Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 120: London 3 - Patricia -------------------------------- John [[BILD=8226303.jpg]] Es waren zwei lange Wochen vergangen, zwei schrecklich lange Wochen, die er zum Glück mit viel Arbeit füllen konnte. Aber in diesen zwei langen Wochen war auch sonst einiges geschehen, das John ablenkte und beschäftigte. An jenem Morgen, als Tancred gegangen war, hatte er eine Leere empfunden, die er nicht gekannt hatte. Oder nein... so ganz stimmte es nicht. Er hatte schon einmal etwas Ähnliches empfunden - nach dem Tod seiner Mutter. Aber anders als damals war ihm klar, dass der andere wirklich alles in seiner Macht stehende tun würde, um zu ihm zurückzukehren. Und das war positiv. Fünf Wochen würden vorübergehen, da war er sich sicher. Er trug das Kreuz, das ihm der Franzose geschenkt hatte, und wurde dadurch immer an den See erinnert, an diese kostbare Zeit, die sie miteinander geteilt hatten. John hätte nie für möglich gehalten, dass er sich einmal wirklich nach einem anderen Menschen sehen könnte. Gut, er hatte Kieran damals vermisst, als der in Spanien gewesen war, und auch, als der auf dem Schiff das Meer befahren hatte. Aber das hier war etwas ganz andres. Zum Glück hatte er Arbeit und die nicht zu knapp. In der ersten Woche war er hauptsächlich damit beschäftigt gewesen, die Vorräte für die Armee abzuarbeiten, damit die Lieferung rausgehen konnte. Kieran war oft da, weil Dominico viel zu tun hatte, so dass sein Vater ihn in Ruhe arbeiten ließ. Patricia und Kieran waren jenem die bessere Gesellschaft und John war das nur recht. Die Zeit verging recht schnell und bald begann das letzte Semester. Kieran übernachtete wieder unter der Woche im Haus der Apotheke, so dass John hin und wieder abends länger blieb, mit Kieran und auch Patricia die Zeit bei einem Bier verbrachte und sie sich unterhielten, oder auch lernten, denn die Dozenten machten ihnen klar, dass die Abschlussprüfungen in drei Monaten, die alles entscheidenden sein würden, schneller kämen, als ihnen lieb sein konnte. Patricia leistete ihnen Gesellschaft und das war in Ordnung. Sie war nett und offen. Wenn sie allein sein wollten, dann trafen sie sich bei John. Dann saßen sie da und Kieran klagte ihm sein Leid, dass Dominico alle Hände voll zu tun hatte, einen Krieg vorzubereiten, der an Dummheit alles bisher Dagewesene übertraf und dass er nicht wollte, dass er hineingezogen wurde. Was sollte John da sagen? Er schaffte es nicht, darüber zu reden, wie es ihm ging. Kieran deutete manchmal etwas an, fragte ihn auch direkt, wie es ihm ginge. Aber John konnte nicht einfach über so etwas reden. Es war ein wenig schwierig für ihn. So schwieg er oder antwortete nur ausweichend. Irgendwie fiel es ihm selbst schwer für sich zu akzeptieren, dass es da jemanden in seinem Leben gab, der ihm sehr viel bedeutete. Daher konnte er auch nicht wirklich viel darüber reden. Dass ihn die 'Trennung' zu schaffen machte, versuchte er sich noch weniger anmerken zu lassen. Er wollte auch nicht so sehr in "Selbstmitleid" zerfließen. Schließlich hatte er ja auch vor Tancred ein Leben gehabt, das er nun einfach fortführte. Es in der Mitte der zweiten Woche gewesen, als er sich abends aufgerafft hatte, nach langem mal wieder ins Chamber's zu gehen. Es war schon recht spät, als er fortkam und Streuner trabte hinter ihm her. Er war sein stiller Begleiter und besonders in den Nächten war er ein willkommener Gast in seinem Zimmer, das nach den zwei Nächten, in denen Tancred bei ihm geschlafen hatte, so leer wirkte. Bevor er in die Straße einbog, in der die Schenke lag, knurrte Streuner und stellte sich vor ihn, als wolle er ihn beschützen. John blieb irritiert stehen, als er laute Stimmen aus der Gasse hörte, die näher kamen. John blickte sich um, pfiff dann leise und zog sich mit Streuner in eine der engen Durchgänge zwischen zwei Häusern zurück. "...wurde dem Pack der Garaus gemacht. Solche Orte geben dem Abschaum den Nährboden, der unsere Kinder verdirbt. Es war höchste Zeit, dass gehandelt wurde. Diese abartigen Perversen haben hier in London nichts verloren..." Das, was er hörte, reichte um zu verstehen, was geschehen war. Die Liga der Bürger, die sich gegen die Sodomie wehrten, war nun auch in London in vollem Gange. Der Geruch von Feuer, den er vorhin schon in der Nase gehabt hatte, vervollständigten nun sein Bild davon, was wohl aus dem Chamber's geworden war. Er konnte von Glück sagen, dass er nicht früher gekommen war.   Es erfüllte ihn mit Traurigkeit, dass es nun das Chamber's nicht mehr gab, in dem er so viel Zeit verbracht hatte. Es war der Ort vieler schöner Stunden, der Ort, an dem er Tancred das erste Mal begegnet war. Er hatte viele dort gekannt, viele, die wie er tickten, die mit Frauen einfach nichts anfangen konnten, oder die einen Drachen geheiratet hatten, und die in der Kneipe ihr eigentliches Selbst ausleben konnten. Er hatte dort immer jemanden für eine schnelle Nummer gefunden. Es war irgendwann einfach Teil seines Lebens geworden, ein Teil, in dem er sich wohlgefühlt hatte, weil er nicht zum Leben mit seinem Vater gehört hatte. Jetzt existierte dieser Ort nicht mehr und man tat gut daran, nicht darüber zu sprechen und sich dort nicht blicken zu lassen. Zwei Tage später hingen fünf Männer am Marktplatz - kastriert und dann aufgehängt. Der Vorwurf: