunde mochte…- hieß wohl er musste Sam hier draußen anbinden, wenn dies nicht der Fall war. Auch bescheuert. »Oh guten Tag.« wurde er von einer freundlichen Frauenstimme aus der Überlegung gerissen. »Hey, Beate.« begrüßte Jenny die Frau vor sich und zog sie dann in eine herzliche Umarmung. Der Hopper jedoch, konnte die ersten Sekunden nur starren. Beate Kaulitz war eine kleine Frau, die einmal so überhaupt keine Ähnlichkeit mit Bill hatte. Zuerst einmal war sie blond und blauäugig(wobei er nicht einmal wusste ob Bill sich vielleicht die Haare färbte) und zum anderen stimmte keine einzige Proportion. Eigentlich sollte ein leibliches Kind doch irgendwas von seiner Mutter haben… eine gleiche Nase oder die gleiche Lippenform oder etwas anderes. Doch von Bills ebenmäßigen Gesicht war bei ihr nichts zu sehen; ihr Gesicht wirkte eher… kantig. Ja, das war das richtige Wort. Alles an ihr wirkte kantig. Auch war die Frau ihm nicht groß und schlank, sondern klein und untersetzt. Nach wenigen Augenblicken kramte Tom seine Manieren heraus und ging ein Schritt auf die Frau zu um ihr seine Hand entgegen zuhalten. »Guten Tag, ich bin Tom Trümper.« »Tom. Du bist doch der, der hier erst vor kurzem hergezogen ist. Schön, dass ich dich auch mal kennenlerne! Jenny und Bill haben mir schon so viel von dir erzählt!« Seine Hand wurde ergriffen und geschüttelt und auch wenn er sich an dem letzten Wort etwas stieß, sagte er nichts dazu und lächelte nur. »Kommt doch rein.« Während Jenny an ihr vorbeilief, beugte sich der Hopper hinunter um Sam am Regenrohr, was rechts an der Haustür vorbei führte, anzubinden. »Nimm ihn doch mit rein. Wenn er stubenrein ist, habe ich nichts dagegen.« Er sah auf und lächelte sie an. »Vielen Dank.« Dann strafte er den Hund mit einem vorwurfsvollen Blick. »Sam! Wo bleibt dein Danke?« Der Angesprochene kläffte und wedelte mit dem Schwanz, ließ es zu das Frau Kaulitz ihn streichelte und brachte so alle Anwesenden zum Lachen. Sie geleitete Tom und Jenny ins Wohnzimmer, wo sie auf einer breiten Ledercouch Platz nahmen, während Frau Kaulitz Gläser und Wasser holte. Als sie aus der Küche wiederkam, stellte sie alles auf dem Glastisch und setzte sich den Beiden gegenüber in einen Zweisitzer. »Was ist passiert, Beate?« fragte Jenny ohne Umschweife. Diese seufzte und schenkte jedem Wasser ein. »Er hat einen Rückfall bekommen.« »Ein Stuporrückfall oder einen SVV Rückfall?« »Einen Stuporrückfall.« »Scheiße. Die ganze Woche schon?« »Ja…« »Wieso hast du nicht schon früher angerufen?« »Weil es erst heute so schlimm geworden ist. Bis jetzt konnte ich ihn wenigstens noch zum Essen und Trinken bewegen. Aber heute… er hat noch nichts zu sich genommen.« »Fuck, ey.« fluchte die Schwarzhaarige und schien nachzudenken. »Wenigstens zum Trinken müssen wir ihn zwingen, sonst können wir uns den Rest sparen!« Der Blonde hatte das Gespräch stumm verfolgt und wusste überhaupt nicht über was die Beiden da redeten. Was sollte das heißen? Wieso Rückfall? Das hörte sich alles verdammt schlecht an. Und er war Schuld… »Was soll das heißen?« stellte er die Frage ohne weiter darüber nachzudenken. »Das soll heißen er isst und trinkt nicht.« »Das hab ich verstanden, aber was ist das für ein Rückfall, Jenny!?« »Soll das heißen du hast es ihm noch nicht erzählt?« unterbrach Bills Mutter die Beiden und sah Jenny prüfend an. »Nein. Ich wollte ihn nicht gleich wieder verschrecken. Das mit dem Ritzen weiß er ja schon und ich glaube das war Schock genug für ihn…« »Ach dann warst du das, der Bill die Arme verbunden hat?« wand sie sich nun an den Hopper. »Ja.« »Das sah richtig professionell aus. Alle Achtung.« »Da – danke.« Was sollte man auch dazu sagen? Doch Frau Kaulitz wand sich sofort wieder der Schwarzhaarigen zu. »Trotzdem hättest du es ihm sagen müssen, Jenny. Der Junge muss wissen, worauf er sich bei Bill einlässt.« »Aber er will ihm vertrauen, wenn er geht…-« »Das ist egal. Ich werde es ihm trotzdem sagen. Verstehst du nicht? Er muss eine Wahl haben. Wie er sich entscheidet ist ja egal… aber wir müssen mit offenen Karten spielen.« Tom war leicht überfordert. Nein, eigentlich war es Untertreibung… er war sehr überfordert. Was sollte diese Diskussion auf einmal? Hatten sie nicht was Besseres zu tun, als hier zu sitzen und sich bei einem Glas Wasser über so was zu unterhalten. Zumal er anwesend war und er gänzlich ignoriert wurde. »Ähm…« »Weißt du, Tom. Bill ist psychisch krank.« wand sich die Frau nun erneut an ihn. »Eigentlich ist so ziemlich alles von ihm kaputt. Dabei ist er so ein guter Mensch. Aber die Anderen haben ihm zerstört und jetzt lebt er nur noch vor sich hin.« In der Stimme der Blonden schwang eine Traurigkeit mit, die ihn schwer schlucken ließ. »Du musst wissen, Bill hatte eine schreckliche Kindheit. Ihn ist schon damals viel angetan worden und das wurde auch nicht besser als er hier zu mir kam. Irgendwann kann man einfach nicht mehr. So schrecklich sich das anhört… irgendwann gibt man sich einfach auf und das hat er getan.« Er kam hier zu ihr? Das würde Sinn ergeben… was wenn diese Frau gar nicht Bills leibliche Mutter war? Dann war er vielleicht doch nur hierher gezogen? Da solche Fragen aber in solch einer Situation unangebracht und wenig feinfühlig waren, schwieg er und nickte nur. Irgendetwas Schmerzhaftes rührte sich in seiner Brust. »Ich bin mit ihm zum Arzt gefahren, als es ganz schlimm mit ihm war und er einfach nicht mehr sprechen wollte. Es wurde diagnostiziert das er eine mittelschwere Depression entwickelt hat und aus dieser hat er eine Depersonalisation, das ist eine Ich – Störung, was wahrscheinlich auf seine Kindheit zurückzuführen ist. Dazu kommt das er zum Selbstverletzenden Verhalten neigt, kurz SVV. Zu dem gehört auch das Ritzen… in den letzten Jahren hat er zudem noch Verlustängste und eine Sozialphobie entwickelt.« Tom konnte die Frau nur anstarren. Konnte das sein? Konnte ein Mensch wirklich so gestraft sein? Das schmerzhafte Etwas in seiner Brust tobte. Er bekam kaum noch Luft. Hatten ihm das wirklich Andere angetan? Konnte überhaupt jemand so etwas tun? Du hast ihm auch wehgetan, flüsterte die böse Stimme in seinem Kopf. Er schüttelte den Gedanken ab. »Was… was ist das dieses Mal für ein Rückfall…?« »Ein Stuporrückfall. Stupor bedeutet Bewegungslosigkeit. So etwas hat er manchmal… dann ist er völlig leblos wie eine Puppe. Es ist so, als wenn er in irgendeiner anderen Welt gefangen sein würde.« erklärte Beate Kaulitz kurz und ihre Augen drückten Kummer aus. »Meistens wacht er nach drei Tagen alleine auf, wenn man das überhaupt so nennen kann… aber dieses Mal ist er schon vier Tage so. ich weiß einfach nicht was ich noch tun soll.« »Und du wolltest das wir es mal versuchen.« mutmaßte Jenny. »Ja… ich weiß keine andere Lösung.« »Okay. Dann lass uns hochgehen.« meinte die Schwarzhaarige und seufzte. »Bist du sicher, dass du das machen willst, Tom.« Nein, verdammt! »Ja…« Was redete er da überhaupt?! In ihm tobte ein Kampf zwischen seinem schlechten Gewissen und seinem Verstand. Was sollte er mit so einem kaputten Jungen anfangen? Wie sollte er ihm helfen und für ihn stark sein? Trotzdem, hätte er nicht so egoistisch gehandelt, wäre niemand von den Anwesenden jetzt in der Situation, in der sie sich nun einmal befanden. Tom folgte den Beiden Frauen die Treppe rauf. In der zweiten Etage befanden sich nur zwei Zimmer und seine Begleiterinnen steuerten das linke davon an. Jenny stieß die Tür auf und ihm blieb das Herz mitten im Takt stehen. Der Hopper blieb einfach im Türrahmen stehen. Er konnte sich nicht mehr bewegen… Alles war eingefroren. Er starrte nur auf das grausame Bild, was ihn zum Heulen hätte bringen können, wenn er nicht in Begleitung gewesen wäre. Dort in dem kahlen, unpersönlichen Zimmer saß Bill. Es war dunkel, da die Jalousien hinunter gelassen worden waren. Der Schwarzhaarige saß auf dem Boden, vor seinem Bett, hatte seine Beine nah an den Körper gezogen, die Arme darum geschlungen und starrte vor sich hin. Er sah wirklich aus wie eine Puppe. Er bewegte sich nicht. Nur die Tatsache das er atmete und ab und an blinzeln musste, zeigte, dass er lebte. Seine Augen waren leer. So als hätte man die Stahltüren zu seiner Seele zugeschlagen. Man sah absolut nichts mehr in ihnen. Es war schrecklich… Wenn er beschreiben sollte was er sah und was er fühlte, hätte er es nicht gekonnt Niemand würde das grauen dieses Menschen verstehen, wenn er nicht selber mit ihr im Zimmer gewesen war. Alles schien aus seinem Körper gewichen zu sein. Nur am Rande nahm Tom wahr, wie Jenny und Beate versuchten den Schwarzhaarigen zum Trinken zu bewegen. Sie sprachen auf ihn ein, doch es geschah nichts. Keine Regung. Nicht mal eine Mirkobewegung. Irgendwann würde er ein Druckgeschwür am Hintern bekommen, wenn das so weiter ging, brach plötzlich eine nüchterne Stimme aus seinen Gedanken vor. Wenn es nicht schon zu spät war. Okay, vielleicht bewegte er sich ja doch etwas, wenn kein anderer da war. Weiterhin völlig erstarrt, dachte er darüber nach, was nun zutun war. Wie sollte er etwas wieder gutmachen, dessen Schaden so groß war? Konnte er das überhaupt? Sollte er nicht lieber runtergehen, sich Sam schnappen und nach Hause verschwinden. Wenn er es noch schlimmer machte dann…- Nein! Er konnte jetzt nicht einfach abhauen. Das war Bill. Er musste ihm helfen… irgendwie. Der Blonde sah sich um. Es war eher der versuch sich von dem herzzerreißenden Bild abzulenken, als direkt geplant. Doch als er das Keyboard sah, wusste er was er zu tun hatte. Wenn Tobi wieder einen seiner Anfälle gehabt hatte, dann hatte ihn Toms Musik immer beruhigt. Warum sollte sie also nicht auch Bill zurückholen? Ein Versuch war es allemal wert; zu verlieren hatte er schließlich nichts. Aus diesem Grund ging der Hopper ins Zimmer und setzte sich unweit von Bill auf den Boden, dort wo das Instrument stand. Wahrscheinlich hatte er vor kurzem erst dort gespielt. Seufzend machte er das Gerät an und stellte es so ein, wie er es brauchen würde. Es kostete ihn einiges an Mut vor anderen zu singen. Das tat er sonst nie, vielleicht mal abgesehen von seiner Mutter. Er mochte es nicht… er wusste das sein Outfit und die Musik die er schrieb nicht zusammenpassten. Natürlich konnte er auch rappen, aber das war im Moment einfach nicht angebracht. Tom machte ein kurzes Vorspiel und versuchte die anderen Drei bewusst auszublenden. »Dort am Straßenrand stand ein Mann, wegen ihm fiel das Laub noch leiser. Meine Stimme schnitt durch die Stille; ein böser Traum. Mit der Angst fest in meiner Hand schrie ich mich an der Kälte heiser: Vor den Wolken zählen Momente wie dieser kaum. « sang er mit klarer sanfter Stimme. » Wieder atme ich Wasser, wieder trinke ich Flammen und ich bitte um noch mehr Verzicht. Doch je lauter ich flehe, so sehr ich ihn auch suche, Den Weg zu mir, ich finde ihn nicht.« Dieses Lied hatte er ewig nicht mehr gesungen oder gespielt. Damals, als sie noch die Band gehabt hatten, hatten sie es zusammen geschrieben. Na ja, eigentlich hatte es eher der damalige Sänger der Band geschrieben und sie hatten alle daran mit herumgefeilt, bis es absolut jeden von ihnen gefallen hatte. Es war eines ihrer besten gewesen und das einzige was in seinem Gedächtnis bis heute überlebt hatte. Ihn wunderte es, dass er die Melodie noch so fehlerfrei spielen konnte. Doch es war so, als würde sie sich aus seinem Geiste direkt auf seine Finger übertragen. »Hier im Haus ist man nicht allein, rings um uns sammeln sich die Geister. An den Wänden zerrinnen Schatten, das Leben schweigt. Über Dir bin ich furchtbar klein und das Ende, des Anfangs Meister Färbt die Hände, wenn sich der Weg an der Brücke zweigt. Wieder schlucke ich Steine, wieder gleiten die Finger durch Entbehrung, das Gras und den Wind. Manche Schachtel wiegt schwerer Als die Welt auf den Schultern Und als alle, die noch bei mir sind.« Er spürte die Blicke in seinem Nacken. Komischerweise störte ihn das nicht so sehr, wie es das sonst getan hätte. »Wär' die Erde doch nur so kalt, wie mein Herz im Licht aller Sonnen. Wär' das Eisen so leicht und brüchig wie morsches Holz. Mein Bruder, Lebwohl; schon bald Hat der Winter in Dir begonnen: Unaufhaltsam und voller Anmut, Gleich Deinem Stolz. « In den letzten Zeilen wurden sowohl seine Stimme als auch sein Spiel immer leiser. »Wieder reiße ich Narben in die Körper der Menschen, wieder berste ich: "Nimm' sie mir nicht." Doch je tiefer ich grabe, so sehr ich nach ihm suche, den Weg zu dir, ich finde ihn nicht. « Als die Melodie verklungen war fühlte er sich merkwürdig melancholisch. Und dann spürte er zwei Arme, die sich um seinen Bauch schlangen und einen schmalen Körper, der sich von hinten an ihn presste. ___________ Reinhören: http://www.amazon.de/samsas-traum-janis-lied-Alternative-MP3-Downloads/s?ie=UTF8&keywords=Samsas%20Traum%20Janis%20Lied&page=1&rh=n%3A180643031%2Ck%3ASamsas%20Traum%20Janis%20Lied Kapitel 6: erkennend -------------------- Unwillkürlich verspannte er sich bei dem plötzlich so innigen Körperkontakt, doch als er das Schluchzen hörte und den schutzbedürftigen Körper spürte, der sich an ihn schmiegte, hielt er still. Der Griff um seinen Bauch festigte sich noch etwas. Er war fast völlig bewegungsunfähig. Niemals hätte er gedacht, dass in diesen schlanken Körper so viel Kraft steckte. »Oh Billy.« schniefte Frau Kaulitz gerührt. Sie müsste auf dem Bett neben ihnen sitzen, wenn ihn seine Orientierung nicht ganz täuschte. Konnte ihm denn nicht mal jemand helfen? Für wenige Minuten blieb er einfach regungslos so sitzen. Er spürte die Wärme des anderen Körpers und fühlte sich um wenige Jahre in der Zeit zurück versetzt. So nahe hatte er schon lange keinen Menschen mehr an sich gespürt. Nicht nur körperlich… auch emotional. Es fühlte sich so an als würde sich seine Seele die von Bill berühren. Das war ein lächerlicher und grusliger Gedanke; aber irgendwie fühlte es sich auch schön an. Ob der Schwarzhaarige es auch fühlte? Scheiße, was dachte er denn da? »Lass mich mal los.« sagte er sanft und löste die anderen Finger aus seinem T – Shirt. Als das geschafft war, drehte er sich um. Er blickte in das verheulte Gesicht des stummen Jungen. Und diese Tränen berührten ihn mehr, als er sich das je hätte vorstellen können. »Hey, hör schon auf zu weinen.« seufzte er und wischte den Schwarzhaarigen zart die Tränen von den Wangen. »Es tut mir wirklich sehr Leid, wie das da abgelaufen ist, Bill. Ich wollte das nicht. Ich wollte dir nicht wehtun, ehrlich…« Der Angesprochene sah ihn an und lächelte zittrig. Sein Blick war wieder klar und voll von Emotionen, auch wenn er so ungeschminkt absolut ungewohnt aussah. Nicht unbedingt weniger schön. Nur natürlicher… nicht wie eine perfekte Porzellanpuppe. Trotzdem war es erleichternd wieder einen Gesichtsausdruck auf diesem ebenen Gesicht zu sehen. Nach dieser schrecklichen Starre, tat dieser Anblick richtig gut. »Soll das heißen du verzeihst mir?« versuchte auch Tom sich an einem Lächeln. Bill nickte und umarmte ihn erneut, dieses Mal von vorne. Der Blonde lachte leise. »Was meinst du, hast du Hunger?« fragte er dann und sah Jenny an. »Ich hab heute auch noch nichts zum Mittag und riesen Kohldampf.« Der Andere strahlte ihn an und erhob sich mit wackligen Beinen vom Boden. Man sah ihm an, dass er sich lange nicht mehr richtig bewegt hatte. Er ging steif und schwankend, doch er kam trotzdem bei seiner Mutter an und redete auf seine Weise mit ihr. Sie antwortete ebenfalls mit Handzeichen, sodass Tom überhaupt keine Ahnung hatte worum es eigentlich ging. Und während er die Beiden so betrachtete, wusste er, dass es kein Zurück mehr für ihn gab. Und gleichzeitig war ihm klar, dass er das richtige getan hatte. Sie gingen zu viert wieder die Treppe hinunter in den Wohnbereich. Unten wartete Sam bereits ungeduldig auf ihn und beschnüffelte Bill erst mal ausgiebig. Anscheinend spürte auch der Hund, dass etwas anders an den Jungen war. Hunde eben. Der Blonde wurde von den Anderen zum Esstisch gelotst und ehe er sich versah, saßen sie alle um den Mahagonitisch und er hatte einen Teller Lasagne vor sich stehen. Auch Jenny und Bill bekamen von der Frau eine großzügige Portion ausgeteilt und schließlich begannen sie gemeinsam zu essen. Die Gespräche fanden vorrangig zwischen den Jenny und der Mutter von Bill statt. Der Schwarzhaarige selber antwortete nur ab und an mit einem Kopfschütteln oder Nicken, aber er aß und das war wichtig. Tom selber hielt sich auch aus den Gesprächen heraus, außer er wurde direkt was gefragt. Irgendwie fühlte er sich nicht recht wohl. Er saß hier bei einer völlig fremden Familie, aß Lasagne und hörte Gesprächen zu, die eigentlich nicht für seine Ohren bestimmt waren. Sam hatte es sich unter seinen Stuhl gemütlich gemacht, seinen Kopf auf die Vorderpfoten gelegt und die Augen leicht geschlossen… so als würde ihn das alles nichts mehr angehen. Wie gerne wäre er jetzt zuhause. Und wenn er daran dachte was er noch alles erledigen musste, ehe seine Eltern kamen, sollte er auch bald mal gehen. Jetzt einfach aufzuspringen wäre allerdings unhöflich gewesen. Also hörte er weiter den Erzählungen zu. So erfuhr er, dass Beate Kaulitz in der Scheidung stand und nicht gut auf ihren Mann zusprechen war. Und noch viele weitere Informationen über den Rosenkrieg, die man als Außenstehender nicht gerade bei der ersten Begegnung wissen wollte. Er sollte nicht zuhören. In dem Versuch sich abzulenken ließ er seinen Blick durch das helle, geräumige Esszimmer gleiten. Hier gab es nicht viel außer einer antik aussehenden Vitrine, wo sehr viel Porzellan drin stand, dem Tisch und zehn passenden Stühlen. Die Wände waren recht kahl und wurden lediglich durch die Mustertapete und einige Wand Tattoos geschmückt. Trotzdem wirkte es freundlich. Ihm gegenüber befand sich das große Fenster, das einen sanften Sonnenstrahl zu ihnen hinein schickte. Irgendwann bemerkte er die scheuen Blicke, die ihm immer wieder seitens Bill zugeworfen worden. Als wolle er kontrollieren ob Tom noch an Ort und Stelle saß. Er lächelte den Schwarzhaarigen schief an und schob den leeren Teller etwas von sich. »Das war wirklich sehr lecker, danke.« sagte er in eine Gesprächspause hinein und lächelte nun Beate an. »Es freut mich, wenn es dir geschmeckt hat.« »Wenn sie nichts dagegen haben, gehe ich jetzt aber wieder rüber. Ich habe noch ein bisschen was zu tun.« »Also zuerst Mal, du kannst mich ruhig duzen; ich bin Beate. Und des Weiteren verpasst du die Nachspeise, wenn du jetzt gehst.« Der Hopper überlegte kurz, stimmte aber zu, als er Jennys warnenden Blick sah. Die Vier zogen rüber ins Wohnzimmer. Während er sich auf die cremefarbene Couch niederließ, halfen Jenny und Bill der Frau in der Küche. Die Schwarzharrige bewegte sich in der Wohnung, als wäre es ihr zweites Zuhause. Wahrscheinlich war sie regelmäßig hier. Er würde sie vielleicht später einmal fragen. Die Drei kamen mit dem Nachtisch zurück und setzten sich zu ihm. Irgendwie lustlos stocherte Tom in seinem Schockoladeneis herum. Er wollte der Situation entkommen, doch es schien keinen leichten Weg zu geben. Er musste grinsen, als er sah wie sein Hund plötzlich auftauchte und sich suchend umsah. Sam schien wirklich kurz geschlafen zu haben, denn es brauchte eine Weile bis er sein Herrchen erspähte und zu ihm getrottet kam. Dann legte er sich auf seine Füße und seufzte zufrieden. »Sag mal, wie heißt der Hund eigentlich?« »Sam.« »Oh… ein schöner Name. Und wie lange hast du ihn jetzt schon? Er scheint ja richtig auf dich fixiert zu sein.« fragte Frau Kaulitz weiter. »Bei uns ist er jetzt seit fast 5 Jahren. Aber das er auf mich geprägt ist, ist noch nicht so lange her. Er gehörte ursprünglich meinen Bruder.« antwortete Tom und spürte Unbehagen in sich aufsteigen. Noch so ein Thema, was er eigentlich nicht heute erörtern wollte. »Gehörte? Wollte er ihn dann nicht mehr?« »So kann man das nicht sagen.« nuschelte er und spürte einen Stich in seinem Herzen. Er spürte die Blicke der Blonden, doch sie schien zu spüren, dass er nicht weiter darüber reden wollte. Für wenige Momente herrschte Stille. Und er beschloss, dass jetzt der Moment war, wo er gehen sollte. Es war alles schon unangenehm genug hier. »Danke nochmal für das Essen. Es war sehr lecker.« sagte er und stellte das leere Schälchen auf den kleinen Couchtisch vor sich. »Aber ich muss wirklich gehen. Ich hoffe – uff.« Tom hatte sich bereit halb aufgerichtete, als er durch ein Gewicht unterbrochen wurde, dass gegen seinen Körper stieß und ihn mit einem gewaltigen Ruck zurück in die Polster des Sofas warf. Ihm wurde die Luft aus den Lungen gepresst und für wenige Augenblicke, konnte er sich nicht erklären was passiert war. Dann jedoch registrierte er den fremden Körper der auf seinen Schoß saß und sich fest an ihn presste. Er spürte die dünnen Arme, die sich fast schraubstockartig um seinen Hals legten. Dieser Kerl war ihn wirklich angesprungen wie eine Raubkatze. Unfassbar. »Ey, Alter. Spinnst du?« fuhr er Bill in seinem Schock gröber als beabsichtigt an und versuchte sich von ihm zu befreien. »Lass mich los.« Der enge Kontakt löste in ihm ein nie dagewesenes statisches Kribbeln aus. Er wollte so was nicht fühlen. Er wollte Niemand so nahe sein. Schon gar keinem Mann! Alle Bemühungen sich aus dem Griff zu lösen scheiterten aber kläglich. Was sollte der Mist? Tom sah zu Beate und Jenny rüber, die genauso überfordert aussahen, wie er sich gerade fühlte. Na toll, wenn die Beiden nicht weiter wussten, was sollte er dann tun?! Er registrierte das Wimmern an seinem Ohr. Und irgendwie schaffte er es nicht wirklich böse auf den Menschen zu sein, der sich so hilfesuchend an ihn schmiegte, als wäre er der einzige Sicherheitsring auf rauer See. Wie konnte jemanden einen Menschen nur so brechen? Was zur Hölle war nur mit Bill passiert. »Hey, beruhig dich.« sagte er nun schon um einiges sanfter und strich über den zitternden Rücken. »Was ist denn los? Willst du nicht das ich gehe?« Er spürte das eindeutige Kopfschütteln als Antwort auf seine Frage. »Aber ich muss doch irgendwann nach Hause, Bill.« Wieder ein Kopfschütteln was ihn aufseufzen ließ. Und nun? Er strich weiter beruhigend über den Rücken des stummen Jungen, während er überlegte was zu tun war. Einziehen konnte er ja schlecht hier, außerdem würde das die Abhängigkeit eh nur fördern. So wieso war dem Blonden nicht ganz klar, warum Bill so extrem reagierte, was ihn anging. Sie kannten sich ja eigentlich nicht wirklich. Wieso also war er so zutraulich, wenn er doch eigentlich misstrauisch hätte sein müssen? »Bill, geh mal runter von mir. Du erwürgst mich gleich.« meinte er dann und strich über den Oberschenkel des Anderen, ehe er ihn mit einem Ruck nach Links absetzte. Und tatsächlich ließ der Schwarzhaarige los. Wie ein Häufchen Elend saß er nun neben Tom und sah diesen verzweifelt an. Ein dunkler Blick, der dem Hopper eine Gänsehaut bescherte. Er musste keine Körpersprache und auch keine Gebärdensprach beherrschen um zu verstehen, was er ausdrückte. Es stand deutlich in den hellbraunen Augen geschrieben. Geh nicht! Wenn du gehst, dann kommst du nie wieder. Verlass mich nicht! Lass mich nicht allein! Tom schluckte schwer. Er hatte keine Ahnung wie er darauf reagieren sollte. »Bill. Lass gut sein. Ich weiß, dass du Angst hast, aber es nutzt doch nichts, wenn Tom Ärger bekommt, oder? Das willst du doch nicht.« versuchte es jetzt auch Beate. Auch sie war mehr als verunsichert, das hörte man. Anscheinend hatte sie eine derartige Situation auch noch nicht bewältigen müssen. Der Angesprochene nickte und sackte noch ein Stück in sich zusammen. Als der Blonde ihm ins Gesicht sah und die Träne bemerkte, die verloren über seine Wange rollte, spürte er die Übelkeit der Schuld wieder aufflammen. In den Augen des stummen Jungen stand schwarze Resignation geschrieben. So als hätte man ihm einer Hoffnung beraubt, die für ihn nötig gewesen war um zu lächeln. Zittrig erhob er sich und wollte von der Couch aufstehen, wurde jedoch mit einem Ruck von Tom zurückgezogen. »Ey, jetzt hau nicht ab. Noch bin ich nicht gegangen.« sagte er und drückte den Schwarzhaarigen zurück in eine sitzende Position. Als dieser ihn verständnislos anschaute, grinste er schief. Tom hob sein Becken an und fischte sein iPhone aus den Tiefen seiner Taschen, dann hielt er dieses Bill unter die Nase. »Hier, tipp mal deine Nummer ein. Dann kann ich mich morgen bei dir melden und wir können zusammen mit Sam spazieren gehen oder so.« Er blickte zweifelnd zu dem Blonden auf, nahm das Handy aber entgegen und tippte dann konzentriert darauf herum, ehe er es seinem Besitzer wiedergab. »Danke. Ich melde mich wirklich. Versprochen.« Wieder bekam der Hopper einen zweifelnden Blick geschenkt. Doch wenn er sich nicht täuschte, dann war die Hoffnung in die Augen zurückgekehrt. Und das war es ihm wert. Nun stand er auf und klopfte auf seinen Oberschenkel. Sam, der sich bei dem ganzen Hin und Her verängstigt unter dem Couchtisch verkrochen hatte, kam auf ihn zugetrabt und schob seine Schnauze vertrauensvoll in seine Hand. Tom lächelte den Hund an, strich ihm schnell über den Kopf und wand sich dann zu Jenny. »Kommst du mit?« »Nein, ich bleib noch etwas…« »Okay. Man sieht sich.« verabschiedete sich Tom und tippte mit den Fingern an den Schirm seines Caps. »Ich find den Weg, bleibt ruhig sitzen.« Er schlenderte aus dem Wohnzimmer, den Flur entlang auf die Eingangstür zu, als er noch einmal zurückgehalten wurde. »Warte mal, Tom.« Der Hopper wand sich um und sah Jenny unschlüssig im Flur stehen. »Hm?« »Ich… ich wollte noch einmal Danke sagen. Du hast hier wirklich geholfen. Ich glaube ohne dich hätten wir das nicht so glatt hinbekommen.« sagte die Schwarzhaarige und blickte verlegen auf ihre Finger, die sie knetete. »Außerdem wollte ich mich noch entschuldigen.« Tom hob seine Brauen. »Warum das?« »Weil ich letzter Zeit so scheiße zu dir war. Ich wollt dich nicht anschreien und so… aber ich hab mir nun mal so Sorgen gemacht und ich -« Tom lachte auf und winkte ab. »Das ist längst vergessen, Jenny. Ich weiß doch wie du es meintest. Alles okay.« »Wirklich?« »Klar, mach dir keine Platte.« »Danke.« »Da nicht für. Also bleib sauber1« grinste der Hopper und öffnete die Tür. »Du auch! Ich sehe dich!« »Nicht wenn ich dich zuerst sehe!« Beide lachten über die Verabschiedung, die sich während der letzten Zeit so bei ihnen eingeschlichen hatte. Dann war Tom aus dem Haus und lief die Straße hinunter. Auf den Weg nach Hause begleitete ihn ein merkwürdiges Gefühl. Es war nicht deutlich, sondern leise und verschwommen. Dieses komische Flattern der Nervenenden, das man erst richtig zuordnen konnte, wenn man träumte. Am Samstagmorgen wachte er für seine Verhältnisse viel zu früh auf. Ihm war so als hätte er geträumt, doch ihm fehlten jede Erinnerungen. Irgendwann gab er es auf sich erinnern zu wollen oder zu versuchen noch einmal einzuschlafen und stand auf. »Morgen.« nuschelte er dem Hund zu, der vor seinem Bett schlief und aufsah, als er sich aus selbigen schwang. Im Gehen band er sich seine Dreads hoch und ging ins Bad. Dort angekommen stellte er sich als erstes unter die Dusche und drehte das Wasser an. Schon der erste Strahl der seine Haut traf, belebte ihn etwas. Immer wacher werdend vollzog er seine Morgentoilette und tappte schließlich in sein Zimmer zurück um sich frische Klamotten anzuziehen. Als er sich sauber und ein wenig wacher fühlte ging er den Flur entlang in die Küche. Dort angekommen brühte er sich einen Cappuccino auf und bereitete für seine Eltern, die sicher noch schliefen, das Frühstück vor. Als sein Heißgetränk genießbar war, lehnte er sich an die Anrichte und schlürfte an seiner Tasse herum. Und wartete. Es brauchte nicht einmal fünf Minuten und Sam stand schwanzwedelnd mit der Leine im Maul in der Küchentür. Tom grinste ihn an. »Auf dich ist immer verlass, was Sammy?« Der Angesprochene ließ, dass Lederband fallen und kläffte zur Bestätigung. »Scht. Keinen Grund alle zu wecken.« mahnte der Hopper und befestigte die Leine an seinem Halsband. »Um Neun ist eigentlich nicht unsere Zeit, aber wir machen eine Ausnahme heute, was?« Er führte den Hund zur Tür, wo er sich selber noch Schuhe und Hoodie, sowie ein Cap überzog und dann mit ihm das Haus verließ. Der einzige Trost war, dass er heute Mittag noch mal ein paar Stunden pennen konnte. Er drehte mit dem Rüden die kurze Strecke im Park und ertrug die abschätzenden Blicke der Anderen, die ebenfalls schon unterwegs waren um Brötchen zu kaufen oder ebenfalls mit Hunden unterwegs waren. Doch diese Blicke machten ihm nichts mehr aus. Er hatte sich irgendwie daran gewöhnt so komisch angestarrt zu werden. Richtig unauffällig war er, dank seines Outfits auch in Hannover nicht gewesen, doch er stand zu dem was er trug, auch wenn es Viele an einen Gangster erinnerte. Er fand es eben gut. Doch hier war es noch um einiges krasser, weil sich fast jeder nach ihm umdrehte und ihn fast feindselig musterte. So als würde Jeder erwarten, dass er ein Messer hervorzog und ihn ausrauben würde. So ein Schwachsinn. Trotzdem fiel es ihm jetzt irgendwie leichter darüber hinwegzusehen. Warum das so war, wusste er auch nicht genau. Aber es wurmte ihn nicht mehr so… Wahrscheinlich konnte man sich wirklich an alles gewöhnen. Als er nach Hause zurückkam, Sam ableinte und sich selber ausgezogen hatte, sah er seine Eltern am Tisch sitzen. Wie zwei Geister saßen sie sich gegenüber und sagte kein Wort; aßen wie automatisiert ihr Essen. Heute war also wieder einer der schlechten Tage. Leise ging der Hopper an den Tisch und machte sich ein Teller mit drei Brötchen zurecht. In der Zeit, die er brauchte um sich die Hälften der Brötchen zu beschmieren, wurde er noch nicht einmal bemerkt. Kein guten Morgen, kein Danke für das Frühstück… Ja, heute war ein sehr schlechter Tag. So hatte er seine Eltern nach dem Umzug nicht mehr erlebt. Ob was passiert war? Er goss er sich noch eine Tasse Tee ein und stellte das alles auf ein Tablett. Er würde oben essen…das war wohl besser. Lautlos schlich er nach oben und ließ die Hüllen seiner Eltern am Tisch zurück. Noch immer darüber grübelnd, was für die neusten Zustand im Hause Trümper verantwortlich sein könnte, aß er sein Frühstück. Als auch das letzte Brötchen verputzt war, schaltete er den Laptop an und checkte seine Accounts auf den verschiedensten Seiten durch. Es gab nichts Neues für ihn. Mit diesem Wissen brachte er das Tablett wieder in die Küche. Noch immer saßen seine Eltern dort und starrten ins leere und als er zurück ging und zufällig auf den Telefonschrank sah, erblickte er auch den Grund dafür. Da lag ein Brief, der gestern noch nicht dagewesen war… Er war adressiert an Tobias Trümper. Wie makaber war das denn bitte? Welcher Idiot hatte denn noch nicht mitbekommen, dass sein Bruder gestorben war? Wie konnte man so etwas überhaupt nicht mitbekommen? Knurrend packte er das Papier und ließ es in den nächsten Mülleimer segeln. Wegen irgendeinem hirn- oder herzlosen Menschen würde er also die nächsten Tage wieder in einem Geisterhaus verbringen. Na wundervoll… Seufzend ging er zurück in sein Zimmer, nichts ahnend was er mit den zwei freien Tagen jetzt anfangen sollte. Vielleicht sollte er sein Versprechen schon mal einlösen? Prüfend sah er auf die Uhr. Halb elf. Uhi, wo war die Zeit geblieben?! Kurz entschlossen schnappte er sich sein Handy und tippte: Hey, ich dachte ich sollte mein Versprechen mal einlösen. Ich hoffe du bist nicht son Langschläfer wie ich sonst und ich weg dich jetzt nicht. (; Dann legte er sein Handy neben sich auf den Schreibtisch ab und surfte noch ein wenig ziellos im Internet herum. Einige Minuten später, verriet ihm ein Klingelton, dass er eine Kurzmitteilung erhalten hatte. Er öffnete die Nachricht, die tatsächlich von Bill stammte. Nein, du hast mich nicht geweckt. Ich schlafe nicht viel und nicht gut… aber egal. Wie kommt es, dass du dich so früh meldest? las er und tippte gleich seine Antwort zurück. Ich bin heute einfach so aufgewacht. KP. Willst du heute Nachmittag mit mir und Sam spazieren gehen? Wieder musste er einige Minuten auf seine Antwort warten. Die Frage war eher spontaner Natur. Aber es erschien ihm irgendwie richtig… schließlich hatte er heute eh nichts weiter vor. Meinst du das ernst? kam als Antwort zurück. Tom kräuselte die Stirn etwas. An dieses Misstrauen und den Unglauben gegenüber so einfacher Sachen musste er sich noch gewöhnen. Aber was sollte man von einem Menschen wie Bill auch anderes erwarten? Sicher mein ich das ernst, sonst würde ich ja nicht fragen, also? Er schickte die Nachricht ab und seufzte auf. So wirklich hatte er zwar noch keine Ahnung wie er dann mit Bill kommunizieren sollte, doch darüber würde er sich Gedanken machen, wenn es soweit war. Vielleicht sollte er sich doch einmal überlegen Gebärdensprache zu lernen. Jedenfalls so viel, dass er sich zum Teil mit Bill unterhalten konnte… Ja, gerne. Ich würde mich sehr freuen. Na ging doch, wieso nicht gleich so? Gut. Dann hol ich dich um Drei bei dir ab. (: schrieb er zurück und lehnte sich dann entspannt in den Stuhl. Okay, jetzt musste er nur noch irgendwie die Zeit bis dahin tot kriegen. Konnte ja nicht so schwer sein… Nach einer halben Stunde sinnlosen surfen und spielen im Netz, sah der Hopper das Georg online war und lud ihn zum Videochat ein. So verbrachte er seinen Nachmittag damit mit Georg und Gustav rumzublöden und alle neuen und alten Informationen auszutauschen. Und auch wenn er es sich nicht wirklich eingestehen konnte. Er vermisste die Beiden Idioten sehr, die ihn durch die Webcam da angrinsten. Kapitel 7: überraschend ----------------------- Gut in der Zeit liegend schlenderte Tom schließlich die Straße herunter. Sam schlenderte brav an seiner Seite und schnüffelte angetan an jedem Zaun und jeden Pfahl der seinen Weg kreuzte. Nach dem Gespräch mit seinen damaligen besten Freunden hatte er plötzlich wieder einen heftigen Anflug von Heimweh. Er wünschte sich zurück nach Hannover; wollte wieder mit Georg und Gustav trinken gehen, Party machen, Tussen aufreißen und Scheiße labern. Das alles vermisste er hier irgendwie und auch das Bedenken war da, das die Entfernung zu den Beiden, die Freundschaft irgendwann einschlafen ließ. Noch erinnerten sie sich… noch hielten sie so viel Kontakt wie möglich. Aber was war in ein paar Monaten? Was in einem halben Jahr? Würde er irgendwann alle Bezüge zu seiner alten Heimat verlieren? Schon alleine die Vorstellung schmerzte irgendwie ungemein… Die letzten Jahre war es selbstverständlich gewesen, dass die Freunde immer dagewesen waren. Jetzt allerdings waren sie nicht mehr da. Wenn er mit ihnen über das Internet sprach, war das nicht einmal im Entferntesten das gleiche. Es machte einfach einen Unterschied ob ein Mensch vor dir saß oder du ihn nur durch einen Monitor betrachten konntest, wie ein altes Video. Immer mehr verabscheute er den Entschluss ihrer Eltern hier her zu ziehen. Auch wenn er nicht leugnen konnte, dass es auch positive Aspekte an dem Umzug gab. Als er an den violetten Haus ankam, bemerkte er erstaunt, dass er bereits erwartet wurde. Dort auf den drei Stufen, die zur Eingangstür führten, saß Bill und lächelte ihm entgegen. War er doch zu spät? Das konnte aber eigentlich gar nicht sein… »Hey, wie lange wartest du denn schon?« fragte er verblüfft, als der Andere ihm strahlend entgegen kam und ihn stürmisch umarmte. Kurz erwiderte er die Umarmung, schob ihn dann aber wieder sanft von sich um ihn anzusehen. Er sah besser aus als gestern. Glücklicher… offener irgendwie… die Augen waren wacher und funkelten und vor allem… er hatte sich wieder geschminkt. Bill hielt ihm seine Hand entgegen mit ausgestreckten Fingern. Kurz musste der Blonde überlegen was er meinte. »Du hast schon 5 Minuten gewartet?« Er nickte. Seltsam war das schon… Aber der Dreadhead verkniff sich jeden weiteren Kommentar. »Wollen wir dann los?« Der Schwarzhaarige nickte erneut und schritt dann leichtfüßig neben ihm her, als Tom mit Sam die Einfahrt wieder hinunter ging. Es war fast als würde er hüpfen. Doch dem Hopper war nicht wirklich klar, was seinem Gemütszustand so gehoben hatte. Konnte es an ihm liegen? Auch wenn es stimmte, es war schon ein wenig eingebildet davon auszugehen… Vielleicht hatte er einfach einen guten Tag oder so. Unauffällig schielte er zu Bill hinüber. Aber was nun? Ihm war immer noch nicht ganz klar, wie er mit den stummen Jungen kommunizieren sollte. Natürlich gab Bill sich wirklich Mühe sich ihm verständlich zu machen und notfalls hatten sie noch ihr Handy… aber trotzdem war es mühsam. Doch es nutzte ja nichts sich jetzt unnötig den Kopf darüber zu zerbrechen… »Magst du?« wollte Tom wissen und hielt dem Anderen Sams Leine hin. Irgendwann hatte Jenny ihm mal beiläufig erzählt das Bill Tiere – speziell Hunde – über alles liebte und das Strahlen, welches er auf seine Frage erhielt, bestätigte ihm die Information. Der Schwarzhaarige nahm vorsichtig die Leine des Hundes entgegen. Sam, der den Wechsel durchaus wahrgenommen hatte, nutzte seine Chance sofort voll aus. Er überholte die Beiden und zog Bill mehr als das er sich führen ließ, um möglichst schnell in den Park zu kommen. Erst ein warnender Pfiff von Tom, brachte ihn dazu auf die Beiden zu warten und sich dann wieder brav an Bills Seite und in seinem Tempo zu bewegen. »Du darfst ihn nicht zu lasch halten. Wir gehen mit ihm spazieren nicht er mit uns…« wies er den Schwarzhaarige an. Bill senkte den Kopf und nickte. Tom nahm die Veränderung an ihm fast sofort war. »Du kannst ja nichts dafür. Sam merkt so was eben relativ schnell und will es gleich ausnutzen…« versuchte er das vorher gesagte abzumildern und fühlte sich wieder wie ein Alleinunterhalter. »Aber das ist ja nicht so schlimm. Das hast du schnell raus.« Von Bill jedoch kam keine Reaktion mehr auf das Gesagte. Na toll. Hatte er es wirklich so schnell geschafft Bill die Laune zu verhageln? Das war ja rekordverdächtig! Tom fühlte sich im Augenblick mehr als nur überfordert, doch ihm war auch bewusst, dass er alles nur noch schlimmer machte, sollte er ihren Spaziergang jetzt abbrechen. Dann hieß das wohl Augen zu und durch… Sie kamen im Park an. Auch als sie bereits fast an der großen Wiese angekommen waren, war die Atmosphäre zwischen ihnen immer noch seltsam gespannt. Etwas was den Hopper wirklich nervös machte. Was Bill wohl gerade dachte? Hatte er ihn vielleicht verletzt ohne es zu wollen? Seufzend beugte sich der Blonde zu Sam herunter und löste die Leine vom Halsband. Als der Vierbeiner merkte, dass er jetzt selbst laufen durfte, raste er über die Wiese davon. Der Hopper ließ sich auf eine der Holzbänke nieder und klopfte neben sich. Sein Begleiter folgte der Aufforderung und setzte sich neben ihn. Stocksteif… Tom seufzte und ruschte ein wenig tiefer um sich bequem hinzusetzten. Dann legte er seinen Arm auf die Rückenlehnte der Bank. Schon viel besser. »Hör zu Bill, es tut mir Leid…« meinte er unsicher wofür er sich überhaupt entschuldigte. »Alles okay, bei dir?« Ein Nicken war die einzige Antwort. »Wirklich?« Nun sah der Schwarzhaarige ihn tatsächlich an und lächelte schief, nickte dann noch einmal bestätigend. »Weißt du ich… ich find es komisch einfach Monologe zu führen.« sagte Tom dann und versuchte weiter zu erklären. »Versteh das nicht falsch… du kannst ja nicht wirklich was dafür, aber es ist halt voll merkwürdig für mich. Ich hab echt Sorgen irgendetwas falsch zu machen oder so.« Woha? Wo war das denn nun herkommen? So Wort gewandt was seine Gefühle anging, kannte er sich gar nicht. Bill sah ihn an, als würde er über seine Worte nachdenken. Etwas das der Blonde nicht ganz deuten konnte, lag in seinen hellbraunen Augen. »Siehst du das mein ich. Ich hab nicht mal den Hauch von einem Schimmer was du denkst und du kannst dich mir gegenüber so schwer äußern! Das ist zum Kekse bügeln!« Bill hob elegant eine Augenbraue und sah ihn belustigt an. Was? Als ihm dann bewusst wurde, was er da gerade gesagt hatte, musste er verlegen lachen. »Sorry. Da kam Tobi hoch…« Nun sah ihn der Andere fragend an. »Mein kleiner Bruder… der hat das früher immer gesagt.« Bill nickte. »Genau das mein ich! Ach Fuck…« Tom fuhr sich übers Gesicht und stand dann auf. Er hatte irgendwie keinen Bock mehr auf einseitige Gespräche. Er wollte sich normal mit Bill unterhalten und endlich seine Stimme hören… Suchend sah er sich um und hob letztendlich ein kleines Stöckchen auf. Als er es für einigermaßen stabil befunden hatte, legte er seine Finger an den Mund und pfiff nach Sam. Nur Sekunden später kam dieser aus dem Dickicht gewetzt und sprintete über die Wiese auf ihn zu. »Ey, Sammy… hast du dich etwa wieder im Dreck gesuhlt? Man du siehst aus wien Ferkel.« schimpfte er streng mit dem Hund der freudig kläffte als er den Stock in der Hand seines Herrchens sah. »Man… dann muss ich dich heute ja schon wieder baden. Boha… dich darf man echt keinen Moment aus den Augen lassen.