Intrigo e amore von -Amber- (And it's with you that I want to stay forevermore) ================================================================================ Kapitel 63: London 2 - Zweite Wahl ---------------------------------- Kieran [[BILD=8212631.jpg]] Als sie am Donnerstag aufbrachen, um auf das Anwesen der Sforzas zu kommen, war Kieran noch immer nicht mit sich im Reinen. Er wusste einfach nicht, ob er sich nun freuen sollte, oder nicht. Die Erfahrungen, die er da sammeln würde, wären viel wert. Es gab eine Menge Geld und durchaus auch eine Qualifikation, die ihm vielleicht einmal helfen würde, Dominico ins Ausland zu begleiten. Und dennoch wäre er gerade auch glücklicher, wenn er zum Beispiel die Aussicht gehabt hätte, ein Wochenende bei Nico verbringen zu können. Außerdem war er etwas irritiert, weil Nico nicht auf seinen Brief geantwortet hatte. Ob es bei Hofe wieder drunter und drüber ging? Kieran hatte ja einige Dinge erfahren und er wusste, dass so tiefgehende Intrigen nicht von heute auf morgen beendet waren. Entsprechend konnte er sich denken, dass der andere gerade echt anstrengende Zeiten durchlebte. Da war es klar, dass Dinge, die ja eh schon abgemacht worden waren, nicht noch einmal extra beantwortet werden mussten. Nico hatte ihm ja die Zustimmung gegeben, er brauchte nicht noch eine schriftliche. Und doch kränkte es ihn ein wenig. Zum einen, weil er gerne jemand wäre, dem der andere seine Probleme anvertraute und er ihm gerne helfen würde, diese zu tragen, zum anderen, weil er enttäuscht war, dass dem anderen ganz offensichtlich egal war, dass er bald weg sein würde. Als sie das Anwesen erreichten, teilte ihnen einer der Diener mit, dass die Familie aktuell nicht anwesend sei. Kieran erklärte, dass er mit einem befreundeten Arzt im Labor arbeiten werde und die Patienten versorgen würde und dass es mit Dominico abgesprochen sei. Das reichte diesem, damit sie an die Arbeit gehen konnten. John war wirklich hin und weg von den Möglichkeiten, die er hier hatte, und machte sich gleich daran, zu arbeiten, während Kieran erst einmal losging, um seine Patienten zu besuchen. Dominico [[BILD=8207715.jpg]] Tatsächlich hatte Nico im wahrsten Sinne des Wortes eine anstrengende Woche. Das Handelsschiff, mit dem seine Frau über den Kanal gesetzt hatte, erreichte Portsmouth früh am Montagmorgen. Er hatte daher absagen müssen, als es darum ging, die Ärzte für die Navy auszuwählen, und war bereits in der Nacht nach Portsmouth aufgebrochen. Eigentlich brauchte man nicht lange, wenn man ritt, doch weil er seine Kinder und seine Frau kaum auf Pferde setzen konnte, musste er in der Kutsche reisen und die brauchte länger. Als das Schiff in den Hafen einlief, winkten die Kinder bereits von der Reeling und Giulia hob ebenfalls die Hand zum Gruß. Die hatte nichts ihrer Schönheit eingebüßt, seit Nico sie das letzte mal gesehen hatte. Obwohl sie eigentlich Engländerin war, hatte sie ein sehr südländisches Aussehen, langes schwarzes Haar und wunderschöne Augen. Ihr Körper war zierlich und schlank, mit den richtigen Rundungen an den richtigen Stellen, die das Kleid, das sie trug, nur noch mehr hervorhob. Als sie schließlich von Bord ging, während die Kinder ihr vorausstürmten, wusste Nico, dass er keine andere jemals hätte heiraten wollen. Nicht etwa, weil er sie so abgöttisch liebte, sondern weil sie das Ebenbild der perfekten Ehefrau war. Ungestüm wie Nico selbst, rannten ihm seine Kinder entgegen und er nahm sie beide auf den Arm - auch wenn das langsam immer schwerer wurde, denn auch sie waren in seiner Abwesenheit wirklich sehr gewachsen. Als seine Frau bei ihm stand, verneigte er sich leicht vor ihr und küsste ihre Hand sanft und zärtlich, ehe er ihr den Arm bot, um ihr beim Einsteigen in die Kutsche zu helfen. Ihr Gepäck und die