Sodomie. John hatte sie alle gekannt. An eben genau diesem Abend, trat sein Vater auf ihn zu und setzte sich neben ihn. Es war eine unangenehme Stille, die sich mit einem Mal um John legte und er wusste, dass das nur eines bedeuten konnte: sein Vater hatte Beschlüsse gefasst. "John", begann der Mann und blickte ihn an. John tat, als sei er gerade sehr vertieft. "Ich weiß, von wem du die Kette hast", fuhr sein Vater fort und im ersten Moment war er versucht, den anderen anzusehen, doch er riss sich zusammen und ließ sich nichts anmerken. "Sie ist von dem Kapitän, der sich ja sehr für dich eingesetzt hat." Vermutlich nur irgendeine Einschüchterung oder so. "John du weißt, dass du hier ein unverzichtbarer Teil der Apotheke bist. Daher habe ich einen Beschluss gefasst. Ich bestehe darauf, dass du Patricia ehelichst und der Verbleib dieser guten Seele in unserem Haus dadurch endgültig legitimiert wird." John sah seinen Vater nun doch ziemlich perplex an. "Wie bitte?", fragte er und konnte kaum glauben, was er da hörte. Einen Moment blickten sich die beiden Männer an. Dann fuhr sein Vater fort: "Du hast mich schon richtig verstanden. Lass dir eines gesagt sein, John Forbes", fuhr der ältere Mann fort, "Ich werde deine Abartigkeit nicht weiter in meinem Haus dulden. Ich befehle dir, dass du Patricia ehelichst, um ihren Verbleib in meinem Haus zu sichern. Wenn du es nicht tust, wird alle Welt hier in London erfahren, was du für ein Abschaum bist, und vor allem: was er für ein abartiges Monster ist. Überleg es dir." Sein Vater stand auf und ließ ihn zurück. Er saß da und starrte auf seine Hände, ohne fähig zu sein, irgendeinen klaren Gedanken zu fassen.     Patricia  [[BILD=8264685.jpg]] Seit sie in der Apotheke arbeitete, hatte sich Patricias Leben von Grund auf geändert. Natürlich hatte sie auch ihre Arbeit im Spital oder in den Lazaretten sehr ausgefüllt und glücklich gemacht, doch sie war niemand, der dazu bestimmt war, sein Leben lang blutgetränkte Verbände oder anderen Unrat von Kranken bei Seite zu räumen. Sie wusste weit mehr über Medizin als manche der Studenten, die täglich zwischen den Betten umherschlichen. Sie konnte Wunden besser behandeln und wusste meistens auch, was man bei den üblichen Beschwerden am besten verabreichte. Doch wie so häufig war es ihr nicht gestattet, dieses Wissen einzubringen. Tat sie es doch, fuhr man ihr über den Mund und sie hatte schnell gelernt, dass es klüger war, sich dumm zu stellen, auch wenn ihr das so missfiel. Ihre Mutter hatte sie in der "Heilkunde", wenn man es so nennen wollte, gelehrt, doch den Schweiß hatte ihre Mutter auch nicht besiegen können. Da ihr Vater schon vor einiger Zeit verstorben war, hatte sie es nach einem ersten vorlauten Ausfall ihrerseits nicht mehr riskiert, die Arbeitsstelle im Spital zu verlieren. So hatten sich die Tage langweilig dahingezogen mit der immer gleichen Arbeit und dem immer gleichen Leben. Obwohl sie verhältnismäßig alt war, hatte sie nie geheiratet. Wer würde sie auch schon wollen? Zwar war sie sicher hübsch, doch sie schlief mit neun anderen Krankenschwestern in einem gemeinsamen Schlafraum unter dem Dach des Spitals - dorthin nahm SIE sicher keine Männer mit, auch wenn andere Frauen das taten. Als sie Kieran und John das erste Mal begegnet war, war das wieder an einem dieser Tage gewesen, an dem Kieran seinem Lehrmeister wie so oft widersprochen hatte - und seit dem hatte sich ihr Leben deutlich aufgehellt. Wenn sie die beiden Männer sah, dann wusste sie, dass ihr Tag zumindest einige erheiternde Momente reicher sein würde, und sie war bisher nie enttäuscht worden. Dass es ihr aber eines Tages gelingen würde, die beiden davon zu überzeugen, sie Johns Vater als Hilfskraft in der Apotheke vorzustellen, das hatte sie nie geglaubt - genauso, wie niemand sie auf das hatte vorbereiten können, was sie dort erwartet hatte. Mr. Forbes war ein alter knauseriger Kauz. Dabei verdiente er sehr gut, seitdem die Apotheke die Versorgung der Flotte und der Armee übernommen hatte - und das machte auch einen Teil des Problems aus. Denn die Apotheke bot kaum genug Raum für die Herstellung allen notwendigen Materials, wenn man zusätzlich einen normalen Betrieb weiterführen wollte. Weder John noch Kieran hatten viel für eine freundlichere Atmosphäre in dem Laden getan und daher hatte sich Patricia an ihrem ersten Arbeitstag erst einmal Putzlappen und Wasser geschnappt und den Verkaufsraum auf Hochglanz poliert, alte Relikte in den Hinterhof verbannt und so einen offenen und freundlichen Raum geschaffen, der nicht mehr so stickig und staubig war. In dem Gedanken, dass Mr. Forbes das sicher begrüßen würde, hatte sie ihn strahlend begrüßt - nur um eine Predigt darüber zu erhalten, dass das so ja alles viel schlimmer war. Patricia hatte durchgeatmet, weiter gelächelt, dem alten Mann den Lappen in die Hand gedrückt und gesagt, er könne das ja alles selbst wieder zurückräumen - so aber würde er seinen Kunden endlich den Raum bieten, den er in seiner Qualität eigentlich vorgab. Damit war sie ins Bett gegangen und hatte den Alten unten allein gelassen. Weil John ausgezogen war und es sich der alte Forbes nicht erlauben konnte, sie ebenfalls hinaus zu werfen, hatte er das Thema am nächsten Morgen nicht mehr angeschnitten – ebenso wenig, wie er den Verkaufsraum wieder vollgestopft hatte. Auf diese