« Der leichte Groll verfolg aber sofort, als der Hund wie ein kleiner Welpe aufgeregt um ihn herum hüpfte und auf das ersehnte Spiel wartete. Tom lachte leise. »Ist ja gut…« Er zeigte Sam den kleinen Stock, ließ ihn das Holz kurz beschnüffeln, doch als er zuschnappen wollte, zog der Hopper es geschickt zurück und schleuderte es dann hoch in die Luft. Begeistert jagte Sam den Stöckchen hinterher. Eine Weile suchte er in der Wiese, bis er es gefunden hatte und kaute noch etwas darauf herum, schließlich brachte er es jedoch zu Tom zurück, der bereits auffordernd seine Hand hinhielt. Das Spiel wiederholte sich mehrere Male. Mehrere Male täuschte der Blonde an den Stock zu werfen und verbarg ihn dann hinter seinem Rücken. Die ersten Male rannte Sam wirklich los, nur um nach wenigen Minuten mit hängenden Kopf zurückzukehren. Doch es dauerte nicht lange bis er Tom durchschaute und ihn jedes Mal vorwurfsvoll ansah, wenn er den Stock wieder hinter dem Rücken versteckte. Der Hopper lachte auf. »Schlauer Hund…« lobte er Sam und warf ihm ein Leckerli zu, das er aus seiner Jackentasche gefischt hatte. Irgendwann blickte er sich nach Bill um. Sein Gemüt hatte sich durch das Spiel mit Sam wieder beruhigt. Es tat ihm irgendwie Leid, dass er ebenso hochgefahren war. Aber er hatte einfach etwas Ablenkung gebraucht… Der Schwarzhaarige saß noch auf der Bank und hatte seine Beine nah an den schmalen Körper gezogen. Er schien sie die ganze Zeit beobachtet zu haben. Er wirkte ziemlich verlassen, wie er da so saß. Es schmerzte den Dreadhead ihn so zu sehen, deswegen winkte er ihn zu sich und Sam. Er wollte ihn ja nicht ausgrenzen. Der Sinn des Spaziergangs sollte es ja eigentlich sein ihn auf andere Gedanken zu bringen… Unsicher sah Bill ihn an. »Komm schon her…« Und tatsächlich stand er unsicher auf und kam auf ihn zu. Tom ging ihm ein Stück entgegen und drückte ihm, sobald er in Reichweite war, den Stock in die Hand. »So jetzt bist du dran. Du hast ja nun gesehen wie es geht.« Sam, der nun auch wieder Schwanz wedelnd auf sie zulief, hüpfte freudig an dem stummen Jungen auf und ab. Dieser blickte zur Seite und wurde leicht rot. Der Blonde brauchte einen Augenblick um die Reaktion einzuordnen. »Ey, das ist egal wie weit du wirst. « äußerte er dann seine Vermutung und stupste den Schwarzhaarigen sanft an. »Probier es ruhig mal.« Die Worte schienen die richtigen gewesen zu sein. Bill warf und sofort wetzte der Rüde hinter dem Holz er. Der Wurf war nicht annähernd so elegant oder so weit wie die von Tom, doch das war egal. Sam freute sich. Und als auch der Blonde nichts Abfälliges sagte, schien Bill immer mehr an Sicherheit zu gewinnen. Auch wenn Sam den Stock Tom zurückbrachte. Bill lächelte. Der Hopper übergab ihm das Spielzeug wieder und nickte ihm zu. Der Andere kam der Aufforderung nach und warf das Stöckchen noch einmal. Und der Vorgang wiederholte sich. Tom spürte wie sein Begleiter im Spiel richtig aufblühte. Irgendwann zog er sich leise auf die Bank zurück und beobachtete das Treiben auf der Wiese. Ihm ging das Herz auf, als er Bill mit seinem Hund um die Wette hetzen sah. Er spielte mit einer Inbrunst mit dem Vierbeiner, die man nur sehr selten erlebte. Es schien dem Schwarzhaarigen auch völlig egal zu sein, dass er sich schmutzig machte. Er kugelte sich auf der Wiese mit Sam und kämpfte um den kleinen Stock. Und zum aller ersten Mal hörte er das Lachen von Bill. Es war hell und schön. Und es schien den Hopper von innen zu wärmen. Völlig fasziniert von der Ausgelassenheit beobachtete Tom die Zwei von seinem Platz aus. Nach einiger Zeit kam Bill zu ihm zurück. Der Stock schien nicht mehr standgehalten zu haben, denn im Gehen schleuderte Bill die verbliebenen Teile ins Gebüsch. Dann ließ er sich völlig außer Atem neben ihn auf die Bank fallen. Tom grinste als er registrierte, dass der Andere seine Blicke bewusst mied. Schien ihm ja doch ein bisschen peinlich zu sein, dass er sich da gerade so gehen lassen hatte. Aber für den Blonden war das nur der Beweis, dass er bei weitem nicht so ausgebrannt war, wie es manchmal den Anschein machte. Ein zärtliches Stupsen an seinem Knie, machte ihn auf seinen Hund aufmerksam, der sich zwischen seine halb geöffneten Beine gesetzt hatte. »Was denn? Jetzt bin ich wieder gut genug?« wollte er gespielt beleidigt wissen. Der Angesprochene jaulte leise und legte seine Schnauze auf seinen Oberschenkel ab. Er lachte leise und kraulte Sam hinter seinem Ohr. »Ist gut. Du brauchst nicht schleimen…« Von dem Hund kam ein wohliges Seufzen und er bewegte sich kein Stück mehr. Auch ihm schien das wilde Spiel ziemlich viel Energie gekostet zu haben. Tom sah wieder zu Bill hinüber. Dieser knetete seine Finger nervös seine Finger im Schoß und blickte starr geradeaus. Was wohl gerade in ihm vorging?! Eben hatte er noch ausgelassen wie ein kleiner Junge gewirkt und jetzt schien er wieder irgendwie traurig zu sein. Nur warum? »Ey, lass das mal!« sagte Tom als Bill anfing an der empfindlichen Haut um seine Fingernägel herum zu pulen. »Das blutet nachher noch.« Erschrocken sah der stumme Junge ihn an. Dann verwandelte sich sein erschreckter Blick in etwas anderes… undefinierbares. Dort in diesen haselnussbraunen Augen lag ein Abgrund… noch war er gut getarnt und wenn man nicht genau hinsah, konnte man ihn für harmlos halten. Aber er war tiefschwarz und Meter tief-… wenn Bill dort hineinstürzte würde er – Der Hopper verdrängte den Gedanken mit einem Kopfschütteln. Er klopfte Bill aufs Knie und sagte leise: »Hoch.« Sam gehorchte der Aufforderung, umrundete das Bein seines Herrchens und sprang dem Schwarzhaarigen auf den Schoß. Er war ein wenig zu groß für Bill, weswegen er nur mit den Oberkörper auf seinen Schoß Platz nahm und fröhlich vor sich hin hechelte. Zuerst schien Bill zu erstarrt um irgendetwas zu machen, doch dann vergrub er die Hände in dem weichen weiß, grau, schwarzen Fell und kuschelte sich an den Hund. Tom schmunzelte. Es war niedlich die Beiden so zu sehen. Sam ließ es sich gefallen das der Schwarzhaarige ihn durchknuddelte. Als er jedoch genug Pause eingelegt hatte, hüpfte er von der Bank hinunter und preschte erneut über die Wiese um ein Abenteuer zu suchen. Tom, der sich wieder bequem mit seinem Arm auf der Lehne hingesetzt hatte, sah ihm belustig hinterher. Er spürte wie Bill sich an seinen Arm lehnte. Kurz zuckte der Schwarzhaarige zurück, blickte zuerst nach hinten und dann sah er Tom an. Einen Moment schien er zu überlegen, schließlich jedoch lehnte er sich mit seinem gesamten Körper gegen den Blonden und legte seinen Kopf Schutz suchend an der Schulter des Anderen ab. Sein erster Impuls, war ihn wegzuschieben. Sein zweiter Impuls, nach dieser schutzbedürftigen Geste, war es Bill noch näher an sich zu ziehen. Aber der Hopper wiederstand Beiden und blieb einfach so sitzen wie er saß. Er beobachtete seinen Hund, während er zuließ, dass der Andere sich an seine Seite schmiegte und sich die Wärme holte, die er in seinem Leben anscheinend so selten bekam. Es störte ihn komischerweise auch nicht wirklich sonderlich… auch wenn sie sicher für Außenstehende wie ein Paar wirken mussten. Es war ihm egal. Alles war irgendwie egal… solange es Bill gut ging. Das Wochenende verging schnell. Wie immer eigentlich. Bill und er waren fast den gesamten Nachmittag im Park geblieben und schrieben sich über den Sonntag verteilt noch einige SMSen. Ansonsten blieb es still in Toms Leben. Seine Eltern waren, seit der Sache mit dem Brief, wieder zu Geistern geworden. So wie es vor ihren Umzug hier gewesen war. Es war, als wäre alles um sie unsichtbar… Als wäre er unsichtbar. Um diesen Gefühl zu entkommen, war er mehr mit Sam spazieren als das sonst der Fall war. Als es auf den Montag zuging, war er schon fast ein bisschen erleichtert. Auch wenn man nicht wirklich sagen konnte, dass er sich auf die Schule freute. Genauso schnell wie das Wochenende dieser ersten Annäherung, vergingen die nächsten Monate. Bill und der Hopper bewegten sich immer mehr aufeinander zu. Ob das gut oder schlecht war, wusste er nicht zu sagen. Es gab kaum einen Tag wo sie sich nicht sahen oder zumindest ein paar SMSen hin und her schickten. Er hatte für das Vertrauen, was sich Jenny, nach eigner Aussage in vielen Wochen mühsam erarbeitet hatte, nur wenige Tage gebraucht. Was genau er anders oder besser gemacht hatte, wusste weder er noch sie. Keiner konnte sich erklären warum Bill so offen und zutraulich auf ihn reagierte. Nicht einmal Beate Kaulitz konnte diese Frage beantworten. Tom vermutete einfach, dass es dem stummen Jungen ähnlich ging wie ihm. Auch er wusste ja nicht genau, warum der Andere ihn so anzog. Aber er tat es nun einmal. Und damit hatte er sich bereits irgendwie abgefunden. So kam es auch, dass er immer mehr Zeit bei Familie Kaulitz verbrachte. Jetzt gab es kein Zurück mehr für ihn. Das wurde dem Blonden immer mehr bewusst. Wenn er sich nun wieder zurückzog, würde es dem Schwarzhaarigen nicht nur verletzten. Es würde ihm alles Vertrauen nehmen, was er bereits geben konnte. Das wurde ihm immer wieder bewusst, wenn er in die hellbraunen Augen sah, die ihn voller Hoffnung, Vertrauen und Wärme entgegen blickten. »Hey ho.« begrüßte Tom seine beiden Freunde lässig, die vor seinen Klassenraum auf ihn warteten. Er war froh, dass die Mathestunde erst einmal vorbei war. Dieses Themengebiet gehörte nicht gerade zu seinen Stärken. Jenny grinste ihm entgegen und zu dritt machten sie sich auf den Weg in den Speisesaal um dort Mittag zu essen. Eine zaghafte Berührung an seinem Arm machte ihn auf Bill aufmerksam. Dieser formte deutlich langsamer als sonst seine Handzeichen, damit er ihn auch verstand. Inzwischen hatte der Hopper durch Youtube und mit Jennys Hilfe zumindest das Fingeralphabet erlernt und konnte nun besser mit dem Schwarzhaarigen kommunizieren. Doch er brauchte noch etwas länger als Jenny um die Zeichen zu verarbeiten. Wenn Bill und sie sich unterhielten, verstand er trotz seiner guten Fortschritte immer noch genauso viel wie vorher… vor allem weil sie meistens doch eher Gebärden als das kleine Alphabet benutzten. Es war zugegebener Maßen auch umständlicher alles zu buchstabieren. »Ging so.« antwortete er auf Bills Frage, wie denn die Stunde gelaufen sei. »Was hattet ihr bis jetzt?« Der Schwarzhaarige antwortete mit Handzeichen. »Deutsch? Das geht ja…« Gemeinsam gingen sie in den Saal, suchten sich etwas zu Essen und danach einen etwas abgelegenen Tisch. Wie immer wurde seine Schritte genau beobachtet und mit Tuscheln und quietschen kommentiert. »Setzt du dich zu uns, Tom?« »Nein, heute nicht. Tut mir Leid.« antwortete er und lächelte die Mädchen entschuldigend an, ehe er Jenny weiterschob. Sie setzten sich zu dritt an einen Tisch, der ziemlich weit hinten im Saal stand und von kaum jemandem genutzt wurde. Während er und Jenny sich warmes Essen geholt hatte, stand vor Bill wie immer nur eine Flasche Bitter Lemon und ein Joghurt. »Sag mal, warum isst du eigentlich nicht mal was richtiges?« Der Angesprochene wank ab. »Junge, kein Wunder das du so dünn bist.« sagte Tom und hielt ihm seine Gabel mit Nudelauflauf hin. »Hier, iss. Und keine wiederrede jetzt.« Bill sah ihn einen Moment erschrocken an, doch schließlich öffnete er den Mund und ließ sich den kleinen Teil Nudelauflauf zwischen die Lippen schieben. »Ganz fein.« lobte der Blonde übertrieben und verdrehte die Augen. »Warum nicht gleich so?« Jenny kicherte, während der Schwarzhaarige lächelnd kaute. »UUhhh schaut mal. Das Hurensöhnchen hat einen Zuhälter gefunden.« heuchelte da plötzlich eine ätzend zuckersüße Stimme hinter ihnen. »Ja, genau. Fehlen nur noch die Bling – Bling Kettchen und die Rolex.« Es schien als würde Bill der Bissen im Halse stecken bleiben, ein Zittern durchlief seinen Körper und er senkte demütig den Blick. Etwas, das weder Jenny noch Tom entging. »Meine Fresse, da denkt man der Tag kann nicht so schlimm werden und dann taucht ihr auch noch auf…« seufzte Jenny theatralisch und funkelte die Neuankömmlinge an. »Was quatscht ihr uns eigentlich von der Seite an, ey?« »Pass auf was du sagst, Wandrey.« »Sonst was?« »Sonst erlebst du was. Und denk ja nicht du kannst uns so einfach umhauen wie die Schwächlinge aus der Neunten…« »Tze. Du leidest an chronischer Selbstüberschätzung, Moosmann. Wir stehen nicht mal auf der gleichen Artenliste, also verpiss dich einfach.« meinte Jenny böse und erdolchte die Kerle ihr gegenüber mit Blicken. Tom hielt sich erst einmal zurück. Ihm wurde plötzlich klar, warum die Schwarzhaarige so extrem gereizt auf die Vier Neuankömmlinge reagierte. Als er sie genau betrachtete, erkannte er die Vier aus den Erzählungen wieder. Diese Jungen waren es, die Bill das Leben in seiner Klasse so zur Hölle machten. Auch die Reaktion von Bill deutete darauf hin, dass es sich bei den Anderen genau um diese Personen handelte. »Pass bloß auf.« knurrte Braunhaarige zurück, der anscheinend Moosmann hieß und der Anführer dieser kleinen Bande zu sein schien. »Soll das eine Herausforderung sein?« hakte Jenny unbeeindruckt nach und hob ihre säuberlich gezupften Augenbrauen. »Mehr als das, du Bitch.« Die Schwarzhaarige stieß einen Laut aus, der eine Mischung aus Zischen und Knurren war und wirklich beängstigend klang. Doch ehe sie sich aufrichten konnte, hatte Bill ihr seine Hand auf die Schulter gelegt und schüttelte den Kopf. Jenny entspannte sich etwas und sah ihren Freund fragend an. »Ja genau, Pussy. Leg deinen Kläffer mal an die Leine. Die ist ja allgemeingefährlich.« Das reichte jetzt aber wirklich. Der Hopper stand auf und schubste den Braunhaarigen mit einer Hand zur Seite. Dieser strauchelte einen Schritt zurück und gab ihm so die Möglichkeit sich zwischen seine Freunde und die aggressive Gruppe zu stellen. »Was willst du denn, Freak?« »Was ich will?« fragte Tom kühl zurück. »Kann ich euch sagen. Ich will? Das ihr hier mal ne Biege macht. Ich will essen und wenn ihr nur sone gequirlte Scheiße labert, kommt mir mein Auflauf immer wieder hoch.« »Weißt du eigentlich mit wem du hier grade sprichst?!« fauchte der Angesprochene und schubste ihn an der Schulter. »Nein. Und um ehrlich zu sein, will ich es auch gar nicht wissen.« entgegnete er immer noch gleichmütig. »Also verpisst euch endlich, ihr Arschlöcher!« Der Andere ballte seine Hand zur Faust und Tom sah sich schon prügelnd auf den Boden des Essensaals liegen als… »Also wirklich, Herr Trümper… drücken sie sich doch bitte etwas gewählter aus.« sagte da plötzlich Frau Wickert, die wie aus dem Nichts neben ihren Tisch aufgetaucht war. »Oh, verzeihen Sie vielmals, Frau Wickert.« lächelte der Hopper und drehte sich dann wieder an die vier Anderen, die sich plötzlich sichtlich unwohl fühlten, ehe er tot ernst sagte: »Urinieret euch hinfort, Gesäßöffnungen.« Während sowohl die Lehrerin als auch die Vier ihn groß ansahen, hörte er Bill und Jenny hinter sich lachen. »Nehmen sie mich nicht auf den Arm, Herr Trümper.« empörte sich die Lehrerin und wand sich zum Gehen. »Und sie Vier verplempern ihre Pause gefälligst nicht mit Stänkereien und essen sie endlich etwas.« Je lammfromm folgten die Jungen ihrer Lehrerin, jedoch nicht ohne den Dreien noch einen bösen Blick zu schenken. »Das bekommt ihr zurück…« Der Blonde hob demonstrativ den Mittelfinger und setzte sich zurück zu seinen Freunden, die sich immer noch nicht ein bekommen hatten. Nach dem Essen begleitete er die Beiden noch zu ihrem Klassenzimmer. Sie hatten nun Kunst, er selber hatte Chemie. »Danke, du hättest uns nicht begleiten müssen.« sagte Jenny und lächelte ihn an. »Kein Ding. Nach der Drohung vorhin, dachte ich einfach ich spiel mal Gentleman.« »Du, ein Gentleman?« »Du verletzt meinen Stolz…« seufzte er gespielt und brachte damit die Schwarzhaarige zum Lachen. »Danke.« sagte sie dieses Mal aufrichtig und drückte ihn kurz, ehe sie in den Raum ging. Bill jedoch blieb noch bei ihm stehen. »Willst du nicht rein?« Bill nickte, zog aber noch sein Handy hervor und tippte schnell was. Anscheinend war es zu kompliziert im Fingeralphabet. Ich hab mich gefragt… also hättest du heute Nachmittag Zeit? Tom las den Text und blickte dann wieder den Schwarzhaarigen an, der schüchtern zurücksah. »Ja.« Gut… würdest du dann heute gegen Vier zu mir kommen? Oder… du kannst natürlich auch selbst eine Zeit festlegen… Wieder wurde ihm das Mobiltelefon unter die Nase gehalten. Oha. Der Andere schien plötzlich ziemlich unsicher zu sein. »Um Vier ist okay.« beruhigte er Bill leicht und musterte ihn eingehend. Die Hand die sein Handy hielt, zitterte bedenklich. »Ist alles okay bei dir?« Der Schwarzhaarige nickte nur. Komm dann einfach vorbei, okay? Ich freu mich… jetzt sollte ich aber reingehen. Er zeigte dem Blonden die Nachricht, ehe er alles löschte und sein Handy zurück in die Hosentasche steckte. Tom sah ihn noch ein wenig verwundert nach, als er in den Klassenraum ging. Gerade als er sich zum Gehen umwenden wollte, sah er in den Augenwinkeln eine Bewegung. Er drehte sich um und sah gerade noch, wie einer der Gruppe, die ihnen vorhin beim Essen aufgelauert hatte, Bill in die Hacken trat. Dieser verlor sein Gleichgewicht und fiel mit dem Gesicht voran zu Boden. Autsch! Die gesamte Klasse begann zu lachen. Alle bis auf Jenny, die sich ebenfalls umgedreht hatte und nun zu Bill lief, der sich schwerfällig wieder aufrappelte. Bei dem Hopper setzte etwas aus und ohne darüber nachzudenken, stürmte er in das Klassenzimmer auf den Übeltäter zu. Niemand tat Bill weh…! Nicht ungestraft. Nicht wenn er zusah! Ohne eine Warnung, packte er den Jungen am Kragen, zerrte ihn hoch und drückte ihn mit seinen gesamten Körper an die nächste Wand. Dem Röcheln des Anderen zufolge, war sein Handgelenk wohl genau an dessen Kehlkopf zum Liegen gekommen. Zwei blassgrüne, tellergroße Augen starrten ihn an. »Pass mal auf, mein Freund. Wenn du Bill noch einmal in die Hacken trittst, trete ich dir so sehr in den Arsch, das du vergisst wie man sitzt, verstanden?!« zischte er gefährlich und drückte seinen Arm noch ein bisschen fester an den Hals des Anderen. Dieser gab eine gurgelnde Zustimmung von sich. Tom ließ ihn los und sah den Rest der Klasse herablassend an, die ihn genauso verblüfft anstarrten, wie der Typ, der jetzt an der Wand hockte. Dann ging er zu Jenny und Bill rüber. »Alles okay?« Bill nickte und sah ihn aus einer Mischung von Respekt und Dankbarkeit in die Augen. Er klopfte den Schwarzhaarigen auf die Schulter und schenkte Jenny ein Lächeln, ehe er wieder zur Tür stiefelte. Darauf achtend ganz gelassen zu wirken. Lächerlich. Diese ganze Schule war einfach nur lächerlich… Kapitel 8: verstehend --------------------- Tom saß grübelnd im Geschichtsunterricht. Seine Gedanken glitten immer wieder zurück zu den stummen Schwarzhaarigen. Ihm war immer noch nicht wirklich klar, warum er sich in Bills Angelegenheiten eingemischt hatte. Das war eigentlich überhaupt nicht seine Art… und er konnte es sich selbst irgendwie nicht erklären. Trotzdem… Es fühlte sich irgendwie auch gut an. Der Blonde hatte das absurde Gefühl somit Bills Vertrauen kompensieren und ihm so gerecht werden zu können. Er konnte sich auch nicht wirklich gegen den Gedanken wehren. Es war irgendwie alles gut so wie es war, das sagte ihm zumindest sein Herz. »Herr Trümper?« Tom fuhr auf. »Ja?« »Ich sagte sie sollen zu der Gruppe von Natalie, Sarah und Joshua gehen.« Er lächelte entschuldigend. »Entschuldigen Sie, ich war in Gedanken.« »Wenn es nicht noch einmal vorkommt.« nickte Herr Natho. Der Hopper stand auf und setzte sich zu der ihm zugewiesener Gruppe. Die beiden Mädchen kicherten albern, während der Junge die Augen verdrehte. Er schenkte allen Drein sein schönstes Cherckergrinsen und legte sein Buch und die Schreibutensilien auf die zusammengeschobenen Tische. Das hatte ihm jetzt gerade noch gefehlt… Mist, verdammter! »Es geht heute, wie angekündigt, um die Novemberrevolution… Jede Gruppe bekommt jetzt zwei Aufgaben von mir, die sie gemeinsam ausarbeitet.« sagte der Lehrer und lenkte so die Aufmerksamkeit aller wieder auf sich. »Sie haben dreizig Minuten Zeit.« Die Aufgabenzettel wurden durchgegeben. Gemeinsam las sich Toms Gruppe die Aufgaben durch. »Wie wollen wir denn arbeiten?« fragte das Mädchen, welches der Hopper für Natalie hielt, schüchtern. »Wollen wir uns in Zweierteams aufteilen?« »Ja!« »Ist okay…« »Find ich gut.« »Ich arbeite mit Tom zusammen!« kam es fast synchron von beiden Mädchen. Der Angesprochene musste sich ein breites Grinsen verkneifen, als er in Joshuas empörtes Gesicht blickte. Sarah und auch Natalie liefen rot an und blickten auf den Tisch. Es war lächerlich,… oft nervend,… Aber irgendwie fand er es schon süß. Und es schmeichelte seinem Machoimage, was noch so fest in ihm verankert war; obwohl er sich zurzeit ja eher wie ein überfürsorglicher Bruder verhielt. Zumindest was Bill und Jenny anging…- »Um Streit zu vermeiden, würde ich vorschlagen, dass Joshua und ich in einem Team arbeiten und ihr Beide.« lächelte er. Er sah sehr wohl die Enttäuschung, doch die Mädchen nickten. Hatten sie etwa erwartet, dass er sich jetzt für eine entschied? »Dann nehmt ihr die erste Aufgabe und wir die Zweite.« bestimmte der Hopper gelassen weiter und nahm sein Geschichtsbuch zur Hand. »Aber die ist doch viel schwerer als die Erste!« beschwerte sich nun sein Partner. Tom warf ihm einen vielsagenden Blick zu. »Genau deswegen, du Hirn… schon Mal was von Ladys First gehört?< Der Andere presste die Lippen zusammen, sagte aber nichts mehr dazu. Na wenigstens etwas. Die restliche Zeit der Ausarbeitung verbrachten sie schweigend. Nur ab und an sprachen sie sich leise miteinander ab. Etwas was dem Blonden nur recht war. Ihm stand nicht wirklich der Sinn nach Kommunikation, egal welcher Art. Wie sinnlos das Ganze war… Allgemeinwissen, das er nicht lachte! Wer würde ihn in vier oder fünf Jahren schon nach der Novemberrevolution fragen?! Nach der vorgeschriebenen Zeit ging es dann an die Präsentation. Innerlich die Augen verdrehend ging er mit seiner Gruppe vor die Klasse und begann seine Stichpunkte vorzulesen. Wozu brauchte man das noch gleich? In der Pause ging er gemeinsam mit Natalie und Sarah in den Speisessaal. Sie hatten ihn nach der Stunde gefragt ob er einen Tee mit ihnen trinken gehen wollte und er hatte bei den Welpenblicken einfach nicht ´nein´ sagen können. Nach der Abfuhr die Stunden hätte er das auch nicht übers Herz gebracht… Als er mit den Beiden dann an den kleinen Tisch saß und irgendwelchen sinnfreien Smalltalk führte, tippte er nebenbei schnell eine SMS an Jenny. Bin im Saal. Fans (; Wie geht´s ihm? Tom musste sich noch fast fünf Minuten weiter belangloses Zeug anhören, ehe Jenny antwortet. Du Herzensbrecher (; Ganz gut denken ich. Aber ich will nachher nochmal mit dir reden. Okay. Nach der Schule? schrieb er zurück. Ja. Ohne Bill… Er runzelte die Stirn. Dann hatte er ja schon einmal eine Ahnung worum es im Gespräch ging. Ob er wieder etwas falsch gemacht hatte? Okay. Er steckte das iPhone wieder zurück in die Hosentasche und wand sich seinen beiden Begleiterinnen wieder mit einem gewinnenden Lächeln zu. Der Rest des Tages verging relativ rasch. Was eigentlich überraschend war. Meist war es ja eher so, dass, je mehr man einer Situation entgegenfieberte, die Zeit nur schleichend verging. Als ihre Englischlehrerin den Unterricht beendete, ging er lässig aus dem Raum, verabschiedete gefühlte hundert Mädchen und stand schließlich auf den Hof um auf Jenny und Bill zu warten. Jill und Jana waren schon da. »Hey, Tom.« »Hey.« Er erwiderte die beiden kurzen Umarmungen und lächelte dann seinen Freunden, die gerade aus dem Gebäude kamen, entgegen. Auch die Neuankömmlinge wurden begrüßt und Tom beobachtete fasziniert den Blickaustausch zwischen den Drillingen. Es war irgendwie wie telepathische Gespräche, die keiner hörte, aber man sah trotzdem, dass sie kommunizierten. Die Beiden schienen zu verstehen. Während sie auf den Weg nachhause waren, verwickelte Jana Bill in ein Gespräch. Sodass Tom und Jenny sich unbemerkt etwas weiter entfernen konnten. »Ich glaube er will es dir erzählen lassen.« »Hä?« Was Sinnvolleres fiel dem Hopper bei dieser Aussage nicht ein. »Bill…« erklärte Jenny. »Er hat so eine Andeutung gemacht. Ich glaube, er will dir erzählen lassen was damals passiert ist.« Ein Schlag ins Gesicht hätte eine ähnliche Wirkung auf ihn gehabt. »WAS?« »Pscht. Sie doch leise, Mensch.« zischte Jenny und packte seinen Arm. Tom biss seine Zähne fest zusammen. »Wie?« »Beate.« Okay, das ergab Sinn. »Ich kann das nicht, Jenny…« meinte er und fühlte einen leichten Anflug von Hysterie. Was in Teufelsnamen hatte dieser Junge nur an ihm gefressen? Wieso er?? »Doch, du kannst das.« sagte sie und sah ihn ernst an. »Bis jetzt hast du dich wahrscheinlich instinktiv besser ihm gegenüber verhalten, als jeder andere. Du wirst nicht drum herum kommen, Tom. Was Bill sich in den Kopf gesetzt hat, zieht er durch.« »Fuck, ey…« Eine Minuten gingen sie schweigend nebeneinander her. »Weißt du, eigentlich sollte ich sauer sein.« sagte Jenny plötzlich. »Alles wofür ich bei ihm hart gearbeitet habe, hat er dir quasi in den Schoß geworfen. All das Vertrauen… das ist echt nicht normal! Aber irgendwie ist das okay. Wenn er sich dir anvertraut, geht es ihm vielleicht besser… und das ist wichtig. Bitte, weis ihn nicht ab, Tom.« Der Hopper schwieg. Darauf gab es nichts mehr zu sagen. 15:40 Uhr. Langsam bekam er wirklich Magenschmerzen. Die ganze Zeit, seit er zuhause angekommen war, hatte er versucht sich abzulenken. Doch so wirklich war es ihm nicht gelungen. Er wollte nicht zu Bill hinüber gehen. Ob er sich einfach wieder abmelden sollte? Aber das war auch scheiße, dann würde er wahrscheinlich gleich raffen, dass Jenny geplaudert hatte. Das konnte er der Schwarzhaarigen nicht antun. Es war zum verrückt werden. Tom sah wieder auf die Uhr. 15:42 Uhr. Murrend begann er sich anzuziehen und sammelte dann seine Songblätter wieder ein, die er bis eben noch bearbeitet hatte. Um seinen Besuch bei den stummen Jungen noch ein wenig hinausschieben zu können räumte er sein Zimmer noch weiter auf, bis er merkte wie lächerlich er sich eigentlich verhielt. Anscheinend war das ansteckend. Wenn er weiter in diesen Kaff wohnte und in diese Schule ging würde er irgendwann genauso werden wie die anderen Kerle aus seiner Klasse. Schon alleine die Vorstellung reichte für einen mittelschweren Brechreiz… Er verließ fluchtartig sein Zimmer, zog im Flur seine Schuhe an und rannte mit einem: »Bin noch mal drüben!« am Wohnzimmer vorbei aus der Haustür. Seine Eltern interessierte es zurzeit sowieso nicht wo er war. Aber er wollte nicht, verdammt! Einmal tief durchatmen, redete er sich selbst gut zu. Der Hopper hob langsam die Hand um die Klingel zu betätigen. Er zögerte noch einen Augenblick, ehe er den Finger auf den kleinen, weißen Knopf legte. Noch ehe er die Vorrichtung wirklich durchgedrückt hatte, flog die Tür auf und er wurde am Arm ins Innere des Hauses gezogen. Und noch während er begriff was eben passiert war, lag er schon in den Armen von Bill. Okay, das war gruslig… Hatte er etwa hinter dem Fenster auf ihn gewartet oder was? »Hallo, Bill…« sagte er rau. Wieso flatterte plötzlich alles in ihm? Und wieso raste sein Herz so? Was war das für ein merkwürdiges erdrückendes Gefühl, das in ihm herrschte? Der Schwarzhaarige schien davon nichts zu merken. Er strahlte ihn an und zog ihn ins Wohnzimmer. Wenn Tom sich nicht so eigenartig fühlen würde, würde ihn das strahlende Lächeln des Anderen fast rühren. Bis jetzt hatte er nur Beate je, mit einem derartigen Lächeln belohnt… Er ließ sich fast teilnahmslos mitziehen und auf der Couch drapieren wie eine Puppe. Irgendwie fühlte er sich abgestumpft. Was wollte er nur hier? Wortlos blickte er auf den Couchtisch wo schon drei Gläser und verschiedene Flaschen Saft und Wasser standen. Anscheinend war ein längerer Aufenthalt eingeplant… Er bemerkte fast gar nicht das Bill in die Küche verschwunden war. Erst als er mit Beate Kaulitz zurückkam, registrierte er das der Schwarzhaarige wegewesen sein musste. »Hallo Tom…« begrüßte sie ihn und zog ihn in eine mütterliche Umarmung. »Hi…« krächzte er überfordert. Ein fester Knoten hatte sich in seinen Hals gebildet. Bill stellte indes einen Teller mit kleinen Snacks auf den Tisch und setzte sich in den Sessel, gegenüber der Couch. Auch Beate setzte sich nun und schenkte seelenruhig Getränke in die Gläser ein. »Was magst du trinken, Tom?« »Könnt ihr mir mal sagen was das soll hier?« ging er nicht auf die Frage ein und sah die Frau herausfordernd an. Diese seufzte tief. »Bill denkt, dass es an der Zeit ist dich einzuweihen.« Der Hopper schluckte. Okay, damit, dass sie gleich so mit der Tür ins Haus fiel hatte er nicht gerechnet. Scheiße… »Ich… was?« »Er möchte das du es weißt.« meinte Beate ruhig. »Und da er sich nicht in der Lage sieht es dir selbst zu sagen, soll ich das für ihn übernehmen.« Tom schüttelte den Kopf. »Nein,…das geht doch nicht! Ich-… ich kann das nicht Beate. Und warum eigentlich ausgerechnet jetzt?« »Ich weiß das es schwer ist. Aber du kannst das, das glauben wir Beide. Und deswegen wollten wir es dir so schnell wie möglich erzählen.« »Nein!« In ihm baute sich gerade eine Mauer auf. Er wollte das nicht… »Nein, verdammt! Ich will es von dir selber hören, Bill. Dann wenn du bereit bist es mir zu sagen, verstehst du das denn nicht?!« Der Schwarzhaarige erwiderte seinen Blick gelassen. In seinen Augen lag etwas Undefinierbares und er reagierte auch in keiner Weise auf die Aussage des Anderen. Er sah ihn nur weiter auf diese merkwürdige Weise an. »Bill ist ursprünglich in Leipzig geboren.« begann Beate zu erzählen und nippte an ihrem Glas. Wollte die Beide ihn eigentlich verarschen? »Er war ein sehr aufgewecktes Kind gewesen… schon immer sehr eigen und etwas Besonderes. Von Geburt an, wenn du verstehst was ich meine.« »Bitte, hör auf…« »Seine Mutter war eine Prostituierte. Also wenn die Leute ihn hier als Hurensohn beschimpfen haben sie leider Gottes Recht… ich habe keine Ahnung wie sie auf diese schiefe Bahn geraten ist. Darüber hat sie nie mit mir gesprochen. Aber es war nun einmal so und irgendwann ist sie an Aids gestorben. Da war Bill glaube ich vier oder fünf Jahre alt.« erzählte sie weiter ohne auf seinen Einwand zu achten. Ihre Blicke verrieten, dass sie in der Zeit zurückgereist war. »Man konnte von Mikeaela halten was man wollte… aber ihr Selbstbewusstsein und ihre Gabe zu reden zu singen hat sie definitiv an Bill weitergegeben. Genauso wie ihr gutes Aussehen. Sonst jedoch hat er nicht viel von seiner Mutter gehabt. Ob nun vor oder nach ihrem Tod.« »Beate…« versuchte Tom noch einmal ihren Redefluss zu stoppen. Himmel, es schien so als würde sie wirklich vorhaben Bills gesamtes Leben vor ihn aufzurollen. Doch warum gerade er? »Der Freier, der als sein Biologischer Vater eingetragen wurde, war ein Ehrenmann. Als er die Nachricht erhalten hatte, dass Mikeaela tot war, hat er Bill sofort zu sich nach Magdeburg geholt. Dort haben wir uns kennengelernt. Stefan war der Mann von meiner Schwester Teresa… natürlich war sie nicht sehr begeistert davon, dass er eine Affäre hatte. Doch sie hat ihm verziehen und Bill zu sich aufgenommen. Ich habe keine Ahnung wie Stefan nach Leipzig gekommen ist oder wie die Beiden sich kennengelernt haben, wir haben nie wirklich darüber geredet. Aber von der ersten Minute als Bill zu uns kam, hat er uns verzaubert. Er war schon mit fünf eine richtige kleine Persönlichkeit und konnte uns alle spielend um den Finger wickeln.« Sie lächelte. »Vor dem Unfall hat er viel gesprochen und sich gut angepasst. Im Kindergarten und später bei der Einschulung hatte er sofort Freunde. Ich glaube aus ihm wäre etwas sehr großes geworden, wenn nicht am -« »Stopp! STOPP!!« Tom sprang vom Sofa und schüttelte wieder mit dem Kopf. Die ganze Zeit hatte er mit sich gekämpft. Doch er konnte es einfach noch nicht! »Wie oft denn noch, ich will das nicht hören! Nie jetzt… nicht so!« sagte er nun etwas lauter und wand sich zum Gehen. »Ich geh jetzt wieder rüber… das ist mir zu dumm.« Er stapfte auf die Tür zu, kam aber nicht wirklich weit bis er am Ärmel gepackt wurde. Bill. »Lass mich los. Ich will nicht.« Der Schwarzhaarige stand nur einige Meter von ihm weg und klammerte sich an seinem Arm fest, während er flehend ansah. »Du brauchst mich nicht so ansehen… ich werde es mir nicht anders überlegen.« knirschte der Hopper und zog an seiner Jacke. »Und jetzt lass los, du leierst den Ärmel aus!« Im nächsten Moment taten ihm die Worte fast Leid. Bill sah ihn an als hätte er ihn geschlagen. Aber er ließ los. »Versteh mich, Bill. Das ist zu viel… so lange kennen wir uns doch noch gar nicht.« Der Schwarzhaarige schwankte. »Bill?« »Verstehst du es wirklich nicht, Tom?« mischte sich nun wieder Beate ein. »Er soll dich verstehen, aber hast du mal versucht ihn zu verstehen?... er will dir sein absolutes Vertrauen schenken und dir alles offenbaren. Er wünscht sich so sehr das nichts mehr zwischen euch steht. Und du weist ihn ab?« Das klang so, als wäre er das totale Arschloch. Aber er wollte sich doch auch nur selber schützen. Wieso verstand, dass bloß keiner, verdammt! Der Schwarzhaarige vor ihm zitterte und schien sich kaum noch auf den Beinen halten zu können. Er war jedoch von ihm abgewandt, sodass der Blonde ihm nicht ins Gesicht sehen konnte. Weinte er etwa? Sein schlechtes Gewissen meldete sich wieder lautstark und begann in ihm zu fressen. Unschlüssig stand er da und wusste nicht was er tun oder sagen sollte. Es war eine so vertrackte, scheiß Situation. Die Unschlüssigkeit des Hoppers verschwand, als er sah wie Bill zusammensackte und drohte zu Boden zu gehen. Rein instinktiv packte er ihn und drückte ihn nah an sich. Als hätte er genau darauf gewartet, presste sich der stumme Junge an ihn und das mit einer Kraft die Tom zum straucheln brachte. Aber nur kurz. Er hielt ihn fest und fragte sich abwesend, warum es wieder überall so merkwürdig kribbelte wo Bill ihn berührte. Dieser schien in ihn hineinkriechen zu wollen. »Setzt dich, Tom.« Er tat es ohne weiter zu zögern. Kapitel 9: wissend ------------------ Der Hopper setzte sich zurück auf die Couch und da Bill keine Anstalten machte ihn loszulassen, zog er diesen einfach neben sich in die Polster. Der Schwarzhaarige vergrub sein Gesicht an der Halsbeuge des Anderen und schniefte leise. Er suchte sich eine bequeme Sitzposition und legte einen Arm um den zitternden Körper. Ihm war bewusst, dass das alles auch für Bill nicht einfach war. Schließlich war es sicherlich nicht toll die ganze Geschichte, die einem so geprägt hatte, noch einmal mit anzuhören. Beate sah ihn fragend an und er seufzte resignierend und nickte. Weg kam er eh nicht mehr. Er musste jetzt dadurch irgendwie. »Okay. Also Bill wurde von Stefan und Teresa aufgenommen und wohnte seit da an in Magdeburg. Stefan war ein toller Vater für den Kleinen… er gab ihm all die Liebe und Aufmerksamkeit die Mikeaela ihm nie gegeben hatte und erzog Bill zu einem wundervollen Menschen. Er liebte seinen Vater abgöttisch und hat zu ihm aufgesehen. Auch Teresa hat er geliebt… ich glaube das waren wohl die glücklichsten Jahre in seinem Leben.« erzählte sie weiter, doch ihre Blicke ließen vermuten was bald kommen würde. Sie waren stumpf und traurig, auch wenn aus ihnen Liebe und Erinnerungen sprachen. »Ungefähr zu der Zeit als Bill eingeschult wurde, wurde Teresa schwanger und wenige Monate darauf hatten sie ein weiteres Familienmitglied. Die kleine Chantal. Ich glaube ich habe noch nie glücklichere Menschen gesehen als die drei damals. Sie waren eine kleine, perfekte Familie… aber dann…« Sie machte eine bedeutungsschwere Pause. Tom spürte wie ihm eine Gänsehaut über den Rücken lief. Er wollte nicht hören was jetzt kam! Wirklich nicht… Und doch war er dazu verdammt zuzuhören. »Weißt du, Stefan ist gerne gesegelt und hatte auch ein eigenes Boot. Die vier sind oft gemeinsam aufs Meer gefahren und haben da die Ferienwochen verbracht. Diese Familienausflüge fand ich immer besonders schön… ich hatte so etwas nie. Und doch… eines Tages, ich glaube da muss Bill acht oder neun gewesen sein, sind sie mit dem Boot in ein heftiges Unwetter geraten. Sie waren mitten auf den Meer… nirgendwo Land in Sicht und das Boot hat den Wellengang und dem Sturm nicht standgehalten. Sie sind einfach gekentert. So viel Glück zerstört in nur wenigen Minuten.« berichtete Beate weiter und plötzlich lief eine einzelne Träne ihre Wange hinunter. »Bill war der einzige der diese Katastrophe überlebt hat. Stefan hat ihn auf seinen Schultern zum Strand gebracht… er muss Kilometer weit geschwommen sein. Und er wollte auch seine Frau und seine Tochter holen, als Bill in Sicherheit war. Doch er war einfach zu erschöpft. Ich denke das Teresa und Chantal zu der Zeit schon lange tot waren, aber er hat es trotzdem versucht und ist genauso ertrunken wie die anderen auch. Nur Bill ist übrig geblieben. Er musste zusehen wie die Menschen, die er am meisten liebte, starben. Ich weiß nicht wie viele Tage er da alleine am Strand war… irgendwann haben ihn Spaziergänger gefunden und ihn ins nächste Krankenhaus geschafft. Er hat überlebt… Aber er war zerbrochen. Die Leute die ihn gefunden haben, sagten, dass er neben der Leiche seines Vaters lag. Diese war wahrscheinlich bei den starken Wellen angespült wurden… er habe dagelegen und sich nicht bewegt, sodass sie zuerst dachten das auch er tot war. Aber als sie ihn berührten habe er einfach die Augen aufgeschlagen und sie angesehen.« Tom fühlte eine bleierne Schwere auf seiner Brust. Es fühlte sich an als müsse er jeden Moment erdrückt werden. Tränen hingen ihm im Hals, doch er konnte nicht weinen. Er hatte noch nie gut vor anderen Menschen Gefühle zeigen können. Doch noch nie hatte er es sich mehr gewünscht als jetzt. Der Schmerz der sich in seiner Brust aufbaute war unerträglich. Und Bill neben ihm weinte. Er zog den Schwarzhaarigen dichter an sich heran. »Ich nahm Bill zu mir, als er entlassen wurde. Seit da an hat er kaum ein Wort geredet… nur manchmal rutscht ihm etwas heraus, wenn er stark in Rage ist oder man zu tief bohrt. Aber das ist sehr selten geworden. Ich merkte, dass es ihm in seiner alten Umgebung immer schlechter ging. Also nahm ich ihn von der Schule und zog mit ihm hierher. Ich hoffte, dass die Tatsache, dass ihn hier niemand kennt das Ganze einfacher für ihn machte. Doch da habe ich die Rechnung ohne meine Mutter gemacht. Sie hatte ihre jüngste Tochter verloren… und weiß Gott warum, aber sie schob die Schuld Bill dafür in die Schuhe. Auf der Beerdigung von Teresa, Stefan und Chantal hat sie schrecklich unangebrachte Dinge zu ihm gesagt. Auch wenn er noch kleiner war… er hat es genau verstanden. Das weiß ich… Kinder verstehen viel, auch wenn wir es uns nicht immer bewusst machen. Sie verstehen genau ob es Erwachsene gut oder böse mit ihnen meinen.- Ich habe ihr nicht viel erzählt, aber das was sie wusste reichte. Sie erzählte Halbwahrheiten über Bill hier im Dorf und machte es dadurch zur Hölle auf Erden, für meinen kleinen Jungen. Aber er hat sich immer geweigert noch einmal umzuziehen. Er litt jeden Tag mehr… auch wenn er mir niemals genau erzählt hat, was in der Schule passierte. Einmal haben mich die Lehrer angerufen damit ich ihn abhole. Er saß da, war klitschnass und vollkommen apathisch. Seine Klassenlehrerin hat mir erzählt, dass sie mit ihnen am Teich schwimmen gewesen war und das drei andere Jungen Bill halb ertränkt hätten, weil er ein Hurensohn sei. Sie konnte nur mit Mühe und Not dazwischen gehen…- Das hat mir als Einblick gereicht. Ich würde sagen das war in der fünften oder sechsten Klasse, aber ich weiß es nicht mehr genau. Danach hat er sich zum ersten Mal versucht umzubringen und wurde dann in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.« beendete die Frau ihre Erzählung zittrig und schniefte. Der Hopper musste den schweren Kloß erneut hinunterschlucken. Aber er konnte nicht sprechen. Noch nie hatte er eine derart schreckliche Geschichte gehört. »Seine Diagnose kennst du ja schon, sie haben sich im Laufe der Jahre auseinander entwickelt… zuerst war die Depression die all diese Nebendiagnose nach sich gezogen hat, die ich dir schon erläutert habe.« Er wusste nicht wohin mit sich vor lauter Emotionen. Neben ihn saß der Schwarzhaarige und weinte und weinte. Wie konnte man so viele Tränen haben? Bill krallte sich in den Stoff seines T – Shirts das er fast Angst hatte es würde zerreißen. So als brauche er jemanden an dem er sich festhalten konnte. Schützend zog der Blonde ihn näher zu sich und küsste ihn auf die Haare. Es bereitete ihm innere Schmerzen den anderen so zu sehen. Bill war so stark und tapfer… und so zerbrechlich. Wie stark der Schwarzhaarige war, wurde dem Blonden aber erst später bewusst. Wenn er daran dachte wie nahe er damals, als Tobi in seinen Armen eingeschlafen und nie wieder wachgeworden war, davor gestanden hatte sich vor einen LKW zu werfen. Hätte er Georg und Gustav nicht gehabt, wusste er genau würde er jetzt nicht mehr leben. Da er aber weiter seine Machorolle spielen musste, blieb er bei Besinnung. Es war nicht so, dass er mit den Beiden geredet hatte, dass hatte er bisher nur mit Sam getan, aber trotzdem hatten ihn die Beiden immer wieder aus seinen Dunkelperioden gerissen. Und dafür war er ihnen so dankbar… Die Tage nach diesem Geständnis waren für Tom genauso anstrengend wie die Tage nach der ersten Begegnung. Er wusste einfach nicht wie er mit dem Anderen umgehen sollte. Das Wissen lastete schwer auf seinen Schultern und die Alpträume die ihn nachts plagten hatten wieder zugenommen. Bill klammerte noch mehr als ihm als vorher… fast so als hätte er seit Jahren endlich einen Verbündeten gefunden, den er jetzt nie weder loslassen wollte. Jenny hatte ihn am ersten Schultag nach dem Wochenende nur fragend angeschaut. Doch er konnte es ihr nicht erzählen, deswegen schenkte er ihr nur einen bedeutungsvollen Blick und sie nickte verstehend. Auch wenn der Umgang für den Dreadhead nicht einfach war, er versuchte alles um sich nicht zu sehr von Bill abzugrenzen, denn ihm war klar, dass dies mehr als Kontraproduktiv wirken würde. Und so kam es das der stumme Junge zum ersten Mal Toms Zimmer betreten durfte… Es war an einem verregneten Mittwochnachmittag. Tom war gerade von seinem Spaziergang mit Sam zurück, als sein Handy klingelte. Die Schule war erst vor einer halben Stunde beendet wurden. Wer zum Henker rief ihn jetzt an? Als er auf den Display schaute, sah er verwundert das es die Nummer von Bill war. Was sollte das denn? Das machte überhaupt keinen Sinn! Einer Eingebung folgend, sah er aus der Eingangstür und sah Bill auf sich zulaufen in seinen Gesicht war Panik zu lesen. Blanke Panik. Ohne genau zu überlegen was er tat, schoss er aus dem Haus, packte den Schwarzhaarigen am Handgelenk und zog ihn mit sich zurück durch die Tür, die er geräuschvoll hinter ihnen ins Schloss fallen ließ. Danach schloss er den zitternden Jungen fest in die Arme. Bill klammerte sich an ihn. Nur im Augenwinkel hatte er die drei Kerle gesehen, die ebenfalls die Straße hoch gerannt waren. »Wer ist das Bill?