beiden Dienstmädchen, die sie begleitet hatten, würden kurz darauf nachkommen. Die Fahrt gehörte definitiv ihren Kindern. Sie haten ihrem Vater viel zu erzählen und das plötzliche Familienglück beruhigte Nico angesichts der politischen Lage etwas. Als sie den Hof erreichten, wurden sie von Alessandro und einem Teil der Belegschft empfangen, die sich freuten die Dame des Hauses wieder bewirten zu dürfen. Giulia ließ es sich nicht nehmen, alle zu begrüßen und auch die KInder durch diese Prozedur zu zwingen, ehe sie sie laufen ließ und die Wirbelwinde mit den Kindern der Angestellten sofort in alle Himmelsrichtungen davonstoben. Andere Kinder wurden sehr streng erzogen, doch Giulia und Dominico suchten den rechten Ausgleich für den Unterricht, dem sie beiwohnen mussten, und Nico hatte schon das Gefühl, dass Giulia alles richtig machte. Alessio geleitete sie in den Wintergarten, wo Giulia sich ersteinmal setzen und ausruhen konnte - allerdings nicht sonderlich lange. Nico hatte sich neben sie auf das Sofa fallen lassen, während der Kardinal, in roter Robe diesesmal, auf einem Sessel platznahm. Über die Reise sprachen sie nur kurz, ehe beide Männer Giulia bereits berichteten, welche Probleme es derzeit im Palast und am englischen Hof gab. Giulia war sehr wissbegierig, was das anging. Klatsch erreichte sie in Rom kaum, nur römischer Klatsch eben - und sie liebte den englischen Hof, auch wenn sie Rom zum Leben vorzog. Sie war eine kluge Frau und erkannte schnell, dass ihre Anwesenheit durchaus auch gefährdet war - und versprach daher, wenn auch schweren Herzens, sich bereit zu halten, überstürzt abzureisen, wenn es nötig sein sollte. Außerdem versprach sie, sich zurückzuhalten was Henry anging und stattdessen zu versuchen, eine Freundin für Anne Boleyn zu werden, um damit den beiden Brüdern zumindest aus dieser Ecke den Rücken zu stärken. Es war nicht unsinnig, auch Anne gegenüber ihrer Familie milde zu stimmen, wo die Frau doch eigentlich wusste, dass beide Brüder sie zumindest nicht über alle Maßen schätzten. So verging die Woche beinahe rasend schnell und die Abende im Palast und zu Hause reichten kaum, um über all die Dinge zu reden, die sich ansammelten, wenn man in zwei Welten lebte. Und so wenig er es auch zugeben wollte, Nico merkte wie sehr ihm dieser Rückhalt, den seine Frau ihm als Freundin gab, fehlte. Sie konnte sich auf seinem Parkett bewegen wie er und wusste, wann und wo das Richtige zu sagen war. Sie war ein unersetzbarer Teil seines Lebens... auch wenn die Liebe zwischen ihnen nie wirklich bestand gehabt hatte. Auf einer der letzten Sitzungen mit Thomas Howard am Mittwoch, erfuhr Nico schließlich die Namen der ausgewählten Studenten für die Navy und wunderte sich nicht wirklich, dass Kieran darunter war. Es fuchste ihn ziemlich, während er andererseits beinahe froh darum war. Er vermisste den jungen Mann schrecklich, und auch wenn er wusste, dass seine Frau Mätressen oder leichte Jungs in seinem Bett tolerierte - er brauchte keine weiteren Gerüchte in ihrer Anwesenheit. Die Zeiten waren zu gefährlich... wirklich zu gefährlich. Nico beschloss, auf dem Rückweg bei Mr. Forbes vorbeizuschauen, um Kieran einfach förmlich zu gratulieren. Vielleicht bekam er die Gelegenheit, kurz unter vier Augen mit ihm zu sprechen, denn jeder Brief von seiner Familie wurde mit Sicherheit doppelt und deifach geprüft. Er hoffte es einfach, denn anders würde er kaum an Kieran herankommen, zumindest nicht solange seine Frau da war... Und bald war Kieran für eine lange Weile unerreichbar weit fort. Als er am Nachmittag die Apotheke erreichte, traf er auf einen verwunderten Apotheker, der berichtete, Kieran sei mit John bereits zum Anwesen vorausgeritten, um wegen der Medikamentenlieferung für Portsmouth im Labor zu arbeiten. Nico rutschte