Weise hatte ihm Patricia einige "Verbesserungen" quasi aufgezwungen und irgendwann hatte er es aufgegeben, es dem "Frauenzimmer" austreiben zu wollen. Sie wusste insgeheim warum: Die Leute kamen häufiger, waren gern in der Apotheke und genossen vor allem Patricias Verkaufstalent. Sie nahm sich Zeit für die Kunden, ließ sich deren Leid klagen und brachte mehr Verständnis auf, als Mr. Forbes in seinem ganzen Leben wohl je gehabt hatte. Das entlastete den alternden Besitzer zumindest so sehr, dass er seiner eigenen Arbeit besser nachgehen konnte und nicht mehr so häufig schlecht gelaunt war. Mit Kieran verstand sich Patricia ebenso prächtig und so war es eigentlich ein sehr angenehmes Leben, das nur dann etwas aus den Fugen geriet, wenn Mr. Forbes und sein Sohn aneinander gerieten. Anfangs hatte Patricia das freundlich überhört, doch immer ging es nicht - und sie fragte sich wirklich, warum das so war. Je mehr Zeit sie allerdings mit John und Kieran verbrachte und je häufiger sie dem Gönner von Kieran begegnete, oder je häufiger sie bemerkte, dass er zu dessen Anwesen ritt, um dort zu "arbeiten"… nun. Vielleicht war sie als Frau einfach feinfühliger, was das anging. Sie erinnerte sich sehr lebhaft an ein Fest bei Hofe. Sie war eigentlich auch nur dort gewesen, um dafür zu sorgen, dass es den volltrunkenen Gästen an nichts mangelte, als sie ein Gespräch mitgehört hatte. Ein Gespräch zwischen einer jungen Hofdame und einem etwa gleichaltrigen jungen Mann, die immer wieder verschwörerisch die Köpfe zusammengesteckt hatten. Die Dame hatte davon gesprochen, endlich wieder einen "ordentlichen Hengst zu besteigen" und hatte damit sicher kein Pferd gemeint - und zu ihrem großen Amüsement hatte der Mann nur geantwortet "Mir geht es nicht anders". Vielleicht bildete sie es sich auch nur ein, doch in der Art wie John und Kieran miteinander umgingen und wie sie von Dominico Sforza sprachen oder der Familie Sforza allgemein - wenn sie glaubten, Patricia höre es nicht - dann spürte sie instinktiv, dass an den beiden etwas anders war, als an anderen Männern. Statt wie Johns Vater dagegen zu wettern und es abzuschmettern, hatte Patricia große Sympathie. Sie zog nicht etwa selbst Frauen den Männern vor, nein. Doch so wie es ihr als Frau verweigert wurde, zu studieren und zu lernen, eben einfach weil sie eine Frau war, wurde diese Liebe, die sicher genauso ehrlich und aufrichtig vor Gott war wie jede Ehe zwischen Mann und Frau, verboten - und das in letzter Zeit immer fanatischer, während sich weltliche und kirchliche Fürsten ihre Lustknaben hielten. Patricia war vielleicht vieles, aber nicht blind für die Welt, die sie umgab, und sie störte sich massiv an den Streitereien zwischen Vater und Sohn, die wie sie glaubte, auch aus diesem Umstand resultierten.   Als sie an diesem Abend noch einiges im Verkaufsraum zusammenräumte und aufwischte, war Mr. Forbes zu John in das Labor gegangen. Da sie den Eimer aus der Abstellkammer daneben benutzt hatte und den gerade zurückstellen wollte, bekam sie einige Wortfetzen mit. Normalerweise lauschte sie nicht absichtlich, doch das was Johns Vater gerade ansprach, war letztlich der Beweis ihrer Vermutung und sie war zu neugierig, um nicht hinzuhören. Was der alte Mann sagte, hätte beinahe dafür gesorgt, dass sie den Eimer fallen gelassen und aufgeschrien hätte. Nur um ein Haar gelang es ihr, keinen Laut von sich zu geben, während sie sich die Hand auf den Mund presste. Heiraten? Sie und John? Sie hatte es schon ein paar Mal von Kunden gehört, dem aber nie Bedeutung beigemessen. Sicher, John und Kieran waren beide attraktive Männer, doch sie machten beide keinen einzigen Schritt auf sie zu und Patricia war keine Hure, die sich verkaufte. Doch die Bitte oder eher der Befehl von Mr. Forbes war ja noch nicht alles. Er drohte seinem Sohn. Sie ist von dem Kapitän… Dunkel erinnerte sich Patricia an den einäugigen, großen, attraktiven Mann, der am Turnier neben Dominico Sforza an ihrer Krankenstation aufgeschlagen war. Er? Sie biss sich auf die Unterlippe - da konnte sie John verstehen. Der Mann hatte eine Aura gehabt, die ihr auch gefallen hatte. Vielleicht war er gefährlich, aber ein abartiges Monster? Abartig? War es nicht vollkommen egal, wen man liebte? Patricia drückte sich tiefer in die dunkle Abstellkammer als sie Schritte hörte, doch Mr. Forbes bemerkte sie nicht. Erneut und wie so häufig kam ihr der Gedanke, dass ihre Mutter sie ihrer Zeit viel zu liberal erzogen hatte, doch Patricia sah einfach nicht ein, wieso in der Öffentlichkeit so vieles als verboten galt, was hinter verschlossenen Türen praktisch "jeder" tat. Sie biss sich auf die Unterlippe und stellte den Eimer ab, schloss die Türe und betrat dann das Labor. Langsam kam sie zu John hinüber, der noch immer dasaß, ohne sich zu rühren. "Hey John", fing sie an, erntete jedoch keine Reaktion. Vermutlich war es klüger nicht hier zu reden. "John, ich muss noch eine Lieferung zwei Straßen weiter bringen. Würdest du mich begleiten?" John  [[BILD=8226303.jpg]] John saß da und wusste nicht, was er denken sollte. Sein Vater wollte, dass er Patricia heiratete? Ansonsten würde er ihn dem gleichen Schicksal ausliefern, das die drei Männer ereilt hatte, die er heute am Marktplatz gesehen hatte? Und er würde noch dazu Tancred diffamieren. John hatte seinem Vater vieles zugetraut, aber