« wollte er wissen. Aus dem Fenster im Flur beobachtete er wie die Drei vor seinem Haus stehen blieben, darauf zeigten und dann missmutig abmarschierten. Der Angesprochene schüttelte den Kopf und drückte sich noch näher an ihn, so als hätte er Angst er würde sich jeden Moment in Luft auflösen… Es tat schon fast weh. »Sag schon. Wer war das eben?« Keine Reaktion. »Bill!« warnte Tom und trat einen Schritt zurück. Schüchtern sah er den Hopper an und zog dann seufzend sein Handy hervor; hielt ihn aber immer noch mit einer Hand fest. Das waren die Drei… also vom See… du weißt… die, die mich… die… »Dich damals beinah ertränkt hätten.« ergänzte Tom, als er begriff was der andere ihm da versuchte über den Bildschirm verängstigt mitzuteilen. Bill zuckte bei diesen Worten zusammen, nickte aber. Eine unbändige Wut stieg in dem Blonden auf und raubte ihm kurz den Atem. Am liebsten wäre er den Drein hinterher gelaufen und ihn jeden Knochen im Leib gebrochen. Für all das was sie Bill angetan hatten und immer noch taten… auch wenn er nicht alles wusste. Ich kann da nicht mehr raus Tom Nur nebenbei nahm er die geschrieben Worte war. Immer noch kämpfte er mit sich… aber ihm war klar, dass Bill das nicht helfen würde, wenn er jetzt eine Prügelei anfing. Eher würde es ihn noch mehr verschüchtern. Lass mich hierbleiben, Tom, bitte… Er seufzte tief. Bill wusste, dass er eigentlich nicht wollte, dass er hier im Haus war. Auch wenn er den Grund nicht kannte… sie hatten sich bis jetzt immer im Hause Kaulitz getroffen. »Natürlich kannst du bleiben… als würde ich dich jetzt vor die Tür setzten.« sagte er ergeben und lächelte leicht. »Na los, zieh dir die Schuhe und die Jacke aus.« Er bekam noch eine feste Umarmung. »Nichts zu danken.« Dann tat der Schwarzhaarige wie geheißen, während Tom aus der Küche Gläser und Trinken besorgte. Dann führte er ihn in sein Zimmer und stellte das Tablett auf den kleinen Couchtisch ab, der vor dem Sofa stand. Schmunzelnd sah er wie sich Bill im Kreis drehte und sein Zimmer fasziniert in Augenschein nahm. »Mach´s dir gemütlich.« sagte er, setzte sich selber an den Schreibtisch und klopfte dann aufs Bett, dass direkt daneben stand. Bill kam sofort zu ihm und lächelte als er sich auf die Matratze fallen ließ. »Ich wollte mich gerade an den Bericht für Geografie machen, macht es dir was aus? Den müssen wir bis morgen fertig haben.« redete der Hopper weiter und verzog das Gesicht. Der Andere schüttelte den Kopf. Also schmiss Tom seine Hoodie aufs Bett neben Bill, fuhr den Laptop hoch und begann zu tippen. Er spürte genau das Bill ihn eine Weile beobachtete… Doch es war nicht so das es ihn sonderlich störte. Er vertiefte sich völlig in der Aufgabe. Nach einer Viertelstunde brauchte er, dann hatte er den doofen Bericht fertig. Als er sich zu seinem Besuch umwandte, fand er ihn schlafend auf seinen Bett vor. Seine Jacke hatte er im Arm wie ein Kuscheltier und sein Gesicht tief darin vergraben. Der Hopper lachte leise und stand auf. Mit einem schnellen Blick auf die Uhr, ging er nach unten. Er sollte mal Beate anrufen, nicht das sie sich unnötig sorgen um Bill machte… außerdem hatte er langsam Hunger. Wenige Minuten später hatte er das Telefonat geführt und kam mit einem neuen Tablett voll Essen wieder. Er deckte den kleinen Tisch ein und stellte dann die beiden Tabletts neben die Couch. Als alles vorbereitet war, ging er zu dem Schwarzhaarigen um ihn zu wecken. Es tat ihm beinah ein wenig Leid…er sah so friedlich aus, wie er da lag. Beinah wie ein Kind. Trotzdem berührte er sanft seine Schulter. »Hey, wach mal auf…« Und dann geschah etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Bill schoss hoch und sprang regelrecht bis ans Bettende… seine Augen waren weit aufgerissen, er zitterte am ganzen Körper. Für wenige Augenblicke war Tom total erstaunt. Was war das denn? »Hey, Billy… beruhig dich. Du bist in meinem Zimmer, schon vergessen? Es ist alles in Ordnung…« Er hatte in den letzten Tagen herausgefunden, dass der andere bei dem Spitznamen sich immer schneller beruhigte. So hatte ihm sein Vater genannt, jedenfalls hatte das Beate erzählt. Doch auch wenn es etwas komisch war, dass er ihn jetzt auch so nannte… Bill hatte noch nicht einmal angemerkt, dass es ihn störte, wenn er ihn so nannte. Endlich schien er ihn zu erkennen. Der Hopper setzte sich auf die Bettkante und lächelte liebenswürdig. »Ich hab uns essen gemacht, kommst du…?« Er nickte, krabbelte langsam wieder auf ihn zu und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. Gemeinsam gingen sie zum Sofa und ließen sich darauf nieder. »Hast du Hunger?« Bill zuckte die Achseln. »Du weißt es nicht?« fragte er irritiert. Der Andere schüttelte den Kopf und machte eine Wellenbewegung mit der Hand. »Nicht so viel? Na dann iss wenigstens ein wenig, okay? Danach können wir noch ne DVD gucken oder so…« Bill strahlte ihn wieder so unfassbar an. Ihm wurde jedes Mal ganz warm, wenn ihm der Schwarzhaarige dieses Strahlelächeln schenkte. Verdammt… »Ich hab Beate schon angerufen.« informierte der Blonde dann, als er bemerkte wie sein Gast auf sein Handy schaute. Dafür bekam ein dankbaren Blick. Dann aßen sie. Auch wenn der Schwarzhaarige nicht viel aß… er aß… Und als sie fertig waren und Tom den Fernsehen anschaltete, ließ sich Bill wie selbstverständlich gegen ihn sinken. Das tat er zurzeit öfter. Doch der Hopper sagte nichts dazu. »Was magst du schauen?« Der stumme Junge zuckte die freie Schulter und kuschelte sich näher an ihn, während Tom durch die Kanäle zappte. Eine ganze Weile saßen sie so da. Tom genoss die Nähe irgendwie, auch wenn er sich nicht wirklich erklären konnte warum, aber es tat gut den Anderen so halten zu können. Es war als würde er Bill Kraft geben und sich selbst damit stützen… Ging das überhaupt? Irgendwann bewegte sich der Schwarzhaarige in seinen Armen und sah zu ihm auf. »Hm?« Bill sah ihn fragend an und drehte dann sanft seinen Kopf auf die andere Seite. Gerade als er fragen wollte was das sollte, sah er den Finger der vor seinen Augen auf das Bild zeigte… das Bild auf seinem Schrein… Tobis Bild. »Das ist mein Bruder…« sagte er und dieser Satz war schmerzhaft und schön zugleich. Doch er entsprach nicht der Wahrheit. Er fühlte sich falsch an. »Na ja… er war mein Bruder.« versuchte er es nochmal und sah Bill wieder an. Das fühlte sich besser an. Wahrer… Er spürte Bills Hand an seiner Wange und erst da merkte er wie sehr er sich angespannt hatte. Kapitel 10: bekennend --------------------- Langsam zwang er seine Muskeln wieder dazu sich zu lockern. Der Schwarzhaarige hatte sich wieder dicht an ihn geschmiegt und streichelte immer noch sanft seine Wange. »Ist okay.« sagte er nur und schob die Hand weg. Er konnte das jetzt einfach nicht ertragen. Wenn der Andere ihn so behandelte, wusste er, dass er seine Maske nicht länger tragen konnte. Bill ließ die Hand sinken und nickte leicht. Dann formte er bewusst langsam seine Handzeichen, die der Blonde konzentriert verfolgt. »Nein, ich will nicht darüber reden…« antwortete auf die gestellte Frage. Er war im Moment wirklich etwas überfordert. Der Andere nickte wieder und lehnte seinen Kopf an die Schulter des Hoppers. Diesen plagte nun irgendwie das schlechte Gewissen. Schließlich war es nicht einmal drei Tage her, da hatte Bill ihm seine ganze Lebensgeschichte anvertraut und er… er hatte nicht einmal den Mumm über Tobi zu reden. Was war er für ein Feigling!? Er schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter. »Vergiss es.« sagte er aufgebracht und schaltete das Fernsehen aus, dann löste sich von dem Anderen. Der stumme Junge sah ihn verschüchtert an und beobachtete ihn dabei, wie er zu dem kleinen Regal ging und das Fotoalbum herunterholte. Mit diesem in der Hand ließ er sich wieder neben seinen Gast sinken. Kurz sah er in die warmen, haselnussbraunen Augen und plötzlich wusste er, dass er Bill vertrauen konnte. Er würde es niemanden erzählen, selbst wenn er sprechen würde. Und das gab ihm die letzte Sicherheit… »Er hieß Tobias und war 6 Jahre jünger als ich.« erklärte Tom dann und seufzte. »Er war krank, weißt du? Es war abzusehen das er sterben würde… aber es tut trotzdem so weh…« Tom spürte deutlich wie ihn die Erinnerungen zu übermannen drohten. Doch er schob sie zurück. Es war ihm peinlich, wenn er jetzt vor Bill heulen würde. »Als wir umgezogen sind, habe ich das alles gesammelt um mich besser erinnern zu können.« sprach er weiter und wollte das Album aufschlagen. Aber noch ehe er den Deckel umklappen konnte, legte sich die feingliedrige Hand des Anderen auf seine. Kurzeitig blickten sie sich an. Und wieder faszinierte es ihn wie viel der stumme Junge mit seinen Blicken ausdrücken konnte. Es ist in Ordnung wenn du nicht darüber redest willst… das las er in diesen Augen. Und auch wenn er sich vorher noch nicht sicher gewesen war, dass er Bill alles erzählen wollte; jetzt war er es. Er wollte ihm gerne was zurückgeben… Auch wenn es wirklich nur ein kleiner Teil dessen war, was der Schwarzhaarige ihm gegeben hatte. Doch er hoffte das es reichte, irgendwie. Andächtig schlug er das kleine Album auf und sah das erste Bild, was den zehnjährigen Tom zeigte, der seinen kleinen Bruder hielt und in die Kamera lächelte. Im Hintergrund lag Simone im Krankenbett und lächelte matt. Dieses Bild zauberte auch wieder ein Lächeln auf sein Gesicht, aber im Gegensatz zu dem abgebildeten, war es voller Schmerz. »Er war zwar kein Wunschkind von meinem Eltern, aber irgendwie hat er uns von Anfang an komplettiert…« erzählte der Hopper weiter. Bill hatte das Bild berührt und auf seinem Gesicht lag ein sanftes Lächeln. »Auch wenn es uns alle ziemlich überrascht hat, als es hieß das Mom schwanger war. Aber ich habe mich irgendwie gefreut.« Er blättert weiter und zeigte dem Schwarzhaarigen die nächsten Bilder. Zwei Seiten voller Bilder die das Glück und die Harmonie der kleinen Familie zeigte. Alle Lebenslagen mit dem kleinen Neuankömmling wurden auf den Bildern festgehalten. Man spürte die Liebe hinterm jeder Abbildung. Doch als Tom die zur nächsten Seite umblätterte, sprang diese Stimmung rapide um. Denn dort war Tobias mit einem dicken Verband am Kopf zu sehen. Auch die anderen Bilder zeigten eindeutig, dass dieser kleine Junge krank war. Immer wieder hatte er an irgendwelchen Stellen an seinem Körper Verbände oder Pflaster, dabei schien er auf diesen Bildern nicht älter als drei oder vier Jahre zu sein. »Tobias hat sehr früh Epidermolysis bullosa dystrophica, kurz DEB, diagnostiziert bekommen. Das war für uns alle ein riesen Schock, vor allem weil es ein sehr bösartiges Krankheitsbild ist. Wir wussten von Anfang an, dass Tobi niemals 20 werden würde.« erklärte Tom und seine Stimme wackelte bedenklich. »Das war wie ein Schlag in die Fresse. Ich glaube er selber hatte am wenigstens Probleme damit…« Bill sah ihn entsetzt an. Er spürte die Hand des anderen auf seiner und schluckte schwer. »Wir waren alle wie vor den Kopf geschlagen, aber die richtige Auswirkung der Krankheit kam als er fünf wurde. Er hatte schon immer leichte Rötungen auf der Haut, schon als Säugling… aber da wurde es richtig krass. Hast du schon mal was von der Schmetterlingskrankheit gehört?« Bill schüttelte den Kopf. »So nennt man sie in der Mundart, sag ich mal. Eigentlich es ist ein Gendefekt, genau habe ich es damals nicht verstanden. Aber die Folge ist eine so dünne Haut – fast so wie Schmetterlingsflügel – wenn man sie berührt, verletzt man sie. Es war schlimm… auch wenn man ihn nur gestreichelt hat, hat sich die Haut fast sofort gelöst. So als wäre er an einer Mauer entlang geschrammt…« redete er weiter und der Traurigkeit zitterte in seiner Stimme. »Ich habe ihn niemals richtig umarmen können, ohne das er Schmerzen hatte.« Wieder schwappten ein schwarzes Meer von unterschiedlichsten Emotionen in ihm umher, genau wie damals seit Tobis tot. Es drohte ihn wieder völlig zu überschwappen… immer mächtiger wurden die Wogen. Und der Kampf war fast schon umsonst. Jeden Moment würde alles wieder über ihn hereinbrechen. Wieder… Doch genau in dem Moment, als er dachte, er könnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten, ging die Tür auf und Sam zockelte auf die Couch zu. Der Hund blickte die Beiden kurz an und es war fast so, als würde er genau wissen wovon sie gerade sprachen. Er zog den Schwanz ein, ging zu seinem Herrchen und setzte sich zwischen dessen Beine. Seine Schnauze legte er auf den Oberschenkel des Hoppers ab. Ein leises Winseln kam aus seiner Kehle. Tom lächelte schwach und kraulte das Ohr des Rüden. »Sam war sein Hund… irgendwie hat er ihn durch sein Fell nicht so verletzten können wie wir das taten. Ich versteh bis heute nicht warum, aber das war egal… Tobi sollte einfach nicht so alleine sein, deswegen habe ich ihm Sam zu seinem Geburtstag geschenkt. Sammy war sein bester Freund und war immer bei ihm. Ich selber habe nicht damit klar kommen können, ich hab es einfach nicht ertragen ihn so zu sehen und hab mich immer mehr zu meinen Freunden geflüchtet… bin auf Partys gegangen oder mit irgendwelchen Mädchen bis in die Nacht unterwegs gewesen. Meistens habe ich auswärts geschlafen und wenn ich nach Hause kam, hat mein Bruder mich lächelnd erwartet.« Gedankenverloren streichelte er über den dunklen Fleck auf Sams Kopf. Vor seinem geistigen Auge sah er Tobias noch immer lachend auf der Treppe sitzen und rufen: Endlich bist du wieder da Tommy! Allein dieser Gedanke presste ihm den Brustkorb zusammen. Bill streichelte beruhigend seinen Arm und lauschte. Inzwischen hatte der Blonde das Album zwischen ihnen völlig vergessen. »Immer wieder musste ich seine Wunden behandeln. Mom konnte das einfach nicht. Entweder hat das seine Pflegerin übernommen, die wir extra eingestellt hatten oder ich. Ich wollte einfach irgendetwas machen. Ich habe mich so schlecht gefühlt, weil ich ihm sonst nicht helfen konnte, verstehst du? Das tu ich noch heute… Wenn ich daran denke, wie oft ich ihn allein gelassen haben um mein Gewissen erleichtern zu können… ich hätte bei ihm sein müssen… immer.« Er registrierte nur verschwommen wie Bill das Album zur Seite legte und noch näher rückte. »Ich - … er hat so lange gekämpft und ist älter geworden als es die Ärzte je vermutet hätten. Natürlich gab es auch dunkle Perioden. Aber er hat nie aufgegeben und ich habe echt gehofft… genau wie Mom und Gordon. Aber es war dämlich überhaupt damit anzufangen, er hat bis zu seinem zehnten Geburtstag durchgehalten,… irgendwann hatte er einfach keine Kraft mehr. Ihm ging es wirklich schlecht und ich bin wieder geflüchtet. Ich war so feige…« sagte Tom und seine Stimme brach kurz weg. Zittrig atmete er ein. »Gegen zehn Uhr kam Sammy zu mir in den Park. Ich weiß bis heute nicht wie er es aus dem Haus geschafft hat, aber er war schon immer ein sehr kluger Hund. Er hat so lange an mir herumgezogen und gejault, bis ich ihm gefolgt bin. Ich war schon angetrunken und hatte echt Probleme mitzuhalten und dann… dann hat er mich zu Tobi gebracht…- er ist in meinen Armen eingeschlafen… er… er hat gesagt er…« Hilflos brach der Hopper ab und konnte auch das Zittern seines Körpers nicht mehr unterdrücken. Eine Träne stahl sich aus seinen Augenwinkeln und rann hinunter bis zu seinem Kinn. Und dann waren da die dünnen Arme, die ihn an den anderen, warmen Körper zogen. Er ließ es zu. Der Schwarzhaarige umarmte ihn fest und ließ ihn nicht mehr los. Tom fragte sich wie er nur so stark sein konnte. Wie konnte er sich von Anderen Probleme anhören und sie trösten, wenn er selber so viel Leid in seinem Leben erfahren hatte? Wie war das nur möglich? »Ich habe so Angst ihn zu vergessen…« flüsterte der Blonde rau. »Ich… nicht richtig vergessen, aber wenn man sich lange nicht sieht, verblassen die Erinnerungen, weißt du was ich meine?...- was wenn ich irgendwann nicht mehr weiß wie er aussah oder sich anhörte? Was wenn ich -« Bill unterbrach ihn mit einem heftigen Kopfschütteln und deutete auf das Album. Dann lächelte er sanft an und strich ihn eine neue Träne weg, die sich aus seinen Augen gelöst hatte. Diese einfache Geste löste wieder dieses merkwürdige Kribbeln in ihm aus. Doch er wollte nicht darüber nachdenken. Ergeben schmiegte er seine Wange in die Hand des Anderen und seufzte auf. Er schloss seine Augen und als er sie wieder aufschlug, sah er das Bill weinte. Es war fast so, als würde der Schwarzhaarige die Tränen um Tobi weinen, die er selber nie vermocht hatte zu vergießen. Es würde nicht zu ihm passen und er war sich auch sicher, dass sein Bruder das wusste und verstand. Trotzdem lösten diese Tränen eine Zärtlichkeit in ihm für den Anderen aus, die er so noch nie gefühlt hatte. »Danke…« flüsterte der Hopper und nahm Bill wieder in die Arme. Dieser schmiegte sich an ihn und hielt ihn auch fest, immer noch weinend. Wärme breitete sich in ihm aus und er fühlte zum ersten Mal Erschöpfung… Positive Erschöpfung. Nicht die Mattigkeit, die man spürt, wenn man wieder nicht geschlafen hatte und nur darauf bedacht war seinen Eltern nicht weh zu tun und nichts Falsches zu sagen. Sondern irgendeine Form der Erleichterung. Noch ehe er sich dieses Gefühl richtig erklären konnte, war er schon abgedriftet. Tom wachte circa eine dreiviertel Stunde später wieder auf. Ihm tat der Rücken weh, doch das war nicht das merkwürdigste. Er lag ausgestreckt auf der Couch, Sam lag davor… aber unter ihm war etwas Weiches und irgendetwas strich ihm über die Stirn. Stirnrunzelnd blinzelte kurz nach oben und zuckte zusammen und als er direkt in Bills Gesicht sah. Dieser lächelte. Ihm wurde schlagartig bewusst, dass er hier auf Bills Schoß lag und dieser ihn zärtlich über die Stirn und die Haare strich und das höchstwahrscheinlich seit einer dreiviertel Stunde… »Hey…« murmelte er verschlafen. »Wieso sagst du nichts, das ist doch sicher unbequem für dich?!« Er richtete sich wieder auf und streckte sich; hörte wie es in seinem Rücken ein paar Mal krachte. Dann blickte er zu dem stummen Jungen herüber. Dieser massierte grinsend seine Oberschenkel, höchstwahrscheinlich waren sie eingeschlafen unter seinem Gewicht. Es schien ihm so, als würde Tom ihn das erste Mal direkt ansehen und das war ein Gedanke der absurd war und ihm irgendwie Angst machte. Aber wahrscheinlich war er nur müde. Es war ja schon abends… er sollte sich wohl ins Bett hauen und ausschlafen. Sofern er überhaupt noch einschlafen konnte. »Hm… wollen wir noch was schauen? Oder willst du nach Hause?« Bill antwortete mit Handzeichen. »Okay… ich bring dich noch schnell rüber.« Dafür bekam er wieder dieses strahlige Lächeln, welches seine Wirkung auf ihn immer mehr verstärkte, anstatt es sie verlor. Nach diesem Gespräch vergingen die Wochen gefühlt noch schneller als vorher. Zwischen Bill und Tom entstand eine unübersehbare Nähe. Den Hopper verwirrte sie, den Stummen tat sie sichtlich gut und Jenny grinste nur so vor sich hin… Bill blühte auf. Man konnte den Menschen den er kennen gelernt hatte nicht mit dem vergleichen der jetzt immer mehr durchkam. Und irgendwie war das toll… Sein Lachen war hell und wurde immer mehr. Und Tom liebte es ihn Lachen zu hören. Es war ein Geräusch was Schnee zum Schmelzen brachte, so kitschig sich das auch anhörte. Irgendwie glaubte er wirklich, dass es funktionieren würde. Auch die Schule schien irgendwie erträglicher zu sein. Wahrscheinlich lag es aber auch nur an seinem ausgeglichenen Gemütszustand. Dadurch, dass er endlich mit jemanden gesprochen hatte, konnte er auch ganz anderes mit seinen Eltern umgehen. Es besserte sich, egal um was es sich handelte… Schule, Zuhause, Freizeit. Alles schien zurzeit perfekt. Am Wochenende fuhr er ab und zu mit Jenny und ihren Schwestern nach Magdeburg und ging in ein paar Clubs. Es war nicht das gleiche wie in Hannover, aber es war lustig die Blicke der anderen zu sehen, wenn er mit Drillingen ankam. Einmal hatten sie einen arroganten Typen verarscht, der sich dreist an Jana herangemacht hatte… sie hatten ihm tatsächlich erzählt sie würden eine Viererbeziehung führen. Alle drei hatten sich an Tom geschmiegt und der Typ hatte den Mund nicht mehr zubekommen. Etwas was dem Kerl wohl bis heute traumatisierte! Mit den Schwestern wurde es einfach nie langweilig. Das einzige was schade war, war das Bill nicht mitgehen konnte. Sozial Phobie und so… Diese Situationen waren in dieser Zeit die einzigen in denen man wirklich merkte, wie kaputt der Schwarzhaarige eigentlich war. Große Menschenmengen, die in einem kleinen Raum waren oder zu eng beieinander standen, verursachten bei ihm Panikattacken. Manchmal fragte sich der Blonde wie Bill es in seiner Klasse aushielt. Zum Beispiel beim Sportunterricht… Man konnte sagen was man wollte, aber groß war ihre Turnhalle nicht gerade. Ob er da auch mit solchen Attacken zu kämpfen hatte? Wie konnte man mit so etwas überhaupt normal leben? Vielleicht sollte er ihn einmal dazu befragen… aber nicht jetzt. Es war alles zu gut zurzeit. Und so kamen so schritt der Herbst voran und die Ferien kamen immer näher. Zwei Tage vor den Ferien war bereits unter den Schülern die Null – Bock – Laune ausgebrochen. Auch Tom konnte sich nur noch schwer auf den letzten Batzen wissen konzentrieren, den die Lehrer ihnen vor den Ferien mitgeben wollten. Im Matheunterricht dann, bekam er eine SMS von Georg, die ihn an sein Versprechen erinnerte, das er vor seiner Ankunft in Loitsche gegeben hatte. Ohne darüber nachzudenken bestätigte Tom dieses noch einmal. Als der Schultag endlich um war, traf er sich mit Jenny und Bill wie immer auf dem Hof. »Hey…« »Hey.« Von dem Schwarzhaarigen bekam er eine übereifrige Umarmung als Begrüßung und dann gingen sie gemeinsam los. »Boha, das war ein Tag. Habt ihr auch das Gefühl, dass die uns alle vor den Ferien noch einmal richtig quälen wollen?« fragte er grinsend. »Ich glaube, so viel hat uns der Liebe noch nie schreiben lassen, ey!« »Ja, das ist doch meistens so oder?« antwortete Jenny. »Vor den Ferien drehen alle noch einmal total am Rad… aber wenigstens sind die Noten durch. Morgen werden sie denke ich nicht auf die Idee kommen einen unangekündigten Test zu schreiben.« »Beschrei das lieber nicht!« »Hast Recht.« Für eine Zeit des Fußmarsches herrschte Schweigen. »Was machst du die Ferien?« versuchte Tom ein neues Thema anzuschneiden. Er hatte irgendwie das Gefühl etwas erzählen zu müssen. »Also ich nicht viel… ich werde vielleicht mit meiner Familie mal nen Kurztrip machen, aber die restliche Zeit bin ich hier. Du?« »Ich fahre nach Hannover und besuch mal die alte Chaos – WG da.« »Ouhhh super. Das ist schön…« freute sich Jenny direkt mit und grinste ihn an. »Du kannst mich gerne mitnehmen. Ich wollte schon immer mal sehen wo du herkommst.« »Beim nächsten Mal dann.« Diese Zusage ließ Jenny übermütig auf quietschen und sie drehte sich gut gelaunt um. »Und wa – … Bill?« Nun wand sich auch Tom um. Er hatte gar nicht bemerkt, dass der Schwarzhaarige stehen geblieben war. Und jetzt wo er ihm ins Gesicht blickte, sah er erst den gepeinigten Ausdruck darin. Schmerz zuckte durch seine Augen… so als hätte ihn jemand geschlagen. Was? »Bill was hast du denn?« fragte Jenny noch einmal. Auch sie schien sofort alarmiert zu sein. Doch der Angesprochene reagierte gar nicht. Er lief einfach weiter. Jede Emotion war verschwunden. Die Schwarzhaarige packte seinen Arm. »Ey, wart jetzt mal. Du wirst mich jetzt hier nicht anschweigen. Was ist denn nu kaputt?! Red doch!« Doch dieser machte einfach seinen Arm los und ging weiter. »Bill!« Keine Reaktion. Etwas überfordert sah Jenny den Hopper an, der immer noch da stand, wo er vorhin angehalten hatte. Auch ihm ging es nicht anders… Was war denn nur plötzlich los? Warum war Bill so komisch? Hatten sie irgendetwas Falsches gesagt? Verwirrt standen Beide da und sahen dem stummen Jungen hinterher, der vor ihnen den Weg einfach weiter lief, ohne ein einziges Mal zurück zu blicken. Und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. »Scheiße!« fluchte er halblaut und kickte einen kleinen Stein weg. Wie konnte man nur so bescheuert sein?! »Was?!« »Ich hab es ihm nicht gesagt!« teilte er Jenny mit zusammengepressten Kiefern mit. »Ich hab Bill nicht gesagt das ich gehe.« Und das nicht einmal aus böser Absicht. Er hatte einfach nicht mehr daran gedacht, bis gerade eben. Das Versprechen war schon so lange her, er hatte es eine Zeit lang vergessen bis Georg ihn heute wieder daran erinnert hatte. Wenn man bedachte was dazwischen alles passiert war, war das auch nicht verwunderlich das er so eine Lappalie vergaß, oder? »Nee oder? Sag nicht du hast Bill gesagt, du würdest die Ferien hier sein?« Hatte er das? Er konnte sich nicht mehr erinnern. Verdammt! Hektisch suchte er in seinem Verstand nach irgendeiner Situation in der er Bill genau das gesagt haben könnte… doch er fand keine. Und das hatte er auch nicht. Oder? »Keine Ahnung…« seufzte er deshalb. »Nich dein ernst, Alter. Boha! Komm lass uns schnell hinterher.« Und das taten sie. Sie mussten fast rennen um Bill mit seinem Stechschritt einzuholen. Und Tom hatte ein schlechtes Gewissen, als er an diese verletzten Augen dachte. Am nächsten Tag erschien Bill nicht in der Schule. Auch an dem gestrigen Nachmittag hatte er weder mit Jenny, noch mit Tom oder Beate gesprochen. Er war einfach in sein Zimmer gegangen und hatte sich da eingeschlossen. Der Hopper machte sich wirklich Sorgen um ihn. Wegen so einer Dummheit würde er doch nicht wieder in diesen leidenswerten Zustand fallen, aus dem er ihn schon einmal mit Mühe und Not befreit hatte… oder?! Oder? So sicher war sich Tom da gar nicht. Immer wieder versuchte er zu ihm Kontakt aufzunehmen, aber der stumme Junge antwortete auf keine seiner SMS, was nicht gerade zu seiner Beruhigung beitrug. Unruhig saß er im Deutschunterricht und schrieb irgendwas über Formativ und Bedeutung auf. Er bekam nicht einmal die Hälfte von dem mit, was der Lehrer versuchte ihnen anschaulich zu vermitteln. Immer wieder trieben seine Gedanken ab. Wenn er so bis Nachmittag weitermachen würde, würde er wohl völlig den Verstand verlieren. Er musste jetzt wissen wie es Bill ging! Wieder schrieb er eine SMS. Langsam kam er sich vor wie ein Stalker, aber auch auf diese bekam er keine Antwort. Okay, das reichte! Die letzten Stunden wurden gestrichen! Er musste zu Bill! Also packte Tom seine Sachen nach dem Unterricht zusammen und steuerte zielstrebig auf den hinteren Ausgang der Schule zu. Es musste ja nicht unbedingt jeder sehen, das er jetzt türmte… Eilig tippte er die gefühlte zwanzigste SMS an diesen Tag, doch dieses Mal war sie an Jenny adressiert und klärte sie über sein Vorhaben auf. Dann machte er sich auf den schnellst möglichen Weg zurück. Eine gute halbe Stunde später, stand er umgezogen und ohne Rucksack vor dem violette Haus. Nervös betätigte er die Klingel. Am liebsten wäre er weggelaufen, aber das hätte auch nichts mehr gebracht. Übermorgen würde er fahren und er wollte das aus der Welt haben. Also Augen zu und durch! Die Tür öffnete sich und Beate lächelte ihn an. »Hallo, Tom.« begrüßte sie ihn und zog ihn in eine warme, mütterliche Umarmung. »Hey…« krächzte er und kam direkt auf den Punkt. »Wie geht es Bill?« »Deswegen bist du vor Schulschluss hier?« »Ja.« Was brachte es nun noch lange drum herum zu reden. »Beate, sag schon… wie geht es ihm.« »Nicht gut.« Der Hopper schluckte. »Hat er…- ich meine ist er?« »In Starre?« Die blonde Frau schüttelte den Kopf und lächelte schief. »Nein. Aber es ging ihn heute früh nicht besonders, er hatte gestern Abend einen Nervenzusammenbruch. Deswegen habe ich ihn heute entschuldigt.« »Wegen mir.« Das war eine Feststellung, keine Frage… Und das erste Mal seit vielen Wochen fühlte sich Tom wieder einmal restlos überfordert mit der Situation in der er sich gerade befand. Wie konnte er sich damals nur auf diesen Jungen einlassen? Er verletzte ihn ja anscheinend nur… weil er ihn nicht verstand. Nicht verstehen konnte. »Ich werde am besten nicht fahren.« »Was? Nein, natürlich fährst du zu deinen Freunden!« entgegnete Beate beinah empört. Sie hatte schon gestern grob mitbekommen um was es ging. »Aber-« »Tom, hör mir jetzt mal ganz genau zu.« sagte sie ruhig und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er sah sie ratlos an. Was sollte er nur tun? »Du solltest fahren. Lass dich von Bill nicht so einengen, auch wenn du ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber hast. Aber er muss lernen, dass andere Menschen nicht rund um die Uhr da sein können. Und er muss lernen, dass, auch wenn jemand geht, derjenige irgendwann wiederkommt. Er ist nicht so ausgerastet weil du fährst, sondern weil er Angst hat dich zu verlieren. Verlustängste, du erinnerst dich?« Der Hopper nickte leicht. »Bei mir war es dasselbe. Ich durfte nicht aus dem Haus gehen… nicht einmal zum einkaufen. Und mitnehmen konnte ich ihn wegen seiner Sozial Phobie auch nicht… das ist ja Gott sei Dank, einigermaßen besser geworden. Aber früher hat er richtige Angstattacken und Nervenzusammenbrüche bekommen, wenn ich mich nur angezogen habe. Irgendwann hat er verstanden, dass ich immer wiederkomme. Es hat lang gedauert und es war wirklich nicht einfach… aber jetzt weiß er, dass ich ihn nicht allein lassen würde. Das ich immer zurück komme. Das muss er bei dir noch lernen. Auch wenn er dir mehr vertraut als anderen, ihr kennt euch wirklich noch nicht lange.« Wieder nickte Tom. »Geh zu ihm hoch, klär das… aber lass dich nicht von ihm überreden hierzubleiben. Egal wie viel er bettelt und weint. Sei standhaft.« Wie stellte sie sich das denn bitte vor? Verdammt! »Dann geh ich mal hoch…« sagte er leise und drehte sich, trotz seiner Zweifel und den schlechten Gefühl in der Magengegend, um. »Ja. Wenn was ist, ruf, ich bin hier…« Sehr witzig. Das sagte er natürlich nicht laut, stattdessen erklomm er die Treppen und machte vor Bills Tür halt. Kurz zögerte er ehe er klopfte und sie vorsichtig öffnete. »Billy?« Der Schwarzhaarige saß zusammengekauert auf seinem Bett. Doch als er seinen Kosenamen hörte, sah er auf und als er den Hopper erkannte, zuckte etwas durch seine Augen. In der nächsten Sekunde sprang er auf, schoss auf ihn zu und warf sich gegen den Anderen. Durch die Wucht des Aufpralls wurde der Blonde an den Türrahmen katapultiert. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, Bill sofort zurück zu umarmen. Und obwohl er in den letzten Stunden nichts anderes getan hatte, außer weinen – jedenfalls sagten das die Taschentücherberge um seinen Bett und seine roten Augen – begann er wieder zu schluchzen. »Boha, Bill.« seufzte Tom und zog den Schwarzhaarigen näher. »Hör schon auf, du weißt, ich ertrag es nicht, wenn du heulst.« Der Angesprochene klammerte sich nur verzweifelt an ihn, so als könnte er sich jeden Moment in Luft auflösen. Er presste sich so nah an den Dreadhead, das diesem beinah die Luft wegblieb. »Billy… scht. Es ist doch gut jetzt. Es tut mir Leid, dass ich dir nicht früher was gesagt habe, okay? Ich hab es vergessen… aber das heißt doch nich, dass ich nicht wiederkommen, nur weil ich über die Ferien weg bin, hm?« Keine erkennbare Reaktion. »Schau mich doch mal an, Bill.« Langsam und sehr unsicher folgte der Stumme dieser Aufforderung. Als Tom in die rotgeweinten Augen sah, konnte er nicht mehr anders und hob seine Hand um die Tränen von den Wangen zu wischen. »Mensch, bis du ne Heulsuse, ey.« spottete er liebevolle und ließ seine Finger da wo sie waren. »Und jetzt sag mir mal eins. Warum machst du hier eigentlich so einen Aufstand? Hab ich dir je einen Grund gegeben zu denken ich würde mich bei der nächsten Gelegenheit verpissen?« Ein Kopfschütteln. »Kannst du mir vertrauen?« Dieses Mal war ein Nicken die Antwort. »Und warum tust du es dann nicht einfach? Ich hab mich bis jetzt doch immer gemeldet, oder nicht? Und wir können doch SMS schreiben…« redete er weiter auf ihn ein. »Apropos…warum hast du mir nicht geantwortet? Ich hab mir verfluchte Sorgen gemacht!« Bill biss sich auf die Unterlippe und wendete den Blick ab. »Du wolltest nicht?« Wieder konnte er keine Reaktion auf seine Worte erkennen, was ihn leise seufzen ließ. Er hasste das, wenn er nicht wusste, was der andere dachte und sagen wollte. Warum musste das alles auch so verflucht kompliziert sein? »Okay, verstanden. Aber ich fahre trotzdem. Ich habe es meinen Freunden versprochen und ich werde es dieses Versprechen nicht brechen. Aber wir schreiben, ja?« Der Schwarzhaarige sah kurz auf und in seinen Augen lag so eine Traurigkeit das es dem Hopper fast körperlich wehtat. Doch hinter dieser Trauer war noch etwas. Angst. Angst den Menschen zu verlieren, den er gerade erst gefunden hatte. »Moha, fang bloß nicht wieder an zu flennen, man…« grummelte Tom, als die Augen seines Gegenübers wieder verräterisch glänzten. Wie konnte man als Kerl nur so viel heulen? Bill hatte die Lippen zusammen gepresst und schien sich wirklich anzustrengen nicht gleich wieder in Tränen auszubrechen, etwas was den Dreadhead schmunzeln ließ. »Was hältst du von einem Kompromiss, hm?« Sofort hatte er die volle Aufmerksamkeit des Anderen, was das Schmunzeln zu einem Grinsen intensivierte. »Ich fahre eine Woche weg und komme dann wieder und dann machen wir etwas zusammen… du darfst dir aussuchen was.« Er hätte niemals gedacht, dass er mal eine gesamte Ferienplanung für einen Menschen kippte. Ansonsten war es ihm eigentlich völlig egal was andere von ihm dachten, wenn er sein Ding durchzog. Aber mit Bill war sowieso alles anders… Dieser strahlte ihn wacklig an und umarmte ihn wieder fest. Dieses Lächeln kam nicht im entferntest an die der letzten Woche heran, aber das reichte schon… fürs erste. »Okay, abgemacht. Und jetzt räum hier auf und geh runter was essen.« Inzwischen kannte er den Schwarzhaarigen gut genug um zu wissen, dass er nichts aß, wenn er wegen irgendetwas aufgelöst war. Tatsächlich gehorchte der Andere brav, nahm den Eimer und sammelte seine Taschentücher und Papierfetzen ein. »Was sind das für Zettel?« wollte Tom neugierig wissen und hob einen auf um sich ihn anzusehen. In deinen Augen, scheint alles sinnlos und leer. Der Schnee fällt einsam – du siehst ihn schon lange nicht mehr. Irgendwo da draußen – konnte er lesen, ehe der Schnipsel wieder aus seiner Hand geklaubt wurde. »Was ist das, Bill?« Der Angesprochene zuckte die Achseln und deutete auf den Schreibtisch. Dort stand ein Keyboard, welches dem Hopper schon zuvor aufgefallen war. Hatte es nicht beim letzten Mal auf den Boden gestanden? Er würde behaupten ja… »Du schreibst Songs?« Der Schwarzhaarige nickte und stellte den Eimer wieder unter den Schreibtisch. Das war ja höchst interessant. Als der Stumme auf ihn zukam und an ihm vorbei zur Treppe wollte um runter zugehen, hielt Tom ihn noch einmal zurück. »Ach noch was…« sagte er und begann dann den Anderen gnadenlos zu kitzeln. Bill zuckte zurück und fing im nächsten Moment an zu lachen und zu kreischen. Es tat wirklich gut nach all den Weinen und Schluchzen solche Geräusche von ihm zu hören. Irgendwann konnte er sich befreien und nahm vor dem Hopper reiß aus, der ihm sofort nachsetzte. Als sie nach unten gerannt kamen, sah Beaten verblüfft auf und lächelte dann vor sich hin, als wüsste sie etwas, was Bill und Tom noch nicht erkannt hatten. Am Samstagvormittag geschah nicht viel. Tom packte seine Taschen, ging zweimal mit Sammy raus und schaute ein wenig mit seinen Eltern fern. Am liebsten würde er den Hund ja mitnehmen, aber für seine Zugreise war er einfach zu groß und zu teuer. Doch der Rüde merkte wohl, dass es auf einen Abschied hinauslief. Er war merkwürdig anhänglich… schon den ganzen Tag über wich er nicht von der Seite des Hoppers. Seine Eltern waren seit ein paar Tagen wieder ansprechbar, wenn man aufpasste was man sagte, konnte man fast wieder normale Gespräche mit ihnen führen. So kam es, dass der Blonde sich das erste Mal am Wochenende wieder richtig wohlfühlte. Am Abend hatten Bill und er sich verabredet um sich in Ruhe verabschieden zu können und ihn schwante das es schwierig werden würde… Aber da musste er nun irgendwie durch. Er hatte dem Schwarzhaarigen diesen Wunsch einfach nicht abschlagen können. Nicht nachdem was am Freitag passiert war. Wie denn auch? Also machte er sich pünktlich nach dem Abendbrot los und stiefelte die Straße hinauf zu dem Haus, das er bereits kannte wie ein zweites Zuhause. Sam trabte an seiner Seite mit. Er hatte einen kleinen Aufstand geprobt, als der Hopper ohne ihn das Haus hatte verlassen wollen. So etwas hatte er eigentlich damals nur gemacht, wenn er nicht bei Tobias sein durfte… als Welpe. Dann hatte er sich auf den Boden geworfen mit den Pfoten auf den Boden gekratzt und solange gewimmert und gejault bis ihn jemand beachtete. Heute war das Theater ähnlich gewesen. Als er die Tür hinter sich zugezogen hatte, wurde das Winseln des Hundes immer lauter geworden und schließlich hatte er begonnen an der Tür zu kratzen und in den schrillsten Tönen zu bellen. Diese Geräusche hatten ihm eine Gänsehaut über den Rücken gejagt. Es hatte sich wirklich so angehört, als würde Sam von irgendjemand gequält. Schlussendlich hatte er die Tür wieder aufgemacht und ihn kurzerhand mitgenommen. Er wollte sich eigentlich nicht genau ausmalen, was seine Eltern nächste Woche erwarten würde… jetzt im Moment schien der Rüde aber zufrieden zu sein. Sie kamen kurze Zeit später an. Tom begrüßte Beate herzlich und ließ Sam bei ihr im Wohnzimmer, wo sie sich mit ihm beschäftigte, während er selber die Treppe erklomm. Sam blieb leise, wahrscheinlich beruhigte ihn die Tatsache das er noch im gleichen Haus war und er nur die Treppe hoch musste um sein Herrchen zu sehen. Aber wer verstand schon einen Hund? Bill erwartete ihn bereits mit einem aufgebauten Knabberzeugtisch und dem Startmenü einer DVD auf dem Bildschirm. Er strahlte ihm entgegen. Tom lächelte ehrlich zurück, schälte sich aus seiner Hoodie und setzte sich neben ihn auf die Couch. Er umarmte den stummen Jungen zu Begrüßung und ließ es zu das Bill sich an ihn lehnte und die Arme des Hoppers um sich zog. Er wurde wirklich noch zum Weichei. Egal wie sehr er versuchte sich herauszureden, dieses Nest veränderte ihn mehr als er wollte… Bill veränderte ihn. Aber es war nicht so, dass es ihn großartig störte. Er verstellte sich nicht… eher holte der Schwarzhaarige die Seite an ihm zum Vorschein, die neben seinen Machoimage nie hatte existieren können. In Hannover würde er nie sein können, was er hier war. Und das war okay so. Irgendwie. »Was hast du dir denn ausgesucht?« wollte er wissen und griff nach den Hüllen. »Shutter Island und Interview mit einem Vampir? Noch nie gehört…« Bill grinste leicht. Er wusste genau, dass das eigentlich nicht der Filmgeschmack des Hoppers war, da war er sich sicher. Wahrscheinlich hatte er die Filme gerade deswegen ausgesucht. Tom zuckte die Schultern und drückte auf Hauptfilm abspielen. Sie schauten die zwei DVDs und saßen einfach still nebeneinander, aßen Knabberzeug und tranken Cola. Als auch die letzten Minuten des zweiten Films um waren, machten sie das Fernsehen aus und der Blonde erzählt Bill von Hannover. Was er vorhatte… wo er wohnen würde… ein wenig von Georg und Gustav… Als er jedoch merkte, dass Bill immer ruhiger wurde und anscheinend traurig über seine Reisefreude war, begann er wieder den Anderen zu kitzeln ohne darüber nachzudenken. Er liebte es, wenn der Schwarzhaarige so hemmungslos lachte. Das Geräusch war viel zu selten, als das er das lassen könnte. Doch dieses Mal konnte der Stumme ihn mit einem gekonnten Manöver herumwerfen und Beide landeten auf den Boden. Bill auf Tom. Beide starrten sich einen Moment in die Augen und urplötzlich schlug die Atmosphäre um. Eine Spannung baute sich zwischen ihnen auf, so wie der Blonde es eigentlich von seinen Mädchenerfahrungen kannte. Sein ganzer Körper begann zu kribbeln. Sein Herz schlug um einige Takte schneller, als Bill sich nach vorne beugte und seinem Gesicht bedenklich näher kam. Hektisch packte er ihn an den Hüften und hob ihn ohne große Anstrengung von sich hinunter. »Was machen wir jetzt noch?