das Herz in die Hose. Mr. Forbes erwähnte, dass Kieran ihm geschrieben hatte. Doch Nico erklärte, dass er Dr. Chambers die Woche über nicht gesehen habe. Danach bedankte er sich und ging, er würde Kieran ja auf dem Anwesen treffen. Hoffentlich. Wenn er noch nicht die Flucht ergriffen hatte. Alessandro und Giulia [[BILD=8225121.jpg]] Auf dem Anwesen war die Familie tatsächlich nicht anwesend, denn während Dominico sich mit dem König besprach, hatte Alessandro Giulia zur Messe begleitet. Sie kamen gegen Mittag zurück und Alessandro half Giulia gerade aus der Kutsche, als Amadeo an ihn herantrat. "Eure Eminenz, Mylady, ich möchte euch ausrichten, dass Kieran Carney und John Forbes hier sind, um im Labor zu arbeiten. Sie beliefern die Navy seiner Majestät mit Medikamenten. Nur dass ihr euch nicht wundert, wenn ihr Fremde in eurem Kräutergarten seht." Er verneigte sich kurz und trat dann wieder zur Seite, während Alessio seinen Seitenblick durchaus einfing. Nico war offensichtlich nicht da... sonst hätte Amadeo das erwähnt. Giulia indess musterte Alessandro neugierig. "Wer sind die beiden? Ich kenne sie gar nicht." Alessio rang sich zu einem Lächeln durch. Na prima, jetzt blieb das an ihm hängen. "Kieran Carney ist der Schützling deines Mannes. Dominico hat auf Wunsch von Dr. Chambers einen Font eingerichtet, der dem jungen Mann das Medizinstudium finanziert. John Forbes ist der Sohn des Apothekers Forbes, ihn kennst du vielleicht noch." Giulias Gesicht verriet, dass sie versuchte sich zu erinnern - es schien ihr zu gelingen. "Ah, schön! Endlich tut mein Gemahl mal etwas Sinnvolles mit meinem Geld." Alessio stieß sie leicht an und Giulia lachte. "Ich möchte sie kennenlernen! Jetzt gleich. Ich liebe Ärzte, das weißt du doch." Ja, natürlich liebte sie Ärzte... Frauen. Innerlich verdrehte Alessandro die Augen. Aber Giulia hatte bei der Einrichtung dieses Kräutergartens immerhin mitgewirkt und war selbst nicht ganz auf den Kopf gefallen, also konnte Alessio sie nicht davon abhalten. Gemeinsam mit ihr machte er sich auf dem Weg zum Labor, wo sie freudestrahlend und neugierig bald darauf eintrat, um die beiden jungen Männer zu begrüßen, während Alessandro mit einem weniger begeisterten Gesichtsausdruck hinter ihr durch die Türe in den Kräutergarten trat. Kieran [[BILD=8212631.jpg]] Kieran war zufrieden mit der Entwicklung der Verletzungen, die er am Wochenende behandelt hatte. Allerdings war er auch unzufrieden mit der Situation. Er hasste es, halbe Sachen zu machen. Und er merkte mehr und mehr, dass diese Arbeit hier auf dem Anwesen, eigentlich keine Arbeit war, die man an ein-zwei Tagen in der Woche erledigen konnte. Das wurde den Menschen, die letztlich ja auf seine Hilfe angewiesen waren, nicht gerecht. Er versorgte noch einen Jungen, der eine Augenentzündung hatte. Offensichtlich hatte er etwas ins Auge bekommen und Kieran wusch die Augen mit Kamillenwasser aus und ordnete an, das die nächsten Tage zu wiederholen. Als er mit Niamh, die er endlich mal wieder hatte reiten können, zurückkehrte, war er etwas erschöpft und der Vormittag war bereits vorangeschritten. Noch bevor er zu John zurückkehrte, stattete er dem jungen Hengst, den Dominico ihm in Spanien gekaut hatte, einen Besuch ab, wie er es immer tat. Auch für ihn hatte er letztlich viel zu wenig Zeit. Er würde gerne eine bessere Verbindung zu dem Tier aufbauen, das nächstes Jahr unter den Sattel kommen sollte. Allerdings kümmerten sich die Pfleger auch gut um ihn und holten ihn immer wieder mal von der Weide, um mit ihm Bodenarbeit zu machen. Zeit - ein wirklich kostbares Gut. Und Kieran nervte es, so wenig zu besitzen. Aber er wusste auch nicht, wo er abstriche machen sollte, um mehr Zeit zu gewinnen. "Und?", fragte er, als er zu John ins Labor kam. "Hast du dich zurechtgefunden?" John nickte leicht und konzentrierte sich auf die Messbecher, während er die Flüssigkeit umfüllte. Kieran sah sich um und sah, dass John bereits soweit fertig war mit der Zubereitung des Schlafsaftes, dass sie sich gleich mit dem nächsten würden befassen können. und so ging er in den Kräutergarten, um die passenden Kräuter für eine wundheilende Salbe zu besorgen. Ob er Nico heute überhaupt sehen würde? Jener musste doch gewusst haben, dass er kam und war nicht hier. Vielleicht hatte er bei Hofe zu viel zu tun. //Mit Tennisspielen...