das?! Hatte er dann überhaupt eine Wahl? In diesem Moment verfluchte er seine Treue diesem Mann gegenüber - oder besser - dieser Apotheke gegenüber und dass er nicht einfach mitgegangen war auf das Schiff, das vermutlich gerade in spanischen Hoheitsgewässern war. Er hätte hiermit einfach brechen sollen, hätte mutiger sein sollen. Ja, er war ein guter Alchimist - und solche Menschen wurden überall immer gebraucht. Er hätte schon eine Möglichkeit gefunden, seine Beziehung zu Tancred mit seinem Können zu verbinden. Aber jetzt hier zu gehen? Wohin? Wie sollte ihn Tancred wiederfinden? Vor allem wie sollte er ihn warnen, dass sein Vater ihn verraten hatte? Dass ihn jemand ansprach, kam von sehr weit weg und drang nur langsam in sein Bewusstsein ein. Als die Stimme endlich laut genug war, dass er merkte, dass sie ihm galt, blickte er auf und in das Gesicht derjenigen Person, die er ab sofort gedachte zu heiraten - wenn es nach seinem Vater ginge. Hatte er eine Wahl? "Wie bitte?", fragte John, als er sah, dass sich ihr Mund bewegte, und Patricia wiederholte geduldig, was sie gesagt hatte. "Natürlich", antwortete er mechanisch. Vielleicht wäre es ganz gut, wenn er ein wenig an die frische Luft kam. John stand auf und legte den Anzug ab, den er immer trug, wenn er im Labor zu tun hatte. Dann sah er sie wieder an. Das erste Mal sah er sie an, wie man eine Frau als Mann vielleicht eigentlich ansehen sollte. Patricia war hübsch und klug und die beste Ärztin und Apothekerin, die sich sein Vater hätte wünschen können. Sie hatte ein ähnliches Wesen wie seine Mutter es hatte und vielleicht war es auch der Grund, weshalb sie sich abends eigentlich immer ganz gut miteinander unterhielten und viel lachten, wenn sie über die Kunden und die Patienten sprachen. Aber sie deshalb heiraten? Eine Hochzeit bedeutete viele Verpflichtungen, er würde verantwortlich sein für diese Frau und ihr Schicksal. Er würde sie niemals glücklich machen können. Schließlich bedeuteten eheliche Pflichten ja auch, ihr zum Beispiel ein Kind zu schenken oder überhaupt ihr ein Gefühl von Liebe zu geben und... Argh! John schluckte, als sie die Stufen aus dem Laden hinausgingen und er ihr den Korb, den sie trug, abnahm, um ihn selbst zu tragen. Eine Kundin kam ihnen entgegen und sie grüßten freundlich, während die Dame sie lächelnd betrachtete. Ja, er hatte schon gehört, dass sie ein schönes Paar wären, aber er hatte nie einen Gedanken daran verschwendet, dass dem wirklich so sein sollte. "Sag mal, Patricia", begann er langsam, während er mit ihr in die nächste Seitenstraße abbog. "Gibt es eigentlich einen Mann in deinem Leben? Also ich meine, jemanden..." Er blickte sie ein wenig hilflos an. Wie führte man solche Gespräche? Wie eroberte man eigentlich eine Frau? Und... Gott, er kam sich dumm vor. "Ich meine, du siehst sehr hübsch aus und da gibt es doch sicher einige, die dir den Hof machen, oder?" Nun, wenn es jemand anderen gab, dann würde sein Vater sicher nichts sagen können. Schließlich hätte er es dann wenigstens versucht...     Patricia  [[BILD=8264685.jpg]] Wie sehr John dieser Rundumschlag seines Vaters getroffen hatte, zeigte sich in seiner Abwesenheit, als er aufstand um Patricia zu folgen. Sie nahm den Korb, den sie hergerichtet hatte, um einige Medikamente zu langjährigen Kunden der Apotheke zu bringen und erst draußen nahm John ihr den Korb ab. Neben dem großen attraktiven Mann durch die Straße zu laufen, hatte schon etwas für sich. Es war einfach die Art, wie man sie beide ansah - als Paar. So traurig es war, man nahm an Johns Seite anders von ihr Notiz, als wenn sie alleine unterwegs war. Wenn es einen einzigen Grund für sie gab, diese Hochzeit aus Eigennutz voran zu treiben, dann war es dieser: Sie wollte diese Anerkennung als Ehefrau und nicht nur als irgendein "Mädchen". Eigentlich schlug sie diesen Gedanken aber in den Wind, denn sie glaubte kaum daran, dass John diese Drohung wirklich ernst nehmen und nach dem Willen seines Vaters handeln würde, auch wenn Patricia selbst bereits mitbekommen hatte, wie man mit Menschen solcher "Abartigkeit" verfuhr. Umso überraschter war sie, als John sie tatsächlich auf einen Mann in ihrem Leben ansprach. Sie konnte nicht anders als John einen wirklich sehr überraschten Blick zuzuwerfen, ehe sie wieder auf den Weg sah und zu überlegen schien. Innerlich musste sie gerade wirklich herzlich lachen. So traurig es auch war, dass John den Mut nicht aufbrachte einfach zu verschwinden für sein eigenes Glück, so seltsam war es, ihn dabei zu beobachten, wie er sich an einer Frau versuchte. Man merkte, dass er es nicht konnte und in seiner ungeschickten Art, sie auszuhorchen, war er beinahe süß. Sie schenkte ihm ein umwerfendes Lächeln. "Es gibt sogar drei Männer in meinem Leben, oder gar vier." Ihr Blick fiel auf den Hund, der mal wieder an Johns Fersen klebte. "Das wären dein Vater, du und Kieran. Und Streuner natürlich." Der Hund ließ ein zustimmendes Fiepen hören. "Es ist schwierig noch mehr Männer in meinem Leben unter zu bringen, glaube ich." Sie schaffte es, einen verlegenen Gesichtsausdruck an den Tag zu legen. "Im Spital haben die anderen immer Männer mit in den Schlafsaal gebracht. Das... naja. Ich will nicht, dass mir dabei jemand zuhört oder zusieht. Also war ich immer allein, ich hatte ja auch keine andere Bleibe. So sehr wie ihr mich