« versuchte er schnell vom Thema abzulenken und setzte sich wieder auf die Couch. Seine Stimme klang merkwürdig rau. Er traute sich nicht den Anderen anzusehen und war dankbar, als sein Handy mit einem leisen Pfeifen eine SMS ankündigte. Er blickte hinunter und grinste, als er erkannte das die SMS von Georg war. Bleibt’s dabei? Ja, bin morgen gegen eins da. Yeah… Bier ist schon kalt gestellt. Warten dann. Kay. Als der kurze Infoaustausch beendet war, steckte er das Mobiltelefon zurück in seine Tasche und wollte sich gerade nach Bill umsehen, als es auch schon geschah… Ein schmaler Körper saß plötzlich auf seinen Schoß. Wo war er so schnell hergekommen? Der gesamte Körper des Hoppers versteinerte, als Bill sanft in seinen Nacken griff und seinen Mund mit zarten Lippen verschloss. Schüchtern und langsam bewegten diese sich gegen seine eignen. Doch er konnte nicht reagieren. Seine Gedanken rasten. Es fühlte sich so anders an, als jeden Kuss den er je von einem Mädchen bekommen hatte. Irgendwie kompletter… Was? Noch ehe er weiter reagieren konnte, war der Mund verschwunden. Bill rückte etwas von ihm ab und seine Augen huschten prüfend über das Gesicht des Blonden… suchten nach einer Regung… nach irgendetwas. Was er sicherlich nicht fand. Dazu war Tom zu verwirrt, er konnte gerade nichts fühlen. Hilflos kletterte der Schwarzhaarige von ihm herunter und setzte sich scheu neben ihn. So als würde er erwarten, dass er jeden Moment angeschrien würde. Doch auch das konnte er nicht. Als der Hopper sich wieder etwas im Griff hatte, tat er so als wäre nichts passiert und suchte so schnell es ging einen Weg zu verschwinden, ohne das Bill dachte, er habe etwas falsch gemacht. Als er geschätzte fünfzehn Stunden später in einem Zug nach Hannover saß, ließe er das Geschehene noch einmal Revue passieren. Nach dem ersten Schock und einer Mütze voll Schlaf begriff er, dass dieser kleine Lippenkontakt, der eigentlich nicht mal als richtiger Kuss bezeichnet werden konnte, das beste war, was er in seinen jungen Leben gefühlt hatte. Kein Mädchen hatte in ihm das Kribbeln auslösen können, wie Bill mit dieser einfachen Sache. Was mehr als nur wiedersinnig war… Denn er war nicht schwul! Na ja… jedenfalls war es ihm bis jetzt nie aufgefallen, falls es so war. Nicht das er je ernsthaft darüber nachgedacht hätte. Und mit dieser Einsicht, war ihm noch etwas klar geworden. Endlich konnte er das Gefühl beschreiben, dass er verspürte, wenn er Bill sah und das so gut wie vom ersten Tag an. Endlich hatte er Worte dafür. Auch wenn es unglaublich für ihn war. Tom kam es fast so vor als wäre es aus dem Nichts einfach aufgetaucht, auch wenn er wusste, dass es nicht möglich war. So etwas musste langsam wachsen; er hatte es bloß nicht bemerkt, weil er so blind gewesen war. Und als er es bemerkt hatte, wollte er es nicht wahrhaben. Doch nach gestern Abend ließ es sich nur noch schwer verleugnen. Er war wirklich blind gewesen… wie ein Maulwurf mit grünen Star…blind für seine eigenen Gefühle…seine Gefühle für Bill. Wie das schon klang! Schon alleine dieser Gedanke löste eine ungeahnte Angst in ihm aus. Aber er war sich bewusst, dass er den Schwarzhaarigen jetzt nicht von sich weisen konnte, nur weil er Angst hatte. Das würde mehr zerstören, als er wieder gutmachen konnte. Er musste dazu stehen. Zu Bill stehen und mit ihm reden, wenn er zurück war. Und dann würde er weiter sehen was passierte… Irgendwie würden sie das schon schaffen und vielleicht irrte er sich auch einfach nur…?! Schließlich war er immer noch verwirrt. Oder? Kapitel 11: rasend ------------------ >>Ey, Tom…glaubst du es gibt keinen Ärger wenn deine Ische rausbekommt, dass du mit uns feiern gehst?« fragte Georg und rempelte seinen besten Kumpel, der neben ihm lief, an. Der blonde Sechzehnjährige sah ihn irritiert an. »Meine Ische?« »Tu nicht so verblüfft, warum sonst schaust du alle drei Sekunden auf dein Telefon und grinst die ganze Zeit so dämlich vor dich hin. Hä? « Scheiße… vielleicht sollte er sich mal ein wenig unauffälliger verhalten. Er durfte nicht vergessen das er seine beiden Begleiter seit dem Kindergarten kannte und die ihn auch… »Du hast Kopfkino, Hagen. Wieso sollte ich ne Olle haben ohne dir davon zu erzählen?« »Stimmt.« mischte sich nun Gustav ein. »Er hätte doch schon längst mit ihr geprahlt!« Ha ha ha ha… selten so gelacht! »Ich bleibe trotzdem dabei, irgendwas ist da!« »Tom, stimmt das?« »Ein Checker genießt und schweigt…< »Ich bin mir fast sicher das der Spruch anders geht.« »Fresse, Gustav!« Aus der Ferne war die Party bereits zu hören. Und das war Toms Glück. Er hasste es seine Kumpels anzulügen, aber ihm blieb nichts anderes übrig… er war noch nicht bereit den Beiden reinen Wein einzuschenken. Sie waren auf eine Privatparty eines Bekannten eingeladen worden und gerade auf dem Weg zur Lärmquelle. Sie kamen keine Minute später bei dem Hof an, aus dem schon laute Bässe dröhnten. Ein ganzer Haufen Jugendlicher hatte sich dort versammelt. Sie machten Musik, tanzten und alberten herum. Schon von weitem sah er den Tisch auf dem sich Unmengen Alkoholflaschen lagerten. Die Drei traten durch das Eisentor und wurden kurz darauf bemerkt. »TOM! Du bist auch da…« rief ein Mädchen begeistert und kam ihnen entgegen gelaufen. Schon reichlich angetrunken fiel es dem Hopper überschwänglich um den Hals, ehe es die anderen Beiden begrüßte. »Das war so klar, kaum ist die Rasterlocke wieder hier, werden wir einfach vergessen.« schmollte Georg beleidigt grinste aber. »Ich geb dir gleich Rasterlocke, du Idiot…« knurrte Tom und stieß seinen Freund unsanft in die Seite. Er hasste es, wenn ihn jemand wegen seiner Haare aufzog. Sie gingen durch die Reihen und begrüßten den Rest, ehe sie sich mit einem Bier auf die Hollywoodschaukel fallen ließen. Und sie blieben auch nicht lange ohne Gesellschaft. »Wollen wir tanzen, Tom?« kiekste ihn ein Mädchen von der Seite an. So wie die aussah konnte sie noch nicht einmal gerade laufen, von tanzen ganz zu schweigen. Der Blonde unterdrückte ein genervtes aufseufzen. »Ich tanze nicht… tut mir Leid.« »Schade…« »Wow, dass nenn ich ne klare Ansage.« kicherte die Blondine neben ihn anerkennend. Tina oder Tony oder so… Der Hopper lächelte nur einnehmend.. »Ich liebe klare Ansagen!« »Ach« schmunzelte sie daraufhin. »Was liebst du denn noch so?« »Das musst du schon selber herausfinden. Oder denkst du, du bekommst alles auf dem Silbertablett serviert, ohne dafür zu arbeiten?« »Oh...für so was arbeite ich gerne...« »Sehr gut, du kannst damit anfangen mir zu zeigen, wo es was anständiges zu essen gibt.« antwortete der Dreadhead schlagfertig. Eigentlich stand er gar nicht auf solche Kletten, aber er wollte ein wenig Ablenkung von den ganzen Grübeleien von den letzten Tagen. Überhaupt wollte er seine weiche Seite mal wieder abschalten und schauen ob auch noch der andere Tom in ihm schlummerte… »Sehr wohl! Hier entlang!« war die Blonde sofort auf den Beinen und kicherte erneut. Sein Grinsen wurde breiter, als er ihre dargebotene Hand annahm. Sie machten sich auf den Weg zum Buffet und ließen Georg und Gustav mit ihrer Gesellschaft sitzen. Während Tom dabei war sich eine kleine Auswahl auf einen Teller zu sammeln, himmelte ihn die Tussi von der Seite her an. »Wollen wir uns nicht woanders hinsetzten und uns ein wenig alleine unterhalten?« Der Hopper lachte leise. »So, so ... unterhalten also?!« »Jaha...« Sorry, aber du bist echt nicht mein Typ Mädel, selbst wenn ich nicht denken würde ich sei total verknallt. »Mal sehen.« erwiderte er und sah sich nach einer Möglichkeit um dieser Situation zu entkommen. Da blieb seine Aufmerksamkeit auf einer Rothaarigen. Aber Holla… »Tom?« Er ließ sich nicht von der Tina oder Tony oder wie auch immer stören und blickte weiter über das Buffet. Wow… die war echt scharf… »Hallo? Erde an Tom... ist da jemand?« Nun sah sie auch wo sein Blick festhing. An dem rothaarigen Mädchen, welches gerade kritische Blicke auf die kleine Salatbar ihnen gegenüber warf. Die Blondine fuchtelte mit der Hand vor seiner Nase herum. »Stehst du auf die? Die ist doch voll die Zicke?« Der Dreadhead sah sie amüsiert an, als er die Eifersucht hinter den Worten hörte. »Kennst du sie?« »Cam? Sicher...« »Cam also? Ist das ihr richtiger Name.« »Sie heißt Camilla und ist ne Austauschschülerin, wenn´s dich so brennend interessier…« patzte die Angesprochene und blitzte ihn an. Oh oh… Tom schmunzelte sie schief an. »Danke für die Info.« »Die passt gar nicht zu dir!« Diese Worte verwandelte sein Schmunzeln zum breiten Grinsen. »Ach ja? Wer passt denn zu mir?« Augenblicklich wurde Tina rot und sah weg. Nun ja, jetzt sah sie ja beinah niedlich aus. Tom fing an zu lachen. Als sie von der anderen Seite plötzlich jemand ansprach. »Entschuldigung…?« Er sah auf und blickte genau in die smaragdgrünen Augen dieser Cam. »Kannst du mir mal einen Teller geben?« Dieser britische Akzent war ja mal heiß. »Aber sicher.« meinte er leichthin und schenkte ihr sein schönstes Lächeln. »Vielen Dank.« erwiderte sie und musterte ihn intensiv. Okay, die war mehr als heiß… »Sag mal, ist das dein Ernst ?« wollte nun die Blonde neben ihn hysterisch wissen. Die war ja immer noch da… »Was genau meinst du?« »Du machst die hier an während ich hier neben dir stehe?« Ähm ja… Doch noch ehe er etwas sagen konnte, hatte ihm diese Cam schon alles abgenommen. »Krieg dich mal wieder ein, Perle! Er hat mir nur einen Teller gegeben.« »Misch dich nicht ein, du blöde Kuh.« Der Blick der Rothaarigen verfinsterte sich zunehmend, während Tom schnell einen Sicherheitsabstand zu der Blondine einnahm. Das sah nach Zickenkrieg aus. »Was ist eigentlich dein Problem?« wollte die Britin gereizt wissen. »DU! DU BIST MEIN PROBLEM…!« kreischte die Andere nun in den höchsten Tönen los. »GLAUB NICHT DU BIST ETWAS BESONDERES! FÜR DEN DA BIST DU AUCH NUR EINE VON VIELEN... DAS HAST DU DOCH GRADE GESEHEN, ODER? IN EIN PAAR TAGEN SITZT IHR HEUELND IM MÄDCHENKLO... KOMMT HIER HER UND DENKT IHR KÖNNT EUCH ALLES NEHMEN WAS IHR BRAUCHT NUR WEIL EUCH ANDERE FÜR COOL HALTEN ABER-« Sie unterbrach ihr Gebrüll, den die Rothaarige hatte eine volle Hand grünen Wackelpudding gepackt und ihn ihrer Kontrahentin ins Gesicht geklatscht. »DUUUU-« Die Blondine stand da, voll mit grünen Glibber, der ihr von Gesicht und Dekolletee tropfte. Tom sah entsetzt zwischen den beiden hin und her. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Einen Moment geschah nichts, dann strich sie sich den grünen Schleim von den Augen. Camilla sah sie mit einem selbstgefälligen Grinsen an. »Ich muss gestehen, dieser grüne Schleim steht dir besser als vermutet,… passt super zu deiner Persönlichkeit. Solltest du öfter tragen...« Der Hopper musste sich ein Lachen verkneifen. Inzwischen hatten sie bereits fast die komplette Aufmerksamkeit der Party auf sich gelenkt. Die Blondine stand einen Moment sprachlos da und tat nichts. Doch dann sprang sie ziemlich unelegant über den kleinen Tisch und stürzte sich auf die Rothaarige, die mit ihr zu Boden ging. Sofort kamen ein paar Umstehende dazu um die Beiden wieder auseinander zu nehmen, während der Dreadhead noch völlig geflasht am Buffet stand und versuchte die Ereignisse zu realisieren. Den Teller noch immer in der Hand. Da hörte er jemand klatschen. »Wow! Tom was für eine Vorstellung. Wahnsinn was passiert wenn ich dich mal alleine lasse. Schlammcatchen an am Buffet. Mir war ja klar, dass du bei den Mädels auch recht beliebt bist... aber das sie sich um dich schlagen... echt klasse. Ich hätte es nicht geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. « Georg kicherte weiter vor sich hin. Neben ihm stand Gustav und sah eher besorgt aus. »Alles okay bei dir Alter?« Der Blonde grinste ihm zu. »Mich brauchst du das nicht fragen…« Damit ging er auf Camilla zu und hielt ihr seine freie Hand hin. Sie lächelte ihn an und ließ sich hochziehen. Das Gezeter der anderen Tussi ignorierend zog er die Rothaarige mit sich mit. Zeit sich für die Geschehnisse zu entschuldigen. Als Tom am nächsten Morgen mit einem Kater erwachte, war bereits der dritte Tag seines Aufenthalts in Hannover angebrochen. Neben ihm lag Camilla, noch immer schlafend und nackt. Er versuchte irgendetwas aus seinem Gehirn zu graben, aber es kamen nur bruchstückhafte Erinnerungen an die Nacht. Warum war er mit ihr hier auf der Matratze im Wohnzimmer gelandet? Na ja… auch egal. Erst mal sollte er versuchen diese miesen Kopfschmerzen loszuwerden. Er fühlte sich gerade wie auf hoher See. Scheiße! Auch nach seiner Morgentoilette, einer Kopfschmerztablette und einem Kaffee später, konnte er sich noch immer nicht erklären warum er die Rothaarige mitgenommen hatte. Georg und Gustav hatten sich aus dem Staub gemacht um einzukaufen. Wie er die Beiden kannte, konnte das noch eine Weile dauern. Deswegen saß er nun alleine am Küchentisch und schlürfte seine zweite Tasse Kaffee, während er nachdachte. Noch vor kurzem war er sich sicher gewesen in Bill verknallt zu sein oder zumindest Gefühle für ihn zu haben… anders konnte er sich sein Weicheigetue dem Schwarzhaarigen gegenüber nicht erklären. Aber wieso war er dann mit Cam ins Bett gestiegen? War er bi? Musste er wohl… irgendwie… Das war doch alles absoluter Mist! Wieso zerbrach er sich eigentlich so den Kopf darüber…. Er konnte einfach – »Morgen…« drang plötzlich die Stimme seiner Begleitung zu ihm herüber. »Morgen.« grüßte er zurück. »Willst du duschen?« »Hm… ja das wäre jetzt ein Hit.« Tom nickte und zeigte der Rothaarigen wo sie alles fand. Dann verschwand er zurück in die Küche, verdrängte die Gedanken an Bill jedoch gekonnt, während er wartete. Eine Viertelstunde später kam Camilla nur in einem Handtuch bekleidet zurück und setzte sich aufreizend auf seinen Schoß. Ohne zu fragen trank sie aus seiner Kaffeetasse und grinste ihn dann an. Okay, diese Frau war Bombe…kein Wunder das er sie nicht hatte gehen lassen wollen. »Was machen wir noch?« fragte sie leise und beugte sich zu ihm herunter. »Schlag du was vor.« sagte er nur und kaum hatte er die Worte ausgesprochen legten sich ihre Lippen auf die seinen und begannen ein wildes Liebesspiel. Und auch wenn es ihm gefiel… es konnte nicht einmal im Ansatz mit den Gefühlen mithalten, die Bills schüchterner Kuss bei ihm ausgelöst hatten. Damit war es wohl eindeutig bewiesen oder? Er spürte wie Cam an seinem Unterlippenpiercing knabberte und seine Hände von ihren Hüften klaubte, um sie auf ihre Brüste zu legen. Er fühlte ihr Herz darunter kräftig schlagen. Sie fuhr ihm durch die Dreads und er unterdrückte den Drang ihre Hände beiseite zu schlagen, sondern konzentrierte sich weiter auf ihr Zungenduell. Er hasste es, wenn ihn jemand in seine Haare fasste…- noch mehr als wenn sich Georg darüber lustig machte. Wobei der Braunhaarige der einzige war, der sich das wagte… Trotzdem das kribbelnde Gefühl wollte sich einfach nicht einstellen, auch wenn ihn das alles hier ziemlich erregte, es fühlte sich nicht einmal im Ansatz so elektrisierend an. Die feingliedrigen Hände waren an Toms Brust hinunter zu dem Rand seiner Boxershorts gerutscht. Und gerade als sie an diesem zupften, klingelte sein Handy laut. Sowohl Cam als auch er zuckten etwas zusammen. »Sorry…« sagte er nur und schob sie sanft von seinem Schoß hinunter, damit er zu dem Gerät gehen konnte. Wie auch immer es auf die Küchenanrichte gekommen war… es lag dort. Er hatte eindeutig ein Blackout… »Ja?« meldet er sich und ging in den Flur. »Tom…« Er brauchte ein paar Augenblicke um zu begreifen wer ihn da anrief. »Jenny?« »TomTom… du musst herkommen… bitte, ich weiß nicht mehr was ich machen soll… kannst du zurück kommen?« Er brauchte weitere Sekunden um zu begreifen, warum das sonst so taffe Mädchen so anders klang. Jenny weinte… und sie hatte ihn TomTom genannt… beides Tatsachen, die seinen Magen kurz rebellieren ließen. »Was ist passiert, Jenny?« »Bill...« »Was ist mit ihm?« »Er ist… er ist im Krankenhaus.« »WAS?« »Ich…- es tut mir Leid…« »Was ist passiert?!« »Ich weiß es auch nicht… bitte, kannst du einfach herkommen?« »In welchem Krankenhaus…?« »Klinik St. Marienstift.« »Okay. Gib mir zwei Stunden. Du rufst mich an, wenn noch irgendwas ist, ja?« »Okay… danke…« Der Hopper legte auf und zwang sich einmal ruhig durchzuatmen. Aber das brachte nichts… seine Gedanken rasten im Kreis. Er musste sofort los. Ohne weiter darüber nachzudenken setzte er die Rothaarige vor die Tür, erzählte ihr irgendetwas von einer kranken Mutter und packte, als sie weg war, geistesabwesend seine Tasche. Notgedrungen wartete er auf seine Freunde, die circa zehn Minuten nach dem Anruf wieder auftauchten. Kurz berichtete er die Geschehnisse und ließ sich dann von den Beiden zum Bahnhof bringen, wo er den nächsten Zug nahm. Die Verabschiedung viel sehr kurz aus. Tom hatte keinen Nerv für irgendetwas anderes. Er wollte nur noch zu Jenny und vor allem zu Bill… sehen und hören was überhaupt los war. Eine Stunde und fünfzig Minuten später stürmte er ins Krankenhaus hinein. Er musste nicht einmal jemanden fragen, denn Jenny kam ihm sofort entgegengerannt und warf sich weinend in seine Arme. Diese neue Seite an seiner Freundin überforderte ihn etwas. So kannte er sie sonst gar nicht. Doch auch wenn er überrumpelt war, er nahm die aufgelöste Schwarzhaarige trotzdem sanft in die Arme. »Hey…« »Tom…« schniefte sie nur. »Es tut mir Leid… ich hab nicht richtig aufgepasst und… und… er ist…« »Jetzt beruhig dich erst Mal und erzähl was passiert ist.« Erst jetzt bemerkte er, dass auch die Schwestern von ihr und Beate da waren. Er lächelte schwach und drehte sich etwas zu den anderen um. Ihm war klar, dass Jenny ihm jetzt im Moment nichts Vernünftiges erzählen konnte und sein Herz flatterte schmerzhaft und aufgeregt. »Klärt mich mal einer auf?« fragte er also ungeduldig in die Runde, während er Jenny mit sanfter Gewalt auf einen der Wartestühle platzierte. Da blieb sie sitzen und sank in sich zusammen, etwas was den Hopper irgendwie wehtat. Was war denn nur hier los? »Bill ist vorgestern Abend noch mal rausgegangen…« erzählte Beate. »Er meinte, er müsse noch über etwas nachdenken und das ich mir keine Sorgen machen soll. Und dann ist er nicht wieder zurückgekommen…« Diese Worte bildeten in dem Hals des Blonden einen festen Knoten. Er konnte sich irgendwie nur zu gut vorstellen, über was Bill hatte nachdenken wollen. »Und dann?« Wollte er das eigentlich wissen? »Ich…- ich bin früh Br – ötchen holen gegangen und… ich hab ihn gefunden…« mischte sich Jenny zitternd ein. »Er lag einfach auf den Gras und hat in den Himmel gestarrt… er war völlig unter – kühlt...« Ihre Stimme schwankte zum Ende hin gefährlich. »Jenny hat uns du völlig aufgelöst angerufen.« erzählte nun Jill, die älteste der Drillinge weiter. »Wir haben Beate informiert und ihn sofort in die Notaufnahme gebracht. Er hatte ziemlich viele Hämatome und sichtbare Verletzungen. Aber er will einfach nicht darüber reden was passiert ist…« »Warum habt ihr nicht früher angerufen?« fragte Tom fassungslos. »Wir haben einfach gehofft das Beate oder Jenny zu ihm durchdringen. Aber er hat total dicht gemacht. Nicht einmal die Therapeuten hier dringen zu ihm durch.« Es dauerte einige Augenblicke, ehe die Informationen vollständig zu ihm durch drang. Während er mit seinen Freunden gefeiert hatte, auf der Party war und mit dieser Cam rumgemacht hatte, war Bill etwas zugestoßen und jetzt lag er hier. Der Hopper schluckte. Verdammte Scheiße! »Warum seit ihr nicht bei ihm.« »Er will niemanden sehen. Wir haben hier auf dich gewartet, damit wir dich nicht verpassen. Und wir hoffen du kannst besser an ihn ran. Er hat dir schon immer irgendwie anders vertraut…« sagte Beate und sah ihn beinah flehend an. »Soll ich dich hochbringen?« »Ja…« sagte der Blonde nur und hörte selber wie verändert seine Stimme klang. Doch er konnte nichts dagegen tun. Er ließ sich von der Älteren die kahlen, weißen Gänge entlang führen… roch das Desinfektionsmittel, den Tod und das Leben. Und fragte sich ob er den Schwarzhaarigen jetzt wirklich sehen wollte und konnte… doch im gleichen Moment wusste er, dass er es musste. Der Dreadhead bereute jede Minuten in der er nicht bei ihm gewesen war und das trieb ihn immer weiter auf das Krankenzimmer des stummen Jungen zu. Beate blieb vor einer roten Tür stehen. »Er will mich nicht sehen… aber wir warten auf dich. Viel Glück…« sagte sie brüchig und umarmte ihn sanft. Ein paar Sekunden zögerte er noch, dann drückte er die Klinke hinunter. Er betrat das kleine Zimmer, welches genauso trist und weiß war, wie die Flure vor der roten Tür. Der Raum war nur spärlich eingerichtet. Ein Stuhl, ein Tisch, auf dem die Bibel lag, ein Kleiderschrank und das Krankenbett, was dem großen Fenster gegenüber stand. Es erinnerte komischerweise sehr an diese 0 – 8 – 15 Hotelzimmer. Neben der Eingangstür war noch eine Tür, die wahrscheinlich zum Bad führte. »Billy?« Der Angesprochene lag steif auf dem Bett und drehte ihm sein Gesicht zu. Er musste sich wirklich zusammenreißen, um nicht eine Schritt zurück zu weichen. Die sonst so emotionsgeladenen, haselnussbraunen Augen waren leer und schienen durch ihn hindurch zu blicken. Seine ganze linke Gesichtshälfte strahlte in vielen Violett- und Blautönen. Diese Seite war geschwollen und zeigte einige merkwürdig anzusehende Biegungen am Jochbein. Seine Lippen waren aufgeplatzt und an seinem Hals waren merkwürdige rötlich, braune Spuren die aussahen wie Würgemale. »Oh Billy… was ist denn nur passiert?« hauchte er entsetzt und ging vorsichtig auf das Krankenbett zu. In ihm kämpften die Gefühle miteinander. Wer auch immer diesen tapferen Jungen das angetan hatte, würde es bereuen und wenn es das letzte war, was er tat. Endlich reagierte Bill auf ihn, schien ihn zu erkennen. Tränen traten in seine Augen und er streckte geschwächt seine Arme nach dem Hopper aus. Dieser trat nun die letzten Meter ans Bett und beugte sich leicht über den Schwarzhaarigen ohne ihn zu berühren. Die dünnen Finger krallten sich in seine Hoddie und hielten ihn fest. So als wollte er ihn nie wieder gehen lassen. »Hey… wie geht es dir denn…?« War das nicht offensichtlich?, schalt er sich im nächsten Moment und verzog das Gesicht. Als Antwort folgte eine Wellenbewegung mit der Hand des Verletzten. »Glaub ich dir…« Tom richtete sich wieder ein Stück auf um den Stuhl näher zu holen, doch sofort verkrampfte sich der Körper unter ihm und Bill hielt ihn noch fester. Fast erstaunlich wie viel Kraft er noch in diesem Moment hatte. »Scht. Ich wollte mir nur den Stuhl holen… bleib ruhig.« meinte er und löste die klammernden Finger aus dem Stoff seiner übergroßen Jacke. Er ging zu dem Stuhl und trug ihn vor das Bett, wo er sich setzte. Dann nahm er die bebende Hand in seine und sah den Stummen wieder an. Dieser ließ seine Augen immer wieder über das Gesicht des Hoppers wandern, so als könne er gar nicht glauben, dass er hier war. Sanft strich er mit dem Daumen über Bills Handrücken und registrierte erstaunt, wie dieser unter den liebevollen Berührungen die Augen schloss. Er löste die andere Hand und fuhr durch das schwarze, weiche Haar. »Willst du mir erzählen was passiert ist?« Der Angesprochene öffnete die Augen und schüttelte leicht den Kopf. Ängstlich und unsicher sah er den Blonden an. Was erwartete er denn, dass Tom jetzt aufstand und ging? Es tat ihm fast körperlich weh den Anderen so zu sehen… so ungemein verletzlich und unsicher. Was war nur passiert? »Ist okay, Billy… du musst nichts, was du nicht willst.« versprach er rau. »Aber lass Beate und Jenny dich mal besuchen, hm? Sie machen sich riesige Sorgen um dich.« Der Schwarzhaarige senkte den Blick und nickte dann leicht. »Okay. Da werden sie sich freuen. Ich hol sie rein, ja?« Bill sah ihn wieder mit diesem schüchternen Blick an und klammerte sich kurz noch einmal an die Finger des Blonden fest. »Ich bin gleich wieder da, Bill.« Und dann trat er vor die Tür und holte Beate, die ich glücklich anlächelte herein, ehe er zu den Drillingen gingen. Und als er wieder in das kahle Zimmer trat, sah ihn die blonde Frau an wie einen Heiligen… etwas was er nie war und nie sein würde. Seine Eltern begrüßten ihn verblüfft zuhause. Doch sie fragten nicht. Sie kochten ihm Mittag und ließen ihn danach bis abends schlafen. Noch immer beschäftigte ihn nur ein Gedanke, der ihn sogar bis in seine Träume verfolgte. Wer hatte das dem Schwarzhaarigen nur angetan? Wie konnte das in der kurzen Zeit passiert sein, wo er nicht da gewesen war? Er wurde durch ein Klingeln seines Handys aus dem Schlummer gerissen. Georg. Er wollte wissen wie es ihm ging und was nun genau passiert war. Tom erzählte kurz die Einzelheiten ohne genaue Details zu nennen. Darin war er in den Monaten hier wirklich gut geworden. Als seine beiden Freunde endlich wieder beruhigt waren, legte er auf und ging unter die Dusche. Noch immer kreisten die Gedanken in seinem Kopf. Beate und er waren noch etwas länger bei dem Schwarzhaarigen geblieben und hatten sich leise unterhalten, während er geschlafen hatte. Sie hatte dem Hopper erzählt, dass Bill nach mehrmaligen nachfragen komplett ausgeflippt sei und keinen mehr sehen wollte. Er hatte sich einfach bedrängt gefühlt… Er selber hätte niemals geglaubt, dass der Stumme je ausflippen konnte. Er erschien irgendwie so sanft und ausgeglichen… Tja, wie sehr man sich wohl täuschen konnte. Das Schwierigste war der Abschied gewesen. Bill hatte ihn partout nicht gehen lassen wollen, ihn immer wieder festgehalten und Tom hatte es auch nicht übers Herz gebracht sich einfach zu lösen und dann zu verschwinden. Der Andere hatte so schutzbedürftig gewirkt wie ein kleines Lämmchen und immer wieder kehrte die Wut auf die Peiniger in ihm zurück. Wer hatte ihm das nur angetan? Sein Selbstwert, der sowieso von Anfang ihres Kennenlernens an so erschreckend klein gewesen war, schien jetzt überhaupt nicht mehr verhanden zu sein. Schließlich waren es die Schwestern, die ihn aus dem Krankenzimmer geschoben hatten unter weinen und wimmern des Patienten. Der Blonde versuchte den Gedanken zu verdrängen und sich damit zu beruhigen, dass er ihn ja morgen wiedersehen konnte. Er band sich die Dreads nach oben und ging, nur mit einer Boxershorts begleitet in die Küche um sich noch etwas zu trinken zu holen. Noch immer arbeiteten seine Gedanken die Informationen des Tages durch. Er war sich sicher, dass er etwas wusste, was mit der Sache zu tun hatte. Nur was? Warum hatte er das Gefühl das er irgendein wichtiges Detail übersah? Unruhig betrat er sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Als er sich umdrehte, stach ihm die violette Mappe mit seiner Geografieausarbeitung auf den Schreibtisch ins Auge… Das reichte. Der Schlag der Erkenntnis, ließ ihn die Flasche aus der Hand gleiten, die mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden aufkam. Er sah Bill vor seinem geistigen Augen die Straße rauflaufen, hinter ihm drei kräftige Kerle. Er sah Bill im Gang der Schule stehen und die gleichen Kerle die ihn verbal attackierten und immer wieder herumschubsten. Und plötzlich war er sich absolut sicher, wer das dem stummen Jungen angetan hatte. Es gab wirklich nur drei in dieser ganzen, verfluchten Umgebung die so gewalttätig waren. Keiner ging rabiater mit Bill um, als diese Drei. Und er würde irgendwie rausfinden warum. Die Plasteflasche zu seinen Füßen ignorierend, wirbelte der Hopper herum und begann in seinen Schrank zu wühlen. Er würde sein Versprechen gegenüber sich selber halten… Am nächsten Tag war er früh wach. Auch wenn er so über Nacht nur wenig geschlafen hatte, eigentlich war er gar nicht in der Lage richtig zu schlafen. Sein Kopf war zu voll. Vollgestopft bis an den Rand… Von Ideen in die Mangel genommen… Doch er musste sich zur Ruhe antreiben. Er durfte nichts überstürzen. Umso aufgeregter er war, umso mehr Fehler konnten ihm passieren. Das erste, was der Dreadhead nach dem Frühstück machte, war, sich an den Rechner setzten um zu recherchieren. Dann holte er Beate ab und gemeinsam fuhren sie Bill besuchen. Auch wenn er wusste, dass er heute nicht lange bleiben würde. Kurz überlegte er den Stummen auf seine Vermutung… eher gesagt auf sein neu erlangtes Wissen, denn er war sich sicher, anzusprechen. Aber er entschied sich dagegen. Was die Anderen nicht wussten, konnte sie nachher nicht belasten. So verbrachte er den Vormittag bei Bill, der ihn schon erwartet hatte. Sofort, als Tom am Bett angekommen war, hatte er ihn zu sich gezogen und ihn nicht wieder losgelassen. Eine Tatsache die Tom Grinsen ließ. Trotzdem war er zu aufgeregt um lange still zu sitzen und diese Unruhe merkte natürlich auch der Schwarzhaarige zu deutlich. »Sorry, aber ich hab heute noch was vor, deswegen kann ich nicht lange bleiben.« erklärte Tom auf den fragenden Blick des anderes ernst. Der Verletzte sah ihn nur unergründlich an und hielt weiter seine Hand. Es schien fast so als würde er ihn nicht gehen lassen wollen, aber als sich der Hopper dann verabschiedete, zeigte er nicht das gleiche Verhalten wie den Tag zuvor. Er ließ es einfach zu. Kurz zögerte der Blonde noch einmal, ehe er Bill einen Kuss auf die Stirn gab und sich zur Tür drehte. Es war nur ein kleines Bekenntnis seiner Gefühle, dass wusste er. Aber mehr konnte er ihm im Moment nicht geben. Wenn etwas schief ging, würde es wahrscheinlich mehr kaputt machen, als reparieren… Deswegen würde er warten. Er ließ sich von Beate zurückfahren und verabschiedete sich mit einer Umarmung von ihr. Dann ging er in den Park. Ohne Sam… Etwas was sonst nur selten geschah, doch heute war sowieso alles anders. Er suchte nach dem Sportplatz, den er in vorbeigehen oft kurz gesehen hatte, auf den er aber noch nie selbst gewesen war. Dort erwartete er einen Informationsgeber… Sonst würde sich sein weiteres Vorhaben schwieriger gestalten. Doch als er am besagten Platz ankam, bemerkte er schon, dass dort mehrere Schüler, die er vom Sehen er kannte, ein Fußballspiel austragen. So würde es einfach werden… Er stellte sich an den Rand und wartete, sah den Anderen eine Weile zu und ergriff seine Chance sich einzubringen als der Ball ins Aus geschossen wurde. Er stoppte den Ball gekonnt mit den angewinkelten Bein und balancierte ihn kurz auf seiner Fußspitze, ehe er ihn zurückschoss. Und sofort, wie geplant, wurde er in die Gruppe integriert und aufgefordert mitzuspielen. Was nicht zuletzt wohl daran lag, dass sein gutes Image seit dem Sportfest sich immer mehr verfestigt hatte. Sonst hätten sie ihn wohl nicht so herzlich aufgenommen. Doch er würde sich nicht beschweren… umso einfacher war sein Vorhaben, das er auch direkt in der ersten Pause in die Tat umsetzte. Auch wenn es mit Baggy nicht wirklich einfach war zu spielen, schlug er sich eigentlich ganz gut. Und quatschte in der Pause ausgelassen mit einem braunhaarigen Jungen, der ihm am sympathischsten war, ehe er auf das eigentliche Thema zu sprechen kam, als sie auf die Schule zu sprechen kamen. »Sag mal, die drei Kerle die diesen Bill immer fertig machen, wer issen das eigentlich?« »Wie kommsten du jetzt da drauf?« Tom zuckte die Schultern und trank noch ein Schluck Wasser. Jetzt musste er sehr achtsam sein, sonst würde es zu auffällig werden. »Weiß nicht… einfach so. Er tut mir eben Leid.« »Er tut dir Leid…?! Pah!« »Ja, wieso denn nicht? Er wehrt sich ja nicht mal richtig…« »Das denkst du jetzt, du bist ja auch noch nicht lange genug hier… aber du hättest ihn mal erleben sollen wie er vorher mit seinem Cousin umgegangen ist, ehe der sich gewehrt hat und das muss er jetzt eben ausbaden.« Tom runzelte irritiert die Stirn. »Aha…?« »Du weißt es nicht oder? Matthias ist sein Cousin, also der Sohn von der Frau die wegen diesem kleinen Bastard ums Leben gekommen ist und ihn adoptiert hatte.« Irgendetwas zuckte in ihm und der ballte unbemerkt seine Hand in der Tasche zur Faust. »Also der Anführer von der Truppe die ihn immer fertig macht?« »Genau. Aber wie gesagt… er rächt sich nur. Dieser dumme, behinderte Junge hat es einfach übertrieben.« kam der andere anscheinend in Redelaune. »Zum Beispiel bei der Beerdigung von seiner Adoptivmutter hat er Matthias ohne Grund einfach sein Getränk ins Gesicht gekippt und auch in der Schule hat er einfach ohne irgendwas Ersichtliches auf ihn eingeschlagen oder so… und dann hat der sich eben gewehrt und damit kommt dieser Bill jetzt nicht klar! Aber es ist ja nicht so, als das er das nicht provoziert hätte!« Wieder zuckte die Faust des Hoppers in seiner Tasche. Dass das alles ohne einen Grund passiert war, konnte er sich nicht vorstellen… beim besten Willen nicht. Vor allem wenn er daran zurück dachte wie aufgelöst Bill in seinen Armen geweint hatte. Nein… »Hm… das sagt er?« »Ja und wir haben es ja auch alles gesehen!« Unauffällig atmete der Blonde einmal tief durch. Es kostete ihn seine gesamte Selbstbeherrschung um nicht loszuschreien. Doch das wäre kontraproduktiv. »Und der Matthias ist an sich nicht so oder was?« »Nee, der is total korrekt und so. Beiden Kumpels und er sind im Ruderclub und bei den Schwimmern…« plapperte der Braunhaarige weiter, dessen Name Tom längst wieder vergessen hatte. Bingo. »Ach so? Also verbringen sie viel Zeit in der Schwimmhalle da?« Sein Gegenüber lachte. »Schwimmhalle kannst du das ja echt nicht nennen! Bad würde es wohl eher treffen. Aber ja, da sind die öfter… fast immer wenn wir keine Schule haben.« Tom grinste. »Ah… okay. Danke für die Aufklärung…« »Kein Ding! Spielst du noch ne Runde mit?« »Klar, aber nicht mehr solange. Ich hab noch was vor…« Eine halbe Stunde später, es war kurz vor drei, stand Tom vor der winzigen Schwimmhalle, die gerade Mal zwei Bahnen, zwei Umkleiden und einen kleinen Vorraum hatte. Sein Gesicht zierte noch immer dieses schiefe Grinsen. Ohne zu überlegen ging er hinein und ging direkt in den Schwimmbereich ohne sich die Schuhe auszuziehen. Schon durch die gläsernen Türen sah er die drei Kerle, die auf einer der Bänke saßen und über irgendwas lachten. Tom trat ein. »Jo…« Alle sechs Augenpaare ruhten auf einmal auf ihn. »Ey, ist das nicht das Liebchen von der sprachlosen Zicke?« »Was willst du hier!?« »Zieh deine Schuhe aus, man! Das issen Schwimmbad.« Was für ein wunderbarer Einstand. »Wart ihr es, die Bill vermöbelt haben?« wollte er wissen und alles Belustigte war aus seiner Stimme verschwunden. Die kalte Wut, die er schon gestern am Krankenbett verspürt hatte, kehrte wieder zurück und wurde bei dem hochmütigen Lächeln was daraufhin in Matthias Gesicht erschien nur noch geschürt. »Ja, klar… wer denn sonst? Denkst du einer der anderen Schwächlinge würde so etwas tun?« lachte der Angesprochene humorlos. »Wohl kaum!« »Warum?« »Hör mal zu du Hippi, dieser Kerl hat meine gesamte Familie zerstört, weil er zu blöd ist zum Schwimmen! Er hat es nicht einmal verdient zu atmen… und wenn ich das kann, dann zeig ich ihm das, klar?« Tom schwieg. »Was willst du jetzt machen?« höhnte einer seiner Freunde. »Uns auch vermöbeln?« »Vielleicht.« Dieses Wort löste schallendes Gelächter bei den Dreien aus. »Wie süß!« »Jetzt sperr noch mal die Lauscher auf… wir haben ihn im Park geschnappt und geschlagen und als er am Boden lag, haben wir noch einmal nachgetreten bis er blutet und ich hatte meinen Schuh in seinem Gesicht.« höhnte der große Junge und der Hopper glaubte eine Spur von Wahnsinn in seinen Augen zu erkennen. Dieser Kerl war doch krank… Er berührte die Stahlrute in seiner Hoodietasche und drehte sich um. »Ey, schaut doch mal… jetzt kneift er!« »Ja, hat bestimmt die Hosen voll und rennt zu seiner Mutti.« Sicher, dachte der Blonde und grinste kalt. Er ging zur Tür und nahm den Schlüssel vom Haken, den er bereits zuvor dort neben der Eingangstür entdeckt hatte. Anscheinend hatten sie hier so was wie Freifahrtsschein und konnten sich hier aufhalten wann immer sie wollten. Er schloss die Glastür mit diesem Schlüssel zu und ließ das silberne Metall in seiner Hosentasche verschwinden. Dann drehte er sich wieder zu den drei Kerlen um, während er seine zweite Hand aus der Jackentasche holte in der er die Waffe hielt. »Jetzt können wir reden.« Es war totenstill in diesem kleinen Raum. Nur die Pumpe der Wasserbahnen war zu hören. Matthias, der bei seinen Ausführungen immer weiter auf ihn zugekommen war, machte nun einen Schritt zurück und das reichte… In diesem Moment sah Tom rot und die geballte Wut, die er seit gestern Abend gesammelt hatte, entlud sich. Er nahm Anlauf und sprang den überraschten Jungen, der gut einen halben Kopf größer war als er selber, mit den Knien gegen die Schultern; brachte ihn so zum Fallen. Der Untere stieß en entsetztes Keuchen aus, als das Gewicht des Dreadheads ihn jegliche Luft aus den Lungen presste. Und dann schnappte mit einem sirrenden Geräusch, das in der Stille klang wie ein Peitschenhieb, sich die Stahlrute durch eine flüssige Handbewegung zu ihrer vollen Größe aus. Es dauerte eine Woche bis Tom wieder aufrecht laufen und sitzen konnte, genauso lange wie es dauerte, bis Bill wieder entlassen wurde. Das jedoch war egal-… er bereute keinen Schlag, auch wenn er selber viel hatte einstecken müssen. Es war aus Gerechtigkeit geschehen. Aus Gleichheit. So wie Bill seine Tränen geweint hatte, so hatte er nun die Kämpfe des anderen geschlagen. Doch der Vorfall blieb unklar. Jeder wusste zwar, dass die drei aus dem Ruderclub in der Schwimmhalle vermöbelt wurden, keiner jedoch wusste von wem oder warum. Auch Matthias sagte, als er endlich wieder normal sprechen und essen konnte, nichts zu den ganzen Vermutungen und Gerüchten. Auch seine Freunde schwiegen. Das was den Hopper jedoch am meisten wunderte, war das Ausbleiben einer Anzeige. Etwas das zumindest von der geistigen Windstille aller Beteiligten zeugte, vor allem von der des Jungen, den er im Park ausgefragt hatte. Wie dieser die Verbindung zwischen seinen Fragen und dem Geschehen nicht begreifen konnte, war dem Blonden echt ein Rätsel. Aber er würde sich nicht beschweren. Alle die ihn jedoch kannten, schienen etwas zu ahnen… vor allem der Schwarzhaarige sah ihn manchmal so seltsam wissend an. Doch er sagte nichts… Zu niemanden. Die Stahlrute verschwand wieder in der hintersten Ecke seines Kleiderschrankes, als Zeuge einer sehr düsteren Periode seiner Vergangenheit. Und wenn es nach ihm ginge, würde sie auch für immer auf diesen Platz bleiben. Bill war nach seiner Entlassung um mindestens ein Dutzend Kilometer zurückgeworfen worden. Etwas das dem Hopper mehr schmerzte als seine körperlichen Wunden. Immer wieder saß der Schwarzhaarige nur apathisch da und starrte ins Leere… manchmal sogar innerhalb einer laufenden Kommunikation. Es war erschreckend und ängstigend. Zum wiederholten Male wünschte sich Tom, dass Bill einfach mit ihm reden würde und artikulieren könnte, was ihm fehlte. Kapitel 12: entscheidend ------------------------ Die letzten Tage der Ferien waren so schnell um, dass es ihm erschien wie ein Traum. Die Situation hatte sich immer mehr zugespitzt. Nach einem erneuten Anfall von Bill, konnte Beate nur mit Not die Einweisung verhindern, die seine Therapeutin stellen wollte. Sie war sich einfach sicher, das noch ein Klinikaufenthalt den Schwarzhaarigen eher schaden als nutzen würde und sie kämpfte solange bis die andere Frau schließlich nachgab und dem stummen Jungen für die nächsten Wochen schulfrei verordnete. Er durfte nicht so viel Aufregung ausgesetzt werden und Schule war für ihn nun einmal purer Stress… Tom wusste nicht genau was vorgefallen war, aber als er Bill am letzten Tag des Freis besucht hatte, waren seine Armen wieder in dicke Verbände gehüllt und sein Blick starr und regungslos. Der Hopper hatte eine geschlagene Stunde gebraucht um ihn aus der Katatonie (jedenfalls hatte diese komische Therapeutin das gesagt – also das sie das glaubt, dass er so etwas hat)zu holen. Als er es geschafft hatte, war der Andere zwar noch Lichtjahre von seinem Verhalten vor dem Vorfall entfernt, aber er ging wieder einigermaßen normal mit ihm um. Es war zurzeit wirklich schrecklich schwer mit Bill umzugehen… Jetzt mehr als je zuvor. Und der Blonde spürte eine gewisse Frustration über den Umstand, dass der Schwarzhaarige nicht mit ihm sprechen wollte. Er wusste, dass es dumm und ungerecht war, doch er konnte nichts dagegen tun. Wenn er es konnte, warum sprach er nicht einfach? Warum sagte er nicht, was ihm fehlte? Doch natürlich sagte er das nicht laut. Das wäre im herkömmlichen Sinne auch einen Mord gleichgekommen,… da war sich Tom sicher. Also schwieg er. So kam es das der Hopper nach den Ferien gemeinsam mit Jenny wieder in die Schule ging und fast jeden Nachmittag bei Bill verbrachte. Er fühlte sich wirklich schlecht, wenn er einmal absagen musste und es nervte ihn an sich ständig Sorgen machen zu müssen. Immer zu schaute er auf sein Handy, nur weil er das Gefühl nicht loswerden konnte etwas zu verpassen. Diese ganze Situation zerrte an seinen Nerven und es erinnerte ihn zu sehr an damals,… als Tobi noch gelebt hatte. Auch da hatte er immer mit der Schreckensnachricht gerechnet. Zu jeder Zeit. Und Angst und Sorgen machten krank und müde. Furchtbar müde… Und das war er. 4 Tage nach Schulanfang… Und noch immer konnte man glauben, dass er gerade erst angekommen war. Kein Wissen drang zu ihm durch, egal wie sehr er sich konzentrierte, sein Kopf war voll. Und erneut schweifte sein Blick zu Handy und langsam kotzte er sich selber an mit seiner Sorge. Was sollte in den acht Stunden schon passieren…? Als ob sich die ganze Welt von Bill nur um ihn drehen würde! Lächerlich! Nun konzentrier dich, alter!, versuchte er sich selber zu motivieren und hielt das auch geschlagene 10 Minuten aus, bevor sein Blick wie automatisch wieder zum Handy schweifte. Scheiße! Murrend schob er den Taschenrechner von sich und sah aus dem Fenster. Wenn das so weiter ging würde er nicht einmal eine der Gleichungen gelöst haben, wenn die Zeit um war. Und er wusste genau das, das wieder Ärger geben würde. Noch einmal versuchte er sich auf sein Arbeitsblatt zu konzentrieren, doch die Zahlen und die unbekannten Größen verschwommen vor seinen Augen zu einem Ganzen unlösbaren Salat. So eine verdammte…- Ein lautes Wortgefecht ließ ihn aus seinen bitteren Gedanken auftauchen. Irgendetwas schien auf dem Flur los zu sein, jedenfalls sagte das die Frauenstimmen. Sie musste fast unmittelbar vor dem Klassenzimmer sein. Woher kannte er sie nur? Und dann kam sie noch ein wenig näher und wurde klarer. Als der Hopper begriff wen er da hörte erstarrte er zu Eis. Was war denn los? Doch noch ehe er reagieren konnte, wurde die Tür aufgerissen, die krachend gegen die Wand schlug und der stumme Schwarzhaarige schoss in den Raum. Genau auf ihn zu. Tom konnte nicht reagieren als sich der Andere in seine Arme warf und sich an ihm festhielt. Wie zur Salzsäule erstarrte, saß er da und versuchte die neusten Ereignisse in seinem Kopf irgendwie sortiert zu bekommen. Inzwischen saß Bill fast auf seinem Schoß, das Gesicht tief in seiner Halsbeuge vergraben. Er weinte… Der Hopper sah Beate, die nun ebenfalls in der Tür erschien an und sah die geröteten Wangen und die funkelnden Augen. Sie sah mehr als sauer aus. Sein Blick schweifte zu seinem Lehrer, der so schaute wie Tom sich fühlte. Nämlich total überrollt. Erst die dummen Kommentare seiner Klassenkameraden, holten ihn in die Wirklichkeit zurück. »Ey, schau mal, Tom hat ne neue Freundin!