//, fügte er in Gedanken hinzu. Irgendwie hatte dieses Erlebnis ihn geprägt. Klar wusste er, dass da weit mehr dazu gehörte und er würde definitiv nicht mit Nico tauschen wollen, aber dennoch. Vertieft in seine Arbeit, die Kräuter so zu schneiden, dass die Pflanze in dieser Wachstumsperiode noch einmal austrieb, fuhr er erschrocken herum, als er ein leises Räuspern hörte und hinter sich zwei Personen stehen sah, deren Schritte er nicht vernommen hatte. Die eine Person hatte Dominicos Statur in etwa. Aber er konnte das Gesicht nicht erkennen, da er gegen die Sonne blickte, die andere Person war eine Frau. Kieran legte die Kräuter sorgfältig in den Korb, den er migenommen hatte, und legte das Messer bei Seite, bevor er aufstand und nun erkannte, dass es sich nicht um Dominico sondern seinen Bruder handelte. "Eure Eminenz", begrüßte er Alessandro und verneigte sich, wie erwartet, dann wendete er sich der Frau zu, die man wohl als Schönheit bezeichnen musste. Selbst er war angetan von ihrem Aussehen, das durch kluge Augen in einem perfekten Bild erschien. "Mylady...", er verneigte sich auch ihr gegenüber und richtete sich leicht auf, als er vernahm, was er irgendwie im ersten Moment bereits gedacht hatte. Das war Dominicos Frau! Kieran funktionierte, wunderbar. Aber hätte man ihn gefragt, was er gerade dachte und fühlte, würde er wohl nicht fähig dazu sein, das zu beantworten. "Mylady Sforza", fuhr er nun, da er ihren Namen kannte, fort. "Euer Mann hat mir als seinem Hofarzt die Erlaubnis gegeben, die Räumlichkeiten des Labors und der Praxis zusammen mit meinem Freund und Komilitonen John Forbes zu benutzen. Ich hoffe, wir stören Euch nicht, ansonsten werden wir sogleich nach London zurückreiten." War das nicht gerade mehr ein Wunsch, hier weg zu können, als die reine Höflichkeit, nicht stören zu wollen. Er wusste es nicht so genau. In ihm ging es drunter und drüber und er konnte kaum umhin, als dieses Geschöpf zu betrachten, das wohl alle weiblichen Reize besaß, die einen Mann faszinieren mochten. Selbst bei ihm kam ein wenig der Beschützerinstinkt auf, obwohl er nicht wesentlich größer war als sie. Kieran zwang sich Alessandro Sforza anzusehen, dann blickte er wieder zu ihr. "Der Kräutergarten, den mein Vorgänger angelegt hat und der vom Personal so liebevol gepflegt wird, ist unfassbar großartig", sprach er einfach weiter, weil er irgendwie gerade nicht richtig wusste, wie er mit der Sitatuion umgehen sollte. Da stand doch tatsächlich Nicos Frau vor ihm. Kein Wunder, dass Nico sich nicht bei ihm gemeldet hatte. Und selbst wenn Kieran nächstes Wochenende und das darauf und das darauf hier wäre, er würde Dominico definitiv nicht mehr sehen, bevor die Frau nicht abgereist war. Und wann hatte Nico gedacht, ihm das zu sagen? In drei Monaten vielleicht, wenn die Frau nach Italien zurückkehrte und Dominico wieder alleine in seinem Bett lag? Kieran schluckte bei dem Gedanken. Das Bett... Wieder sah er Alessandro an und nahm derweil Haltung an. Jener hatte ihn darauf hingewiesen, dass diese Situation irgendwann kommen würde. Nun, jetzt war sie da. Aber er wäre geren darauf vorbereitet worden. Er empfand nicht unbedingt Eifersucht auf die Frau. Er wusste ja, dass Nico und sie eigentlich keine Liebe sondern