einspannt, habe ich nicht wirklich Zeit, mir noch den Hof machen zu lassen." Da sagte sie die Wahrheit. Abgesehen davon, dass sie nicht heiraten wollte - nur um dann wieder unter eines Mannes Fuchtel zu stehen. Der Mann, der sie eines Tages bekommen würde, der musste ihr all die Freiheiten lassen, die sie wollte. Dieser Mann musste vermutlich erst noch geboren werden, zumindest wenn man darauf bestand, dass er sie ebenso sehr liebte. Denn John würde ihr in einer Ehe sicher nicht eine einzige Vorschrift machen, aber er würde eben auch ihr Bett nicht teilen und das wollte sie eigentlich schon. Sie räusperte sich und fasste schließlich knapp zusammen: "Danke für das Kompliment. Dass du mich hübsch findest, meine ich. Aber es gibt da niemanden. Wieso fragst du?" Sie konnte es sich nicht verkneifen, zumal es die Gelegenheit, John so um Worte verlegen zu sehen, einfach viel zu selten gab.     John  [[BILD=8226303.jpg]] Während zunächst Patricia überrascht schien, dass er ihr eine so persönliche Frage stellte, war es nun er, der überrascht war, als ihr die Frau erklärte, es gäbe vier Männer in ihrem Leben. Schließlich hatte er noch nie gemerkt, dass sie abends ausgegangen war, oder sich sonst irgendwie in ihrer Freizeit mit jemandem traf. Hatte sie überhaupt Freizeit? Dieses Lächeln, das sie auf den Lippen trug, und das sie gerade wirklich schön aussehen ließ, passte gar nicht so recht. Doch als sie weitersprach, klärte sich das auf und John musste nun auch ein wenig lächeln. Hm, dann spielte er zumindest eine Rolle in ihrem Leben. Aber das als Basis für seine Ehe? Während sie weitersprach und von ihrem Leben im Spital erzählte, wurde ihm klar, dass sie durch ihren Wechsel zu ihnen zwar wirklich viel arbeiten musste, sich ihre Lebenssituation aber durchaus verbessert hatte. Vielleicht würde man ja auch mit ihr über gewisse Dinge reden können... Er verwarf den Gedanken schnell wieder. Je weniger etwas wussten, desto sicherer war es für Tancred. Als sie fragte, wieso er daran interessiert war, war es wieder so weit. Wie machte man nun weiter? Eigentlich standen Frauen doch auf Romantik und Überraschungen und Blumen und solchen Kram. Er konnte jetzt ja schlecht sagen: ‚Super, wie wäre es dann, wenn wir heiraten? Passt doch ganz gut...‘ "Ich frage, weil ich dich... sehr gerne habe." Nun es war zumindest keine Lüge. "Und du bist in der Apotheke das Beste, was uns passieren konnte. Es wäre schön, wenn du einen Anspruch hättest, immer ein Teil davon zu sein." Er redete wirres Zeugs. Vielleicht sollte er einfach mit der Tür ins Haus fallen. "Könntest dir vorstellen, mich zu heiraten?" Es klang so seltsam, sich das sagen zu hören, zumal er das Gefühl hatte, gar keine Zeit gehabt zu haben, über irgendetwas nachzudenken. Tat er das Richtige? Was war das Richtige? Verletzte er Tancred nicht gerade und trat mit Füßen, was sie sich so mühsam aufgebaut hatten? Seine Hand glitt zu dem Kreuz unter seinem Hemd und er hielt es fest. Für ihn hatte er keine andere Wahl. Er würde ihn nicht schützen können, wenn er das hier nicht tat. "Ich würde auch bestimmt gut für dich sorgen, solange ich da bin, und du wirst auch danach immer versorgt sein." Er merkte gar nicht, dass er damit seinen ersten Gedanken, den er gehabt hatte, preisgab. Denn wenn er mit Kieran nach Italien gehen würde, dann würde er dafür gesorgt haben müssen, dass es ihr gut ging. Das wäre dann das mindeste, was er ihr schuldig wäre. "Die Apotheke wird irgendwann dir gehören und es soll dir an nichts mangeln." Er hatte nicht gemerkt, dass sie stehen geblieben war, und erst jetzt merkte er, dass sie schon an dem Haus vorbeigelaufen waren, zu dem sie eigentlich wollten. Er kehrte zu ihr zurück und sah sie an. "Ich versuche auch alles, was in meiner Macht steht, dich glücklich zu machen." Irgendwie war das bestimmt nicht das, was sie hatte hören wollen. Und irgendwie war es auch nicht das, was er hätte sagen sollen.     Patricia  [[BILD=8264685.jpg]] Sie schlenderten gemeinsam in gemütlichem Tempo die Straße entlang und Patricia genoss die laue Brise, die den Herbst langsam aber sicher ankündigte. John schien sich für seine nächsten Worte Zeit zu lassen und Patricia schmunzelte, als er erneut ansetzte. Das war ja wirklich zu niedlich! Weil er sie sehr gern hatte? Das hatte er sicher wirklich, aber nicht auf die Art und Weise, die er jetzt versuchte durchblicken zu lassen. Er zählte all die Vorzüge auf, die sie hatte was ihre Arbeit betraf - aber eben nichts, was ein Mann sonst wohl an ihr aufgezählt hätte. Nachdem es John unendlich schwer fiel, das zu sagen, brach er schließlich doch mit dem Kopf durch die Wand und fragte sie, ob sie ihn heiraten wolle. Patricia wurde rot. Allerdings nicht wegen der Frage, sondern weil sie so verdammt an sich halten musste, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Etwas Unromantischeres und gleichermaßen so unendlich Niedliches hatte sie sicher noch nie in ihrem Leben gesehen. Sie hielt an, weil sie ihre Hände ineinander verkrampfte und weil sie das Haus erreicht hatten, in das sie mussten. John ging einige Schritte weiter, ehe er merkte, dass er zu weit gelaufen war, und kam zu ihr zurück. Zum Glück war er so viel größer als sie, so konnte er ihr Gesicht nicht sehen das sie zum Boden gerichtet hatte. Diese Situation war so komisch, dass es ihr schwer fiel zu John aufzusehen