« »Ja, son Ladyboy oder so.« »Was die Kleine wohl hat?« »Bestimmt hat ein Freier sie zu grob angefasst…« Und noch mehr so ein unpassendes Zeug, was kein Mensch hören wollte. »Haltet doch einfach die Fressen.« zischte er seinen Mitschülern zu und schob sich vom Stuhl hoch. Da der Schwarzhaarige ihn nicht losließ war das ein wenig schwierig, doch er dann stand er und schob den Anderen mit sich mit auf die Tür zu. »Schuldigung…« nuschelte er noch, ehe er am Lehrer vorbei ging. Das alles sah sicher etwas merkwürdig aus, aber das war ihm total egal. Erst einmal musste er erfahren was eigentlich los war. Auf den Flur angekommen, schob er den aufgelösten Schwarzhaarigen gegen eines der Fensterbretter, doch dieser war noch immer nicht bereit ihn loszulassen. »Bill! Du kannst nicht immer zu Tom fliehen! Was sollte denn das!??« meckerte Beate los, als sie die Tür zum Raum geschlossen hatte und packte den Angesprochenen am Arm. »Du wirst sofort mit mir mitkommen und dich entschuldigen!« Der stumme Junge wimmerte und krallte sich noch fester in Toms Jacke. Der Blonde atmete einmal tief ein und aus. »Kann mir mal einer verraten was hier überhaupt los ist, ey?!« Nun seufzte die Frau und man sah ihr die Erschöpfung an. »Ich bin gerade mit Bill zu seiner Therapeutin unterwegs gewesen. Sie wollte uns heute noch einmal spreche. Na ja… mein Auto ist in der Werkstatt und auf den Weg zu ihr, ist er mir entwischt… du weißt ja er…« »… mag sie nicht.« vollendete Tom den Satz und seufzte. Deswegen also dieser ganze Aufstand. Bill hatte Angst in eine Psychiatrie und von ihnen weg zu müssen. Irgendwo ja verständlich… »Hat sie gesagt was sie will?« »Nein, eben nicht. Sie meinte zu mir am Telefon wäre es wohl schwierig zu besprechen und wir sollen zu ihr hinkommen. Wir haben in 5 Minuten einen Termin!« Die Blonde zeigte auf Bill und man sah die Hilflosigkeit in ihrem Blick. Dem Hopper ging es nicht anders… »Schau mich mal an, Billy.« sagte er und versuchte die Hände aus seiner Hoodie zu lösen. Etwas das sich als sehr schwierig herausstellte. »Komm schon, du brauchst doch keine Angst zu haben. Guck mich mal an…« Und tatsächlich, nach ein paar Augenblicken tat der Schwarzhaarige genau das. Und der Anblick tat ihm irgendwie weh. »Du gehst jetzt zu dieser Hochvetter…-« »Hockstetter.« unterbrach ihn Beate augenrollend. Ja von mir aus… ist doch egal wie die Olle heißte. »… und hörst dir an was sie zu sagen hat.« redete Tom einfach weiter, wurde aber erneut unterbrochen. Dieses Mal von einem heftigen Kopfschüttelns Seiten Bills. »Doch wirst du. Hör mir zu! Dieses Gespräch geht bestimmt bis circa halb drei oder? Dann müsst ihr noch nach Hause. Bis dahin hab ich auch Schulschluss und dann komm ich zu dir, okay?« Das wurde ab genickt. »Aber nur, wenn du doch jetzt mal zusammennimmst und da hingehst, ja? Ich mag die ja auch nicht… aber das ist ja egal. Sie wird dich schon nicht einweisen lassen. Da hat Bea ja immer noch ein Wort mitzureden, hm?« sprach er weiter auf den Stummen ein und strich ihn die schwarzen Mascara Spuren von den Wangen. Er sah wie Beate bei dem Spitznamen lächeln musste. Irgendwann in den letzten Wochen hatte er angefangen sie so zu nennen… warum eigentlich und wie er auf die Namenskürzung gekommen war, war ihm selbst schleierhaft. Aber er fand es gut. Und sie hatte sich auch noch nie beschwert. Bill sah ihn unsicher an, machte aber sonst keine Anstalten ihn etwas mitzuteilen, sondern ließ sich einfach von seiner Mutter mitziehen, als diese erneut versuchte ihn von den Blonden zu lösen. »Danke, Tom!« hörte er Beate noch rufen. Dann waren sie weg. Der Schultag war für Tom eh gelaufen, da konnte auch Jenny nichts mehr dran ändern. In seinem Kopf spukte immer noch Bills abwesender und tief verletzter Blick hin und her. So gerne würde er wissen was in dem Kopf des Stummen vor sich ging. Warum er manchmal diese Phasen hatte und dann wieder ganz normal mit dem Hopper herumalbern konnte… Und vor allem warum er sich nicht mitteilte. Die jetzige Situation überforderte ihn einfach maßlos und oft wusste er einfach nicht mehr was er noch mit Bill tun sollte, damit er mit ihm kommunizierte. Es kam mehr als einmal vor, dass sie einfach nur schweigend nebeneinander saßen und der Schwarzhaarige ihn als Kuscheltier missbrauchte. Aber warum machte er sich nicht verständlich?! Diese Gedanken wälzte der Dreadhead hin und her, wie schon so oft die letzten Tage. Doch zu einem befriedigenden Ergebnis kam er auch jetzt nicht. Nach der Schule ging er nur schnell mit Sam spazieren, ehe er sofort den Weg zu dem violetten Haus wählte. Beate erwartete ihn bereits… Das sagte zumindest die Tatsache, dass er nicht mal an der Tür angekommen war, als sie schon aufgerissen wurde. Und das war bisher nie ein gutes Zeichen gewesen. »Endlich…« sagte sie nur und wirkte wieder so unendlich müde. »Wasen los?« »Diese… diese Frau hat uns eine Schocktherapie angeboten…« sagte sie tonlos und erst jetzt sah Tom, dass sie am ganzen Körper zitterte. »Sie hat was getan?« »Uns eine Elektroschocktherapie angeboten…- das haben sie früher immer gemacht. Den Patienten festgebunden und ihn so lange unter Strom gesetzt, bis er krampfte… und erst dann aufgehört, wenn er bewusstlos war. Jetzt wissen sie aber das mit jedem Krampf haufenweise Nervenzellen im Gehirn absterben… und diese… sie hat…-« Beate unterbrach sich kurz und wischte sich über die Augen. »Bea…« sagte Tom betroffen, der inzwischen die Haustür geschlossen hatte. »Sie meinte, dass es helfen würde Bill aus seiner Katatonie zu bekommen… und… und das er dann die Realität wieder besser wahrnehmen könnte und nicht so verändert und fremd. Sie hat ihm solche Angst gemacht!« Und dann brach die Frau wirklich in einen Weinkrampf aus. Der Hopper stand total überfordert daneben und wusste nicht was er machen sollte. Die Informationen sackten nur langsam zu ihm durch. Und er hatte irgendwie das Bedürfnis dieser Therapeutin mal einen Besuch abzustatten. »Tut mir Leid…« schluchzte sie und wischte sich die Tränen weg, doch es kamen immer Neue nach. »Tut mir Leid, dass ich dich da so mit reinziehe. Aber du hast so einen guten Draht zu ihm… er ist oben… würdest du?« Tom wusste nicht was er sagen sollte. Die Blonde schien völlig runter mit den Nerven zu sein; also nahm er sie nur stumm in die Arme und drückte sie kurz. »Ich geh mal hoch und seh was ich tun kann…« Beate nickte und es schien als wäre ihr der Ausbruch etwas peinlich. Er ging die Treppe hoch. Und schon als er das Zimmer betrat, wusste er, dass diese Frau wirklich ganze Arbeit geleistet hatte. Es war stockfinster und totenstill. Ohne zu zögern machte er das Licht an und ortete Bill sofort auf seinem Bett, wo er blicklos vor sich hin starrte und überhaupt nicht auf seinen Besuch reagierte. Seufzend zog sich der Dreadhead die Schuhe aus und krabbelte dann zu dem anderen aufs Bett. Aber auch auf die Berührungen und seine Begrüßung reagierte er nicht. Na fabelhaft! Was hatte diese olle Schnalle da bloß angerichtet? Das einzige was ihn ein wenig beruhigte, war das Bill sowohl regelmäßig atmete und sich auch ab und an bewegte, dass hieß zumindest, dass er nicht vollkommen in dieses Stuppen – Dingsbums gefallen war. Nachdem auch das reden nichts half, tat Tom ganz einfach das, was ihn gerade spontan in den Sinn kam. Erst einmal legte er sich bequem auf das Bett und lehnte mit seinem Oberkörper nun an der Kopfleiste des Möbelstücks. Dann suchte er zwischen den Kissen die Fernbedienung um das Gerät anzuschalten, was dem Bett genau gegenüberstand. Als der TV lief, öffnete er seine Hoodie und zog Bill hinunter auf seine Brust in deine seitlich liegende Position bevor er die Reißverschluss über dessen Kopf wieder Schloss. Auch wenn er wusste, dass es sicher lächerlich aussah… es war ihm egal, denn genauso wusste er, das es Bill half. In den letzten Tagen hatte er oft diesen Schutz bei dem Blonden gesucht und wenn er ihn brauchte war er nur zu bereit dem Stummen diesen zu gewähren. Lustlos zappte er durch die Programme, bis er irgendwann an einer Dokumentation über einen Musiker hängen blieb. Es interessierte ihn nicht wirklich, aber er musste sich ablenken. Jedenfalls solange, bis Bill wieder völlig aufgetaucht war. Und tatsächlich spürte er nach ein paar Minuten wie der Andere seine Finger in seinem Shirt vergrub und sein Gesicht in die Halsbeuge des Hoppers schmuste. Okay… er war definitiv wieder da. Tom fühlte wie die tausend Schmetterlinge in seinem Magen, die er schon längst für ausgerottet gehalten hatte, aufstoben und durch seine Eingeweide flatterten. Scheiß Viecher… Wie schaffte es der Schwarzhaarige nur solche Gefühle in ihm auszulösen? Er fühlte sich gerade wie ein verknalltes 16 jähriges Mädchen. Scheiße, ey! Gedankenverloren streichelte er Bill über den Rücken und beobachtete wie der Mann in der Flimmerkiste in einem Gitarrengeschäft an einigen Instrumenten herumklimperte. Er schien nicht wirklich Ahnung zu haben. Eine Viertelstunde später hörte ein leises Schnarchen und registrierte schmunzelnd, dass der Schwarzhaarige an seiner Schulter, in dem sicheren Jackenkokon, eingeschlafen war. Tom bewegte sich nicht mehr und harrte aus. Er wollte es nicht riskieren den friedlichen Schlaf des anderen zu stören. Er sah so unfassbar hübsch aus, wenn er schlief. Bill wachte auf als Beate breit grinsend ins Zimmer kam und ihnen das Abendbrot brachte. Der Hopper entließ ihn aus seiner Hoodie und gemeinsam setzten sie sich auf den Boden vor das Bett um zu essen. »Danke.« sagte Tom und grinste Beate zu. Diese winkte und schloss die Tür dann hinter sich. »Boha sieht das lecker aus… guten Appetit!« Die Beiden aßen eine Weile schweigend, bis Bill seinen Kopf sanft zu sich herum drehte. Er sah fragend zurück. Er beobachtete wie immer ziemlich konzentriert die Handzeichen von Bill und brauchte um einiges länger als sonst um den Inhalt dahinter zu entschlüsseln. Was wahrscheinlich daran lag, dass er so lange nicht mehr damit hatte kommunizieren müssen, einfach weil der Andere sich viel zu selten mitteilte. »Du brauchst dich für nichts bedanken, okay? Es ist selbstverständlich… und außerdem hast du ganz friedlich geschlafen, das war auszuhalten.« Bill lachte und schlug ihn auf den Schirm von seinem Cappy. Es tat unglaublich gut diesen Laut nach all den Wochen wieder zu hören. Schon alleine das reichte um den Blonden ehrlich lächeln zu lassen. »So war das gar nicht gemeint, ey…« schmollte er und rückte sein Cappy wieder zurecht. Bill sah ihn an und plötzlich wurde sein Gesicht wieder ernst. Er streckte seine Hände aus und nahm ihm das Cappy einfach vom Kopf… was etwas wehtat, weil seine Dreads wie immer hinten an dem Verstell – Bändchen durchgezogen waren. »Autsch… alter, was soll das denn?« Aber auch darauf bekam er keine Antwort, stattdessen setzte sich der stumme Junge rittlings auf seinen Schoß und legte ihm seine Lippen auf. Tom erstarrte. Wieder stoben die Schmetterlinge in ihm auf und es kribbelte angenehm in seinem Körper. Okay… das hier war völlig anders als mit der Britin. Das war viel intensiver. Der Schwarzhaarige löste den Kuss und sah ihn schüchtern an. »Das nenn ich ein richtiges Dankeschön. « grinste Tom sein Checkergrinsen und zog ihn näher an sich heran. »Nochmal…« Das ließ sich der Andere nicht noch einmal sagen. Sofort beugte er sich erneut herunter und begann ihn wieder zu küssen. Die weichen Lippen, die immer noch etwas nach der Cola schmeckten, die Bill gerade getrunken hatte, nahmen ihn völlig in Besitz und brachten sein Herz zum rasen… während in seinen Gedanken absolute Stille herrschte. Er spürte wie der Andere sanft an seinen Piercing zog, ehe er ihn zu einem unglaublichen Zungenduell aufforderte, dass dem Hopper einfach nur den Atem raubte. So kam es, dass er nur Augenblicke später den Kuss lösen musste. »Fuck…« entfuhr es ihm keuchend, als er sich bewusst wurde, was da grade geschehen war. Er war nicht schwul. Eigentlich stand er kein bisschen auf Männer, aber dieser Junge war einfach unglaublich! Als er jedoch Bills ängstliches Gesicht sah, entschied er sich dafür die Gedanken auf später zu verschieben. Wozu gab es denn sonst Nächte? »Jetzt musst du mir erst mal ne Pause gönnen…« meinte er noch immer etwas atemlos und hauchte noch einmal einen kleinen Kuss auf die vollen Lippen. Das ließ ein Lächeln auf den selbigen erscheinen. Unfassbar dieser Kerl! Den Rest des Abends verbrachten sie mit sehr eintönigen Tätigkeiten, doch das störte Tom nicht wirklich, denn immer wieder spürte er die Lippen des anderen auf seinen. Die nächsten Tage ging es wieder bergauf. Es schien ihm so als würde er endlich wieder zu Bill durchdringen und dieser kommunizierte auch wieder öfter mit ihm und Beate. In die Schule durfte er trotzdem noch nicht… Deshalb machten Jenny, Bill und er immer wieder Unternehmungen nach der Schule. Es schien als würde der Stumme seine Energie gar nicht mehr zügeln können und es war schön zu sehen, wie er von neuem aufblühte. Vor allem wenn sie mit Sam unterwegs waren, entfaltete er wieder seine ganze Kraft und diesen kindlichen Eifer, den Tom schon einmal an ihm beobachtet hatte. Und das war wie Balsam… Der Ausgleich für die ganzen Wochen voller Sorge und Bedenken. Und es war fast wie eine Wiedergutmachung für den Hopper für all die Nerven die er investiert hatte. Auch wenn es dumm war es so zu sehen. Bill war wie eine kleine Sonne, jedenfalls strahlte er wie eine und das war schon recht amüsant… schon alleine weil er sich ungefähr denken konnte woran das lag. Wenn sie allein waren konnte der stumme Junge einfach nicht genug davon bekommen ihn zu küssen. Immer wieder suchte er die Nähe des Dreadheads. Das war schon irgendwie schmeichelhaft… und wenn er ehrlich war, ging es ihm genauso. Auch er war süchtig nach den weichen Lippen und besonders nach der kleinen Kugel, die in der Zunge von Bill steckte. Es schien ständig bergauf zu gehen. Zwar hatte er alle Überlegungen wegen dieser Nähe zu den Schwarzhaarigen bis jetzt gekonnt verdrängt, aber das konnte auch noch warten… ja, genau… Und dann… Dann kam das Wochenende und Tom entschied sich mit Jenny und ihren Schwestern mal wieder nach Magdeburg in die Disco zu gehen. Natürlich konnte Bill nicht mitgehen. Und als die Drei am Sonntagmorgen zurückkamen hatte sich alles verändert. In einer Nacht. Einfach so… ohne einen ersichtlichen Grund. Bill war erneut in den Stupor gefallen und nicht einmal Beate konnte beantworten, was eigentlich vorgefallen war. Dieses Mal vermochte es auch nicht der Hopper ihn wieder zurück zu holen. Vier Tage verbrachte er in seiner Welt und reagierte auf nichts und niemanden. Dann als er zu sich gekommen war, ging es genauso weiter. Er trank und aß wenig, kommunizierte so gut wie gar nicht und schien nicht viel Wert auf Gesellschaft zu legen. Und das war der Punkt an dem Tom seine Frustration einfach nicht mehr zurückhalten konnte. Das was bisher nur leise vor sich hin geköchelt hatte, kochte jetzt über. All die dunklen Gefühle brodelten schon zu lange in seinem Inneren. Es dauerte genau eine Woche, ehe er den Siedepunkt erreicht hatte…- Beate hatte etwas gekocht und ihn eingeladen. Die Drei saßen nun an dem großen Tisch und die beiden Blonden beobachteten den Schwarzhaarigen beim nichts tun. Und als der Stumme auch auf die mehrfache Nachfrage seiner Mutter was denn los sei nicht reagierte, explodierte etwas in dem Hopper. Und es brach aus ihm heraus ohne, dass er darüber nachdenken konnte: »Es reicht mir! Verdammt, du bist so egoistisch, ey! Das ist unfassbar.« sagte er laut und knallte seine Gabel neben den Teller. »Warum sagst du nicht einfach was du hast, hä? Macht es dir Spaß, wenn sich alle Sorgen machen? Findest du das toll? Ja… soll ich dir was sagen?! Mich kotzt es an! Und das mein ich ernst, verdammt! SAG WAS!« Für wenige Augenblicke herrschte Stille im Raum. Auch dem Dreadhead war klar, dass es irgendwo gemein und unfair war. Aber das waren nun einmal seine Gefühle und wenn er sie nicht jetzt herausließ, hatte er die sichere Gewissheit, dass irgendwas in ihm implodierte… er konnte es einfach nicht länger zurückhalten. Und dann geschah das, was dem Ganzen die Krone aufsetzte. Bill öffnete seinen Mund. Seine Augen waren leer, seine Hände zitterten und Tom wurde plötzlich klar das der Andere nun tatsächlich etwas sagen wollte. Sag mal spinn ich?! »Wag es nicht!« knurrte er den Schwarzhaarigen an. »Wag es nicht jetzt irgendwas zu sagen nur weil ich es verlange, verdammt!« Ihm war danach seinem Gegenüber zu packen und kräftig zu schütteln, stattdessen jedoch sprang er auf und ging. Es war sein letzter Ausweg ehe er irgendwas Falsches machte… In ihm hatte sich die Frustration in blinde Wut verwandelt. Wieso war dieser Kerl nur so gefügig? Wieso war er bereit ihm sofort alles zu geben, was er wollte? Und wieso, hatte er so ein verfluchtes schlechtes Gewissen?! Scheiße! Kapitel 13: redend ------------------ Heute die Anmerkung zum Anfang: Das Lied, dass in diesen Kapitel vorkommt ist auf der folgenden Melodie zu hören = http://www.youtube.com/watch?v=4B4e8A3nKZM ab 3:18 min. – 4:18 min. Ich hoffe es gefällt. ______ Mehrere Tage herrschte Funkstille. Tom nutzte die Zeit um über alles noch einmal nachzudenken. Er reagierte weder auf die SMS noch auf Bills Versuche ihn am Park abzufangen. Auch wenn es ihm wehtat dem Schwarzhaarigen aus dem Weg zu gehen, er brauchte den Abstand um sich darüber bewusst zu werden, was er eigentlich wollte. Sein schlechtes Gewissen malträtierte ihn stark, es war beinah als würde man mit Nadel ständig unter Akupunktur stehen… aber er hatte es sich nun einmal ausgesucht. Immer wieder zog er sich mit Sam zurück um stundenlang spazieren zu gehen und seinem Kopf frei zubekommen. Und auch wenn es immer länger wurde, war er nicht wirklich schlauer. Seine Gedanken kreisten eigentlich immer um das gleiche Thema, was wahrscheinlich einfach nicht genau zu definieren war. Warum hatte er Bill geküsst? Und warum, verdammt, hatte es ihm so gut gefallen? Diese Fragen waren eigentlich an sich schon wiedersinnig, weil es ja auf der Hand lag. Der Schwarzhaarige zog ihn an. Wieso das der Fall war, stand auf einem anderen Blatt. Mit absoluter Sicherheit konnte er nur sagen, dass der Stumme der einzige Kerl war, der ihn interessierte. Das hatte er sich selber schon bewiesen. Dazu hatte er im Internet nach Schwulenpornos gegoogelt und sich wirklich welche angesehen. Das durfte er keinem erzählen… wirklich nicht. Auch die Erinnerung daran schob er immer wieder von sich weg. Eigentlich hatte er sich eher eklig als anregend gefunden. Wie konnten sich andere Menschen nur so etwas anschauen? Das sollte echt verboten werden! Pornografie die eher an das heterogene Männerwelt gerichtet waren hingegen, hatten ihn schnell dazu gebracht dieses befriedigende Kribbeln zu spüren. So sehr das er sogar selber hatte Hand anlegen müssen. Nun war die Frage… lag es daran das Bill mädchenhaft aussah oder doch an etwas anderen? An seinen geschlechtlichen Merkmalen konnte es ja nun bewiesenermaßen nicht liegen. Aber an was dann? Es war zum aus der Haut fahren. Die zufriedenstellende Antwort wollte einfach nicht kommen. Am liebsten hätte er mit irgendjemanden darüber geredet, konnte sich aber nicht dazu durchringen. Selbst wenn er wusste, dass er sich rein theoretisch Jenny hätte anvertrauen können, er würde sich mehr als nur dämlich vorkommen… Das Schlimmste allerdings war nicht diese quälende Ungewissheit, sondern die Sehnsucht nach den Stummen. Er vermisste ihn… Doch er konnte es im Moment nicht ertragen ihm nahe zu sein, so sehr er es auch wollte. Er konnte einfach nicht riskieren Bill noch mehr zu verletzten, als er es sowieso schon getan hatte. Schon alleine das genügte ja…! Es war bereist dämmrig, als er nachhause zurückkam erwartete ihn seine Mutter bereits. Sie sah ziemlich besorgt aus. »Hey, Tommy. Wo warst du denn solange?« Der Angesprochene zuckte zusammen und sah sie erstaunt an. Er hätte nicht erwartet, dass es ihr überhaupt auffiel, wenn er in letzter Zeit öfter und länger unterwegs war. »Ich war nur mit Sammy spazieren. Hat etwas länger gedauert, tut mir leid…« »Hm… dein Essen hab ich den Ofen gestellt.« »Okay, danke.« Der Blonde machte sich das Essen noch einmal warm und ging damit dann hoch in sein Zimmer. Auch sein Hund hatte etwas zu futtern bekommen und war seither verschwunden. So kam es das Tom sein Abendessen zum ersten Mal seit langen alleine einnahm. Und diese Tatsache löste in ihm ein düsteres und sehr drückendes Gefühl aus; eine Emotion die einem den Atem und jede Freude rauben konnte. Als die Eskalation eine Woche her war, kam der Tag an dem er nicht länger ausweichen konnte. Früher oder später hätte er sich dem Anderen sowieso stellen müssen… das wusste Tom auch so. Dieser bestimmte Tag war ein Mittwoch und es regnete ununterbrochen wie aus Eimern. Der Schultag an sich war weniger schlimm, fast alles nur Laberfächer, die er eigentlich immer ganz gut bewältigte. Deutsch und Ethik gefolgt von Geografie und Sozialkunde, sowie Geschichte, Mathematik und Englisch. Das war, gegenüber anderen, ein fast erträglicher Mittwoch, was diesen so besonders machte, war die Tatsache, dass Bill im strömenden Regen vor dem Tor auf ihn wartete, als er bei Schulschluss den Heimweg antrat. Wie lange er da genau schon gestanden hatte, wusste der Hopper nicht, aber eine ganze Weile wohl schon. Das jedenfalls sagten seine völlig durchgeweichten Klamotten. Unwillig blieb er also stehen und sah den Schwarzhaarigen an, als dieser auf ihn zukam. Er sah so flehend und traurig aus, dass es ihm schon wieder beinah innerlich zerriss. »Was willst du hier? Warum stehst du im Regen?« Bill streckte die Hand nach ihm aus, doch er ging gar nicht darauf ein, etwas das ihm sofort einen Seitenhieb von Jenny einbrachte, die natürlich bei ihm war. Tom knurrte leicht und blitzte seine Freundin an. »Willst du nicht schon mal vorgehen? Du störst!« Natürlich wusste sie, was vorgefallen war. Trotzdem wollte er das nicht unbedingt vor ihr besprechen. Was eigentlich völlig absurd war. Aber wenn man ehrlich war, war diese ganze Sache eigentlich absurd! »Ist ja gut… bin ja schon weg! Aber stellt euch irgendwo unter, wenn ihr redet.« Damit verschwand die Schwarzhaarige grinsend. Der Hopper wartete bis sie etwas außer Sichtweite war, dann setzte er sich auch wieder in Bewegung. Der Stumme kam ihm nach. »Hör auf, Bill. Ich will jetzt nicht darüber reden.« Zögerlich wurde nach seinem Arm gegriffen, dann stellte sich ihm der schmale Junge in den Weg und obwohl ihn der Blonde hätte mit Leichtigkeit wegschieben können, tat er es nicht sondern blieb stehen. »Was ist?« Langsam wurde ihm klar, dass er nicht mehr entkommen konnte. Dieses Gespräch schien mehr als fällig zu sein. Seufzend gab er seinen Wiederstand schließlich auf und schob den Schwarzhaarigen zu einem der Raucherpavillons, der unweit von ihnen auf dem Pausenhof stand. Dort stellte sie sich unter. Tom blickte zum Himmel auf, ein Ende des Unwetters schien lange nicht in Sicht zu sein und erst jetzt fiel ihm auf wie sehr der Schwarzhaarige zitterte. Er schien wirklich lange hiergestanden zu haben. »Bill du musst ins Warme, sonst holst du dir noch den Tod…« sagte er sanfter und zog seine Hoodie aus um sie dem Anderen um die Schultern zu hängen. »Geh nach Hause und ich komme später lang, okay? Dann reden wir.« Als er sich jedoch ein Stück entfernen wollte krallte sich der Stumme in seinen Arm und sah ihn fast panisch an. Durch das ganze Wasser, das ihn aus den langen Haaren lief, konnte der Hopper nicht genau definieren ob er weinte oder nicht. Was er sagen konnte war, das der Andere nicht geschminkt war… merkwürdig. Er starrte den Schwarzhaarigen an und dieser sah verzweifelt zurück und plötzlich rastete etwas ein. Scheiße! Natürlich wieso war er denn da nicht früher drauf gekommen?! Bill hatte Verlustängste, verdammt nochmal! Da war es doch völlig nachvollziehbar, dass er mit allen Mittel versuchte ihn zu halten, vor allem wenn er auch noch so bescheuert reagierte. Deswegen hatte er in der Küche sprechen wollen… Und auch deswegen hatte er die ganzen Nachrichten an ihn geschrieben und immer wieder versucht ihn zu kontaktieren. All das um ihn nicht zu verlieren. Plötzlich hatte der Dreadhead das Verlangen laut zu schreien, da das in diesem Moment, jedoch völlig falsch interpretiert werden konnte, schlug er sich stattdessen innerlich an die Stirn und beglückwünschte sich zur selbstdiagnostizierten Idiotie. Wie konnte man nur so dämlich sein wie er, ey?! »Oh Billy…« seufzte er und zog den Stummen ein Stück näher heran. »Hör auf damit. Es ist alles gut… ich war nur so sauer, weißt du? Als du wieder so abgestürzt bist…- ich kann das einfach nicht verstehen und ich wusste nicht mehr weiter. Aber das heißt doch nicht, dass ich nichts mehr mit dir zu tun haben will, mensch! Trotzdem musst du jetzt rein… sonst erkältest du dich wirklich noch! Ich geh noch schnell mit Sammy, wasch ihn dann und komm dann rüber, okay? Dann können wir reden…« Zweifelnd sah Bill ihn an, doch schließlich nickte er. Der Hopper hatte seinen Blick die ganze Zeit standhaft erwidert; anscheinend glaubte er ihn jetzt zumindest. Immerhin! Schüchtern näherte sich der Schwarzhaarige ihm wieder und wollte ihm einen Kuss geben, aber auch dieses Mal wich Tom aus. Als er den Schmerz durch die haselnussbraunen Augen ziehen sah, musste er schwach lächeln und umarmte den Anderen kurz. »Sorry, aber hier sind noch zu viele unterwegs. Du bekommst deinen Kuss später, okay? Gib mit ne Stunde dann bin ich bei dir.« Damit trennte er sich von ihm und zog ihn dann hinter sich her. Er glaubte so schnell war er noch nie mit Sam durch den Park gespurtet. Er beeilte sich extrem… einfach um den Schwarzhaarigen zu beweisen, dass er sein Versprechen halten würde. Wenn er zu spät kam, würde er sich das wahrscheinlich nie verzeihen! Auch wenn sein Hund das Tempo augenscheinlich gar nicht gut fand. Davon ließ sich der Blonde nicht beirren. Er nahm sich nicht einmal die Zeit ein neues Cappy aus seinem Schrank zu holen, als er das vom Regen schmutzige und durch genässte in die Wäsche schmiss. Stattdessen begnügte er sich mit einen Stirnband und lief so aus dem Haus. Überpünktlich stand er vor der Tür der Familie Kaultiz und wurde von Beate begrüßt, die ihn anstrahlte. »Schön das du mal wieder da bist.« »Ähm… ja, finde ich auch…« stotterte er erstaunt. Irgendwie hatte er nach dem letzten Abgang eine andere Begrüßung erwartet. Doch anscheinend, hatte auch die Frau ihm diesen Auftritt verziehen. »Bill erwartet dich oben…« schmunzelte sie irgendwie wissend und verzog sich wieder ins Wohnzimmer. Okay… irgendetwas war hier anders als sonst… Was hatte der Schwarzhaarige vor?! Mit einem unruhigen Gefühl im Magen erklomm er die Treppe und kam vor der geschlossenen Zimmertür seines Freundes zu stehen. Das was ihn stutzen ließ war der große Zettel, der an dem Holz befestigt war. Bitte komm nicht rein,… zu keiner Zeit!, stand auf dem karierten Papier geschrieben. Sollte das ein Scherz sein oder was? Gerade als er seine Finger auf die Klinke gelegte hatte um diese hinunterzudrücken hörte er das Keyboard und was danach zu hören war ließ ihm den Atmen stocken. »Ganz allein stand er da, an dem Meer dem Hafen nah, der Junge der dieser Macht entflohen war…« erklang eine helle und sehr melodische Stimme durch die Tür. Träumte er? Tom lehnte seine Stirn an die Holztür um besser hören zu können. Jeden Ton nahm er tief in sich auf. »Denn sein Glaube war stark, dass das Meer noch immer barg, die Kraft seinen Wunsch zu erfüll'n. „Der Wunsch tief in dir, schreib ihn auf ein Stück Papier und gebe ihn an das Meer. Er niemals erlischt, wenn die Flasche nicht zerbricht…" - Dieses Märchen war sein letztes Licht!« sang er weiter und wurde bei den letzten Tönen immer höher. Sein Tonumfang und der Übergang von der Brust- zur Kopfstimme war der Wahnsinn. Er machte ein kleines Zwischenspiel auf dem Keyboard. »Und so schwimmt er davon, dieser Wunsch in Glas gehüllt, ist mit tiefer Hoffnung eines Jungen gefüllt. Er schwimmt weiter davon, ganz ruhig und still, verschwindet im endlosen Meer.« Und plötzlich wurde dem Hopper klar über was Bill da gerade sang. Es war seine Geschichte… die Geschichte die ihm zu dem gemacht hat was er war. Das Meer, das ihm alles genommen hatte. Ob er das Lied selbst geschrieben hatte? »Du warst da nur für mich, jemand anders braucht ich nicht, denn du tust doch alles was ich wollt, wusst ich. Doch mir wurde langsam klar, dass ich selbstsüchtig nur war, Und nicht sah was tief in mir geschah. Egal was ich wollte wurde stets erfüllt von dir, doch bist du nicht länger hier. Die Schuld sperrt mich ein, will nicht länger einsam sein… aber niemand kann mir nun verzeih'n...!« Den letzten Satz sang der Andere mit solcher Verzweiflung, dass es dem Blonden plötzlich recht schwer ums Herz wurde. Wieder spürte er diesen Druck auf seiner Brust, den er schon gespürt hatte, als Beate ihm von Bills Leben erzählt hatte. Es fühlte sich an, als würde jemand oder etwas auf seiner Lunge sitzen und ihn alle Luft aus dem Körper pressen. » Und so schwimmt er davon, dieser Wunsch in Glas gehüllt, ist mit tiefer Reue eines Jungens gefüllt. Doch die Schuld die ich trug sah ich nicht ein, zu spät für die Reue sollt es sein! Und so schwimmt er davon, dieser Wunsch in Glas gehüllt, ist mit tiefer Hoffnung eines Jungen gefüllt. Er schwimmt weiter davon, ganz ruhig und still, verschwindet im endlosen Meer.« Dieser Teil schien so eine Art Refrain zu sein… oder so… »Und so schwimmt er davon, dieser Wunsch in Glas gehüllt, ist mit tiefer Reue eines Jungens gefüllt. Könnt ich nochmal an deiner Seite sein...« Es folgte noch ein kurzes Notenspiel, dann herrschte Stille. Das Stück endete so abrupt, das Tom einige Minuten brauchte um zu begreifen, dass es vorbei war. Doch auch als dieses Wissen durgedrungen war, brauchte er noch einmal ungefähr genauso lange bis er sich wieder bewegen konnte. Alles an ihm schien irgendwie erstarrt zu sein. Eingefroren von der Verzweiflung, der Trauer und dem Leid, was ihm gerade von diesem Lied übermittelt worden war. Wie konnte ein Mensch nur mit solchen Gefühlen in sich leben? Als dann das erste Leben in seinen Körper zurückkehrte, brauchte er nicht lange zu überlegen was er machen musste. Er drückte endlich die Klicke und ging zu dem Schwarzhaarigen hin, den er umstandslos in seine Arme zog. Erst jetzt bemerkte er das der Schwarzhaarige weinte… seine Stimme hatte zu keinem Moment auch nur ein wenig geschwankt. Beeindruckend. Schutzsuchend schmiegte Bill sich in seine Arme und weinte. Der Hopper ließ sich mit ihm aufs Bett niedersinken und lehnte sich mit dem an die Wand. Er brauchte genau drei Anläufe um den Kloß in seinen Hals hinunterzuwürgen und etwas zu sagen. »Endlich sprichst du mit mir…« »Tommy…« kam es schluchzend zurück. Ein Wort das in ihm so unterschiedliche Gefühle auslöste, dass es ihn fast innerlich zerriss. Auf der einen Seite jagte ihm ein Schauer über den Rücken, weil allein das Wort mit dieser Stimme so wunderschön klang wie nichts was er je gehört hatte. Auf der anderen Seite jedoch, zog sich sein Herz noch immer bei diesem Kosenamen zusammen vor Schmerz… aber das war jetzt egal. Es war nun wahrlich nicht der richtige Moment für solche Grundsatzdiskussionen. »Danke.« meinte er rau und gab dem Anderen einen Kuss auf die Stirn. Bill schmuste sich an seine Wange und klammerte sich an dem T – Shirt des Dreadheads fest. Und so verweilten sie eine ganze Zeit, dicht aneinander geschmiegt. Irgendwann hatte der Schwarzhaarige sich gefangen. »Sag noch einmal was…« sagte Tom leise. »Ich kann es immer noch nicht glauben.« Der Angesprochene sah auf und lächelte ihn strahlig an. »Küss mich…« Der Hopper tat es. Sanft presste seine Lippen auf ihre Gegenstücke und begann diese zu massieren. Die Empfindungen, die dieser Kontakt in ihm auslöste, waren immer noch so intensiv wie an den Tagen zuvor. Alles in ihm kribbelte so merkwürdig. Ohne lang zu überlegen vertiefte er den Kuss und spürte wie ihn Bill entgegenkam. Nein, er träumte nicht! Kapitel 14: fliehend -------------------- Der blonde Hopper lag ganz still da. Er wollte nicht riskieren das Bill wach wurde, der ruhig in seinen Armen schlief. Die Aufregung und die Tränen schienen ihren Tribut zu fordern. Sanft strich er dem Schlafenden über den Rücken. Er zwang sich zur äußerlichen Ruhe, doch in ihm herrschte immer noch das pure Chaos. Nach wie vor… Alles in ihm schien irgendwie verrückt zu spielen… Auch wenn er wusste, dass der Schwarzhaarige das Alles getan hatte um ihn nicht zu verlieren. Das Wissen half nichts. Vor allem weil er nicht einschätzen konnte ob das nun positiv oder negativ war. Konnte er das als Durchbruch werten? Hatte Bill das alles überhaupt gewollte? Oder hatte er es wirklich alles nur aus Angst getan… aus Verlustangst. Hatte er sich letztendlich nur dazu gezwungen? Tom wusste es nicht. Und genau das hinderte ihn daran sich über diesen Fortschritt zu freuen. Auch wenn er es wollte… er konnte das nicht! Er war sich sicher das Bill so einiges tun würde um die, die er liebte zu halten. Ihm selbst ging es ja ähnlich. Doch wie weit war der Schwarzhaarige bereit zu gehen? Gedankenverloren blickte der Dreadhead zu der Person herunter, die so viele merkwürdige Gefühle in ihm auslöste. Bill hatte sich dicht an ihn geschmiegt und sein Gesicht halb in seinem großen T – Shirt vergraben. Irgendwie sah er so ungemein zufrieden aus… Wie sollte Tom jemals aufstehen ohne ihn zu wecken? Ganz sacht strich er durch das weiche, schwarze Haar und spürte wieder diese seltsame Zärtlichkeit in sich aufwallen. Was war das nur? Langsam zweifelte er wirklich ein wenig an seinem Verstand. Seufzend versuchte der Blonde an sein Handy, was in den Tiefen seiner Hosentasche ruhte, zu gelangen. Nach drei Anläufen hatte er es in der Hand und tippte mit Links eine kurze SMS an seine Mutter. Er bezweifelte, dass sie die Nachricht vor morgen früh las, aber er wollte nicht das sie sich um ihn sorgte, wenn er nicht im Haus war. Auch wenn es öfter vorgekommen war, dass er bei Bill ab und an gepennt hatte, es war immer geplant gewesen. Dieses Mal hatte er nicht einmal Bescheid gegeben, dass er losging. Er legte das Handy neben sich auf die Matratze und rutschte ein wenig nach unten um bequemer zu liegen. Nachdenklich sah er in das Gesicht des Schlafenden und fragte sich, was er jetzt tun sollte. Doch die Gedanken erübrigten sich, denn schon nach wenigen Minuten driftete auch er in den Halbschlaf. Konfuse Gedanken huschten durch seinen Kopf und verschwanden so plötzlich wie sie gekommen waren, ehe er in einen unruhigen Schlaf fiel. *** Er befand sich am Meer. Er hörte das Rauschen des Windes und roch das Salz. Wie kam er denn hier her? Der weiche, lose Sand unter seinen Füßen gab bei jedem Schritt nach und rann durch seine Zehen… kitzelte ihn. Es war ein angenehmes Gefühl, welches ihm Geborgenheit vermittelte. Er ging weiter auf das Ufer zu und je näher er dem Wasser kam umso härte und kälter wurde der Sand unter ihm. Und dann hörte er das Weinen. Erstaunt wandte er den Kopf herum. War er nicht bis eben noch alleine gewesen? Keine fünf Meter von ihm entfernt saß ein kleiner, schwarzhaariger Junge im Wasser. Die kleinen Wellen, die ab und an ans Ufer schlugen, reichten ihn bis zum Bauch. Sein T – Shirt Saumen bewegte sich sacht im Wasser hin und her. Der Junge weinte herzzerreißend und rief immer wieder etwas hinaus zum Horizont. Er musste etwas näher treten um es zu verstehen. »Es tut mir Leid!« Er näherte sich dem Anderen langsam weiter. Dieser hatte inzwischen seine Arme über dem Kopf verschränkt und es schien als würde er sich vor Schmerzen krümmen. »Es tut mir so unglaublich Leid!« Und dann, so als würde das Wasser auf ihn reagieren, wurde der Wellengang heftiger. Immer größere Wellen brachen am Strand und brachten den Schwarzhaarigen arg ins schaukeln… doch dieser blieb in seiner Position sitzen. »Bitte…« Inzwischen war auch er im Wasser angekommen. Plötzlich färbte sich das gesamte Meer rot. Es sah aus wie Blut und war so dickflüssig, dass er seine Zehen durch die Oberfläche nicht mehr sehen konnte. Es machte ihm Angst… Der Himmel färbte sich schwarz und bildete den grausigen Kontrast zu dem Spektakel. Das Weinen und Flehen des anderen Jungen ging in einem furchtbaren Heulen unter, dass von weit entfernt kam. Fast so, als würde der Wind ihn anklagen wollen. Das Meer brauste auf und die Wellen wurde noch einmal höher. Tiefrote Wellen begruben den Jungen unter sich, der sich durch die Gewalt der Gezeiten kaum wehren konnte. Das grausame Bild, brannte sich in sein Gedächtnis ein. Er lief los um den Jungen zu helfen, doch aus irgendeinem Grund bewegte er sich nicht vom Fleck… so als würde er an der Stelle festgehalten werden, an der er stand. Und dann wurde alles von Schwarz verschluckt… *** Er erwachte aus seinem Schlaf durch eine Hand, die ihn über die Wange strich. Murrend drehte er sich auf die andere Seite. Er wollte noch nicht aufstehen… konnte die Ische nicht eine Stunde warten?! Als sich jedoch ein schmaler Körper ohne Busen von hinten an ihn schmiegte, war er mit einem Schlag hellwach. Schnell setzte er sich auf und blickte mit großen Augen Bill an, der immer noch dalag und ihn nicht minder erschrocken anstarrte. »Scheiße…« fluchte Tom, als seine Erinnerungen wieder kamen. »Verdammte scheiße, ey!« Er nahm das Handy, was immer noch neben ihm lag und das Gerät bestätigte seinen Verdacht. Es war zum aus der Haut fahren! Warum war Beate denn nicht hoch gekommen? Sie hatte doch gewusst, dass er hier war! Eine Hand auf seinem Arm lenkte seine Aufmerksamkeit auf Bill, der ihn ängstlich ansah. Wieso sah er ihn plötzlich an wie ein angeschossenes Reh? So verletzlich? Der Hopper kniff die Augen zusammen. Zitterte er? Überfordert ließ er sich zurück in die Kissen fallen und zog den Anderen in seine Arme. »Sorry, wenn ich dich erschreckt habe. Ich hab nur gnadenlos verpennt… und das ist scheiße. Meine Mum wird mich köpfen.« Der Schwarzhaarige wurde ganz weich in seinen Armen und schmuste sein Gesicht in seine Halsbeuge. »Verzeih…« nuschelte er kaum hörbar. »Was? Wieso entschuldigst du dich?« Doch eine Antwort bekam er darauf nicht, stattdessen klammerte Bill sich etwas an das übergroße T – Shirt des Blonden. »Du kannst überhaupt nichts dafür…« sagte Tom und strich durch das weiche Haar des Anderen. »Wenn jemand Schuld ist, dann ja wohl ich. Also… los schau mich schon an…« Es dauerte einen Moment, aber dann trafen sich ihre Augen. Die Unsicherheit die in den haselnussbraunen Seelenspiegeln des Schwarzhaarigen lag, war kaum erträglich. Wieso bezog er auch jeden Mist auf sich?! Schüchtern sah Bill ihn an und schloss die Augen, ehe er seinem Gesicht ein Stück näher kam. Der Hopper verstand die Bitte und schlang seine Arme ein wenig fester um ihn, zog ihn so ein Stück weiter nach oben und legte ihn dann seine Lippen auf. Warum tat er das auch immer ohne nachzudenken? Gab es überhaupt einen Grund? Der Kuss begann zärtlich und fast liebevoll, wurde aber von Tom immer weiter ausgebaut, bis sich die Beiden wegen Luftmangel trennen mussten. »So ich werd mich jetzt gehen. Die Klamotten kleben… ich muss unbedingt duschen.« murrte Tom und beugte sich noch einmal für einen kurzen Kuss vor. »Wir sehen uns.« Seine Mutter riss ihm nicht den Kopf ab. Sie war im Gegensatz erstaunlich gelassen, warum auch immer! Es war schon einmal anders gewesen, aber das konnte ihm ja eigentlich ziemlich egal sein. Der Rüffel, den er für seine verpassten Stunden bekommen hatte, war kaum der Rede wert. Und auch wenn man etwas anderes glauben konnte, eigentlich war er der letzte, der die Schule schwänzte. Dazu war er einfach viel zu zuverlässig… außerdem sah er keinen Sinn darin. Er ging für sich in die Schule und er bekam auch alle Noten nur für sich. So war es schon immer gewesen. Die nächsten Tage verliefen ruhig und ohne Vorkommnisse. Er ging weiter in die Schule und war inzwischen ziemlich bekannt, was dazu führte das er alle Hände voll zu tun hatte, sich die schon ziemlich lästigen Mädchen vom Hals zu halten. Vor allem in den Pausen wurde es immer schlimmer. Und es nervte ihn…! Auch wenn er niemals damit gerechnet hätte so was zu denken, doch es interessierte ihn nicht! Keines dieser Mädchen zog ihn irgendwie an und das war eine Tatsache die seine Laune immer mehr in den Keller drückte. An den Nachmittagen traf er sich mit Bill. Es hatte sich auch an diesem Verhältnis nichts verändert. Er redete immer noch sehr wenig. Wahrscheinlich war er es nach all den Jahren einfach nicht mehr gewohnt sich jemanden mitzuteilen, aber manchmal sagte er etwas. Und immer wieder lief dem Hopper ein kalter Schauer über den Rücken, wenn er die klare Stimme seines Freundes hörte. Manchmal verfolgte ihn diese sogar bis in seine Träume. War das krank? Er wusste es nicht. Überhaupt wusste er an sich nicht, was zurzeit mit ihm los war. Etwas was ihn immer wieder aufs Neue schier um den Verstand brachte. Es war alles so unglaublich kompliziert… Dann wurde es Wochenende… Jenny hatte sich für heute Abend zum DVD schauen mit ihm verabredetet. Doch ehe sie kam, hatte er noch ein wenig Zeit. Der Hopper sprang nach dem Spaziergang mit Sam noch einmal unter die Dusche und holte sich dann noch etwas zu trinken aus der Küche. Dann wartete er gemeinsam mit seinem Hund auf seinen Besuch. Um sich ein wenig die Zeit zu vertreiben, nahm er sich seine Gitarre zur Hand und spielte ein paar Melodien. Es tat gut mal wieder Musik zu machen. Die letzten Wochen waren dazu einfach viel zu turbulent gewesen. Jenny kam halb acht. Er hatte gerade ein altes Lied noch einmal in der Melodie umgestellt, als es klingelte. Tom ging im Schnellschritt die Treppe runter und rief im Vorbeigehen noch ein: »Ist für mich!