vielmehr Freundschaft verband. Und doch war der Gedanke, welche Rechte die Frau an Nico hatte, gerade wirklich schmerzhaft. "Darf ich Ihnen meinen Kollegen vorstellen", er deutete auf die Tür, durch die man ins Innere gelangte. Und gemeinsam gingen sie hinein, wo John dabei war, die benutzten Gegenstände wieder zu reinigen und alles für die Wundheilcreme herzurichten. "Das ist John Forbes", erklärte Kieran. "Der wohl beste Alchimist, Pharmazeut und Giftmischer, den man sich vorstellen kann." Ein Lächeln lag in seiner Stimme bei diesen Worten. Aber so recht war sein Lächeln nicht vorhanden. "Morgen werde ich mit einer Delegation von Jungärzten zur königlichen Flotte hinzustoßen und dort weiter ausgebildet werden. Dafür fertigen wir gerade Arzneien, die an Deck der Schiffe von Nöten sein werden." Vielleicht war es gut, wenn sie wusste, dass er eh bald weg wäre. Alessandro und Giulia [[BILD=8225121.jpg]] Als sie in den Garten kamen, hockte Kieran in einem Beet und umsorgte die Pflanzen. Alessandro räusperte sich, um ihn auf sich Aufmerksam zu machen und Kieran hatte ersteinmal mit dem Gegenlicht zu kämpfen, so dass Giulia schon fast bei ihm angekommen war, als Kieran erkannte, wen er da vor sich hatte. Und so wie Kierans Augen plötzlich einfroren, hatte er definitiv nicht mit Giulia gerechnet. Alessio spürte, wie etwas in ihm sehr starkes Mitleid für den jungen Mann aufbrachte. Da hatte Nico wirklich massiv etwas versäumt. Vielleicht hatte er es wirklich nur vergessen, aber das war schon hart. Pflichtbewusst stellte Alessandro seine Schwägerin vor, die lächelnd vor Kieran den Kopf neigte - dennoch war auch ihr der seltsame Blick der kurz in Kierans Augen gewesen war, nicht entgangen. "Oh selbstverständlich! Unser Dottore kam vor einigen Wochen in Rom an. Ihm tut das warme Wetter wirklich sehr gut und im Vatikan kann er seine Studien niederschreiben - es ist wundervoll zu sehen, dass Dominico zwei so jungen Männern die Chance gibt, all das zu erben." Sie kokketierte, definitiv. Und Alessio wusste, dass er das stoppen musste, denn Kieran war defintiv der falsche Mann. Sie gingen hinein, wo John gerade herumwerkelte. Alessio rümpfte etwas die Nase, es roch zwar nicht streng aber fremd. Naja.. Ärzte eben. Giulia tanzte förmlich in den Raum hinein, besah sich dies und das ohne etwas zu berühren und kam strahlend zu John, um ihn zu begrüßen. "Oh, es ist mir eine Freude, euch kennen zu lernen. Vielleicht muss ich eure Dienste ja auch mal in Anspruch nehmen - England schlägt mir schon jetzt furchtbar auf den Magen." Sie kicherte und besah sich all die Dinge, die die beiden herrichteten. "Wenn ihr irgendetwas braucht, dann wendet euch an Amadeo. Ich werde dafür sorgen, dass ihr alles bekommt, was ihr für diese ehrenhafte Aufgabe braucht. Ich bin noch immer ganz begeistert davon, dass das alles hier erhalten bleibt." Sie war ehrlich erfreut, denn Nico hatte sich nie all zu sehr darum gekümmert. Ihr Blick glitt wieder zu Alessio, dessen Gesichtsausdruck irgendwie gequält wirkte. Sie kam zu ihm zurück und stieß ihn leicht an. "Vielleicht solltest du selbst auch mal das ein oder andere Mittel versuchen - du machst schon ein Gesicht wie deine scheintoten Kollegen im Vatikan." Sie meinte es lustig, doch Alessio war nicht zum Lachen zu Mute, weil er wusste, dass Nico noch nicht so bald kommen würde und er die Bombe platzen lassen musste, bevor Giulia versuchte zu sehr mit Kieran oder John zu flirten. "Giulia..", ermahnte er sie sanft und leise "non è certo un buon momento, ma lui è l'uomo che il tuo uomo..." Er brach ab, doch sein Blick sagte, was Giulias Mann mit diesem Mann dort normalerweise tat. Giulia entgleiste für einen Augenblick das Gesicht, während Alessio sich zu einem Lächeln zwang. "Oh.. Non ha dirgli che vengo?" Alessio zuckte