und dabei wirklich fasziniert und berührt dreinzuschauen. Die einzige Hilfe, die sie hatte, war die Tatsache, dass sie schockiert darüber war, wie viel Macht Johns Vater über seinen Sohn hatte und wie große die Angst um sich selbst und den Mann sein musste, den John eigentlich liebte. Sie riss sich zusammen und hob den Kopf, sah ihn Johns zerknirschtes und unsicheres Gesicht und blinzelte. "Wirklich?", hauchte sie in bester Hofdamen-Manier. Dann kicherte sie doch, aber selbst das ließ sich ja noch irgendwie zum Anlass passend beschreiben. Sie kam ein wenig näher und stellte sich auf die Zehenspitzen, nahm John den Korb aus den Händen und brachte die Lippen nahe an sein Ohr. "Da wäre der Kapitän aber sicher sehr traurig..", flüsterte sie so leise, dass nur John sie hören konnte, ehe sie sich wieder von ihm löste. Sie zwinkerte ihm zu. "Warte hier auf mich, ich bin sofort wieder da - und dann reden wir über diesen Antrag, den ich mehr als nur gewillt bin anzunehmen. Ich finde Patricia Forbes steht mir - findest du nicht?" Und dann lachte sie doch, während sie im Haus verschwand.     John  [[BILD=8226303.jpg]] Jemanden, den man nicht liebte, einen Antrag zu machen, war etwas, was sich eigentlich als nicht machbar herausstellte, zumindest nicht ohne Vorbereitung. Sicher - er hätte die nächsten Abende versuchen können, mit der schönen jungen Frau zu flirten, sie zu umgarnen und ihr Komplimente zu machen. Vielleicht hätte sie sich dann in ihn verliebt - er sah ja ganz passabel aus. Und dann? Dann hätte er ihr den Antrag machen können, ohne dass es komisch gewirkt hätte. Aber er hätte von vorne bis hinten gelogen. Wenn er eines hasste, dann dass man Menschen manipulierte, um seine eigenen Interessen durchzusetzen. Patricia hatte es nicht verdient, dass man sie anlog. Sie überhaupt zu fragen, war eigentlich schon eine Frechheit. Er wusste, dass er gerade dabei war zu verlieren, dass er verlor, was er gerade erst gewonnen hatte. Er merkte, dass er seinem Vater nicht würde das bieten können, was jener verlangte, damit er ihn in Ruhe ließ - damit er ihn und vor allem Tancrèd in Ruhe ließ. Aber er hätte es dann zumindest versucht. Später würde er in Ruhe darüber nachdenken, welche Schritte einzuleiten waren, damit er untertauchen konnte. Er würde fort müssen und er würde Tancred warnen müssen. Als er vor ihr stand und auf sie hinabsah, war ihm mehr als klar, dass das eine Sackgasse war. Es war überhaupt schwachsinnig gewesen, zu glauben, dass das wirklich Sinn machte. Aber er war zu verwirrt, um wirklich logisch denken zu können. Als Patricia aufsah, war ihr Blick merkwürdig, so seltsam berührt, oder war da der Wunsch Vater des Gedanken? Doch irgendwie schien Patricia doch berührt zu sein, das Kichern, die leichte Röte, der Blick... Mit einem Mal wurde ihm klar, was ihn an dem Anblick störte: er passte nicht zu Patricia. Nicht zu der, zumindest, die keine Scheu hatte, einem Mann das Bein zu amputieren. Doch John wusste nicht einzuschätzen, was das dann bedeutete, als sie sich zu ihm hochstreckte und er ihr leicht entgegenkam. Was wollte sie jetzt? Ihn am Ende.. Nein, sie flüsterte ihm etwas ins Ohr. - Die Bombe hätte nicht lauter detonieren können. Wie vom Blitz getroffen, stand John starr vor Schreck da und blickte sie an, während sie sich von ihm löste und schließlich im Haus verschwand. Sie wusste von Tancrèd? Und sie wusste, dass das alles hier ein Schauspiel gewesen war - zumindest ein Versuch davon? Sie wusste, dass er auf Männer stand und auf einen im Besonderen? Dennoch war sie gewillt, den Antrag anzunehmen? Oder hatte er sich doch verhört? John strich sich die Haare aus dem Gesicht und wusste erneut nicht, was er fühlen, denken oder tun sollte. Wenn sie wirklich wusste, wie er tickte, war sie dann eine Gefahr? Aber wieso sollte sie den Antrag dann annehmen? Dann war da noch etwas: Sie hatte vollkommen recht! Wenn Tancrèd in drei Wochen zurückkäme, dann würde er nicht verstehen, was passiert war. Seine Hochzeitspläne würden den Kapitän zweifelsohne kränken. John musste in jedem Fall dafür sorgen, dass er Tancrèd genau erklärte, weshalb das alles so war, wie es war. Er würde das doch verstehen, oder? Als Patricia wieder aus dem Haus kam, sah er vermutlich noch immer ziemlich überrascht aus. Sie trat zu ihm, hakte sich unter und sie gingen weiter. "Woher weißt du davon?", fragte er halblaut. Irgendwie brannte diese Frage am meisten. Doch ihm wurde gerade etwas ganz anderes bewusst. "Es tut mir leid, dass ich dir nur Halbwahrheiten gesagt habe. Ich wollte dich nicht verletzen." Denn dem war wirklich so. Außerdem: wenn Patricia ihm etwas Böses gewollt hätte, denn hätte sie das schon längst getan.     