« ins Wohnzimmer. Als er die Tür aufmachte, grinste ihm die Schwarzhaarige schon breit entgegen. »Hallo, Lieblingshopper.« begrüßte sie ihn gut gelaunt. Der Angesprochene verzog das Gesicht. »Hallo…« lächelte er und ließ sich von ihr umarmen. »Wie geht’s? Hast du dir schon was eingeworfen, oder was?« Jenny lachte. »Gut und selbst? Ist doch egal-… du bekommst eh nichts von meinem Stoff.« »Kann nicht klagen…« behauptete er und sah über ihre Schulter. »Willst du eigentlich was Bestimmtes machen? Oder was schleppst du da alles mit?« »Hm… ich wollte eigentlich zusammen mit dir kochen, aber wir sollten uns echt mal ranhalte es gibt viel Gemüse zu putzen.« sagt Jenny grinsend. »Beate hat mal erzählt du hast ein gewisses Talent in der Küche… deswegen dacht ich Abendbrot wär doch ein Hit oder? Hast du schon gegessen?« »Nein.« meinte Tom und zog dann seine Augenbrauen nach oben. »Außerdem besitze ich viele Talente von denen du nichts weißt, Kleines!« Jenny lachte kopfschüttelnd und lief an ihm vorbei. Als sie sich die Jacke und ihre Schuhe ausgezogen hatte, schleppte sie die beiden Tüten, die sie mitgebracht hatte in die Küche und stellte sie auf dem Tisch in der Mitte ab. Sie breitete die Zutaten auf dem Holz aus und legte zwei Sparschäler bereit. Tom packte sich das erste, was aus der Tüte kam, in diesem Fall Tomaten und trug diese zum Spülbecken. Als diese halbwegs sauber waren, drehte er sich zurück zu seiner Freundin. Diese drückte ihn gleich das nächste Gemüse zum Waschen in die Arme. »Soll ich die Paprika gleich schneiden?« »Ja, wäre gut.« »Okay.« Der Hopper spülte auch diese ab und setzte sich dann an den Tisch. Schnell war der Sparschäler gegen ein Messer getauscht. »Ist Paprika eigentlich Gemüse oder Obst?« fragte er das erste was ihn spontan einfiel. Ihm war die Stille nicht gerade angenehm. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass Jenny zu sehr in ihm lesen könnte. Es war so, als würde sie ihn mit jedem Blick röntgen. »Gemüse, oder? Wie kommst du darauf, dass es Obst ist?« wunderte sich Jenny. »Na ja, man sagt doch auch, dass eine Tomate eigentlich Obst ist. Und Paprika sind doch auch Nachtschattengewächse wie Tomaten, oder?« »Hm, interessanter Gedanke…« murmelte Jenny ratlos und sah kurz von ihrer Arbeit auf. »Keine Ahnung.« »Ist ja auch eigentlich scheißegal! Hauptsache es schmeckt.« Jenny lachte auf. »Was ist denn nur los mit dir?« »Was soll denn sein?« wich der Blonde aus und sah konzentriert auf sein Schneidbrett. »Du bist ziemlich merkwürdig heute… schon den ganzen Tag, wenn ich es mir genau überlege.« »Das täuscht…« »Ach ja?« »Ja.« »Hm… das ist alles nicht wirklich glaubhaft, wenn du mich nicht ansiehst, Tom.« Er schwieg. »Darf ich raten?« »Wenn es sein muss…« »Es geht um Bill oder? Du weißt nicht was das zwischen euch ist und das verwirrt dich.« »Woher weißt du das denn schon wieder?« hakte er pikiert nach. »Ich bin nicht dumm… außerdem ist es kaum zu übersehen…« fand die Schwarzhaarige und legte ihr Messer weg um die Tatsachen an ihrer Hand abzuzählen. »Du bist ungewohnt schweigsam, du schreibst nur noch mit ihm und bist ständig bei ihm, du interessierst dich nicht mehr für andere Mädchen und du hast dich an diesen Matthias und seinen Affenfreunden gerächt, oder?« Tom biss sich auf die Lippen. War er wirklich so leicht zu durchschauen? Er hatte nicht einmal bemerkt das die Andere, dass alles so mitbekommen hatte. »Du musst dich nicht für irgendetwas rechtfertigen, aber ich will das du weißt, dass du mit mir reden kannst, wenn du das möchtest, okay?« »Danke, Jenny.« lächelte er schief. »Aber es ist wirklich nicht so einfach zu erklären… ich versteh es ja selber nicht mal ganz…« »Hm, versuch es doch mal.« Er zögerte, doch auch das nicht wirklich lange. Vielleicht lag es daran, dass sie ihm eine Wahl ließ oder einfach an seiner Verzweiflung. Doch egal was es letztendlich war, es führte dazu das er Jenny seine ganzen verwirrenden Gefühle und Gedanken offenbarte, während sie beisammen saßen und das Gemüse für ihr Ratatouille schnitten. Es war ihn sehr unangenehm und eigentlich wollte er sich vor der Schwarzhaarigen nicht so entblößen, aber er wusste auch, dass er mit jemanden darüber reden musste um nicht völlig durchzudrehen und alle die sonst kannte fielen nun einmal weg. Doch er mied ihren Augenkontakt. »Und das stört dich das ihr euch küsst?« »Nein, da liegt ja mein Problem! Ich habe keine Ahnung was ich will… ich… ich glaube ich drehe völlig am Rad im Moment.« Einen Moment schwieg Jenny nachdenklich und putze die Zucchini weiter, ehe sie sie in kleine Stücke schnitt. »Ich glaube eher du entwickelst Gefühle für Bill.« Tom biss die Zähne zusammen. Das war eigentlich die Antwort, die er hatte nicht haben wollen. Scheiße…! »Oh Mann, ey...« seufzte er dann leise und schüttelte den Kopf. »Lass uns das Thema wechseln. Das ist mir wirklich unangenehm.« »Okay, aber mach dir mal Gedanken drum…« »Hm…« Eine ganze Weile arbeiteten sie still vor sich hin. Es war jedoch kein unangenehmes Schweigen, eher so, als wäre bereits alles gesagt. Als der größte Teil des Gemüses in kleinen Stücken vorbereitet auf den Tellern lag, setzte Jenny das Wasser für den Reis an. Tom sah sich gezwungen nun auch die Zwiebeln zu schneiden, da sie als einzige noch übrig waren. Dabei tränten ihm die Augen so sehr, dass er das Gefühl hatte, seine Netzhaut würde sich langsam und qualvoll ablösen. »Du siehst echt süß aus, wenn du weinst…!« lachte Jenny erheitert. »Moha… halt doch die Fresse, ey.« »Halt die Zwiebeln unter kaltes Wasser, dann ist es nicht so schlimm.« riet sie dann doch mitleidig. Der Blonde schniefte leicht und tat wie ihm geheißen… Das half tatsächlich ein bisschen. Anschließend ging er ins Bad und wusch sich die Hände sofort mit Seife. Es war einfach ätzend, wenn alles an ihm nach Zwiebeln roch… Er mochte den Geruch an sich nicht! Als er wieder in die Küche kam, war Jenny schon dabei das kochende Essen zu überwachen und zu würzen. In der Zwischenzeit deckte der Hopper den Tisch und bereitete sein TV vor. Eine halbe Stunde später zogen sie, mit ihren Tellern beladen, in Toms Zimmer um. Dort ließen sie den Film starten und aßen gemeinsam zum Abendbrot. Als die Teller geleert waren, stellten sie diese auf den kleinen Tisch vor dem Sofa und Jenny lehnte sich an den Blonden an. Ihr Kopf ruhte an seiner Schulter und sie sahen auf das schwarze Gerät, über das gerade eine Szene im Wald zuckte. Die Schwarzhaarige hatte sich einen Thriller als Filmwunsch mitgebracht. Tom hatte einen Actionfilm gewählt. Doch im Moment konnte er sich nicht wirklich darauf konzentrieren was im Fernsehen zu sehen war… viel zu sehr irritierte ihn die Nähe. Nicht einmal im herkömmlichen Sinne und so wie man vermuten könnte, sondern eher darüber, dass es ihn kalt ließ. Früher war das nie so gewesen… Wobei er früher auch noch keine echte Freundin hatte, also so ganz ohne Beziehung. Und das war es wahrscheinlich auch, schließlich empfand er für Jenny einfach nur Zuneigung. Was könnte es auch anderes sein? Die Schwarzhaarige war schon in der Mitte des ersten Films eingeschlafen. Darüber konnte Tom nur schmunzeln. Kurzfristig entschied er das Ganze in sein Bett zu verlagern, denn langsam schlief ihm der Arm ein, an dem Jenny lehnte und schlief. Also stand er auf und hob sie vorsichtig hoch. Doch auch davon wachte sie nicht auf. Sie nuschelte lediglich etwas im Schlaf und drehte ihren Kopf zurück an seine Schulter. »Verwöhnte Göre…« murmelte er vor sich hin und lächelte. Ob sie öfter durch die Gegend getragen wurde? Jeder andere würde doch aufwachen. Er legte sie auf sein Bett und zog ihr die Hose und die Strümpfe aus… auch davon wurde sie nicht wach. Nicht das er irgendwelche Absichten hatte, er konnte es einfach nicht haben, wenn jemand in Straßenklamotten in seinem Bett lag. Aber auch jetzt, wo sie nur in T – Shirt und Tanga vor ihm lag, rührte sich bei ihm nichts. Seufzend deckte er sie zu und legte noch den anderen Film ein, ehe er sich auszog und mit einer zweiten Decke zu ihr ins Bett legte. Der Hopper schaffte es noch bis kurz vor Ende des zweiten Filmes ehe auch er ins Traumland überging. Geweckt wurde er von einem penetranten Klopfen an seiner Tür. »Was?« fragte er verschlafen. »Du hast Besuch, Tommy…« drang die Stimme seiner Mutter durch die Tür. Wie oft musste er ihr noch sagen, dass sie ihn nicht so nennen sollte?! Nur ganz nebenbei, nahm er das Gewicht auf seiner Brust war und den Arm um seinen Bauch. Sein Hirn war noch viel zu umnebelt um zu schalten. »Hm?« Die Tür ging auf. Er blinzelte gegen das Tageslicht um irgendetwas zu erkennen, doch er war einfach noch zu müde. Wer kam ihn auch schon am Samstag zu dieser unchristlichen Zeit besuchen? Erst ein dumpfer Schlag und das Jaulen von Sam, ließ ihn hochfahren. Und er sah direkt in die aufgerissenen Augen von Bill. In ihnen spiegelte sich so viel Trauer und Verletztheit, die er im ersten Moment gar nicht nachvollziehen konnte. Und dann wirbelte der Schwarzhaarige herum und stürmte davon, Toms Mutter fast über den Haufen rennend, die gar nicht zu verstehen schien, was los war. Und erst da schaltete der Hopper. Ihm wurde schlagartig bewusst was für ein Bild sich Bill gerade geboten hatte. Hektisch sah er nach unten. Jenny hatte sich im Schlaf nach an ihn geschmiegt und ein nacktes Bein über ihn gelegt, ebenso wie ihren Arm. Ihr Kopf ruhte auf seiner Brust und ihre Finger waren in den Stoff seines T – Shirts gekrallt. Verdammte…! »Scheiße! Bill… warte, BILL!« brüllte er ohne Rücksicht auf seine Freundin und sprang mit einem Satz aus dem Bett. Auch wenn sie Beide noch etwas an hatten, für den Anderen musste das doch eindeutig ausgesehen haben. Er hastete zu seiner Tür und wollte dem Schwarzhaarigen hinterher, doch gerade als er zur Zimmertür kam, stolperte er über was hartes, was auf dem Teppich lag. Er konnte sich gerade so noch fangen um nicht der Länge nach hinzuschlagen. Und in dem Moment hörte er die Haustür zufallen. »VERDAMMTER MIST!« Dass Ding was ihn daran gehindert hatte rechtzeitig zur Treppe zu gelangen, stellte sich als Keyboard heraus. Bills Keyboard. In dem Blonden zog sich etwas zusammen. Schnell stellte er das eingepackte Instrument auf das Sofa und suchte seine Sachen zusammen. »Wasen los…« kam es verschlafen vom Bett. »Was schreisten so?« »Bill war hier…« Das war alles was er sagte, aber auch Jenny schien diese Information zu genügen um schlagartig wach zu werden. »Was?!« »Er war hier im Zimmer und hat uns zusammen im Bett gesehen.« Jenny sah ihn kurz an und dann an sich runter. »Scheiße… du hast…-« »Ja.« »Scheiße.« wiederholte sie nur und sah dann auf. »Du musst ihm nach!« »Was denkst du was ich hier grad mache, ey!« fauchte der Hopper und stieg in seine Baggy, ehe er Handy und Schlüssel zusammensuchte. »Dann mach schneller!« »Hetz mich nicht!« »Alter, Bill ist verliebt in dich… hast du das immer noch nicht begriffen!?? Du musst ihm nach und das erklären sonst…-« sie brach ab und biss sich auf die Lippen. Tom, der sich gerade sein Shirt wechselte, hielt in der Bewegung inne. Auch wenn ihm der Gedanke nicht neu war… es war etwas anderes so etwas von der Schwarzhaarigen zu hören. Natürlich hatte er sich schon denken können, dass Bill in ihn verliebt war und irgendwie fand er ihn ja auch anziehend… Aber darüber wie der Satz endete wollte er nicht nachdenken. »Ich schreib dir.« Damit stürzte er aus dem Zimmer und an seiner irritierten Mutter, sowie seinem verschrecktem Hund vorbei ohne sie zu beachten. In Windeseile zog er seine Schuhe an und rannte auf die Straße, wo er erst einmal ahnungslos stehen blieb. Park… flüsterte ihm sein Gefühl zu. Und ohne zu überlegen lief er los und zog sich die Kapuze über seine offenen Dreads. Tom war noch nie sonderlich Konditioniert was Sportsachen anbelangte, so kam es das er schon nach wenigen Metern völlig aus der Puste war. Doch er rannte weiter… Angetrieben von seiner Angst. Als er im Park ankam, war er in ein lockeres Joggen verfallen und schon von Weitem konnte er den Schwarzhaarigen sehen, der zusammengekauert auf der ersten Bank saß. »Bill!« Der Angesprochene sah auf. Als er näher kam, sah er die Gefühle auf dem Gesicht des Stummen tanzen… sie waren nicht in Worte zu kleiden, doch sie waren schwarz… tiefschwarz. Ohne darauf zu warten, dass er ankam, sprang Bill von neuem auf und flüchtete. »BILL… bleib stehen!« keuchte er. Aber dieser dachte gar nicht daran. »BILL!« Immer schneller wurde der Flüchtige und zwang den Hopper dazu auch sein Tempo wieder anzuziehen. Seine Lungen brannten bereits durch die ungewohnte Sporteinheit, doch das war ihm gleich. Er setzte dem Anderen nach obwohl er mit seinem Baggyjeans klar im Nachteil war. Er durfte ihn nicht aus den Augen verlieren! Als sie aus dem Park hinaus rannten und der Schwarzhaarige um die Ecke bog, wurde Tom schlagartig klar wohin die Reise ging. Das war nicht sein Ernst oder? Das würde er nie machen! Doch würde er anscheinend schon, musste er eingestehen, als Bill in das kleine Schwimmbad hineinlief. Die Drehtür schwang hinter ihm. Wieso war das Ding eigentlich zum Samstag auf?! Das Wissen das der Andere schon alleine wegen seines Traumas nicht schwimmen konnte, ließ den Blonden noch einmal schneller werden. Die Kapuze flog ihm von Kopf und es schwindelte ihn. Auch er rannte durch die gläserne Drehtür, die durch seinen Schwung beinah aus dem Mechanismus gehoben wurde. Er hatte Schwierigkeiten den Eingang zu finden und geriet gefährlich ins Straucheln. Die kleine Vorhalle hatte er im nu überwunden und so betrat er das zweite Mal aus unerfreulichen Gründen das Hallenbad. Dieses war fast menschenleer… Nur Bill war hier. Ihm schiene erst bewusst zu werden wo genau er sich befand, als er die Wasserbecken sah, zwischen denen er stand. Gehetzt blickte er sich um. »Bill…« keuchte Tom noch einmal entkräftet und kam auch zum Stehen. Was für ein Fehler es war ihn noch einmal anzusprechen, begriff der Dreadhead erst Sekunden später, doch das war es für die Reue schon zu spät. Bill drehte sich um und setzte erneut zur Flucht an, als er auf einer Wasserlache ausrutschte. Er knickte um und fiel mit einem gellenden Schrei seitlich in eines der Becken. Mit einem lauten Platschen schloss sich die Wasserdecke über ihn und einige Sekunden war nichts weiter zu sehen als Wasser und Luftblasen. Kapitel 15: bebend ------------------ ► Ich bin sehr gespannt was ihr zu diesem Kapitel sagt. ^__^ Außerdem wollte ich darauf hinweisen, dass wir uns leider dem Ende der Geschichte nähern... traurig aber wahr. ): Es hat wirklich Spaß gemacht an ihr zu schreiben! Ich lieb euch. ♥ _______ Kein Muskel konnte er bewegen. Für wenige Augenblicke konnte er nur zusehen, wie Bill wieder auftauchte und verzweifelt versuchte wieder zum Rand zu kommen. Doch diese Bemühung war vergebens. Der Schock und die Angst saßen einfach zutiefst. Außerdem war nicht einmal klar, ob er überhaupt schwimmen konnte… Für diese Augenblicke sah er nur fliegende Gliedmaßen und aufspritzendes Wasser. Sein Verstand war ausgeschaltet und auch wenn er helfen wollte, konnte er es nicht. Es war seine Schuld…! Dieser Gedanke kreiste unermüdlich in dem Kopf des Blonden. Er war schuld, dass Bill hier im Wasser gelandet war! Sein Herz ging in einer lodernden Flamme der Schuld auf und strahlte in seinem ganzen Körper aus… sein Hals zog sich zusammen und wurde staubtrocken. Wie hatte er das alles nur zulassen können? Konnte man das überhaupt wieder gutmachen? Konnte er diese Schuld begleichen? Und als dieser schreckliche Moment vorbei war, der sich für Tom selber wie eine halbe Ewigkeit anfühlte, tauchte Bill wieder auf, schnappte nach Luft und schrie. »Tommy!« Dieser panische Schrei und die Verzweiflung die in seiner Stimme lag, brachten seinen Körper endlich dazu zu reagieren. Ohne darüber nachzudenken warf er seine Hoddie, sein Cap und sein Stirnband noch im Laufen ab, am Beckenrand angekommen, schlüpfte er aus seiner Hose und seinen Schuhe und sprang in das chlorhaltige Nass. Er kam nur wenig später bei den Schwarzhaarigen an, der immer noch wie wild um sich schlug, in dem Versuch sich irgendwie über Wasser zu halten. Die Panik schien ihn völlig einzunehmen… er war nicht mehr in der Lage realistisch zu denken, denn eigentlich hätte er nur wenige Meter geradeaus paddeln müssen um an den Rand zu kommen. »Bill… Bill ruhig, hey, beruhig dich…« versuchte er näher an den Schwarzhaarigen heranzukommen ohne geschlagen zu werden. »Ich bin hier… dir kann nichts passieren Billy.« Ehe er sich versah, hatte er einen schreienden Bill am Hals, der ihn mit sich auf den Beckenrand zu ziehen schien. Mit Mühe und Not, befreite er sich leicht aus dem Klammergriff und drehte den Anderen sanft in seine Armen um. »Lass dich treiben, auf den Rücken und den Kopf nach oben. Ich halte dich…« »Lass mich nicht los!« Die Panik in seiner Stimme tat dem Hopper schon fast körperlich weh. »Nein, niemals.« sagte er und wunderte sich über die Ernsthaftigkeit seiner Worte. Er sprach ruhig in Bills Ohr, der sich tatsächlich entspannte und treiben ließ. »Ich halte dich fest, vertrau mir…! Genauso... ich bring dich zurück…« »Tommy…« wimmerte der Schwarzhaarige. »Ich bin hier.« Wie hatte er diesen Menschen nur so sehr verletzten können? Warum hatte er nicht besser nachgedacht? Er war beeindruckt von dem grenzenlosen Vertrauen was Bill ihm gegenüber zeigte; denn er ließ sich ohne Gegenwehr mitziehen und versuchte sein Gesicht über Wasser zu halten. Langsam steuerte er den abgesenkten Beckenrand an und hielt sich schließlich daran fest. »Wir sind da… komm hoch…« Ohne Wiederworte ließ er sich von dem Hopper auf den sicheren Boden setzen und brach dann zitternd zusammen. Weinend und hustend schlang er seine Arme um den zitternden Oberkörper. In Tom zog sich bei diesem Anblick alles zusammen. Er sammelte seine Sachen zusammen und zog sich wieder an, dass seine Hose jetzt auch nass wurde, war ihm scheißegal. Als er fertig war, schlang er seine Hoddie um Bill und zog ihn sanft in seine Arme. »Komm… ich bring dich nachhause. Wenn du - « »WAS MACHT IHR DENN HIER?« Beide zuckten zusammen, als plötzlich ein älterer Mann in die Halle stürmte. Der Hopper drehte sich fassungslos um. Da ertrank hier fast jemand und dieser Idiot bemerkte das erst jetzt? Ganz toll. »Entschuldigung. Wir sind gleich weg…« versuchte er trotz seines Zorns höflich zu sein. »Ihr wolltet wohl am Samstag kostenlos baden, he?« Das reichte. »Geht sie doch nichts an, was wir hier wollten, ey!« Er wand sich an Bill. »Kannst du aufstehen?« Der Schwarzhaarige hatte sich bei dem plötzlichen Auftauchen schwach an ihn geklammert und schüttelte jetzt den Kopf. Ohne weiter darüber nachzudenken, nahm er den Anderen auf den Arm und ging auf den Ausgang zu. »Was fällt dir ein du Bengel?! Ich bin schließlich hier verantwortlich! Bleib sofort stehen!« Ach, dann mach deine Augen auf, wenn du schon hier rumsitzt! »Laber mich nicht zu.« sagte Tom nur und ging weiter. Er sah gar nicht ein stehenzubleiben. Bill brauchte unbedingt sein Bett und vielleicht eine heiße Dusche. Tom trug seinen Freund den ganzen Weg zurück. Doch das machte ihm nichts aus… irgendwie fand er es gerecht. Bill hing kraftlos in seinen Armen und ließ alles mit sich geschehen. Fast so, als wäre alle Energie aus ihm herausgeflossen. Genau deswegen ging der Hopper nicht zurück zu sich nach Hause sondern zum Haus von Beate und Bill. Auch weil es sicherlich nicht unbedingt toll wäre, wenn dieser und Jenny sich heute noch einmal sahen, ehe sie das geklärt hatte. Als er am violetten Haus angekommen war, klingelte er und wartete. Als die Blonde öffnete, ging er einfach an ihr vorbei. »Oh Gott, was ist denn passiert?« »Erklär ich dir gleich… Moment…« Er ging die Treppe hinauf und setzte den Schwarzhaarigen schließlich auf seinem Bett ab. Seine Muskeln in den Armen schmerzten und zogen, aber das fühlte sich richtig an. »Komm zieh dich um, ja? Dir ist sicherlich kalt… wenn du willst kannst du auch duschen gehen, okay? Ich warte unten…, dann reden wir.« Bill sah ihn nur stumm an. In seinen Augen konnte man nichts Genaues erkennen. »Bill?« Er ging einen Schritt auf den Angesprochenen zu und zog an seinem T – Shirt. »Du musst aus den Klamotten raus, los doch… sonst holst du dir den Tod!« Er entwand sich den Griff des Dreadheads und sah ihn mit einem undefinierbaren Blick an, ehe er ins Bad flüchtete und die Tür verschloss. Tom seufzte. Das wieder aus der Welt zu schaffen, würde schwerer werden als die Durchquerung der Himmelspforte, da war er sich plötzlich sicher. Er verließ das Zimmer, redete kurz mit Beate über die Geschehnisse des Morgens und ging dann zurück zu sich. Dort zog er sich frische Sachen an und bat seine Mutter heute mit Sam Gassi zu gehen. Jenny war bereits gegangen. Aber das war auch besser so. Als er fertig umgezogen war, ging er zurück. Beate erwartete ihn bereits und gemeinsam machten sie Tee. »Willst du es gleich klären?« »Ich habe wohl keine Wahl…« seufzte er und rieb sich über die Stirn. »Bist du hier?« »Jederzeit rufbereit, wenn du mich brauchst.« »Danke Bea.« »Nicht dafür… ach und Tom? Sage nichts was du nicht so meinst… wenn du dir nicht sicher bist, lass es lieber. Nicht in seinem jetzigen Zustand.« »Okay.« Als er mit dem Tablett zurück ins Zimmer kam, saß Bill auf dem Bett. Seine Haare schimmerten feucht und er trug nur eine Boxer und ein T – Shirt. Allein der Anblick von seinen nackten, langen Beinen, löste Gefühle in Tom aus, die er nicht genauer definieren wollte. Er stellte das Tablett mit den Tassen und der Kanne auf den Tisch und ging langsam auf den anderen zu. »Hey, so erkältest du dich doch auch… deck dich wenigstens zu.« Bill sah zu ihm auf und deutete dann zittrig auf die Tür. »Ich soll gehen?« Ein heftiges Nicken war die Antwort. »Aber wir müssen darüber reden!« protestierte Tom und fühlte sich schlecht. Der Schwarzhaarige schloss die Augen und deutete noch einmal demonstrativ auf die Tür. Seine Hand zitterte nun noch stärker. »Bill hör mir nur kurz zu,… es tut mir so leid!« sagte er schnell und ging noch einen Schritt auf ihn zu. »Es war wirklich nicht so, wie es aussah! Wir haben einen DVD Abend gemacht und Jenny ist eingeschlafen… ich wollte sie nicht auf der Couch schlafen lassen, aber da ist nichts passiert… wirklich! Wir hatten sogar zwei Decken.« Das hörte sich noch lächerlicher an, als es war. Eigentlich hätte das nie passieren dürfen. Als sich die haselnussbraunen Augen wieder öffneten, schwammen sie in Tränen. »Es… es tut mir Leid das du das sehen musstest.« meinte er und strich eine Träne von der Wange des Schwarzhaarigen, die langsam nach unten floss. »Aber Jenny ist nur eine Freundin… sie… sie…- ich…« Tom biss sich kurz auf die Lippen und wog seine Worte ab. »Sie löst einfach nicht die gleichen Gefühle in mir aus wie du, weißt?« Bill sah ihn zweifelnd an. Er bewegte sich kein Stück als der Hopper sich langsam vorbeugte. »Bitte glaub mir das… und hör auf zu weinen. Ich ertrag das nicht.« flüsterte der Blonde leise und legte dann die Lippen auf den weichen Mund von Bill. Wieder stoben diese nervigen Schmetterlinge in seinen Magen hoch und brachten seinen ganzen Körper zum Kribbeln. Der Hopper ließ sich neben den Schwarzhaarigen aufs Bett fallen und schloss seine Arme fest um ihn. Zusammen sanken sie langsam nach hinten in die Kissen ohne sich zu trennen.... und dann bewegten sich die anderen Lippen gegen seine. Verzeih mir, verzeih mir, verzeih mir... Doch Tom sprach die Worte nicht aus. Nicht nur weil er gerade viel zu sehr beschäftigt mit ihren Kuss war, sondern auch weil er Angst hatte, dass der Andere ´Nein´ sagen könnte… Also begnügte er sich damit, diesen zerbrechlichen Körper an sich zu drücken, und Bill so viel Trost wie möglich zu spenden. Er hatte den anderen Jungen auf seinen Schoß gezogen. Seine Handfläche beschrieb beruhigende Kreise auf dem schmalen Rücken. Nach einiger Zeit konnte der Hopper spüren wie der Andere anfing, sich zu entspannen. Der Schwarzhaarige wurde ganz weich in seinen Armen und verbarg das Gesicht an seine Brust, als sie eine kurze Atempause einlegten. Toms Herz machte einen Sprung, als der Andere ebenfalls zögerlich einen Arm um seine Taille legte… er umarmte ihn tatsächlich zurück! Und dann war da warmer, süßer Atem an seiner Wange...weiche Lippen, die sich schüchtern an seine drückten... der Dreadhead hatte genau dieses Gefühl, das man bekommt, wenn ein seltener Schmetterling sich unerwartet auf eine ausgestreckte Hand niedergelassen hat. Wenn man weiß, dass er bei der kleinsten falschen Bewegung wieder wegfliegen würde. Er rührte sich nicht, obwohl in seinem Inneren ein Orkan tobte. Er befürchtete, diesen Moment zu zerstören, oder den anderen Jungen zu erschrecken. Wahrscheinlich würde er es sich anders überlegen, sobald Tom den Kuss erwiderte. Lange, schwarze mit Mascara belegte Wimpern hoben sich und Bill sah ihn verletzt an. »Willst du mich doch nicht?«, fragte er leise und niedergeschlagen. »Wie...? Doch... ja... Himmel, ey! Komm her...« »Küss mich endlich richtig.« Diese unglaublichen Lippen nahmen seine wieder gefangen. Dieses Mal ließ der Blonde sich nicht mehr lange einladen. Bereitwillig öffnete er den Mund und ließ Bills verlangende Zunge ein, massierte sie sanft mit seiner eigenen... Verdammt! Wenn Perfektion existierte, dann war das Perfektion. Er war sicher gerade gestorben und unverdienterweise ins Paradies gelangt. So zumindest fühlte sich das an. Der Schwarzhaarige schmeckte so gut, so unglaublich gut, sein Mund war fiebrig-heiß... Er wollte dass es nie endete... nie...! Tom schwebte bereits auf Wolke Sieben. Auch wenn das kitschig und abgedroschen war, so fühlte es sich an. So wie fliegen… Erst hatte er befürchtet, eine Grenze überschritten zu haben, als Bill seinen Kuss gar nicht erwidert hatte. Doch all das war jetzt egal. Der schwarzhaarige Junge küsste ihn immer leidenschaftlicher, schob die Zunge tief in seinen Mund, leise stöhnend. Dann mussten sie sich aufgrund des akuten Atemmangels trennen. »So habe ich mir einen richtigen Kuss mit dir immer vorgestellt…« murmelte Bill scheu, als Toms Lippen sich von seinen lösten. Dieses Geständnis war mehr als nur süß…- Auch wenn das Wort keine passende Beschreibung für ein männliches Wesen war, doch so wie der Andere ihn gerade anschaute, was das das einzige, was ihm einfiel. »Ach und alle anderen Küsse mit mir waren unrichtig?« »Nein…ich… der war einfach schöner. Ich will noch einen…« »Später. « flüsterte Tom atemlos. Alleine die Tatsache, dass der Andere redete, war wundervoll, doch dass er hier bei ihm im Arm lag, war noch viel wundervoller. Nach einem erneuten leidenschaftlichen doch recht zärtlichen Kuss, schien alles in den Hopper Kopf zu stehen. Er unterbrach den Kuss und legte den Kopf in den Nacken, schwer atmend, mit geschlossenen Augen und schief hängendem Cap. Und Bill lag eingekuschelt in seinen Armen, den Kopf behaglich in Toms Armbeuge gebettet. Er stellte sich die Frage, welche Menge an Glück er auf einmal ertragen konnte, bevor er endgültig kollabierte und spürte wie der Andere ihn sanft das Cappy vom Kopf zog. Er blickte hinunter zu seinem Freund, der ihn so verträumt ansah. Okay… das lief so mal gar nicht nach Plan. »Was machst du nur mit mir?« fragte der Blonde seufzend und ließ sich erneut küssen. Während der Andere ihm sanft an seinem Unterlippenpiercing zog, machten sich seine Hände selbstständig, ohne dass er darüber nachdenken musste. Er schob Bills T-Shirt hoch und der Schwarzhaarige hob gehorsam die Arme um ihm zu helfen. Er fing an, die flache Brust zu streicheln und zu massieren. Der Hopper ließ seinen Mund den Händen folgen und küsste sich an der eleganter Halslinie entlang, dann weiter nach unten, er ließ seine Zunge weich über blasse Haut gleiten, die nur darauf wartete, liebkost zu werden. Es war vollkommen anders als mit allen Mädchen, die er bisher gehabt hatte… Nicht nur das Bill keine Brüste hatte, es fühlte sich auch anders an...süß... irgendwie. Oh, Himmel, dieser Kerl schmeckte wahrhaftig süß! Seine Gefühle spielten verrückt und plötzlich begriff er, dass es nicht daran lag, dass Bill ein Mann war, sondern das er einfach Bill war. »Mmmhh... ich könnte dich fressen...« murmelte der Blonde und biss leicht in die Schulter des Anderen. Wie warmer Sommerregen rieselte das leises Flehen von dem Schwarzhaarigen auf ihn herab... diese Stimme…es berauschte ihn, seinen Namen von diesen Lippen zu hören... aber aus freiem Willen ausgesprochen... Bill wand sich in seinen Armen und hob ihm verlangend die Hüften entgegen. Aber der Hopper wiederstand der Versuchung und pinnte sie mit seinen Händen zurück auf die Matratze. Auch aus Angst. Er fühlte sich so schrecklich unerfahren, auch wenn er diese Schmutzstreifen von diesen Männern gesehen hatte und auch wenn das meiste quasi von allein passierte… Er war noch nicht bereit für den nächsten Schritt. Der Schwarzhaarige unter ihm erschauerte und zitterte, als Tom seine Brustwarze vorsichtig zwischen den Fingern rollte. Die Lippen schließlich an Severus’ Ohrmuschel, zwickte er sanft hinein. »Aaahh... Tommy... bitte...« seufzte er und jagte dem Dreadhead damit einen Schauer über den Rücken. Wieso störte es ihn nur so wenig, wenn Bill ihn so nannte? Selbst in einer solchen Situation? Der Hopper ließ seinen Blick an der schlanker Taille hinabwandern und schließlich über die in der Hose deutlich sichtbaren Ausbuchtung. Hatte es dort unter dem schwarzen Stoff gezuckt? War Bill etwa schon so nah dran, bevor Tom überhaupt richtig angefangen hatte? Auch wenn dieser Anblick durchaus gewöhnungsbedürftig war, musste er schmunzeln. Stille Wasser waren bekanntlich tief. Er kniff dieses Mal mit beiden Händen und etwas fester zu. Ja, er hatte sich nicht geirrt... Bill war absolut erregt. Tom war von dem Anblick des erregten, stöhnenden Jungen hingerissen, ohne die Augen von ihm abzuwenden, massierte er die kleinen Brustwarzen und jedes Mal, wenn er sie fest zwischen Daumen und Zeigefinger drückte, zuckte Bills Erektion unter der Stofflage. Er stand nicht auf Jungen, da war er sich sicher, doch dafür stand er umso mehr auf Bill-… Trotzdem fühlte es sich komisch an, dass so zuzugeben, auch wenn es erst einmal nur vor sich selber war. War er nun schwul? Oder bi? »Tom! Bitte fass mich an, BITTE!« beschwor ihn Bill, als seine Berührungen aufhörten und hob abermals sein Becken. » Aber das tue ich doch...« hauchte ihm der Blonde lächelnd ins Ohr. Er küsste das kleine Ohrläppchen hauchte hinein, sich der Wirkung durchaus bewusst. Und dann ließ Tom von dem Schwarzhaarigen ab und betrachtete ihn trunken. Die halb geöffneten Augen, die geröteten Lippen und die gut durchbluteten Wangen, die nackte Brust die sich unregelmäßig und schnell hob und senkte… Das alles nahm er in sich auf und versuchte seine Gefühle soweit zu sortieren, dass er den Überblick nicht verlor. Bill nutzte diese Augenblicke Ruhe um sich zu fassen und soweit auf ihn zu rollen um ihn stürmisch zu küssen. Er schob schüchtern seine Hände unter das T – Shirt des Hoppers und streichelte über die nackte Haut. Etwas das bei dem Blonden kleine Herdbrände auf der geliebkosten Haut entfachte. Das Kribbeln in seinen Magen nahm zu und schien sich überall hin auszubreiten. Vor allem in unteren Regionen seines Körpers. Die Hände wanderten tiefer und streiften die Mitte seiner Hose. »Nein...« »Warum nicht?« fragte Bill verletzt. »Weil... äh... ich ,…- ich kann das jetzt nicht…« erwiderte Tom, seine Stimme eindeutig erregt bebend. Es erschreckte ihn selbst, wie weit Bill ihn durch so eine simple Berührung getrieben hatte. Er war schon von den wenigen Berührungen so erregt, wie bei den meisten Liebschaften kurz vor dem Höhepunkt. Schon krank irgendwie… »Aber… bitte, ich kann das nicht mehr… ich lie -« Der Hopper unterbrach den Schwarzhaarigen mit einem weiteren Kuss. Er wollte das nicht hören… Der Andere erwiderte diesen, schickte seine Hände aber wieder auf Wanderschaft unter das XXL T – Shirt. Tom seufzte in den Kuss und versuchte erneut die Hände einzufangen, die ihn so zögernd aber zielstrebig verwöhnten. »Bitte… hör auf…« »Aber ich will dich anfassen… bitte…« »Bill…« »Bitte… weis mich nicht ab…« flehte er und drückte sich näher an ihm. Der Blonde schloss ergeben die Augen und keuchte auf, als die Finger seine Brustwarze striffen. Noch nie hatte er so etwas Intensives gefühlt. Sein rationaler Verstand schaltete sich mit jedem weiteren leidenschaftlichen Kuss und mit jeder neuen Berührung dieser Hände weiter ab. Er ließ sich nun auch willenlos das T – Shirt über den Kopf ziehen und stöhnte rau, als eine der feingliedrigen Hände, wieder seine Mitte fand. Dieser Kerl war unfassbar! Irgendwann trugen Beide nichts mehr außer ihrer Boxershort und dann spürte er den anderen Körper an seinem, der sich ihm entgegen bewegte. Tom kam Bill nur allzu bereitwillig entgegen, ehe Sterne vor seine Augen explodierten und er einen noch nie vorher gekannten Höhepunkt erlebte. Schwer atmend und völlig kraftlos blieben sie einfach weiter dicht aneinander gedrückt liegen. Der Hopper wusste nicht mehr genau, wie lange er in den Schlaf abgedriftet war. Als sie wieder erwachten gingen sie nacheinander duschen und kuschelten sich dann wieder zusammen um Fernsehen zu schauen. Bill schien immer noch mehr als liebesbedürftig zu sein. Er schmuste sich in seine Arme und schien ihn gar nicht mehr loslassen zu wollen. Tom blieb den ganzen Samstag bei dem Schwarzhaarigen, doch sie sprachen nicht mehr viel miteinander. Jeder der Beiden hing seinen eigenen Gedanken nach … Und während sie die meiste Zeit so aneinandergeschmiegt dalagen und Beate ab und an mal nach ihnen sah und ihn Essen und weiteres Trinken brachte, kreisten mehr als tausend Gedanken in Toms Kopf herum. Kapitel 16: vermutend --------------------- Am Sonntagmorgen stieg der blonde Hopper vorsichtig aus dem Bett um den Schwarzhaarigen, der noch tief und fest schlief, nicht zu wecken. Noch immer herrschte in seinem Kopf absolutes Chaos, dass er aber erst einmal zur Seite drängte. Nur mit T – Shirt und Boxer begleitet, tapste er in die Küche wo er Beate antraf. Sie hatte die Zeitung vor sich ausgebreitet und trank eine Tasse Kaffee. »Morgen.« »Guten Morgen, Tom.« begrüßte sie ihn und stand auf um auch ihm eine Tasse zu holen. Nur Augenblicke später stellte sie vor ihm auf dem Tisch eine dampfende Tasse ab. Der Angesprochene ließ sich auf den freien Stuhl ihr gegenüber fallen und vergrub sein Gesicht in den Händen. »Wie ist es gestern noch gelaufen?« War ja klar, dass sie das wissen wollte. »Anders als gedacht…« »Aha?« »Ja,… ich -… wir…« »Schon gut! Ich glaube das ist nicht für Mutterohren bestimmt!« lachte Beate befreit und nahm noch einen Schluck Kaffee. »Es freut mich, dass er es dir endlich gesagt hat.« »Wir haben nicht geredet… wir haben… wir hatten einfach keine Zeit dazu.« stellte er die Fakten klar und wurde um wenige Nuancen röter. Irgendwie war das peinlich, aber komischerweise fiel es ihm leichter mit Beate darüber zu reden, als mit seiner eigenen Mutter. »Das heißt ihr habt nicht miteinander geredet?« »Nein… also nicht wirklich…« »Das ist aber wichtig, Tom!« »Ich weiß… ich…« Er atmete einmal tief durch. Wenn er nun schon einmal bei der Wahrheit war, konnte er auch alles sagen. »Ich habe Angst, Bea…« »Angst?« »Ich habe doch gesehen wie ich ihn verletzten kann… ich…- wenn er mir seine Gefühle gestehen würde, wüsste ich nicht wie ich reagieren sollte…« »Das heißt, mit anderen Worten, du hast ihn nicht sprechen lassen?« »Nicht direkt… aber…-« Beate verdrehte die Augen und Tom sah irritiert, wie sie die Zeitung wegschob und ihn dann scharf musterte. »Du bist ein guter Freund für meinen Sohn und ich mag dich wirklich sehr, aber wenn du deinen Heldenkomplex nicht bald unter Kontrolle kriegst, dann werde ich wahnsinnig sauer« informiert sie den Hopper. Dieser blickte sie verblüfft an. »Heldenkomplex?« »Du hast das Gefühl, dass du Bill wie Glas behandeln musst, weil er so zerbrechlich war, als du ihn kennen gelernt hast. Aber er ist so viel stabiler seit er dich kennt, das solltest du doch am besten wissen. Du kannst ihn nicht in Watte packen und wegstecken und jeden anfauchen, dass er ihn in Frieden lassen soll, wenn du selber eigentlich derjenige bist, der ihn viel zu vorsichtig anpackt. Du glaubst, dass er dir kaputt geht, wenn du ihn zu fest hältst, aber er wird dir auch kaputt gehen, wenn du ihn fallen lässt« sagte die Blonde ernst und ließ ihn dabei keinen Moment aus den Augen. »Sehr poetisch« nuschelte Tom und blickte in seine Tasse. Das sagte sich alles so einfach… »Du musst einfach auf dein Herz hören, wie es scheint, hat das bis jetzt am besten funktioniert, oder?« »Hm mhm…« Wenn er ehrlich war hörte sich das alles mehr als gut an… und am liebsten würde er auch all die Gedanken abstellten und sich einfach auf Bill einlassen. Doch die Angst saß in ihm fest und nagte an seinen Gedanken, wie eine Ratte am Käse. Und auch wenn er sich der Sehnsucht bewusst war, die ihn immer dann befiel wenn er den Schwarzhaarigen nicht sah, konnte er sich einfach nicht von diesem klammen Gefühl befreien. Es war alles so schrecklich kompliziert! Außerdem war da ja noch seine Heterosexualität die er - Seine Gedanken wurden je unterbrochen als der Junge den Raum betrat, den all seine Gedanken galten. Bill sah noch ziemlich verschlafen aus, als er in den Raum getrottet kam. Seine schwarzen Haare waren total zerzaust und das einzige was er außer seiner Boxershorts noch trug, war Toms Hoddie, die ihm von den bloßen Schultern gerutscht war. Ein Anblick, der in Tom wieder dieses ätzende Kribbeln auslöste. »Guten Morgen, Spätzchen. Magst du einen Kaffee?« Der Angesprochene nickte und kam näher zum Tisch. »Morgen« grüßte auch der Hopper und rang den Drang nieder, den Schwarzhaarigen zu packen und besinnungslos zu küssen. »Morgen…« nuschelte Bill schüchtern und sah auf seine nackten Füße, anstatt sich zu setzen. Beate stellte die neu gefüllte Tasse auf den Tisch ab und setzte sich dann wieder hin. Ihren Blick ließ sie wieder auf die Zeitung schweifen. Noch immer stand Bill einfach da und schien mit sich zu ringen; ab und zu sah er zögernd zu Tom auf um seinen Blicken dann sofort wieder zu senken. Es dauerte eine Weile bis der Blonde begriff, was seinen Freund beschäftigte. Natürlich… Lächelnd rutschte er etwas vom Tisch weg und breitete seine Arme aus. Wie war das? Auf sein Herz hören… In null Komma nichts hatte er den Schwarzhaarigen auf seinen Schoß sitzen. Schutzbedürftig schmiegte er sich an seine Schultern und schien selig zu sein. Okay, auf sein Herz hören klappte anscheinend immer noch gut. Er küsste sanft die Lippen des anderen und gab ihm dann seine Kaffeetasse in die Hand. »Ich sollte dann bald mal rüber gehen… ich glaube, ich hab meiner Mutter noch einiges zu erklären.« seufzte er leerte seine Tasse. »Kommst du wieder?« Grinsend sah er zu seinem Freund auf. »Sicher, ich wüsste nicht was mich davon abhalten sollte…« Der Sonntag verlief ruhig. Tom schaffte es zwischen Bill und Jenny ein Gespräch in die Wege zu leiten, das die letzten Zweifel aus dem Weg räumte… wenn überhaupt noch Zweifel von Bills Seite bestanden hatten. Sie hatten zu dritt den Tag ausklingen lassen. Das Gespräch hatte ungemein geholfen und es schien nichts mehr zu geben, was zwischen ihnen stand. Es war auch irgendwie beruhigend zu wissen, das alles wieder so war, wie es sein sollte. Er hätte es nicht ertragen können, wenn Jenny und Bill sich wegen dieses Missverständnisses weiter angeschwiegen hätten. Das einzige was jetzt noch ausstand, war das Gespräch mit dem Schwarzhaarigen über das, was sie für einander waren…etwas das er so sehr fürchtete, wie nichts anderes. Und so begann die neue Woche. Diese verlief ohne weitere Vorkommnisse. Tom versuchte auf sein Herz zu hören und besuchte den Schwarzhaarigen, der für diese Woche noch freigestellt war, täglich. Auch seine Eltern schienen sich langsam wieder zu fangen. Der letzte Rückfall war Wochen her… allein das war ein Grund zu hoffen. Vielleicht wurde jetzt einfach alles ein wenig besser?! »Komm schon, Kleiner… lass ihn. Er braucht einfach etwas Zeit für sich jetzt.« Verständnisvoll und dennoch konsequent, schob Gustav Luca wieder zur Sitzecke zurück. »Aber wenn er so allein da sitzt und mit niemanden spricht, ist es doch auch scheiße…« protestierte der Blonde und ließ deprimiert den Kopf hängen, als Gustav ihn mit Nachdruck auf die Couch drückte und damit begann, nach dem schwarzen Controller der Playstation zu suchen. Während er sich auf die Knie begab und den Schrank öffnete, auf dem der Plasmafernseher thronte, seufzte er und schüttelte den Kopf. Lucas erste Amtshandlung, nachdem Tom bei ihnen in Hannover angekommen war, war simpel gewesen: Regelrecht hartnäckig versuchte er die Aufmerksamkeit des Hoppers zu gewinnen. Auch heute hatte der Blonde ihn jedoch nur mit einem müden Blick abgespeist, ehe er sich auf den Sessel gesetzt hatte, der am weitesten von der Sitzecke entfernt stand und wo er jetzt mit dem Laptop im Internet surfte. »Na, ihr zwei? Was zieht ihr denn für lange Gesichter?