die Schultern zum Zeichen daür, dass er keinen blassen Schimmer hatte. "Ich dachte eigentlich schon aber.." Nun, was sollte das? Er konnte doch mit Kieran reden, der immerhin im Raum stand. Das hier war ein offenes Geheimnis und wenn John es nicht wusste - was Alessandro kaum glaubte - dann würde er es eben jetzt erfahren. "Hat er dir gesagt, dass sie hier sein wird?" Giulia drehte sich langsam wieder zu den beiden Männern und machte einen ziemlich zerknirschten Eindruck - wenn sie das gewusst hätte, wäre sie vermutlich weniger offensiv an die beiden Ärzte herangegangen. Und außerdem musste auch sie gestehen, dass es schon ein wenig dreist von Nico war, es ihr nicht selbst zu sagen und vor allem den jungen Mann dieser Situation auszusetzen. Sie selbst war am Hof groß geworden, dass sich Mätressen die Kleider gegenseitig liehen, war ihr nicht unbekannt und sie nahm es Nico nicht böse. Sie betrog ihn in Italien mit seinem Wissen immerhin auch nach Strich und Faden... Doch bei allem musste man ehrlich bleiben. Kieran [[BILD=8212631.jpg]] Kieran war überfordert, definitiv. Das Gehabe der eigentlich wirklich sehr sympathischen Frau wirkte fast, als wolle sie mit ihm flirten. Nein, es schien nicht nur so, es war auch so. Das merkte er deutlich, als sie ins Innere gingen und sie um John tänzelte, der bei Frauen wirklich gut ankam, weil er so groß war und weil er so makellos war. Dieser konnte auch gut mit Frauen umgehen, was Kieran insgeheim immer bewunderte, und ging auch gleich auf die Vorlage ein, die ihr die Dame des Hauses gab. "Ich kann mir gut vorstellen, dass euch die englische Lebensweise auf den Magen schlägt. England fehlt neben der Wärme definitiv meist auch die Würze!" Er lächelte sie einnehmend an, sah dann aber besorgt zu Kieran, der so gar nicht lächeln konnte, während Mylady zu Alessandro trat. Sicher, er konnte die Dame zumindest von Kieran ablenken, aber sonst? Aber auch der Kardinal schien nur gequält lächeln zu können. Kieran merkte, dass der einzige hier im Raum, der wirklich etwas gegen Übelkeit brauchte, er selbst war. Ihm war das furchtbar unangenehm und hätte er auch nur einen Hauch einer Ahnung gehabt, wäre er bestimmt nicht hier. Nur wie konnte er jetzt gehen, ohne dass es auffiel? Sie würde doch Verdacht schöpfen, wenn er schier floh, und dann? Lieber nicht riskieren, dass sie begriff, wer er war. Nico hatte keine Geheimnisse vor seiner Frau, soviel wusste er. Aber er wusste nicht, ob er selbst da nicht doch eine Ausnahme war. Er wusste ohnehin sehr wenig, fiel ihm gerade auf. Redete Nico eigentlich nur mit ihm, wenn es gar nicht anders ging? Neben der Übelkeit kam nun die Wut hoch. Er wusste, dass es ungerecht war, denn Nico war eigentlich immer ehrlich zu ihm gewesen - dachte er zumindest. Aber - na und? Dann war er jetzt eben ungerecht! Mag sein, dass er immer ehrlich zu ihm war. Das hieß ja nicht, dass er ihm wirklich auch alles erzählte. Heute war der Beweis: Nico hatte ihn ja ins offene Messer laufen lassen... Doch offenbar hatte Alessandro andere Pläne als Kieran. Denn der schien lieber klar machen zu wollen, dass Kieran der Liebhaber von Dominico war. Und wieder einmal hatte er das Gefühl, einfach nur ein billiges Stück Fleisch zu sein. Er war eine Affäre, nicht mehr und nicht weniger. Und sicher, ihm war das immer bewusst gewesen - theoretisch. Seine Mutter hatte es ihm klar gemacht, John, ja sogar Alessandro, aber es jetzt hier so zu spüren zu bekommen, war definitiv etwas anderes. Und doch war das der ausschlaggebende Punkt, dass er wieder seine Fassung fand und Haltung annahm. Eben, er hatte gewusst, dass er niemals Nico für sich alleine haben würde, dass es eine Frau gab, dass die gesellschaftliche Stellung ihm immer vorzuziehen war. Und daher sah er die beiden an, die sich auf Italienisch