Patricia  [[BILD=8264685.jpg]] Während Patricia im Haus verschwand und John stehen ließ, überlegte sie sich bereits wie sie dem jungen Mann jetzt klar machen sollte, was sie eben schon durch die Blume gesagt hatte. Sie brachte die Salbe, die sie vorbereitet hatte, und den Trank, den John gemischt hatte, in den zweiten Stock des Hauses. Mrs. Folley litt unter chronischem Husten und sowohl die Salbe als auch der Trank half ihr, freier durchzuatmen. Als sie klopfte öffnete Mr. Folley und strahlte übers ganze Gesicht, als er Patricia sah. Sie wünschte noch einen schönen Abend, ehe sie die Treppen wieder nach unten tanzte und kurze Zeit später wieder neben John auf der Straße stand. Sie hakte sich unter - immerhin war das ja noch sehr unverfänglich - und schlenderte mit ihm die Straße wieder entlang. Viele Leute waren nicht unterwegs, doch statt zurückzulaufen zur Apotheke, entschied Patricia einen kleinen Spaziergang zu machen, während dem sie sich gut würden unterhalten können. "Ich bin eine Frau lieber John", antwortete sie auf seine Frage, als sei es das logischste der Welt. "Ich habe euch beide beobachtet. Kieran und dich meine ich. Ihr seid nicht wie andere Männer. Aber das ich das mit.. nunja, du weißt was ich meine. Ich habe eben noch im Laden geputzt und als ich meine Sachen wegräumen wollte, habe ich deinen Vater gehört", gab sie ruhig zu. "Es gefällt mir nicht. Also dass er so mit dir redet. Dass er solche Dinge sagt." Sie sah zu John auf und lächelte. "Ich glaube, du wirst der fast perfekte Ehemann für mich sein, denn wir beide wollen doch in Wahrheit nur eines: Freiheit." Sie erreichten einen kleinen Garten, der zu einem der herrschaftlicheren Häuser gehörte und im Abendlicht schlenderten sie hinein, ungestörter als noch zuvor. "Ich habe bereits einen großen Schritt gemacht, als ich es geschafft habe, mich von dem Spital zu lösen, aber… die Welt sieht mich immer noch als ein nichts. Ich habe keinen Namen, der etwas bedeutet, und bin nur eine einfache Frau." Dass sie klug war und reflektierte, was ihr im Leben widerfuhr, war für John sicher keine besondere Neuerung. "Nehmen wir mal an, ich würde jemanden wie dich heiraten. Dann wäre ich Mrs. Forbes. Ich wäre jemand, ich hätte einen Namen. Man würde mich bemerken und gleichermaßen anerkennen. Wenn du eines Tages nicht mehr da bist", denn sie hatte durchaus bemerkt was John angesprochen hatte, als er ihr den Antrag gemacht hatte, "dann würde man mich nur noch an meinem Maßstäben messen. Was wäre schon dabei, wenn eine Frau, vielleicht eine Witwe, nicht noch einmal heiratet? Aber selbst, wenn du bleiben würdest, wenn das alles nur dazu dient, deinen Vater zu beschwichtigen - dann bin ich immer noch Mrs. Forbes. Dann bekomme ich endlich die Anerkennung, die ich mir so viele Jahre so hart erarbeitet habe." Sie blieb stehen und wandte sich John zu, schlang die Arme um seine Taille wie ein normales Paar es wohl auch getan hätte - man wusste ja nie, wer alles zusah. "Du siehst also, John Forbes, du hast dir eine sehr eigensinnige Frau ausgesucht, um sie heiraten zu wollen - aber vielleicht auch die einzige, die diesen Weg fröhlicher denn je mit dir gehen würde." Jetzt drückte sie ihm doch einen knappen Kuss auf die Lippen - mehr freundschaftlich und vielleicht auch eher, weil sie wollte, dass etwaige Zuschauer überzeugt wurden, von dem was sie sahen. Nach dem was sie von Johns Vater gehört hatte, war sie sich nicht sicher, wie "sicher" sie hier waren.     John  [[BILD=8226303.jpg]]   John ließ sich von Patricia einfach mitnehmen. Sie war offensichtlich diejenige, die genau wusste, was sie wollte, was man von ihm nicht behaupten konnte. Als sie sich schließlich erklärte, klang das sehr logisch. Sicher waren sie nicht wie andere Männer und das fiel einer Frau natürlich deutlicher auf. Würde man als Mann, wenn man Single war, bei so einer attraktiven Frau nicht das Graben anfangen? Aber wenn sie gemütlich in der Küche saßen und sich unterhielten, war es eher, als würden sich drei Freunde miteinander unterhalten. Dass ihr das auffallen musste, dass sie keine Reaktion auf ihre Weiblichkeit erhielt, war eigentlich klar, wenn man es sich recht überlegte. Sie redeten auch nie über andere Frauen und vermieden das Thema "Partnerschaft" in ihrer Gegenwart. Patricia war nicht dumm - er hätte eigentlich selbst wissen können, dass sie sie durchschaute und offensichtlich kein Problem damit hatte. Dass sie das Gespräch mit seinem Vater gehört hatte, erklärte den Rest. Und dass sie auf seiner Seite stand, tat ihm gut. Er sah das Lächeln, dass sie ihm schenkte und drückte sacht ihren Arm etwas fester an sich. Ja, es tat gut zu erfahren, dass sie keine war, die den Hasspredigten, die sein Vater so gerne hörte, zustimmte. Was sie ihm nun erklärte ließ John lächeln. Freiheit, ja das war es, was sie beide letztlich im besonderen Maße wollten. Die Freiheit, zu leben und zu lieben wie und wen man wollte. Er konnte es nicht, weil er Männer begehrte, sie konnte es nicht, weil sie als Frau im sozialen Gefüge nicht gleichgestellt war. Gemeinsam würden sie sich ermöglichen, was sie begehrten. Nun, das klang nach einem guten Kompromiss. Durch ihre Heirat würde niemand an seinem Interesse für Frauen zweifeln, und sie würde einen in London angesehenen Namen tragen, der ihr ganz gewiss eine höhere Stellung brachte, als sie jemals anderweitig erhalten würde. Das stimmte. Auch wenn er den Namen nicht besonders stolz trug, denn ihm selbst hatte er nie etwas gebracht und bedeutet, so würde er ihr diesen Namen gerne schenken - in Erinnerung an seine Mutter, die eine mindestens genauso kluge und feinfühlige Frau gewesen war, wie Patricia. Sie waren stehen geblieben und John hatte sich automatisch zu ihr gedreht, um sie anzusehen. "Ich schenke dir diesen Namen gerne", sagte er dann. "Und ich hoffe, dass er dir mehr Glück beschert, wie er mir gebracht hat." Auch er hatte seine Arme um ihre Taille gelegt und merkte, wie anders es sich anfühlte, eine Frau in den Armen zu halten. Sie war seine