« Fabrizio hatte sich still und leise vor ihnen aufgebaut und musterte sowohl Gustav, als auch Luca mit seinem südländischen Casanova-Blick. »Ich soll Tom in Ruhe lassen, meint Gustav…« Lucas Gemurmel klang bedrückt. »Ja? Sollst du das? Warum denn?« erkundigte sich Fabrizio und starrte Gustav mit erhobenen Augenbrauen fragend ins Gesicht. »Sieht man doch, dass er seine Ruhe haben will, ey…« erklärte sich der Ältere von ihnen und ächzte leise, als er sich vom Boden erhob. Endlich hatte er den Controller gefunden. Wieso musste ihn Georg auch immer derart tief in den unteren Schränken deponieren?! Das war doch pure Absicht! »Ja schon…« murmelte Fabrizio und warf einen kurzen Blick zu dem Hopper. »Aber du weißt so gut wie ich, dass er meistens nur Ablenkung braucht, wenn er so drauf ist. Also lass den Kleinen doch.« Gustav verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln, als er Luca das kleine Gerät in die Hand drückte und den Fernseher so einstellte, dass sich das Menü der Konsole auf dem Bildschirm abzeichnete. »Lieber nicht.« Gustav senkte seine Stimme, als er weitersprach. »Du weißt genauso gut wie ich, dass das Verhalten von Tom nicht normal ist! Sicher hat er manchmal seine Durchhänger… aber nicht so! Und nicht, wenn er uns besucht! Da muss etwas anderes dahinter stecken! Was ernstes.« Fabrizio gluckste und wuschelte den Dunkelblonden dann durch seine kurzen Haare. »Hör auf damit!« zischte Gustav jedoch selbst halb grinsend und schlug dem Andere die Hand herunter. »Alber hier nicht rum, sondern schau lieber ob du an ihn rankommst.« »Rankommen? Soll ich mich an ihn ranmachen oder was?« witzelte der Südländer. »Kannst es ja mal versuchen…« Das brachte alle Drei zum Lachen. »Na dann wollen wir mal…« sagte Fabrizio und drehte sich zu Tom um. Sichtlich gelöster ließ er sich neben Luca auf die Couch sinken und sah eine Weile dabei zu, wie der Kleine virtuelle und halsbrecherische Aktionen mit seiner Spielfigur ausführte. Als er nach einiger Zeit das Öffnen der Tür zu seiner rechten bemerkte, wandte er interessiert den Kopf und lächelte, als er Larissa und Georg eintreten sah. »Hey, ihr Beiden!« begrüßte er das Pärchen und freute sich, als Larissa ihm ein breites Lächeln schenkte. Auch Georg grinste breit. »Na wie stets…?« »Genauso wie vor ner halben Stunde auch schon.« Georg schien ihn sofort zu verstehen, denn seine Augen huschten sofort zu Tom. Und auch in seinem Gesicht zeichnete sich deutliche Sorge ab. » Hey, Gustav… Luca! Darf ich mitspielen!?« »Klar… setz dich.« Sofort ließ sich die Rothaarige neben die beiden Jungen fallen und schnappte sich den dritten und letzten Controller. »Mach dich bereit zu verlieren, Lissa!« »Ha! Noch seid ihr siegessicher…« Gustav startete das Spiel erneut und alle drei klickten wie verrückt auf den kleinen schwarzen Bedienungen herum. »Mensch, du machst das völlig falsch, Lis!« brach es irgendwann aus Georg heraus, der bis jetzt still neben seiner neuen Freundin gesessen hatte. »Gib mal her!« Ohne weiter zu warten, entwand er dem Mädchen den Controller. »Hör auf damit! Ich bin kein Kleinkind mehr!« maulte sie errötend als Luca sie dabei beobachtete und leise lachte. »Dann hör auf, dich wie eines zu benehmen!« Kontra bietend streckte Larissa ihm dreist die Zunge raus. »Siehst du…« seufzte der Braunhaarige theatralisch und gab seiner Freundin nur Momente später einen strafenden Klaps auf den Kopf. »Aua! … Blödmann!« »Das meine ich!« Lucas Lachen wurde lauter und holte beide in die Realität zurück. »Ihr zwei führt euch auf wie ein altes Ehepaar!« kicherte er, ungeachtet dessen, dass seine Figur aus lauter Unachtsamkeit gerade von einem Pfeil in die Brust getroffen wurde. Und auch Gustav grinste breit. Fabrizio schmunzelte, als er die neckischen Streitereien des frisch verliebten Pärchens vernahm, welche von Lucas glockenhellem Lachen begleitet wurden. Wie schön es war, dass wieder alle aus ihrer Clique hier zusammen saßen. Jetzt galt es nur noch den Neuankömmling wieder in die Gruppe zu holen. »Hey…« Tom sah auf und lächelte schief. »Hi, Fabi…« »Was gehten bei dir, alter?« »Nichts, siehst du doch…« Der Italiener hob eine Augenbraue und lehnte sich an das Fensterbrett. »Ach was? Also bilden wir uns alle nur ein das du komisch drauf bist?« Nun seufzte der Dreadhead und sah zu seinem ehemaligen Schulfreund auf. »Es würde eh nichts bringen es euch zu erklären.« »Wie kommst du darauf?« »Das weiß ich einfach.« »Wie kannst du etwas wissen, was du noch nicht mal probiert hast?« »Weil ich euch kenne und ihr…- vergiss es einfach, okay?!« »Wie du meinst.« meinte der Dunkelhaarige Schulter zuckend. »Aber hör auf so ein Gesicht zu ziehen, ey. Wenn du schlecht drauf bist, dann brauchst du uns auch nicht besuchen! Ich weiß nicht wie es dir geht, aber wir haben uns auf das gemeinsame Wochenende gefreut, alter!« Irgendwie musste er dem Anderen da ja Recht geben. Zum Grübeln und Trübsal blasen konnte er auch zuhause bleiben und sich einschließen. »Hast ja Recht…« »So kenn ich dich, Master T.!« grinste Fabrizio frech und bot ihm seine Hand an. Tom schlug ein und ließ sich aus dem Sessel ziehen, nachdem er den Laptop neben sich auf den Tisch abgestellt hatte. »Also was machen wir?« »Erst mal zocken und danach könnten wir was trinken gehen…« »Hört sich gut an.« meinte Tom und ging mit dem Südländern zurück zu seinen Freunden. Er würde es ihnen schon noch sagen… Irgendwann. Aber nicht jetzt… nicht wenn er sich selber noch nicht sicher war, wie es weitergehen sollte. Auch weil er die Reaktionen der Anderen so gar nicht einschätzen konnte. Wie würden sie reagieren wenn er ihnen eröffnete, dass er sich in einen Jungen verliebt hatte? …- Er der so mit seinen Frauengeschichten geprahlt hatte. Der Blonde konnte es ja selber kaum glauben. Scheiße! Nach diesem Wochenende, war es fast eine Wohltat am Sonntagnachmittag wieder nach Loitsche zurückzukommen. Auch wenn er es niemals zugeben würde, er hatte sich schon viel zu sehr an dieses Dorf gewöhnt… an all die Menschen hier und vor allem an einen. Es wunderte ihn nicht, dass Bill bereits im Park auf ihn wartete. Anscheinend hatte er genau gewusst, dass er es sich nicht nehmen ließ nach seiner Abwesenheit eine lange Runde mit Sam zu drehen. Sofort hatte er den Anderen um den Hals hängen und musste lachen. »Ja, ich hab dich auch vermisst…« Und zu seiner Verwunderung stimmte dieser Satz auch. Der Hopper bekam einen innigen Kuss geschenkt und das Strahlen, das auf dem Gesicht des anderen lag, brachte die Schmetterlinge in seinem Bauch wieder zum Fliegen. Man sollte ja meinen, dass dieses Gefühl irgendwann schwächer wurde, doch Fehlanzeige. Es schien mit jedem Mal, wo er den Schwarzhaarigen sah, stärker zu werden! Langsam hatten die Viecher sicher der Größe von Flugsauriern erreicht… Jedenfalls fühlte es sich so an. Vorsichtig strich er eine der Strähnen aus dem schönen Gesicht seines Freundes. »Es ist schön wieder hier zu sein…« Diese Worte waren einfach aus seinem Mund gepurzelt, ehe er genauer über sie nachdenken konnte. »Es ist schön, dass du wieder hier bist…« Noch einmal küssten sie sich, bis ihnen die Luft zum Atmen fehlte und gingen dann gemeinsam zurück zu ihrer Straße. »Du gehst diese Woche wieder in die Schule, oder?« »Ja.« »Was denkst du?« »Ich hab Angst.« »Das brauchst du nicht… schließlich hast du Jenny und mich.« lächelte Tom und nahm die Hand des Anderen in seine. »Eigentlich hat sich ja nichts verändert, oder?« »Schon… aber…« »Denk nicht so viel darüber nach. Das ist absolut tödlich…« Bill seufzte kellertief. »Du hast ja recht…« sagte er leise. Als sie an dem Haus der Familie Trümper angekommen waren, umarmte er Bill noch einmal und gab ihn einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. »Bis morgen.« »Ja… guten Nacht.« »Dir auch…« Am Montagmorgen ging der graue Schulalltag wieder von vorne los. Müde quälte sich der Blonde aus dem Bett, machte sich fertig und stürzte seinen Tee hinunter. Dann ging er mit einem Gruß aus dem Haus. Auf dem Schulweg beschlossen Jenny, Bill und er sich so zu verhalten wie immer. Keiner sollte etwas von den Gefühlen erfahren, die sich zwischen Tom und den Schwarzhaarigen entwickelt hatten. Viel zu groß war das Risiko, dass die anderen dieses Wissen nutzten um Bill zu schaden. Auch wenn sie es noch nicht ausgesprochen hatten, war allen Drein klar, dass es da etwas gab… etwas, was sowohl Bill als auch Tom fühlten. Je näher sie dem Schulhaus kamen, desto stiller wurde Bill. Aber der Dreadhead schob das eher auf die Nervosität als auf irgendetwas anderes. Wie sehr er sich täuschte, merkte er jedoch zu spät… Kapitel 17: sehend ------------------ ► Ich weiß das ich eine Woche zu spät bin...- verzeiht. Und der Grund ist der gleiche wie immer - das Leben! Aber heute geht es weiter und ich wünsche viel Spaß beim Lesen.^^ Liederlinks: 1. http://www.youtube.com/watch?v=Uw7m-xyojS0 2. http://www.youtube.com/watch?v=Xyi1l1F5uXM _____ Tom bekam von Bills Verhalten im weiteren Verlauf des Tages nicht mehr viel mit. Dazu war er selbst viel zu beschäftigt mit seinen „Fans“. In seiner Klasse erfreute er sich nun einer großen Beliebtheit; egal bei welchem Geschlecht. Eine Tatsache die Segen und Fluch zugleich war…- Zwar konnte er sich jetzt mehr erlauben als noch vor zwei Monaten und wusste das auch auszunutzen, doch gab es keine Zeit in der Schule mehr, die er für sich war. Nicht einmal mehr auf dem Klo hatte er seine Ruhe. Und das nervte ihn extrem. Auch wenn er einigen schon klar seine Grenzen aufgezeigt hatte, kamen Andere und übertraten diese wieder. Doch eigentlich durfte er sich nicht beschweren, denn das war es was er sich die ersten Tage hier so sehnlich gewünscht hatte… Deswegen versuchte er so nett wie möglich zu den Mitschülern zu sein, die ihn quasi anhimmelten, auch wenn er in Gedanken die Augen verdrehte. Das was merklich schlecht lief, war die Tatsache, dass er nicht mehr dazu kam mit Jenny und Bill seine Mittagspause zu verbringen. Meist fingen ihn die Mädchen seiner Klasse schon vorher ab, oder er kam bis an den Tisch, wurde aber auch da dann nicht in Ruhe gelassen. Jenny hatte dies schon weites gehend akzeptiert und beobachtete das alles sichtlich amüsiert. Einmal hatte sie eines der unzähligen, namenlosen Mädchen (-natürlich teilten sie ihm ihre Namen mit, doch das waren Infos die er meistens nur eine Minute behielt-)gefragt ob sie sich erinnerte wann Tom an die Schule gekommen war. Die Gefragte hatte mit ´Nein´ geantwortet und das sie ihn beim Sportfest das erste Mal bemerkt hätte. Jenny hatte daraufhin nur den Kopf geschüttelt und gefragt wie oberflächlich Menschen eigentlich sein konnten. Darauf hatte sie keine Antwort bekommen. Aber die Schwarzhaarige nahm das alles relativ gelassen. Doch wie würde Bill das sehen, jetzt wo er wieder mit ihnen in die Schule ging? Wie würde er darauf reagieren? In der Pause schrieb der Hopper eine kurze SMS an Jenny… nur widerwillig ging er mit den zwei Mädchen aus der parallel Klasse mit. Doch er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Solange es ihm möglich war ohne sich zu sehr zu verbiegen, wollte er seinen jetzigen Ruf hier behalten, deswegen musste er nett und geduldig bleiben! Auch wenn er eigentlich besseres zu tun hatte, als sich dieses sinnlose Gequatsche anzuhören. Aber was tat man nicht alles! Tom waren nämlich durch aus auch die Vorzüge des Beliebtseins bewusst. So verbrachte er die Pausen meistens getrennt von seinen Freunden. Der Tag zog sich hin wie ein zäher Kaugummi. Es war ihm sogar so, als würde irgendjemand permanent wieder alle Uhren zurückstellen, nur um ihn zu ärgern. Doch irgendwann war auch die letzte Stunde endlich vorbei. Entnervt packte er sein Geschichtshefter und das große Buch weg und knüllte alle vier Zettel, die er über den Unterricht bekommen hatte, und warf diese in den Papierkorb. Zügig ging er aus dem Raum um weitere aufgedrängte Gespräche zu vermeiden. Erst auf dem Schulhof konnte er wieder durchatmen. Fast geschafft! Jenny und Bill warteten bereits auf ihn. »Na du Frauenheld? Hast du auch mal wieder Zeit für uns?« »Ha… ha… ha…« meinte der Hopper gedehnt und verzog leidend das Gesicht. »Mach dich nur lustig über mein Elend, ey!« »Elend? Andere würden sich die Finger danach lecken so beliebt zu sein…!« »Wir können gerne tauschen!« »Ich sagte andere… nicht ich!« Die Beiden grinsten sich breit an und zu Dritt machten sie sich auf den Weg zurück. Schon jetzt bemerkte Tom, dass etwas mit dem Schwarzhaarigen nicht stimmte. Er war still und ungewöhnlich distanziert ihm gegenüber… Außerdem hatte er ihn nicht mal begrüßt, ja kaum beachtet! Das war mehr als untypisch und war in den letzten Wochen so gut wie nie vorgekommen. Also was war plötzlich los? Sollte er ihn darauf ansprechen? Sicher war er sich nicht… Und so verlief ihr Heimweg relativ schweigsam. Nur Jenny versuchte die Atmosphäre etwas aufzulockern. Und noch während er überlegte, wie er ein Gespräch mit Bill anfangen könnte, hatten sie das Haus der Familie Kaulitz erreicht und der Andere war wortlos in diesem verschwunden. Völlig verdattert starrte der Blonde ihm hinterher. »Was war das denn jetzt?!« Jenny seufzte und rieb sich mit der Hand über ihre Nasenwurzel. »Keine Ahnung, er war heute schon den ganzen Tag so komisch drauf!« Er hob eine Augenbraue und sah sie an. »Na ja… sonst geht er eigentlich jedem aus dem Weg und versucht relativ wenig Angriffsfläche zu bieten, aber heute hat er die Jungs echt provoziert. Er war einfach komisch. Ist bei euch noch etwas vorgefallen?« Provoziert?! »Nicht das ich wüsste.« Tom zuckte ratlos die Achseln. Er konnte sich ja viel vorstellen, doch das Bill irgendjemanden mutwillig provozierte sah ihm irgendwie nicht ähnlich… also wieso tat er das dann? Für einen Moment kämpfte er mit dem Drang zu kingeln und ihn zur Rede zu stellen. Dann jedoch beschloss er, dass es vielleicht besser war, wenn sich der Schwarzhaarige erst einmal abregte… Also ging er ein Stück weiter. »Dann sehen wir uns morgen, okay?« »Redest du noch mal mit ihm?« »Ja, ich versuch es.« »Okay.« Sie zog den Hopper in eine kurze Umarmung und dann trennten sich ihre Wege. Während er seine Jacke und die Schuhe auszog, nach oben ging und den Rucksack in die Ecke schmiss, beschloss er, dass er Bill nachher noch eine SMS schreiben würde. Aber zuerst wollte er mit Sam Gassi gehen. Dieser wartete schon, Schwanzwedelnd und mit der Leine im Maul, im Flur auf ihn. »Hey, mein Junge. Na?« Er erhielt ein erfreutes Bellen als er seinem Hund die Leine im Halsband verhakte und sich bequeme Turnschuhe anzuziehen. »Gehen wir heute die lange Runde?« Und wieder bellte Sam und hüpfte um den Blonden herum. »Ich werte das als ja.« schmunzelte dieser. Er war fast eine Stunde unterwegs gewesen und hatte sich gerade etwas zu Essen gemacht, als ihm sein Vorhaben wieder einfiel. Okay, jetzt konnte er sich melden ohne, dass es wie Nerven aussah. Wenn du dich wieder beruhigt hast, kannst du gern herkommen. Ich warte… tippte er in sein Handy und schickte die SMS an Bill ab. Nun blieb nur noch abzuwarten wie der andere reagierte. Tom brachte sein Geschirr vom Essen herunter, räumte ein wenig sein Zimmer auf und beschloss dann sich mal wieder seiner Gitarre zu widmen. Durch die ganze Sache mit Bill und den Kurzausflügen nach Hannover, war er in letzter Zeit kaum dazu gekommen. Er schob den Hocker vors Bett und holte das Instrument aus seiner Tasche. Als das Holz auf seinem Schenkel lag und kühl an seinem Unterarm zu spüren war, erfasste ihn eine Welle voll Inspiration. Es war ein warmes und angenehmes Gefühl, was er immer dann hatte, wenn die Gitarre auf seinen Beinen ruhte. Der Hopper blickte sich noch einmal die letzten Songs an, die er versucht hatte nachzuspielen und die teilweise auch aus seiner Feder stammten. Ihm war auch klar, dass die Musik die er hörte und die die er selber spielte unterschiedlicher nicht sein konnten. Doch das war gut so… Diese Unterschiede bestimmte sein Leben. Und diese zwei Extreme waren es nun einmal auch die ihn selbst ausmachten. Deswegen durfte das so sein. Als das Instrument gestimmt war, kramte er in seiner Gitarrentasche nach dem Kapodaster und steckte diesen auf das Griffbrett. Eigentlich arbeitete er nicht gerne mit diesem Hilfsmittel, aber es war nützlich bei Zupfstücken wie diesem. Und dann begann er nahtlos zu spielen. Seine Finger bewegten sich so flink über das Griffbrett, als hätten sie noch nie etwas anderes gemacht, während er die Melodie des Liedes zupfte, welches ihm schon den ganzen Tag im Kopf rumging. Völlig in seiner Musik gefangen, überhörte er auch die Türklingel. Umso mehr schreckte er zusammen, als es erneut klingelte und die Melodie schließlich vorbei war. Etwas konfus sprintete er die Treppe hinunter und öffnete die Tür, wo ihm im nächsten Moment auch schon Bill um den Hals fiel. »Woha! Mach mal langsam…« gluckste Tom und drückte den schmalen Körper an sich. »Sorry, ich war völlig vertieft… wartest du schon lange?« Bill schüttelte den Kopf und zog sich eilig die Schuhe aus, ehe sie zusammen hochgingen. »Alles wieder klar?« Ein Nicken. »Warum redest du dann nicht mit mir...?« »Tu ich doch…« nuschelte der Schwarzhaarige leise und krabbelte auf sein Bett. Der Blonde sah ihn skeptisch an. Irgendwas gefiel ihm hier nicht und auch wenn er noch nicht alle Eigenheiten kennen mochte, etwas kannte er den Andere schon. Und hier war etwas oberfaul. Doch ehe er noch einmal direkter nachfragen konnte, lenkte Bill ab. »Spielst du was?« »Wie jetzt?« »Ja…« Tom nickte seufzend und setzte sich wieder an den Bettrand um seine Gitarre wieder aufzunehmen. »Ich mag dir zu zuhören.« Das brachte ihn doch zum Lächeln und er spielte die Melodie von eben noch einmal. Irgendwie passte sie zu seiner Situation, fand er. Zu seiner und Bills Situation… Dieser rutschte näher heran und lehnte sich an seinen Rücken, ohne ihn zu unterbrechen. Als er zu Ende gespielt hatte, kniete sich sein Gast hinter ihn und schlang seine Arme um seinen Hals. »Spiel noch was… bitte.« Tom lachte leise. Diese Situation erinnerte ihn sehr an früher… Tobi hatte ihn oft so von hinten umarmt, während er gespielt hatte, nur hatte er sich damals dazu hinstellen müssen. Er setzte seinen Kapodaster um und begann eine weitere Melodie zu spielen, nachdem er umgeblättert hatte…- Und während er wieder immer weiter in die bunte Welt der Musik abdriftete, spürte er die Arme um seinen Hals. Der Nachmittag ging schneller vor rüber als ihm lieb war. Die Aussicht auf den morgigen Tag Schule löste einen mittelschweren Brechreiz in ihm aus… und doch beruhigte ihn die Tatsache, dass es Bill wieder einigermaßen gut zu gehen schien. Dieser war schon in der Mitte der DVD eingeschlafen, die sie sich ausgesucht hatte. Auch wenn Shutter – sie sehen dich sicher kein Film zum Schlafen war. Und trotzdem lag er nun vor ihm, den Kopf auf Toms Arm gebettet und den Anderen fest mit den seinen umschlungen. Und er wirkte zufrieden… Vielleicht sollte er den nächsten Tag ja einfach auf sich zukommen lassen? Und noch während der Schwarzhaarige selig schlief, vergrub der Hopper sein Gesicht in den Haaren des anderen und atmete tief ein. Es kribbelte überall in seinem Körper und eine ungeahnte Wärme breitete sich in ihm aus. »Was machst du bloß mit mir, Blliy?« Kapitel 18: erkundend --------------------- ► Ich wollte mich an der Stelle noch einmal, bei den Lesern bedanken die meine Story hier verfolgt haben und bei denen die mir ihr Feedback dagelassen haben. Ich freue mich sehr, dass ich euch mit der Geschichte erreichen konnte und ehrlich... ich habe nicht mit so vielen Kommis gerechnet. Danke! Das überschattet meinen Schmerz, den ich empfinde, weil ich diese wundervolle Story bald beenden muss. Sie hat mich die letzten Monate begleitet und mich aus der bösen Realität gerissen... Morgen (am Sonntag) werde ich das letzte Kapitel hochladen ): Und ich bin so gespannt auf euer Feedback... ___ Bill hielt sein Schauspiel bis Mitte der Woche durch. Dann brach die Dunkelheit aus, die sich die ganze Zeit in ihm aufgestaut hatte und die Tom in manchen Momenten bemerkt hatte. Es war ihm sowieso schleierhaft wie der Schwarzhaarige die Tage zuvor seine Gefühle so perfekt hatte vertuschen können…- »Ich weiß nicht ob das wirklich so eine gute Idee ist.« Der Blonde war nur mäßig begeistert, als ihm von seinem Chemielehrer eröffnet wurde, wer sein Partner in den nächsten Stunden sein würde. Nicht das er Probleme in diesen Fach hätte, aber er hatte Probleme mit Frauen die kein Maß kannten, nur mit der Gruppe mitliefen und das Mauerblümchen spielten. »I - ich... es tut mir Leid.« stotterte die Braunhaarige eingeschüchtert und blickte auf ihre Hände. Doch er hatte wieder dieses dumpfe Gefühl, dass das alles nur gestellt war. Woher kam das bloß? »Ich bin immer noch derjenige, der bestimmt mit wem sie zusammenarbeiten Herr Trümper und das wird nun einmal Frau Schneider sein, ob es ihnen passt oder nicht!« Der Hopper nickte und verfluchte den alten Kauz innerlich, der ihnen gerade versuchte die Chemie näher zu bringen. »Danke, wir werden sich gut mit einander auskommen, Herr Hesse.« musste seine Nachbarin nun lächeln. Wer´s glaubte! Zwar kannte er sie schon länger, doch sie war das einzige Mädchen in der Klasse das sich merkwürdig bedeckt hielt und nie mit anderen Mitschülern zusammen zu sehen war. »Sehr gut.« sagte der Lehrer nur und wandte sich von ihnen ab um auch die anderen Schüler der Klasse ihren Gruppen zu verweisen. Jetzt verschwand das Lächeln auf ihren Lippen wieder und etwas ungemein Berechnendes trat in die grünlichen Augen. Das Mädchen war ja gruslig! »Ich hoffe wir verstehen uns.« Tom seufzte. »Ja, das hoffe ich auch.« Bloß nichts anmerken lassen… Damit fuhr er in diesem Fall sicherlich am besten. Die Frage war nur wie lange das gutging. Und tatsächlich überstand er die nächste Stunde problemlos mit ihr als Partnerin… dann klingelte es zur Frühstückspause. Das Schlechte dabei war, dass er danach noch eine Stunde Chemie hatte. Was so viel bedeutete wie noch eine Stunde neben dieser merkwürdigen Racine sitzen. Ein Gedanke, der ihm eine Gänsehaut den Rücken hinunterfegte. Er verließ schnell den Klassenraum und suchte Jenny auf, die bereits mit einem Pausenbrot auf einen der riesigen Fensterbretter im Flur saß. Von Bill war keine Spur. »Hey TomTom… wasen mit dir? Du bist ja ganz blass…« Der Blonde schüttelte den Kopf und umarmte sie leicht zur Begrüßung, ehe er sich neben ihr auf das Fensterbrett zog. »Ich hab glaub ich grade die grusligste Frau gesehen, die ich je kennen gelernt habe…« »Du meinst nicht zufällig die, die dich gerade anschaut als würde sie dir die Klamotten vom Leib reißen wollen und dich hier vor allen -« »Sag es nicht.« unterbrach sie Tom und blickte zur Seite. »Und ja genau die mein ich…« »Echt krass…« meinte die Schwarzhaarige und trank ein Schluck aus ihrer Falsche, die sie danach Tom anbot. Dieser nahm sie und trank ebenfalls etwas. »Die schaut dich an wie ne Schlange irgendein Mungo oder so…« »Welch treffender Vergleich.« lachte der Hopper. »Wo ist eigentlich Bill?« »Keine Ahnung, er ist einfach so verschwunden als die Stunde vorbei war, eigentlich dachte ich er wäre bei dir…« Er hob die Augenbrauen. »Was ma-?« »TOM!« Beiden zuckten bei dem lauten Kreischen zusammen und sahen eine kleine Gruppe von Mädchen auf ihn zusteuern. Jenny verdrehte die Augen, sagte aber nichts, als die anderen bei ihnen ankamen und den Blonden sofort wieder mit Fragen bombardierten. »Ich geh mal wieder in meine Klasse, ne?« sagte sie nach einer Weile und winkte ihm zu. Manchmal wünschte er sich auch einfach so verschwinden zu können… Nach der kurzen Pause ging der Chemieunterricht weiter und er setzte sich wieder neben seine neue Partnerin. Das schwere, blumig riechende Parfüm bereitete ihn jetzt schon den Anflug von Kopfschmerzen und eigentlich hatte er wirklich keine Lust den freundlichen Kerl raushängen zu lassen. Sein Instinkt warnte ihn vor ihr… »Tue was immer ihr denkt... wenn ihr zwei Stoffe mischen wollt oder einen der Beiden erhitzen wollt, dann tut es ... ich weiß, dass ihr das richtige tut. Chemie kommt aus dem Gespür und der Experimentierfreude…« Tom hörte den geschwollenen Gerede erst gar nicht richtig zu. Für ihn war dieses Fach wie jedes andere auch und seine unliebsame Partnerin, die ihm inzwischen ziemlich auf die Pelle gerückt war, machte es nicht unbedingt besser. »Es ist soweit.« sagte sie nur wenig später, als alle der Stoffe mit denen sie Experimentieren sollten vor ihnen stand. Sie begannen mit den vorgeschriebenen Experimenten und immer wieder berührten sich fast wie versehentlich ihre Hände. Und die Braunhaarige rutschte auch immer näher an ihn heran… bald würde sie noch auf seinen Schoß sitzen. »Hältst du das wirklich für nötig?« Sie nickte. »Absolut.« Wie war das noch mal mit schüchtern? Pah! Er versuchte nicht auf die unerträgliche Nähe zu achten und machte weiter mit seinen Aufgaben. Wenn sie unbedingt wollte, würde er sie eben mit Ignoranz strafen, vielleicht raffte sie es dann ja endlich?! Große Hoffnungen hatte er zwar nicht, aber die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt… »Herr Trümper? Herr Trümper!?« wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Er wandte seine Augen von seinem Block auf seinen Lehrer. »Wie sind die Wertigkeiten der jeweils ersten Elemente?« Er deutete auf die Tafel. CH4; NH3; CO2 »Ähm...« »Die stoichiomertische Wertigkeit, Herr Trümper... das muss ihnen doch ein Begriff sein.« »Ich... also...« Auch wenn er es sich zuhause gefühlte hundert Mal angeschaut hatte, er fühlte sich ein wenig wie vor den Kopf geschlagen, denn der abrupte Absturz in die Realität machte es ihm unmöglich sachlich zu denken. »Also gut, ich sehe schon sie haben die Hausaufgaben nicht gemacht! ... beginnen wir nun mit einigen Übungen aus unserem Funktionsnbuch...« sprach Herr Hesse unmotiviert und wandte sich zur Tafel. »Mist!« fluchte Racine leise, die vorgab wild in ihrem Rucksack nach dem genannten Buch zu kramen. »Das darf doch nicht wahr sein...« Auch das nahm er ihr nicht komplett ab, doch hier meldeten sich seine guten Manieren zu Wort. Mit einem flüsterndem »Hier!« schob er sein Buch zu seiner Partnerin herüber. »Sieh mit rein.« Die Angesprochene drehte sich um und schnappte nach Luft. »Danke…« lächelte sie falsch und rückte wieder ein Stück näher. Ganz ruhig bleiben! Es brachte keinem was, wenn er sie hier jetzt vor der ganzen Klasse zusammenfaltete. Er spürte eine Hand auf seinen Oberschenkel und wischte sie unwirsch von sich hinunter. Diese kleine, verlogene…- »Schlagen sie Seite 34 auf!« Der Hopper tat das und schenkte Racine noch einen warnend Blick, ehe er sich wieder auf den Stoff im Buch konzentrierte und sich durchlas was als nächstes zu tun war. »Was sollen diese schlechten Anmachversuche?« stellte der Hopper die Braunhaarige zum Beginn der Mittagspause sofort zur Rede. »Ich weiß nicht was du meinst.« erwiderte diese unschuldig, warf ihren Hefter in die Tasche und marschierte aus dem Raum. Tom knurrte leise, griff ebenfalls nach seinem Rucksack und folgte ihr. »Warte… ich will eine Antwort! Was erhoffst du dir davon?« Er hielt sie am Arm fest und zog sie einen Schritt zurück. »Was willst du denn von mir? Ich wollte nur gut mit dir zusammenarbeiten und wir haben doch unsere eins bekommen, oder nicht?« »Das kannst du deiner Großmutter erzählen, ey!« »Wieso das denn?« fragte sie und klimperte mit ihren Wimpern und trat einen Schritt auf ihn zu. Tom zog seine Hand zurück und sah sie misstrauisch an. »Wieso bist du denn so skeptisch, Darling? Du bist einfach so umwerfend…« »Wa-« Er wurde unterbrochen, als sie ihn packte und sich mit ihm so geschickt drehte, dass sie selber nun an der Wand gelehnt stand und er halb auf sie fiel. Für ihren zierlichen Körperbau hatte sie erstaunlich viel Kraft… Und dann spürte er ihre Lippen auf seinen, die sich wild auf ihnen bewegten… so als würde sie jede Sekunde genießen wollen. Es dauerte einige Augenblicke, ehe er sich aus der Schockstarrte lösen konnte, aber da war es schon zu spät. Das kreischen, murmeln und heulen der umstehenden Mädchen drang an sein Ohr und plötzlich gab es einen Ruck und er strauchelte rückwärts in den Gang. Und dann war Jenny da, die ihn vor dem sicheren Sturz bewahrte. »Alles klar?« »Ja…- ich…« Er fand keine Worte; zu sehr saß ihm das Entsetzen noch in den Knochen. Irgendwie fühlte es sich leicht so an, als wäre er von einem Auto gerammt worden. »Ich – Bill! Nicht, lass sie – BILL!« unterbrach sich die Schwarzhaarige jäh und löste sich von seiner Seite. Er hörte einen schrillen Schrei und wand sich dem Geschehen zu, was nun im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller lag. Dort sah er Bill, der gerade auf Racine losging und plötzlich begriff er. Sicher… wie hatte er auch so blind sein können? Der Schwarzhaarige hatte das intrigante Mädchen zu Boden gerissen und war nun über ihr… immer wieder schlug er ihr ins Gesicht. Na ja… er schlug nicht wirklich, eher kratze er sie. Rote, blutige Striemen, zierten ihre Wangen. Dem Hopper klappte der Unterkiefer runter, als er das volle Ausmaß seines Versäumnisses erkannte. Wieso hatte er das nicht früher bemerkt? Inzwischen waren auch verschiedene Lehrer auf den Kampf aufmerksam geworden und kamen hinzu um die Beiden auseinander zu ziehen. Der Hopper jedoch konnte nur zusehen. Viel zu sehr darüber geschockt wie viel Kränkung und Schmerz er all die Tage übersehen hatte. Wieso war er auch so empathielos wie eine Dampfwalze? Ob das an den Genen lag? Inzwischen bemühten sich zwei Lehrer und Jenny darum Bill von Racine zu ziehen, doch sie hatten alle Hände voll damit zu tun nicht selbst von den fuchtelnden Händen erwischt zu werden. Es schien als würde der Schwarzhaarige völlig neben sich stehen. Die Braunhaarige wehrte sich zwar verhemmt, hatte aber überhaupt keine Chance gegen den völlig aufgebrachten und weggetretenen Bill. Und nach etlichen, regungslosen Augenblicken konnte Tom sich endlich wieder bewegen. Ohne zu zögern trat er auf die kämpfenden zu und packte Bill einfach an den Hüften um ihn hochzuheben. Die Ohrfeige die er bekam, steckte er wortlos weg und hob den Anderen von Racine hinunter. Als der Schwarzhaarige ihn erkannte, stellte er seine Gegenwehr sofort ein und hielt sich an den Schultern des Dreadheads fest. So konnte er seinen Freund ohne weitere Probleme aus dem Gefahrenkreis holen. »Tut mir Leid…« sagte der Blonde leise und strich ihm beruhigend über den bebenden Rücken. Wahrscheinlich hatte er diesen kleinen Denkanstoß wirklich einmal gebraucht um zu begreifen wie sehr Bill eigentlich unter der jetzigen Situation litt. Der Angesprochene antwortete ihm nicht, sondern hielt sich einfach an ihm fest, als hätte er Angst er würde gehen, wenn er losließ. Bill hatte vom Direktor einen Schulverweis für drei Tage erhalten. Etwas das Tom unendlich leidtat, weil es im entferntesten Sinne ja wirklich seine Schuld war. Wie konnte er nur so kopflos sein und wirklich glauben dem Anderen würde es nichts ausmachen ihn tagtäglich mit so vielen anderen Frauen zu sehen?! Er hatte doch schon von Anfang an gewusst, dass Bill Minderwertigkeitskomplexe und Verlustängste hatte. Warum hatte er die Katastrophe nicht schon in ihrem Ursprung erkannt? War er wirklich so blind? Den ganzen restlichen Tag quälte ihn das schlechte Gewissen. Und als er dann nach der Schule endlich bei Bill Zuhause ankam, sagte ihm schon Beates Gesichtsausdruck alles. »Bist du eigentlich komplett bescheuert?! Wie kannst du vor Bill ein anderes Mädchen küssen?!« fuhr ihn die sonst so sanftmütige Frau an. Tom wich einen Schritt zurück. »Beruhig dich, Bea… ich hab niemanden geküsst! Sie hat mich geküsst und ich war einfach nur geschockt! Ich wollte das nicht!« »Das soll ich dir jetzt glauben?!« »Ja.« Eine ganze Weile hielt er ihrem stechenden Blick aufrichtig stand und versuchte nicht auszuweichen. Schließlich nickte die Blonde. »Ich glaub dir…« Erleichtert atmete der Hopper aus. »Das heißt aber noch lange nicht, dass ich es gut heiße! Du hast damit Bill so sehr wehgetan! Reicht es nicht, dass es jetzt zum wiederholten Male passiert?! Und nur weil du dir nicht eingestehen willst, was zwischen euch ist.« Er senkte den Blick und schluckte. Natürlich hatte sie Recht. Ihn würde es auch nicht wundern, wenn Bill ihn sofort wieder nachhause schicken würde, aber er musste versuchen sich zu entschuldigen! »Darf ich hoch?« »Tu dir keinen Zwang an…« Geknickt schlich Tom die Treppe hoch und klopfte an die Zimmertür von dem Schwarzhaarigen bevor er eintrat. Bill saß auf seinem Bett und blickte auf, als er über die Schwelle trat und tat etwas mit dem er im Leben nicht gerechnet hatte. Er sprang auf und warf sich ihm um den Hals. »Hey.« meinte er heiser und fühlte sich noch schlechter, weil der Andere anscheinend kein bisschen sauer auf ihn war, obwohl er wegen dieser dummen Sache ein Verweis bekommen hatte. »Endlich bist du da…« Und dann wurde jedes weitere Wort in einem stürmischen Kuss erstickt. Der Blonde ging seufzend auf die Zärtlichkeit ein und ließ sich widerstandlos zum Bett ziehen, auf das die Beiden dann niedersanken. Dann spürte er stürmische Hände auf seinen Körper die an seinem Shirt zerrten. »Woha… mach mal langsam…« meinte er außer Atmen und fing die Hände wieder ein, die damit beschäftigt waren, sein Shirt hochzuschieben. »Aber-« »Bill!« sagte er etwas strenger und sah wie sich eine sanfte Röte auf die Wangen des Anderen legte. »Lass uns darüber reden, bevor wir wieder übereinander herfallen, okay?« Der Angesprochene setzte sich auf und knetete nervös seine blassen Finger im Schoß. Dabei gab er so ein eingeschüchtertes Bild ab, dass es dem Blonden fast schon wieder leidtat ihn so zurückgewiesen zu haben. »So wie es jetzt ist, kann es doch nicht weitergehen.« fing er an zu reden und setzte sich nun auch auf. »Ich tu dir immer wieder weh, obwohl ich das gar nicht will und das nur, weil wir bis jetzt noch nicht miteinander geredet haben…- hey, schau mich doch mal an…« Sanft dirigierte er Bills Kinn wieder nach oben und legte seine Hand dann auf dessen Wange ab. Unsichere, braune Augen starrten ihn an. »Es tut mir Leid wie es gelaufen ist, okay? Racine hat mich überrumpelt sonst wäre das nie so weit gekommen und ich wollte auch nicht, dass du wegen so einem Mist einen Schulverweis kriegst…« »Schon gut…« »Nein! Nichts ist gut. Ich hab einfach nicht gerafft was los war, bis du da auf die Alte los bist. Warum hast du nicht einfach gesagt, dass es dich stört, wenn ich mich mit den Anderen treffe?« »Ich…-« Er wand den Blick ab. »Es ist ja nicht so, dass wir zusammen sind oder so… eigentlich sollte es mir egal sein, aber - « »Das ist es nicht, hm?« Bill schüttelte heftig den Kopf und verkrampfte seine Finger wieder im Schoß. »Das ist doch okay, Billy. Du musst nur mal mit mir reden… ich bin in solchen Sachen etwas… hm… begriffsstutzig.« Darauf reagierte der Andere nicht. »Hey, verzeihst du mir?« »Sicher…wenn ich mir was wünschen darf?!« »Alles was du willst.« »Ich... würde dich so gern endlich nackt sehen, und anfassen dürfen... so ganz nackt...« Das war alles? Wie kann jemand nur so unschuldig sein? Und so wenig egoistisch? »Jetzt…« »J – ja… ich…« Der Schwarzhaarige sank in sich zusammen, an einer Falte der Bettdecke herumspielend. Es war nur ein kaum hörbares, schüchternes Flüstern gewesen. Bill hatte offenbar keine Erfahrung im Äußern von Wünschen... und nun, da er es doch, so unbeholfen, getan hatte, ließ es Tom sein Herz anschwellen. Auch wenn er wusste worauf das alles wahrscheinlich wieder hinauslaufen würde, er konnte dem Anderen diesen Wunsch einfach nicht abschlagen. »Okay.« Achselzuckend fügte er sich, und fing an, seine Kleidung abzulegen, um sie gewohnheitsgemäß unordentlich auf einen Haufen zu werfen. Er spürte die zurückhaltenden, aber doch sehr begehrenden Blicke auf seinen Körper und fühlte sich irgendwie komisch… Nicht das er sich schämt, nein, dazu hatte er auch keinen Grund; es war eher das Ungewohnte das ihn abschreckte. Denn Nacktheit bedeutete Verwundbarkeit. Verwundbarkeit deutete Vertrauen an… Er stand auf um sich die Baggys und Shorts von den Beinen zu schieben und dann stand er da wie er geschaffen wurde. Das flaue Gefühl in ihm wurde noch deutlicher, als der Schwarzhaarige ebenfalls langsam aufstand, und ihn erst scheu, durch diese langen Wimpern, dann aber immer offener musterte. Wahrscheinlich hatte er keinen blassen Schimmer davon, wie hungrig er den Hopper gerade mit seinen Blicken verschlang, selbst wenn der Junge es nur ein paar Mal sehr kurz wagte, tiefer als Toms Kinn zu schauen. Bill streckte seine zittrigen, schlanken Finger aus, um ihn ehrfürchtig zu berühren. Sanft strichen diese über seine Brust und jagten ihm einen Schauer über den Rücken. »Legst du dich hin?« Er tat worum er gebeten worden war und nur Sekunden später, war Bill über ihm. Immer akkurat in der Von-oben-nach-unten-Reihenfolge, befühlte er breite Schultern und Brust des Hoppers, die im Kontrast zu der so schmale Taille standen, tat seine Bewunderung für den gestählten Bauch erst mit den Händen, dann mit den Lippen kund... Tom kicherte, und die sechs quadratischen, aneinander liegenden Bauchmuskeln spannten sich noch mehr an. »Ohh...« entfuhr es dem Blonden dann, als Bills Erkundungen zu einer Brustwarze geführt hatten. Auch diese wurde kurz geliebkost, ehe er weiterzog. Überall waren die Hände an seinem Körper und schickten immer mehr heiße Lavaströme durch seine Adern. Sein Herz pumpte schnell und sein Puls jagte wie zu einem Marathon. Irgendwann hielt er es nicht mehr aus und zog den Schwarzhaarigen wieder zu sich hoch um ihn zu küssen und langsam das Oberteil über seinen Kopf zu ziehen. Wie war das nochmal mit reden gewesen? Der Andere ließ sich ohne Proteste auszuziehen und so kam es, dass sie kurz darauf nackt auf dem Bett lagen. Und wieder war es Bill, der die Initiative ergriff und begann den Hopper zu verwöhnen. Plötzlich war es egal, dass Bill ein Mann war… Eigentlich war so ziemlich alles egal. Toms Gedanken waren völlig blank, alles was zählte war der andere Körper und seine eigene Lust. Während sie heiße, leidenschaftliche Küsse austauschten und sich überall berührten und erkundeten, erkannte er endlich dieses kribbelnde Gefühl. Am Rande seines noch klaren Verstandes begriff er, dass es Bill war; dass er es schon immer gewesen war. Welch langer, beschwerlicher Weg… Diese Einsicht traf ihn völlig unerwartet und doch war er so wenig überrascht, weil sein Herz das alles schon so lange gewusst hatte. Tom rollte sich über seinen Freund und begann diesen nun seinerseits liebevoll zu erkunden. Jeden Zentimeter Haut wollte er für sich entdecken… und je mehr er das verzagte Stöhnen hörte und der andere Körper sich unter ihm wand, umso mehr verlor er seine Angst vor dem was kam. Es dauerte nicht lange bist auch Bill splitterfasernackt vor ihm lag. »Tommy… bitte…« Der Angesprochene schmunzelte und stahl sich noch einen Kuss von dem Schwarzhaarigen, ehe er wieder nach unten wanderte und in einer Art innerer Eingebung Bills Geschlecht in den Mund nahm. Irgendwie überraschte ihn das selber… nie hätte er erwartet so etwas jemals zutun, doch das Geräusch was Bill daraufhin von sich gab entschädigte ihn dafür voll und ganz. Es war auch bei weitem nicht so eklig oder schrecklich wie er es sich immer vorgestellt hatte. Damit ließ er Bill seine Zunge spüren. Dann weitete er seine Liebkosungen wieder etwas aus. Feucht leckte er einen kleinen Kreis um den Nabel und strich verspielt darüber. Immer weiter weitete er seine Kreise aus und küsste jede Stelle des anderen Körpers, bis der Schwarzhaarige sich immer heftiger zu winden begann. »Bitte… mach was…« Automatisch fuhr Toms Hand zurück zu dem schon sehr aufgerichteten Glied seines Freundes, der sich daraufhin nur noch weiter an ihn heran drückte. Er schlang seine Arme um den Hals des Hoppers und sein Kuss der darauf folgte war drängend. Durch die aufkommende Leidenschaft änderten sie ihre Position auf dem Bett, sodass jetzt beide nebeneinander lagen und sich dicht aneinander schmiegten. Der Blonde seufzte in den geöffneten Mund des anderen Jungen und presste ihn enger an sich. Seine Hand streichelte zwischen Bills Pobacken hinab und drückte sich mit dem Mittelfinger in seine Höhle. Der Schwarzhaarige bebte leicht und sein Kuss wurde fiebriger. Was tat er hier eigentlich? Tom ließ seine Lippen abgleiten und schmiegte seinen Kopf an den schmalen Hals. Der Andere stöhnte leise als er die Haut dort berührte. Seine Arme klammerten sich fester um seinen Nacken und drängte seinen Schoß gegen seinen. Er konnte Bills steifes Glied an seinem Spüren und musste auch unwillkürlich keuchen. Mit seiner freien Hand umschloss er den anderen Penis zärtlich, um dann behutsam daran hoch und hinunter zu fahren. Er wollte ihn… Er wollte Bill und wenn er nicht viel darüber nachdachte, würde es schon irgendwie klappen. Das war bei seinem ersten Mal mit einer Frau schließlich auch so gewesen! »Bist du die sicher?