über den Umstand, in dem sie sich befanden, austauschten. Dass Lady Sforza ebenfalls ziemlich überrascht war, war klar gewesen. Als Alessandro ihn fragte, ob Nico ihn informiert hätte, antwortete Kieran höflich: "Nein, Eure Eminenz." Er zwang sich zu einem Lächeln. "Ich habe ihm eigentlich geschrieben, dass ich heute käme, aber er hat nicht geantwortet. Da es eigentlich schon abgesprochen war, dachte ich, es ginge in Ordnung. Ich hätte nicht einfach kommen dürfen. Es ist meine Schuld." Er sah kurz zu John, dann wieder zu den beiden anderen, blickte Giulia direkt an. "Es ist wichtig für die Apotheke, dass John die Arzneien heute hier herstellt. Ich werde gehen. Es tut mir furchtbar Leid, Euch in eine solche Situation gebracht zu haben." Er verneigte sich leicht. "Aber bitte erlaubt meinem Freund, hier weiterarbeiten zu dürfen. Er hat damit nichts zu tun." Damit richtete er sich wieder auf und blickte zu John. 'Du kommst allein zurecht?' - bedeutete sein Blick und jener nickte, dann drehte er sich um und ging aus dem Haus. Als er sich sicher war, dass er nicht mehr im Blickfeld war, ging er zügiger weiter. Er hatte Niamh zwar heute schon geritten, aber er hatte das dringende Bedürfnis, sie jetzt mit zu sich zu nehmen und auch nach Portsmouth, wohin er gleich morgen reiten würde. Nur weg hier, weit weg, das war alles, woran er denen konnte. John blickte Kieran einen Moment hinterher und hatte das Gefühl, ihm eigentlich nachgehen zu müssen. Aber es war wichtiger, hier zubleiben und wirklich weiterzuarbeiten. Kieran würde auch nichts anderes akzeptieren. Später würde er zu ihm gehen und ihm helfen, damit zurecht zu kommen. Was für eine beschissene Situation. Und der Groll gegen Dominico wuchs in ihm. Dieser Idiot hätte ihm doch irgendwie sagen können, dass da seine Frau käme. Das ganze Wochenende den Kleinen in seinem Bett durchvögeln, aber nicht den Anstand besitzen, ihn darauf vorzubereiten, dass seine Frau käme. Wie konnte man nur so wenig an den anderen denken! Er war spachlos. "Ist es wirklich in Ordnung, wenn ich weitermache?", fragte dieser nun die beiden. Zur Not würde es auch zu Hause gehen. Das würde die Medikamente nun einfach teurer machen. Alessandro und Giulia [[BILD=8225121.jpg]] "Es ist nicht.." Doch weiter kam Giulia nicht, da war Kieran schon aus dem Labor geflohen und auf und davon. In ihrem leichten Kleid hätte sie ihm unter minimaler Aufopferung ihrer Würde sicher nachrennen können, doch das erschien ihr nicht richtig - wenn Kieran gehen wollte, war es sein gutes Recht zu gehen. Stattdessen richtete sich ihr leiser Groll jetzt gegen Alessandro. "Du hast manchmal wirklich das Feingefühl eines Schmiedehammers! Da unterscheidet ihr beiden euch wirklich nicht das geringste Bisschen!" In einer typisch italienischen händeringenden Geste riss Alessio die Arme nach oben, um anzuzeigen, dass er ja wohl kaum etwas dafür konnte, doch Giulia ließ sich nicht beirren. "Dominico soll nur mal nach Hause kommen, dem werd ich was erzählen.. der arme junge Mann!" Giulia hatte ehrliches Mitleid. Sie kannte diese Position nur zu gut, in der Kieran sich gerade befand, und zwar noch eine Etage höher. Während der König Anne noch nicht gekannt hatte, war er immer gern zu Giulia gekommen, oder besser, hatte sie zu sich bestellt. Irgendwann hatte er den Gefallen an ihr verloren und sie war durch eine andere ersetzt worden - davon ganz abgesehen, dass Henry sie auf Empfängen stets ignoriert hatte. Dieses Gefühl, nur die zweite Wahl zu sein, war schrecklich, selbst wenn eigentlich alle Treueschwüre der Welt das Gegenteil behaupteten. "Ich möchte wirklich wissen, was hier in England in euch gefahren ist..." Alessio fand zumindest die Sprache wieder, um sich zu verteidigen. "Hey, du bist hier reingestürmt wie ein Wirbelwind und hast dich den