Freundin, ihn störte es nicht, Körperkontakt zu haben. Es würde in Zukunft auch kein Problem für ihn sein, so mit ihr umzugehen, damit die Leute sehen würden, was sie sehen wollten. Nun sagte sie wieder etwas, was einfach schlichtweg der Wahrheit entsprach: sie würde die einzige Frau sein, die er wirklich heiraten könnte. Er war der größte Glückspilz auf dieser Erde, dass er sie hatte. Dass sie ihn küsste, kurz und einfach nur freundschaftlich, störte ihn nicht, es gehörte zu einem Schauspiel, das sie soeben einvernehmlich begonnen hatten. John zog Patricia zu sich und umarmte sie innig. "Ich danke dir so sehr", sagte er leise. "Dieser Mann, Tancrèd, bedeutet mir sehr viel. Er hat mich sehr berührt, wie es sonst niemand geschafft hat. Ich muss ihn beschützen. Danke, dass du mir dabei hilfst." Sacht löste er sich wieder von ihr und blickte sich kurz um. Dann pflückte er einen Zweig einer Fuchsie, die dort blühte, und irgendwie zur Situation passte: die Blume der Rücksicht. John ließ sich vor Patricia auf die Knie sinken und blickte sie an, ihr die Blume reichend. "Meine liebe Patricia", sagte er sanft. "Möchtest du meine Frau werden? Ich verspreche dir, dass ich niemals eine andere Frau so lieben könnte, wie ich dich liebe. Ich verspreche dir ein guter Ehemann zu sein, der dir niemals Vorschriften machen wird und sich einfach nur wünscht, dass du immer so wundervoll und eigensinnig bleibst wie du bist." Er lächelte sie an. "Ich werde dich lieben und ehren, bis dass der Tod uns scheidet." Denn als Patricia ihm sagte, dass sie sich als Witwe dann immer noch einen Mann suchen könnte, der sie nahm, wie sie war und wirklich liebte, auch körperlich, war ihm ganz klar vor Augen, wie er sie einmal verlassen würde, wenn Kieran mit Dominico nach Italien aufbrechen würde. Dominico... vielleicht begriff er langsam, was in diesem Mann vorgegangen war, als es darum ging, seine Liebe zu beschützen... Er nahm sich für sich nur vor, dass er mit Tancred reden würde und ihm erklären würde, warum er gehandelt hatte, wie er handelte. Zu schweigen und sich nicht zu erklären, wäre das letzte, was er wollen würde.     Patricia  [[BILD=8264685.jpg]] Vor ihrem Kuss schreckte John nicht zurück. Vielmehr schien er ehrlich froh zu sein, dass sie im Grunde in seinem Sinne sprach und vor allem für ihn. Sie lächelte. Langsam schien John ihre Beweggründe zu verstehen und wie sie erwartet hatte, konnte er sich dafür auch durchaus erwärmen. Für Patricia war es mehr als der gesellschaftliche Aufstieg. Sicher heiratete man für den gesellschaftlichen Aufstieg, das war einfach und logisch und im Grunde tat es jeder. Sie heiratete um sich frei zu kaufen von den gesellschaftlichen Zwängen und der Ächtung einer unverheirateten Frau, die auch noch Heilkunst praktizierte. Diese Verbindung hatte für sie beide nur Vorteile und im Gegensatz zu anderen "Vernunftehen" mochten sie beide sich wenigstens wirklich. Es fühlte sich gut an von John im Arm gehalten zu werden und sie lehnte sich an ihn, gewissermaßen wirklich glücklich über die Fügung des Schicksals. Es hätte schließlich auch anders sein können. Dass John nicht angetan davon war, dass sie über ihn und seine Liebe Bescheid wusste, oder dass er sie genauso missachtete - doch dann hätte sie sich sehr in ihm und Kieran getäuscht. Als John sie an sich zog und sie drückte, fühlte sie, dass er sie wirklich mochte. Dass das, was er ihr gab wirklich gewissermaßen "Liebe" war, zumindest in der Art wie John sie für eine Frau empfinden konnte. Als er ihr jetzt leise etwas zuflüsterte lächelte sie milde und konnte sich einen frechen Kommentar dann doch nicht verkneifen. "Ein Franzose..?" fragte sie leise zurück und schmunzelte. "Ein Feind also.. vielleicht sollte ich es mir doch noch einmal überlegen." Doch das meinte sie nicht wirklich ernst und als John sich jetzt von ihr löste und den Zweig abbrach verging ihr das freche Lachen doch ganz schnell wieder. Eigentlich war ihre Hochzeit ja ohnehin besiegelt, doch John schien sich dazu entschieden zu haben, diese Sache wirklich offiziell zu machen. Als er dieses Mal vor ihr auf die Knie ging, fand er tatsächlich die Worte, die eine Frau zum Schmelzen brachten und wenn sie nicht gewusst hätte, dass John einen anderen Mann liebte, dann hätte sie es ihm vollkommen abgenommen. Denn was John sagte war einfach vollkommen wahr und richtig. Sie war die einzige Frau für die er Liebe empfand, nicht nur oder gerade eben nicht, weil sie eine Frau war, sondern weil sie ihm half und ihn verstand. Er schätzte ihre Eigensinnigkeit und ihre Weitsichtigkeit - was konnte sie mehr wollen?! Seine weiteren Worte hatten dieses leise Versprechen, dass er entweder bei ihr bleiben würde oder sie so verließ, dass sie danach frei war und nicht mehr an diese Ehe gebunden sein würde, wenn sie denn nicht wollte. Sie griff den Zweig und Johns Hände und konnte rein gar nichts dagegen tun, dass ihre Augen feucht wurden. "Bis dass der Tod uns scheidet, werde ich dir treu sein und dir bei der Erfüllung deiner Wünsche und Träume immer zur Seite stehen. Ich will diesen Weg gerne mit dir gemeinsam gehen. Du machst mich gerade zur glücklichsten Frau in ganz London." Und damit log sie nicht einmal, denn Johns Versprechen machte sie frei und erfüllte ihr damit ihren innigsten Herzenswunsch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)