« erkundigte sich Bill schüchtern aber sehnsüchtig. Die Ohren des Hoppers rauschten und er schluckte mühsam. Er sah auf und blickte ihn zwei lustverhangene braunen Augen. Sie glänzten wie Edelsteine und waren von sehr langen Wimpern umschlossen. Doch das war es noch nicht, was ihm die Sprache raubte. Bill wich seinem Blick nicht aus. In seinen Augen lag etwas, was Toms Herz schneller schlagen ließ, auch wenn er es nicht recht greifen konnte. Schließlich war er es, der dem direkten Blick ausweichen musste. »Ja…« Der Schwarzhaarige lächelte wieder sein strahlenstes Lächeln und küsste ihn erneut. Dieser Junge war unglaublich. Schnell sprang er auf und brachte wenige Augenblicke Gleitgel und ein Kondom zurück. Wollte er wissen warum Bill so etwas griffbereit hatte? Der Blonde verdrängte den Gedanken schnell wieder und begann damit seinen Freund von neuem zu liebkosen, der sich ihm bedingungslos hingab. Inzwischen hatte Tom zwei seiner Finger tief in dem Anderen versenkt, ohne auch nur irgendwie darüber nachgedacht zu haben. Bill war weich und entspannt, so als würde ihm das alles gar nicht wehtun und stöhnte leise. Auch ihm entkam ein Stöhnen, als der Schwarzhaarige über sein erregtes Geschlecht streichelte, das steil gegen seine Bauchdecke ragte. Und dann striff er diesen bestimmten Punkt in Bill. »AH! … ngh…« stöhnte dieser schmelzend und drängte sich seinen Fingern soweit es ging entgegen. Prostata, meldete sich sein Verstand zu Wort. Tom nutzte die Gelegenheit, um ihn auf die Seite zu drehen und sich von hinten an ihn zu schmiegen. Seine Hand spielte weiter mit Bills hartem Glied, während seine andere Hand sein oben liegendes Bein anhob. Vorsichtig setzte er an dem zuckenden Anus an und drang behutsam in die warme Enge ein, so wie er es damals in diesem Schmuddelstreifen gesehen hatte. Bill gab einen unterdrückten Laut von sich, der von dem Stöhnen des Blonden fast überdeckt wurde. »Tu ich dir weh?« musste er trotzdem fragen. »Nein…« hauchte Bill und drängte sich ihm entgegen. Der Hopper versuchte noch tiefer in ihn einzudringen, was den Schwarzhaarigen immer wieder zum Stöhnen brachte. Es hörte sich so sexy an. Das schmelzende Stöhnen wurde immer lauter, als Tom begann sich in einem steten Rhythmus zu bewegen. Sodass er irgendwann eine Hand auf den Mund des Anderen drücken musste. »Scht… denk an Bea.« Der Schwarzhaarige klammerte sich an ihn und bewegte sich ihm wild entgegen. Die Hand des Blonden umschloss wie von selbst das andere Glied. Woraufhin sich der Andere seine Muskeln anspannte… allein der sanfte Druck den sie auslöste, ließ Tom den Verstand verlieren. Bill spreizte seine Beine noch mehr, indem er es höher anhob. Es schien ein wenig unbequem, deswegen griff der Hopper ihm auch in die Kniekehle und hielt nun selber das Bein fest. So konnte er noch tiefer in den Anderen eindringen. Beide stöhnten auf als er es schamlos ausnutzte. Bill krümmte sich leicht und schnappte nach Luft, als der Blonde begann etwas härter und schneller zuzustoßen. Plötzlich verspannten sich die Muskeln seines Freundes… In dem Moment wo er den Höhepunkt von Bill erahnte, fuhr seine Hand in dessen Schritt, um erneut sein Geschlecht zu umschließen… jetzt hing Bills Bein mit der Kniekehle an seinem Unterarm fest und zuckte leicht. Das gab dem Schwarzhaarigen tatsächlich den Rest und er ejakulierte in die Hand des Blonden. Tom stöhnte lang gezogen und schauderte kräftig bei seinen letzten ungelenken Stößen, dann kam auch er und sackte kraftlos auf ihm zusammen. Danach spürte er nur den warmen Körper und die angenehme Schwere, der Rest lag im Nebel des Schlafes. Kapitel 19: erkundend / ----------------------- ► Auf den Wunsch einer bestimmten Dame hin, hier noch einmal das gekürzte Kapitel.^^ ______ Bill hielt sein Schauspiel bis Mitte der Woche durch. Dann brach die Dunkelheit aus, die sich die ganze Zeit in ihm aufgestaut hatte und die Tom in manchen Momenten bemerkt hatte. Es war ihm sowieso schleierhaft wie der Schwarzhaarige die Tage zuvor seine Gefühle so perfekt hatte vertuschen können…- »Ich weiß nicht ob das wirklich so eine gute Idee ist.« Der Blonde war nur mäßig begeistert, als ihm von seinem Chemielehrer eröffnet wurde, wer sein Partner in den nächsten Stunden sein würde. Nicht das er Probleme in diesen Fach hätte, aber er hatte Probleme mit Frauen die kein Maß kannten, nur mit der Gruppe mitliefen und das Mauerblümchen spielten. »I - ich... es tut mir Leid.« stotterte die Braunhaarige eingeschüchtert und blickte auf ihre Hände. Doch er hatte wieder dieses dumpfe Gefühl, dass das alles nur gestellt war. Woher kam das bloß? »Ich bin immer noch derjenige, der bestimmt mit wem sie zusammenarbeiten Herr Trümper und das wird nun einmal Frau Schneider sein, ob es ihnen passt oder nicht!« Der Hopper nickte und verfluchte den alten Kauz innerlich, der ihnen gerade versuchte die Chemie näher zu bringen. »Danke, wir werden sich gut mit einander auskommen, Herr Hesse.« musste seine Nachbarin nun lächeln. Wer´s glaubte! Zwar kannte er sie schon länger, doch sie war das einzige Mädchen in der Klasse das sich merkwürdig bedeckt hielt und nie mit anderen Mitschülern zusammen zu sehen war. »Sehr gut.« sagte der Lehrer nur und wandte sich von ihnen ab um auch die anderen Schüler der Klasse ihren Gruppen zu verweisen. Jetzt verschwand das Lächeln auf ihren Lippen wieder und etwas ungemein Berechnendes trat in die grünlichen Augen. Das Mädchen war ja gruslig! »Ich hoffe wir verstehen uns.« Tom seufzte. »Ja, das hoffe ich auch.« Bloß nichts anmerken lassen… Damit fuhr er in diesem Fall sicherlich am besten. Die Frage war nur wie lange das gutging. Und tatsächlich überstand er die nächste Stunde problemlos mit ihr als Partnerin… dann klingelte es zur Frühstückspause. Das Schlechte dabei war, dass er danach noch eine Stunde Chemie hatte. Was so viel bedeutete wie noch eine Stunde neben dieser merkwürdigen Racine sitzen. Ein Gedanke, der ihm eine Gänsehaut den Rücken hinunterfegte. Er verließ schnell den Klassenraum und suchte Jenny auf, die bereits mit einem Pausenbrot auf einen der riesigen Fensterbretter im Flur saß. Von Bill war keine Spur. »Hey TomTom… wasen mit dir? Du bist ja ganz blass…« Der Blonde schüttelte den Kopf und umarmte sie leicht zur Begrüßung, ehe er sich neben ihr auf das Fensterbrett zog. »Ich hab glaub ich grade die grusligste Frau gesehen, die ich je kennen gelernt habe…« »Du meinst nicht zufällig die, die dich gerade anschaut als würde sie dir die Klamotten vom Leib reißen wollen und dich hier vor allen -« »Sag es nicht.« unterbrach sie Tom und blickte zur Seite. »Und ja genau die mein ich…« »Echt krass…« meinte die Schwarzhaarige und trank ein Schluck aus ihrer Falsche, die sie danach Tom anbot. Dieser nahm sie und trank ebenfalls etwas. »Die schaut dich an wie ne Schlange irgendein Mungo oder so…« »Welch treffender Vergleich.« lachte der Hopper. »Wo ist eigentlich Bill?« »Keine Ahnung, er ist einfach so verschwunden als die Stunde vorbei war, eigentlich dachte ich er wäre bei dir…« Er hob die Augenbrauen. »Was ma-?« »TOM!« Beiden zuckten bei dem lauten Kreischen zusammen und sahen eine kleine Gruppe von Mädchen auf ihn zusteuern. Jenny verdrehte die Augen, sagte aber nichts, als die anderen bei ihnen ankamen und den Blonden sofort wieder mit Fragen bombardierten. »Ich geh mal wieder in meine Klasse, ne?« sagte sie nach einer Weile und winkte ihm zu. Manchmal wünschte er sich auch einfach so verschwinden zu können… Nach der kurzen Pause ging der Chemieunterricht weiter und er setzte sich wieder neben seine neue Partnerin. Das schwere, blumig riechende Parfüm bereitete ihn jetzt schon den Anflug von Kopfschmerzen und eigentlich hatte er wirklich keine Lust den freundlichen Kerl raushängen zu lassen. Sein Instinkt warnte ihn vor ihr… »Tue was immer ihr denkt... wenn ihr zwei Stoffe mischen wollt oder einen der Beiden erhitzen wollt, dann tut es ... ich weiß, dass ihr das richtige tut. Chemie kommt aus dem Gespür und der Experimentierfreude…« Tom hörte den geschwollenen Gerede erst gar nicht richtig zu. Für ihn war dieses Fach wie jedes andere auch und seine unliebsame Partnerin, die ihm inzwischen ziemlich auf die Pelle gerückt war, machte es nicht unbedingt besser. »Es ist soweit.« sagte sie nur wenig später, als alle der Stoffe mit denen sie Experimentieren sollten vor ihnen stand. Sie begannen mit den vorgeschriebenen Experimenten und immer wieder berührten sich fast wie versehentlich ihre Hände. Und die Braunhaarige rutschte auch immer näher an ihn heran… bald würde sie noch auf seinen Schoß sitzen. »Hältst du das wirklich für nötig?« Sie nickte. »Absolut.« Wie war das noch mal mit schüchtern? Pah! Er versuchte nicht auf die unerträgliche Nähe zu achten und machte weiter mit seinen Aufgaben. Wenn sie unbedingt wollte, würde er sie eben mit Ignoranz strafen, vielleicht raffte sie es dann ja endlich?! Große Hoffnungen hatte er zwar nicht, aber die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt… »Herr Trümper? Herr Trümper!?« wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Er wandte seine Augen von seinem Block auf seinen Lehrer. »Wie sind die Wertigkeiten der jeweils ersten Elemente?« Er deutete auf die Tafel. CH4; NH3; CO2 »Ähm...« »Die stoichiomertische Wertigkeit, Herr Trümper... das muss ihnen doch ein Begriff sein.« »Ich... also...« Auch wenn er es sich zuhause gefühlte hundert Mal angeschaut hatte, er fühlte sich ein wenig wie vor den Kopf geschlagen, denn der abrupte Absturz in die Realität machte es ihm unmöglich sachlich zu denken. »Also gut, ich sehe schon sie haben die Hausaufgaben nicht gemacht! ... beginnen wir nun mit einigen Übungen aus unserem Funktionsnbuch...« sprach Herr Hesse unmotiviert und wandte sich zur Tafel. »Mist!« fluchte Racine leise, die vorgab wild in ihrem Rucksack nach dem genannten Buch zu kramen. »Das darf doch nicht wahr sein...« Auch das nahm er ihr nicht komplett ab, doch hier meldeten sich seine guten Manieren zu Wort. Mit einem flüsterndem »Hier!« schob er sein Buch zu seiner Partnerin herüber. »Sieh mit rein.« Die Angesprochene drehte sich um und schnappte nach Luft. »Danke…« lächelte sie falsch und rückte wieder ein Stück näher. Ganz ruhig bleiben! Es brachte keinem was, wenn er sie hier jetzt vor der ganzen Klasse zusammenfaltete. Er spürte eine Hand auf seinen Oberschenkel und wischte sie unwirsch von sich hinunter. Diese kleine, verlogene…- »Schlagen sie Seite 34 auf!« Der Hopper tat das und schenkte Racine noch einen warnend Blick, ehe er sich wieder auf den Stoff im Buch konzentrierte und sich durchlas was als nächstes zu tun war. »Was sollen diese schlechten Anmachversuche?« stellte der Hopper die Braunhaarige zum Beginn der Mittagspause sofort zur Rede. »Ich weiß nicht was du meinst.« erwiderte diese unschuldig, warf ihren Hefter in die Tasche und marschierte aus dem Raum. Tom knurrte leise, griff ebenfalls nach seinem Rucksack und folgte ihr. »Warte… ich will eine Antwort! Was erhoffst du dir davon?« Er hielt sie am Arm fest und zog sie einen Schritt zurück. »Was willst du denn von mir? Ich wollte nur gut mit dir zusammenarbeiten und wir haben doch unsere eins bekommen, oder nicht?« »Das kannst du deiner Großmutter erzählen, ey!« »Wieso das denn?« fragte sie und klimperte mit ihren Wimpern und trat einen Schritt auf ihn zu. Tom zog seine Hand zurück und sah sie misstrauisch an. »Wieso bist du denn so skeptisch, Darling? Du bist einfach so umwerfend…« »Wa-« Er wurde unterbrochen, als sie ihn packte und sich mit ihm so geschickt drehte, dass sie selber nun an der Wand gelehnt stand und er halb auf sie fiel. Für ihren zierlichen Körperbau hatte sie erstaunlich viel Kraft… Und dann spürte er ihre Lippen auf seinen, die sich wild auf ihnen bewegten… so als würde sie jede Sekunde genießen wollen. Es dauerte einige Augenblicke, ehe er sich aus der Schockstarrte lösen konnte, aber da war es schon zu spät. Das kreischen, murmeln und heulen der umstehenden Mädchen drang an sein Ohr und plötzlich gab es einen Ruck und er strauchelte rückwärts in den Gang. Und dann war Jenny da, die ihn vor dem sicheren Sturz bewahrte. »Alles klar?« »Ja…- ich…« Er fand keine Worte; zu sehr saß ihm das Entsetzen noch in den Knochen. Irgendwie fühlte es sich leicht so an, als wäre er von einem Auto gerammt worden. »Ich – Bill! Nicht, lass sie – BILL!« unterbrach sich die Schwarzhaarige jäh und löste sich von seiner Seite. Er hörte einen schrillen Schrei und wand sich dem Geschehen zu, was nun im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller lag. Dort sah er Bill, der gerade auf Racine losging und plötzlich begriff er. Sicher… wie hatte er auch so blind sein können? Der Schwarzhaarige hatte das intrigante Mädchen zu Boden gerissen und war nun über ihr… immer wieder schlug er ihr ins Gesicht. Na ja… er schlug nicht wirklich, eher kratze er sie. Rote, blutige Striemen, zierten ihre Wangen. Dem Hopper klappte der Unterkiefer runter, als er das volle Ausmaß seines Versäumnisses erkannte. Wieso hatte er das nicht früher bemerkt? Inzwischen waren auch verschiedene Lehrer auf den Kampf aufmerksam geworden und kamen hinzu um die Beiden auseinander zu ziehen. Der Hopper jedoch konnte nur zusehen. Viel zu sehr darüber geschockt wie viel Kränkung und Schmerz er all die Tage übersehen hatte. Wieso war er auch so empathielos wie eine Dampfwalze? Ob das an den Genen lag? Inzwischen bemühten sich zwei Lehrer und Jenny darum Bill von Racine zu ziehen, doch sie hatten alle Hände voll damit zu tun nicht selbst von den fuchtelnden Händen erwischt zu werden. Es schien als würde der Schwarzhaarige völlig neben sich stehen. Die Braunhaarige wehrte sich zwar verhemmt, hatte aber überhaupt keine Chance gegen den völlig aufgebrachten und weggetretenen Bill. Und nach etlichen, regungslosen Augenblicken konnte Tom sich endlich wieder bewegen. Ohne zu zögern trat er auf die kämpfenden zu und packte Bill einfach an den Hüften um ihn hochzuheben. Die Ohrfeige die er bekam, steckte er wortlos weg und hob den Anderen von Racine hinunter. Als der Schwarzhaarige ihn erkannte, stellte er seine Gegenwehr sofort ein und hielt sich an den Schultern des Dreadheads fest. So konnte er seinen Freund ohne weitere Probleme aus dem Gefahrenkreis holen. »Tut mir Leid…« sagte der Blonde leise und strich ihm beruhigend über den bebenden Rücken. Wahrscheinlich hatte er diesen kleinen Denkanstoß wirklich einmal gebraucht um zu begreifen wie sehr Bill eigentlich unter der jetzigen Situation litt. Der Angesprochene antwortete ihm nicht, sondern hielt sich einfach an ihm fest, als hätte er Angst er würde gehen, wenn er losließ. Bill hatte vom Direktor einen Schulverweis für drei Tage erhalten. Etwas das Tom unendlich leidtat, weil es im entferntesten Sinne ja wirklich seine Schuld war. Wie konnte er nur so kopflos sein und wirklich glauben dem Anderen würde es nichts ausmachen ihn tagtäglich mit so vielen anderen Frauen zu sehen?! Er hatte doch schon von Anfang an gewusst, dass Bill Minderwertigkeitskomplexe und Verlustängste hatte. Warum hatte er die Katastrophe nicht schon in ihrem Ursprung erkannt? War er wirklich so blind? Den ganzen restlichen Tag quälte ihn das schlechte Gewissen. Und als er dann nach der Schule endlich bei Bill Zuhause ankam, sagte ihm schon Beates Gesichtsausdruck alles. »Bist du eigentlich komplett bescheuert?! Wie kannst du vor Bill ein anderes Mädchen küssen?!« fuhr ihn die sonst so sanftmütige Frau an. Tom wich einen Schritt zurück. »Beruhig dich, Bea… ich hab niemanden geküsst! Sie hat mich geküsst und ich war einfach nur geschockt! Ich wollte das nicht!« »Das soll ich dir jetzt glauben?!« »Ja.« Eine ganze Weile hielt er ihrem stechenden Blick aufrichtig stand und versuchte nicht auszuweichen. Schließlich nickte die Blonde. »Ich glaub dir…« Erleichtert atmete der Hopper aus. »Das heißt aber noch lange nicht, dass ich es gut heiße! Du hast damit Bill so sehr wehgetan! Reicht es nicht, dass es jetzt zum wiederholten Male passiert?! Und nur weil du dir nicht eingestehen willst, was zwischen euch ist.« Er senkte den Blick und schluckte. Natürlich hatte sie Recht. Ihn würde es auch nicht wundern, wenn Bill ihn sofort wieder nachhause schicken würde, aber er musste versuchen sich zu entschuldigen! »Darf ich hoch?« »Tu dir keinen Zwang an…« Geknickt schlich Tom die Treppe hoch und klopfte an die Zimmertür von dem Schwarzhaarigen bevor er eintrat. Bill saß auf seinem Bett und blickte auf, als er über die Schwelle trat und tat etwas mit dem er im Leben nicht gerechnet hatte. Er sprang auf und warf sich ihm um den Hals. »Hey.« meinte er heiser und fühlte sich noch schlechter, weil der Andere anscheinend kein bisschen sauer auf ihn war, obwohl er wegen dieser dummen Sache ein Verweis bekommen hatte. »Endlich bist du da…« Und dann wurde jedes weitere Wort in einem stürmischen Kuss erstickt. Der Blonde ging seufzend auf die Zärtlichkeit ein und ließ sich widerstandlos zum Bett ziehen, auf das die Beiden dann niedersanken. Dann spürte er stürmische Hände auf seinen Körper die an seinem Shirt zerrten. »Woha… mach mal langsam…« meinte er außer Atmen und fing die Hände wieder ein, die damit beschäftigt waren, sein Shirt hochzuschieben. »Aber-« »Bill!« sagte er etwas strenger und sah wie sich eine sanfte Röte auf die Wangen des Anderen legte. »Lass uns darüber reden, bevor wir wieder übereinander herfallen, okay?« Der Angesprochene setzte sich auf und knetete nervös seine blassen Finger im Schoß. Dabei gab er so ein eingeschüchtertes Bild ab, dass es dem Blonden fast schon wieder leidtat ihn so zurückgewiesen zu haben. »So wie es jetzt ist, kann es doch nicht weitergehen.« fing er an zu reden und setzte sich nun auch auf. »Ich tu dir immer wieder weh, obwohl ich das gar nicht will und das nur, weil wir bis jetzt noch nicht miteinander geredet haben…- hey, schau mich doch mal an…« Sanft dirigierte er Bills Kinn wieder nach oben und legte seine Hand dann auf dessen Wange ab. Unsichere, braune Augen starrten ihn an. »Es tut mir Leid wie es gelaufen ist, okay? Racine hat mich überrumpelt sonst wäre das nie so weit gekommen und ich wollte auch nicht, dass du wegen so einem Mist einen Schulverweis kriegst…« »Schon gut…« »Nein! Nichts ist gut. Ich hab einfach nicht gerafft was los war, bis du da auf die Alte los bist. Warum hast du nicht einfach gesagt, dass es dich stört, wenn ich mich mit den Anderen treffe?« »Ich…-« Er wand den Blick ab. »Es ist ja nicht so, dass wir zusammen sind oder so… eigentlich sollte es mir egal sein, aber - « »Das ist es nicht, hm?« Bill schüttelte heftig den Kopf und verkrampfte seine Finger wieder im Schoß. »Das ist doch okay, Billy. Du musst nur mal mit mir reden… ich bin in solchen Sachen etwas… hm… begriffsstutzig.« Darauf reagierte der Andere nicht. »Hey, verzeihst du mir?« »Sicher…wenn ich mir was wünschen darf?!« »Alles was du willst.« »Ich... würde dich so gern endlich nackt sehen, und anfassen dürfen... so ganz nackt...« Das war alles? Wie kann jemand nur so unschuldig sein? Und so wenig egoistisch? »Jetzt…« »J – ja… ich…« Der Schwarzhaarige sank in sich zusammen, an einer Falte der Bettdecke herumspielend. Es war nur ein kaum hörbares, schüchternes Flüstern gewesen. Bill hatte offenbar keine Erfahrung im Äußern von Wünschen... und nun, da er es doch, so unbeholfen, getan hatte, ließ es Tom sein Herz anschwellen. Auch wenn er wusste worauf das alles wahrscheinlich wieder hinauslaufen würde, er konnte dem Anderen diesen Wunsch einfach nicht abschlagen. »Okay.« Achselzuckend fügte er sich, und fing an, seine Kleidung abzulegen, um sie gewohnheitsgemäß unordentlich auf einen Haufen zu werfen. Er spürte die zurückhaltenden, aber doch sehr begehrenden Blicke auf seinen Körper und fühlte sich irgendwie komisch… Nicht das er sich schämt, nein, dazu hatte er auch keinen Grund; es war eher das Ungewohnte das ihn abschreckte. Denn Nacktheit bedeutete Verwundbarkeit. Verwundbarkeit deutete Vertrauen an… Er stand auf um sich die Baggys und Shorts von den Beinen zu schieben und dann stand er da wie er geschaffen wurde. Das flaue Gefühl in ihm wurde noch deutlicher, als der Schwarzhaarige ebenfalls langsam aufstand, und ihn erst scheu, durch diese langen Wimpern, dann aber immer offener musterte. Wahrscheinlich hatte er keinen blassen Schimmer davon, wie hungrig er den Hopper gerade mit seinen Blicken verschlang, selbst wenn der Junge es nur ein paar Mal sehr kurz wagte, tiefer als Toms Kinn zu schauen. Bill streckte seine zittrigen, schlanken Finger aus, um ihn ehrfürchtig zu berühren. Sanft strichen diese über seine Brust und jagten ihm einen Schauer über den Rücken. »Legst du dich hin?« Er tat worum er gebeten worden war und nur Sekunden später, war Bill über ihm. Kapitel 20: liebend ------------------- Ich danke allen Lesern fürs lesen. Und den fleißigen Kommischreibern für die Unterstützung! Es macht mich schon recht traurig, dass es jetzt zu Ende geht... ): Aber ich hoffe euch gefällt das Ende auch. Das Lied ist nicht mein gedankliches Eigentum, sondern auch von der Band Samsas Traum ausgeborgt. ___ Er erwachte aus unerfindlichen Gründen mitten in der Nacht. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es um Zwei war. Sanft löste er sich von dem Schwarzhaarigen, schlüpfte in seine Boxershort und schlich aus dem Zimmer hinaus in die Küche. Dort trank er ein Glas Wasser und suchte sich ein trockenes Brötchen, dass er mitnehmen konnte. Bea hatte sicher nichts dagegen. Aber er hatte echt Hunger… wie hatten sie nur solange pennen können? Sein Glas und das Brötchen nahm er mit aufs Zimmer, wo er sich an den Schreibtisch setzte und nach draußen in die Dunkelheit sah, während er aß. Sie hatten wieder nicht wirklich geredet… Aber miteinander geschlafen. Auch das war irgendwie ein Fortschritt, trotzdem sollte er sich wohl einen Ruck geben und Bill sagen, dass er ihm wichtig war. Mehr als das. Dass er ihn liebte. Nur konnte er das einfach so aussprechen? Vor dem Anderen?! Irgendwie bezweifelte er das stark. Er war noch nie der Typ dafür gewesen seine Gefühle und Emotionen explizit auszuformulieren. Darin war er auch nicht gut. Und doch, wenn er weitere Missverständnisse vermeiden wollte, dann sollten sie endlich miteinander reden… richtig reden! Und dann? Sollte er sich nicht erst Gedanken machen, was er eigentlich wollte, ehe er irgendetwas mit Bill besprach? Wollte er eine Beziehung? Konnte er diese vertreten? Er musste auch zu dem Schwarzhaarigen stehen, wenn er sich für ihn entschied, dass war ihm klar… sonst würde er diesen wundervollen Menschen nur noch mehr wehtun. Und das hatte er wirklich schon zur Genüge getan! So wie Bea es ja auch schon ganz richtig festgestellt hatte! Also war es wirklich gut wenn er das tat? War er gut genug für Bill? Wenn – Er wurde aus den Gedanken gerissen, als sich der Schwarzhaarige ruckartig aufsetzte, aufsprang und das Licht anschaltete. Ihre Augen trafen sich und als Bill ihn zu erkennen schien, seufzte er und seine Beine gaben einfach unter ihm nach. »Billy?« fragte der Blonde alarmiert und war mit wenigen Schritten bei ihm. »Alles klar bei dir?« »Hm… war nur etwas zu schnell…« »Was war denn los? Hattest du nen Alptraum?« »Eh – eh … ich dachte nur - als das du weg bist…« Tom schnaubte und zog ihn wieder auf die Beine. »So ein Unsinn… man kann ja viel von mir behaupten, aber ich hau nach ner gemeinsamen Nacht nicht einfach ab, ohne mich zu verabschieden.« Er drückte den Schwarzhaarigen zurück auf die Matratze und reichte ihm sein Glas Wasser, das noch halb voll war. Bill trank das Wasser aus und sah ihn dann fast schüchtern an. »Bleibst du noch hier…?« Tom nickte schmunzelnd. »Was denkst du denn, dass ich halb drei Nachts einfach nach Hause marschiere?« Der Andere lächelte unsicher und kroch unter die Decke zurück, ehe er sie für Tom aufhielt. Dieser legte sich zu ihm. Sofort schmiegte sich der Schwarzhaarige an ihn und bettete seinen Kopf auf der Brust des Hoppers. Er seufzte wohlig. Er zog den zierlichen Körper näher zu sich und gab Bill einen sanften Kuss auf die Haare. Irgendwie fühlte sich das hier alles so richtig an. »Bereust du es?« durchbrach der Bill die Stille nach einer Weile. »Was genau meinst du?« »Das… na ja, das wir miteinander geschlafen haben?« »Nein tu ich nicht.« Der Schwarzhaarige sah auf und musterte sein Gesicht. »Wirklich?« »Ja, wirklich.« lächelte der Hopper und küsste dieses Mal die Lippen des Anderen. »Und du,… bereust du es?« »Nein!« Die Entschlossenheit in der Stimme des Anderen brachte ihn zum Grinsen. »Okay. Dann sind wir uns ja einig…« Es herrschte für einige Minuten Ruhe. Er fand es schön so dazuliegen, den Schwarzhaarigen in seinen Armen… es fühlte sich an wie Geborgenheit. Etwas was er noch nie in diesem Maß gespürt hatte. Als er bemerkte, dass er bald wieder einschlafen würde, stand er noch einmal auf. »Wo willst du hin?« fragte Bill verschlafen und hielt seinen Arm fest. Anscheinend war er schon wieder halb beim einnicken gewesen. »Nur schnell das Licht aus machen.« Der Hopper machte sich los, stand vollends auf und ging schnell durch den Raum um die Deckenbeleuchtung zu löschen. Dann tastete er sich langsam wieder zu Bett vor und angelte noch schnell nach seinem Handy. Als er sich hingelegt hatte, stellte er noch schnell seinen Wecker… Schließlich hatte er ja morgen wieder Schule! Er legte sich wieder gemütlich hin und ließ es schmunzelnd zu das Bill sich wieder an ihn herankuschelte und ihn sanft auf die Lippen küsste. »Wie sollten noch ein wenig schlafen.« »Hm mhm…« »Guten Nacht.« »Nacht.« Dann breitete sich wieder Schweigen zwischen ihnen aus. Nur noch die leisen Geräusche der Nacht waren zu hören. Und trotzdem wollte der Schlaf nicht kommen. Starr lag er da und hing seinen Gedanken nach. Der andere, warme Körper lag dicht an ihn gedrängt und löste Gefühle in ihm aus, wie er sie noch nie gespürt hatte. Er hörte den Atem des Schwarzhaarigen und er fühlte sich seltsam geborgen. Und trotzdem war es noch immer komisch. Er hatte mit einem Jungen geschlafen, als wäre es das normalste der Welt und lag er hier neben dem Besagten und das Kribbeln in seinem Körper wollte einfach nicht abebben. Auch wenn er nicht unbedingt Schwul war… Bi war er auf jeden Fall. Soviel war klar! Aber wieso brauchte es erst Bill um ihm diese Tatsache klarzumachen? War es wirklich nur seine Orientierung oder hatte es viel mehr mit Bill zu tun als er ahnte? Wollte er das wirklich wissen? Und was – »Kannst du auch nicht schlafen?« Tom schreckte zusammen. »Nein… du auch nicht wie es scheint…« Der Schwarzhaarige regte sich neben ihn und streckte sich nach oben. Dann wurde die Dunkelheit jäh durch ein schummriges Licht durchbrochen. Er hatte das kleine Nachtlicht, was nur die Form eines Steckers hatte, gar nicht bemerkt. »Ich habe manchmal Probleme einzuschlafen, vor allem wenn es so eine dunkle Nacht ist und ich alleine bin…« nuschelte Bill beschämt, als er den Blick des Hoppers bemerkte. Mit roten Wangen schmiegte er sein Gesicht wieder an die andere Brust. Tom lächelte und zog ihn näher zu sich heran. »Wenn wir Beide nicht mehr schlafen können, können wir ja reden…« »Worüber willst du denn reden?« Hörte er da etwa Angst aus der Stimme des Anderen? Konnte das sein? »Wie wäre es mit der Sache zwischen uns?« Der Körper in seinen Armen versteifte sich. »Ich meine, wir müssen mal die Fronten klären, dann kann so etwas wie heute – äh, gestern nicht mehr passieren und -« »Nein… bitte.« »Hä?« Bill hatte seinen Kopf gehoben und in seine haselnussbraunen Augen lag eine unbeschreibliche Traurigkeit. Erschrocken sah der Blonde ihn an. »Billy?« »Bitte sag nicht, das du mich verlässt…« Diese Worte waren nicht mehr als nur ein Hauchen, doch sie schrillten in seinen Ohren, als hätte der Schwarzhaarige sie ihm entgegen geschrien. »Was?! – Ich…- Wie kommst du darauf?« Er sah ihn nicht mehr an sondern senkte seinen Blick auf die Brust des Hoppers. »Bill! Wie kommst du auf so einen Mist?« versuchte es Tom noch einmal sanfter und hob das Kinn seines Freundes wieder an. »So etwas würde ich niemals sagen, geschweige denn tun, hörst du?! Dazu bist du mir viel zu wichtig! Ich könnte mir gar nicht mehr vorstellen Zeit ohne dich zu verbringen…- hey…« Zärtlich strich er eine Träne von der Wange des Schwarzhaarigen und gab ihm einen kleinen Kuss auf die bebenden Lippen. »Hör auf zu weinen… es ist doch alles gut.« Bill ließ sich wieder gegen ihn sinken und klammerte sich an ihn. Er ließ anscheinend all den Tränen freien Lauf, die er so lange unterdrückt hatte. Tom hielt ihn fest und sprach beruhigend auf ihn ein. In ihm regte sich die Schuld. Wie hatte er nur diese Angst und die vielen Tränen übersehen können? Wie sehr musste der Andere wohl all die Wochen gelitten haben, als er ihn vorgespielt hatte wie gut es ihm doch ging? Irgendwann beruhigte sich der Schwarzhaarige langsam wieder. Doch der Hopper ließ ihn nicht los und streichelte weiter beruhigend seinen Rücken auf und ab. »Schä – mst du dich für… für mich?« Durch die vielen Schluchzer hatte er beinah nicht erkannt, dass Bill mit ihm sprach. »Wie kommst du darauf, Billy? Nein, sicher nicht!« »Warum ha – hast du mich dann nie be – achtet?« »Was meinst du?« »Du hast mit diesem Mädchen ge – redet und, und, und sie hat dich geküsst. Du hast mich… nicht mal bemerkt. Ich hab auf dich ge – wartet… du hast mich nie beachtet wenn irgendjemand anders bei dir war…« Der Blonde biss sich auf die Unterlippe. »Das war nicht mit Absicht… ich war aufgebracht und hab meine Umgebung gar nicht wahrgenommen. Es tut mir wirklich leid. Ich…-« Er schüttelte den Kopf, als er bemerkte, dass er nicht ein vernünftiges Wort herausbringen würde. Scheiße! Er strich ihm einfach die Tränen weg und küsste den Anderen erneut. Dieses Mal länger und intensiver… er versuchte alle Emotionen, die in ihm tobten in diesen hinein zu legen. Zu seiner Überraschung ging der Schwarzhaarigen willenlos auf diesen Kuss ein und erwiderte diesen sogar mit einer genauso großen Intensität. »Ich liebe dich, Tommy…« hauchte Bill gegen seine Lippen und küsste ihn wieder. In ihm gefror etwas bei diesen Worten, schließlich waren es die drei Worte vor denen er sich immer gefürchtet hatte. »Ich weiß…« seufzte er und liebkoste die Lippen des anderen weiter. Mehr fiel ihm dazu einfach nicht ein. Irgendwann mussten sie den Kuss wegen akuten Luftmangels unterbrechen. »Wie kannst du nur so jemanden wie mich lieben?« Der Schwarzhaarige sah ihn an und die Züge, die sich auf sein Gesicht legten, brachten sein Herz zum Schmelzen. So viel Liebe und Vertrauen lag in seinem Blick. »Weil du du bist…« Tom lachte. »Okay, genug Liebesgeständnisse für heute.« versuchte er sein Unbehagen zu überspielen. Sein Herz pochte unsanft gegen seine Rippen. Wie war es nur möglich, dass der Andere in ihm solche starken Gefühle auslösen konnte? »Heißt das, dass wir jetzt zu – zusammen… also das du jetzt mein fester Freund bist?« fragte Bill unsicher und kaute auf seiner Unterlippe herum. Tom musste bei der Formulierung grinsen. »Ja, ich denke das heißt es…« Ein leises Juchzen kam darauf von Bill, was sein Grinsen um einiges vertiefte. Und dann spürte er erneut stürmische Lippen auf seinen, die ihn wieder zu seinem leidenschaftlichen Duell aufforderten. »Bill…ngh…« Der Angesprochene reagierte nicht wirklich auf ihn, stattdessen eroberte er mit seiner Zunge seinen Mund und begann einen atemberaubenden Zungenkuss mit ihm. Die Liebkosungen und die unendlich vielen Küsse endeten erst mit dem Klingeln von Toms Handy. Der Schwarzhaarige stöhnte unwillig, als der Hopper ihn sanft von sich schob. »Ich muss los, Hübscher…« »Nein… bleib hier…« Er lachte. »Glaub mir, dass würd ich gerne, aber das geht nicht. Also…« Der Blonde stieß den anderen sanft von sich und gab ihm noch einen langen Kuss bevor er aufstand und seine Sachen einsammelte. Es waren mehrere Tage vergangen. Der Schulverweis von Bill war aufgehoben worden. Jetzt besuchten sie wieder gemeinsam die Schule, doch es gab einige Dinge, die sich grundlegend geändert hatten. Tom war jetzt vergeben und auch wenn er es noch nicht offizielle machte, war er sich dessen doch stets bewusst und ließ das auch seine „Fans“ spüren. Es war ihn plötzlich völlig egal was die Anderen über ihn dachten…- die Hauptsache war, dass Bill bei ihm war und das er glücklich war. Ganz einfach. Gerade kam er aus seinem Klassenzimmer und wurde wieder von einer Meute kreischenden Mädchen begrüßt. Doch sein Blick suchte nur nach einem… Dort stand Bill. Seine langen Haare wieder perfekt frisiert, sein Gesicht zu einer perfekten Maske geschminkt und seine dunkeln, enganliegenden Klamotten perfekt zu einander ausgesucht. Er sah aus wie aus einem Magazin entsprungen. Er stand abseits und hielt den Blick gesenkt. Der Hopper grinste gewinnend. »Sorry, Mädels… heute hab ich schon Termine.« sagte er gelassen und ging auf den Schwarzhaarigen zu, den er dann an der Hand nahm und mit sich zog. Das glückliche Gesicht war ihm genug… Das alles reichte. Mehr brauchte er nicht mehr – Dafür würde er auch gerne seine Beliebtheit aufgeben. Die restlichen Monate des Jahres vergingen rasch und ohne weitere Ereignisse. Der Alltag hatte sie alle wieder vollkommen eingehüllt und hielt sie bis Weihnachten fest in ihrem Griff gefangen. Den Heiligabend und den ersten Weihnachtsfeiertag verbrachte er mit seinen Eltern, Sam, Bill und den Wandrey Drillingen. Doch dann fuhr er zurück nach Hannover. Mit dem festen Entschluss seinen Freunden endlich zu erzählen, was er schon lange hätte erzählen sollen und endlich dieses bleierne Gewicht aus seinen Magen zu bekommen. Zu Silvester war er wieder zurück. Und wie er bemerkte wurde er schon sehnsüchtig erwartet. »Tommy!« Der Blonde ließ seine Tasche fallen und schloss seine Arme um den schwarzhaarigen Wirbelwind, der um seinen Hals hing. »Was machst du denn hier…?« »Ich hab dich so vermisst.« Ihm wurde ein sehnsüchtiger Kuss geschenkt und der schmale Körper drückte sich noch enger an ihn. Tom lachte. »Ich war doch nur zwei Tage weg…« »Ist doch egal.« nuschelte Bill an seiner Halsbeuge und schmiegte sich an ihn. Sein Grinsen wurde breiter. »Welch netter Empfang, aber lass mich erst mal ankommen, okay?« »Aber -« »Scht. Wir reden gleich… ich muss erst mal aus den Klamotten raus.« Damit schob er seinen Freund sanft von sich und nahm seine Tasche wieder auf. Diese stellte er vor seinem Schrank ab und sortierte seine Sachen, danach legte er sie unten in den Schrank und zog sich um. Bill hatte sich in der Zeit schmollend aufs Bett zurückgezogen. Als der Hopper wieder zu ihm kam, wand er beleidigt seinen Kopf ab. »Oh man, Billy… sei nicht beleidigt, hm?« meinte er amüsiert und zog den Schwarzhaarigen näher zu sich. »Nur wenn ich endlich einen richtigen Begrüßungskuss bekomme…« Den bekam er. Lange Zeit verbrachten sie nur mit Küssen und Streicheln des jeweils anderen. Bis Tom schließlich seufzte. »Lass uns jetzt aufhören, sonst vergess ich mich…« »Hm… wer sagt das ich das nicht will?« »Bill, im Ernst… heute ist Silvester und wenn wir noch was machen wollen, sollten wir jetzt aufhören, sonst - « Er unterbrach sich keuchend, als eine Hand über seinen bereits deutlich erregten Penis strich. Durch die Hose massierte Bill ihn geschickt. »Wer sagt das ich noch irgendetwas machen will?« »Bill…« »Bitte, Tommy…« Mit lustverschleierten Augen wurde er gemustert und in ihm setzte etwas aus. Während ein weiterer leidenschaftlicher Kuss entstand, folgen die Klamotten nur so vom Bett. Wie er es vermisst hatte, diesen wundervollen Körper zu berühren. Bill wand sich unter ihm. »Tom!« Ohne Umschweife begann er den Anderen zu verwöhnen und tastete blind nach dem Gleitgel. Als er wieder fähig war sich zu bewegen und die Augen zu öffnen, war sicher bereits eine halbe Stunde vergangen. »Scheiße, ey… das war krass…« brachte er mühsam heraus und küsste Bill sanft. »Hm…« brummte dieser erschöpft. Tom gluckste und strich seinem Freund eine Strähne aus dem Gesicht. »Ich geh duschen, okay?« »Hm mhm…« Der Blonde stand auf und kam den Bedürfnis nach sich die Spuren ihrer intimen Zusammenkunft vom Körper zu waschen. Danach zog er sich frische Klamotten an, holte sich eine Flasche Cola aus der Küche und ging dann zurück. Er stellte sich ans Fenster und blickte in die Nacht. Die ersten Feuerwerkskörper wurden schon gezündet und malten bunte Muster in den schwarzen Nachthimmel. Er wusste nicht wie lange er den sprühenden Funken in der Nacht zugeschaut hatte, als er das platschen nackter Füße hinter sich hörte und sich plötzlich Arme um seinen Bauch schlangen. »Hey..« hauchte Bill in seinen Nacken und setzte einen sanften Kuss darauf. »Hi.« erwiderte er genauso leise. Er fühlte wie sich der Andere an seinen Rücken kuschelte. »Was machst du?« »Feuerwerk anschauen…« »Hm… willst du noch wohin?« »Nein, lass uns hier bleiben.« »Okay… gerne.« So standen sie eine ganze Weile da… im einträchtigen Schweigen… dann zog der blonde Hopper seinen Liebsten in vor sich in seine Arme. Jetzt war er es, der hinter Bill stand und sein Kinn auf dessen Schulter ablegen konnte. »Wie ist es eigentlich in Hannover gelaufen?« »Na ja… ich hab mich ziemlich dämlich angestellt, glaub ich. Aber sie wissen es jetzt und haben es akzeptiert… einige haben es nicht so gut aufgenommen und wollen nichts mehr davon hören, aber ich glaube wir sind weiterhin Freunde.« »Das freut mich…« »Und mich erst, ich habe das Gefühl das Tonnen Blei von mir abgefallen sind oder so…« Bill seufzte und lehnte sich an die Brust des Hoppers. »Ich liebe dich.« Tom erschauderte und drückte ihm einen sanften Kuss auf die Haare, erwiderte aber nichts. Er konnte das einfach nicht, auch wenn er wusste, dass Bill sich das wünschte. Sie waren nun schon eine ganze Weile zusammen. Und noch immer hatte er es noch nicht geschafft dem Schwarzhaarigen zu sagen, dass er ihn liebte. Einfach weil er sich gedrängt fühlte. In die Ecke gedrängt und schwach… er wollte ja, aber irgendwas blockierte ihn immer. Und er hatte so seine Bedenken, dass es dem Anderen irgendwann zu viel wurde. Der Hopper blickte auf seine zitternde Hand hinunter, während er mit der Anderen sein Handy ans Ohr presste. »Meinst du es klappt?« »Ja, sicher! Tom, er liebt dich… warum sollte es denn nicht klappen?!« »Keine Ahnung, schätz ich bin einfach nervös…« Er hört das helle Lachen. »Ich wusste gar nicht das so ein Romantiker in dir steckt.« »Glaub mir, ich wusste das auch nicht.« seufzte der Blonde und sah auch die Uhr. »Halt mir die Daumen ja? Ich muss jetzt los…« »Okay, wir denken an dich – vergiss bloß nicht den Sound richtig einzustellen! - … viel Glück.« »Danke, Luca.« Er legte auf und griff nach seiner Gitarre um sie schnell durchzustimmen, ehe er sich den Gurt umhängte und die Box, die er auf dem Flur aufgebaut hatte, einstellte. Er hatte sich den Song, den sie am Wochenende komponiert hatten, auf dem Weg hierher immerzu angehört… sein Einsatz durfte er auf keinen Fall verpassen! Mit rasendem Herzen ging er auf die große Tür zu. Zittrig holte er noch ein paar Mal tief Luft und ging seinen ziemlich waghalsigen Plan noch einmal bis zum Ende durch, ehe er die Tür zu Mensa aufstieß. Kurz blickte er sich im Raum um, um Bill zu erspähen. Dann lief er durch die Gänge die die Tische bildeten, betätigte mit einer Fernbedienung die Box – die sofort die ersten Basstöne von sich gab – und zupfte die ersten Takte der Melodie. War es wirklich das Richtige? Er blickte in Bills haselnussbraune Augen, die vor Überraschung geweitet waren, als er mit der Gitarre auf ihn zuschritt und wusste, dass es so war wie er es immer vermutet hatte. »Manchmal hör ich seine Stimme und kein Foto wirkt wie sie - Ganz lebendig. Ich ruf immer, auch im Schlaf, er ruft mich nie. Es ist keine Nacht vergangen, in der er mich nicht umwand, wie am Tag so auch in Träumen, fest verbunden, Hand in Hand.« sang er heiser, während er unablässig mit seinen Finger über die Saiten seiner Gitarre glitt. Er spürte die Blicke der Anderen in seinem Nacken. »Heute weiß ich, wie sehr...« Er hörte das Flüstern und Tuscheln der Mädchen. »Heute weiß ich, wie sehr...« Er registrierte das hämische Lachen von manchen Jungen. »Heute weiß ich, wie sehr...« Inzwischen waren alle, die sich in der Mensa befanden auf ihn aufmerksam geworden. »Ich will alles tun, ja, alles damit er die Angst nicht spürt, es gehört doch restlos zu mir, von der Hoffnung still geführt. Nichts und niemand kann uns trennen, weder Holz, Beton noch Blei, keine zwei, drei Meter Erde reißen unser Band entzwei!« Er erreichte den Schwarzhaarigen und ließ sich in einer flüssigen Bewegung vor ihm auf die Knie sinken. Jenny, die mit am Tisch saß, keuchte auf. Bill schien den Atem anzuhalten. Das Herz des Hoppers konnte sich irgendwie nicht zwischen rasen und stehen bleiben entscheiden, deswegen stolperte es komisch in seiner Brust. Und in diesem Moment war er mehr als froh über seine Routine im Gitarrenspiel, wäre er ein Anfänger gewesen, hätte er sich spätestens jetzt verspielt… Doch seine Stimme war klar, als er weiter sang: »Dich - wie Du barfuß durch die Reihen der Gedanken gehst; Dich - wie Du hinter mir beim Feuerwerk am Fenster stehst! Dich - wie Du vor mir liegst, unter deiner Haut das Flammenmeer…« Er holte tief Luft und nahm seinen ganzen Mut zusammen. »Ich liebe Dich, ich liebe Dich, doch ich wusste nicht, ich wusste nicht - Wie sehr...!« Die letzten Worte rief er laut. Und dann brachte er die Gitarre mit seiner Hand schlagartig dazu zu verstummen und wartete ungeduldig die unangenehme Stille ab. Konnte er jetzt sterben? Unsicher blickte er auf und bemerkte verblüfft die Tränen die Bill die Wangen hinunterliefen. Tränen die mit schwarzen Mascara vermischt waren und dann warf sein Freund sich ihm an den Hals. »Ich dich auch…« hauchte er zittrig und gab ihn einen zögerlichen Kuss auf den Mund. Erleichtert lächelte Tom und umarmte den Schwarzhaarigen zurück. Erst Minuten später bemerkte er den tosenden Applaus, der sich im Raum ausgebreitet hatte. Der Hopper hätte nie erwartet, dass es so umgehend akzeptiert werden würde. Als er sich umsah, sah er durchaus Mitschüler die spöttisch oder angewidert das Gesicht verzogen, aber auch viele die sich mit ihnen zu freuen schienen. Hatten sie vielleicht schon etwas geahnt? Er nahm Bills Hand und zog ihn aus der Mensatür hinaus. »Lass uns endlich damit anfangen richtig zusammen zu sein.« »Ja.<< Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)