beiden an den Hals geworfen, was hätte ich denn tun sollen? Darauf warten, dass er dir selbst sagt, dass er das nicht wünscht? Peinlicher geht es doch kaum!" Giulia winkte entschieden ab. "Na und, was erwartest du? Ich schlafe Nacht für Nacht neben einem Mann, der mich aus Gründen, die ich jetzt kenne und verstehen kann, nicht mehr anrührt. Ich bin eine Frau in den besten Jahren, lieber Alessandro, ich verzichte sicher nicht gern auf meine ehelichen Freuden", gab sie zurück und störte sich nicht im geringsten daran, dass John noch immer anwesend war. Allerdings fiel er ihr wohl gerade wieder ein, denn sie wandte sich ihm erneut zu. "Selbstverständlich ist es in Ordnung, wenn ihr hier arbeitet. Und um Gottes Willen, auch Mr. Carney darf hier wann immer er das möchte ein und aus gehen. Ich weiß selbst nicht, was meinen Mann dazu bewogen hat, aus dieser Sache so ein Staatsgeheimnis zu machen... Es tut mir schrecklich leid, dass ich so überschwänglich gewesen bin." Das schien ihr wirklich peinlich zu sein. Alessandro derweil konnte kaum fassen, welches Glück sein Bruder mit dieser Frau hatte. Sie war klug und über die Maßen verständnisvoll gegenüber den Gelüsten ihres Mannes, die sie im Laufe der Ehe nur zu gut kennen gelernt hatte... Nico verdiente das kaum, zumindest glaubte der Kardinal das manchmal. "Mr. Forbes..?" Wandte sich Giulia noch mal an John, der immer noch am Tisch stand. "Wenn Ihr in der nächsten Zeit öfter hier seid, dann... Ich würde Mr. Carney gerne schreiben. Ich möchte das aufklären, versteht Ihr? Das sollte wirklich beredet werden, von mir zu ihm. Ohne meinen Mann. Das ist seine Sache, wie er das klären will. Doch ich bin wirklich sehr an der Medizin interessiert und glücklich darüber, dass mein Mann sich, aus welchen Gründen auch immer, entschieden hat, sein Geld dort zu investieren, wo es wohl gebraucht wird. Also.. würdet Ihr ihm einen Brief überbringen, wenn ihr ihn noch einmal seht oder die Medikamente nach Portsmouth liefert? Und richtet ihm wirklich meine Entschuldigung aus. Es ist mir schrecklich peinlich und ich kann euch versichern, dass ich mir dieses Kind, das meint, mit allem Spielen zu können, wirklich noch einmal vorknöpfen werde!" Und damit meinte sie niemand anderen als Nico.. Alessio hatte schon beinahe soetwas wie Mitleid. -,-,-,-,-,-,-,-,-,-,-,-,- Dominico [[BILD=8207715.jpg]] Als Nico am späten Nachmittag wieder auf das Anwesen kam, erwartete ihn tatsächlich eine angesäuerte Giulia, die nicht lange fackelte, ehe sie ihm deutlichst an den Kopf warf, was sie davon hielt, Ehefrau und Mätresse so nichtsahnend aufeinander prallen zu lassen. Nico hatte keine Antwort, keine Ausrede und keine Erklärung. Er habe vergessen, dass Kieran kommen wolle wegen all des Trubels im Palast und den Brief von Dr. Chambers nicht erhalten. Er versprach, Kieran sobald er die Zeit fand, zu schreiben oder sogar nach Portsmouth zu reisen, um ihn zu besuchen - denn Giulia verdonnerte ihn förmlich dazu, nachdem Nico zugegeben hatte, dass ihm etwas an Kieran lag. Doch all das war viel einfacher gesagt als getan. Henry hatte ein Sommerturnier anberaumt und Nicos Pferde waren nicht trainiert genug. Hinzu kam Cromwells Intrige und die Vorbereitungen auf einen Krieg gegen Frankreich und eine Rückeroberung der Herrschaft auf See - Nico hatte keine Zeit. Und vielleicht wollte er sich auch keine nehmen. Er dachte zwar oft an Kieran, doch gerade waren da seine Kinder und seine Frau... und Kieran hatte in Portsmouth eine Aufgabe. Wenn Kieran wieder kam und seine Familie abreiste, dann konnten sie sich doch immer noch zusammensetzen und darüber sprechen, oder? Jetzt war es sehr gefährlich für alle Beteiligten. Und vielleicht war sich Nico seiner Sache auch eine Spur zu sicher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)