Schmerzende Liebe von NaschKatzi (IN ÜBERARBEITUNG) ================================================================================ BONUS Alternatives Ende - Wir sehen uns nachher... -------------------------------------------------- Tick Tack Tick Tack Tick Tack. Quälend langsam verging die Zeit. Sechs Stunden warteten Frau Morinaga und Soichi bereit im Warteraum. Sakura sprach während des gesamten Zeitraumes kein Wort. Kommentarlos duldete sie Soichi an ihrer Seite. Ab und zu verließ sie den Raum, um ihrem anderen Sohn über den Stand der Dinge zu informieren. Kunihiro war schon nach zwei Stunden aus dem OP gekommen und bereits wieder bei Bewusstsein. Sonst saß sie nur auf einen der Stühle und fummelte nervös an ihrem Ohrring herum. Soichi seinerseits schaute im Minutentakt auf die Uhr. Es machte ihn rasend nicht zu wissen, ob alles in Ordnung war. Jedes Mal wenn ein Arzt oder eine Schwester den Raum betrat, setzt sein Herz kurz aus. Aber Niemand konnte oder wollte ihnen eine Auskunft geben. „Es wird doch alles gut..., oder?“, unterbrach Sakura urplötzlich die Stille. Die Stimme der sonst so reservierten und kühlen Frau zitterte stark. Tränen schwammen in ihren dunklen Augen. Soichi sah sie erstaunt an. Seufzte dann tief. „Was ist das denn für eine Frage!? Ist doch klar!“, antwortete er beinahe patzig. Sakura schniefte, nickte aber dann. Tick Tack Tick Tack Tick Tack. Weitere zwei Stunden verstrichen. Soichi war dazu übergegangen unruhig im Raum auf und ab zu gehen. Er selbst hatte nicht die leiseste Ahnung wie lange eine solche Operation normalerweise dauerte. Er trat ans Fenster. Dunkelheit umhüllte die Klinik. Die Straßenbeleuchtung warf unruhige Schatten auf ihr Umfeld. Müde lehnte er seine verschwitzte Stirn an die kühle Fensterscheibe. „Wenn er stirbt…dann…“ Tatsumi ballte die Hände. Nein! Ausgeschlossen! Das durfte nicht geschehen! Nicht nachdem er ihn sagte, er liebe ihn. Es durfte doch nicht alles umsonst gewesen sein. Quietschend öffnete sich die Tür. Oberarzt Tonno trat ein. Sakura und Soichi erschraken, als sie die blutbesudelte Kleidung erblickten. Abgekämpft zog der Mediziner die OP-Haube vom Kopf. Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn. Innerlich seufzte der Mann gequält auf. Für das nun Folgende würde er nie die richtigen Worte finden, würden sie doch in keinster Weise das Leid der Angehörigen lindern. In diesen Momenten hasste der Mediziner seinen Job! „Es…tut mir sehr leid…Aber es traten Komplikationen auf…Der Blutverlust war zu groß…wir konnten nichts mehr machen…“ Traurig schüttelte Tonno den Kopf. Sakura Morinaga trat auf ihn zu. Ihr Gesicht war schneeweiß. „…Doktor…was sagen…Sie? Das kann…nicht sein!! Sie…Sie müssen sich irren!“ Der Oberarzt legte ihr mitfühlend die Hand auf die Schulter. „Es tut mir leid…Ihr Sohn Tetsuhiro…ist um 22: 46 Uhr verstorben…“ Soichi stand reglos da und starrte wie hypnotisiert auf die blutverschmierte OP-Kleidung. Im Schein der Deckenleuchten glänzte das Blut beinahe schwarz. Blut, so viel Blut. Tetsuhiros Blut. Er war unfähig sich zu rühren. Nur am Rande nahm Soichi wahr, wie Sakura Morinaga in den Armen des Arztes zusammenbrach. „Er…ist…tot..?“, schluchzte sie unter Tränen. Alles was Soichi wahrnahm, war ein lautes Rauschen. Das konnte doch nur ein böser Traum sein! Schnell schloss er die Augen. Ja, genau! Wenn er sie wieder öffnete, würde alles wieder gut sein. Doch nichts wurde wieder gut. Als er die schmerzhaft zugekniffenen Augen aufschlug, war alles wie gehabt. Sakura kauerte auf einem Stuhl, das Gesicht in den Händen vergraben. Ihr ganzer Körper zitterte unter den heftigen Weinkrämpfen. Tonno stand neben ihr, die Hand noch auf ihrer Schulter ruhend. Die grausame Wahrheit fuhr wie ein Blitz in ihn. Es war kein Traum, es war die nackte unbarmherzige Realität. Eine Kälte, die tief aus seinem Inneren zu kommen schien, hüllte Soichi ein. Die Welt um ihn herum verlor alle Farbe, wurde grau und leblos. Plötzlich verschwamm alles um den Studenten. Tränen liefen Soichi über das Gesicht, aber er rührte keinen Finger, um sie wegzuwischen. Unsicher stolperte einige Schritte in Richtung Tür. Die Wände des Warteraums schienen auf ihn zuzukommen. Soichi musste raus, egal wohin, nur raus. Außerhalb des Zimmers schien die Welt ihren gewohnten Gang zu nehmen. Unverständlich, würde sie doch nie wieder die gleiche sein! Blind vor Tränen bahnte Soichi sich seinen Weg durch das Krankenhaus. Seine Umwelt nahm kaum war. Die Hintergrundgeräusche vermischten sich zu einem monotonen Rauschen. Er hatte kein klares Ziel, setzte einen Fuß vor den anderen. Doch irgendwann gaben die Füße unter ihm nach. Schluchzend sank er auf die Knie. Es dauert nicht lange, dass er von einer besorgten Schwester angesprochen wurde. „Verzeihung…kann ich Ihnen helfen?“ Soichi schüttelte nur den Kopf. Niemand konnte ihm jetzt noch helfen. Hinter ihnen erschallte die tiefe Stimme. Tonno war Tatsumi, nachdem er Sakura Morinaga in die Obhut einer Schwester gab, gefolgt. Die untypische Passivität des jungen Mannes beunruhigte den Mediziner. „Schon gut Schwester! Ich übernehme!“, sagte er und half Soichi auf die Beine. Widerstandslos ließ der Student sich in ein unbelegtes Zimmer führen. „Kommen Sie mein Junge. Das ist der Schock. Setzen Sie sich…“ Mit sanftem Druck schob er Soichi in Richtung des Bettes. Aber der Blonde mobilisierte die letzten Kraftreserven, mit erstaunlicher Kraft krallte er sich in die Kleidung des Mannes. „Sie lügen doch!! Tetsuhiro kann nicht tot sein!“, brüllte er heiser. Sich haltsuchend an Tonno klammernd öffnete Tatsumi den Mund, um seiner Wut und Verzweiflung freien Lauf zu lassen, aber nur ein lautes Schluchzen brach aus ihm heraus. Von Krämpfen geschüttelt wimmerte er beinahe lautlos: „Das…ist…nicht…lustig…Tet…su…hiro…es…tut…mir…leid...Du…du…darfst…nicht…tot…sein…nein…nein!“ *** „Soichi…es wird langsam Zeit…“ Kanako schaute hilflos in das dunkle Zimmer. Nur schemenhaft erkannte sie die Gestalt ihres Bruders. Seit mehreren Tagen verkroch sich Soichi bereits. Die Sorge wurde mit jedem Tag größer, doch in das Zimmer hinein traute sie sich nicht. Beim ersten und letzten Mal vor zwei Tagen, als sie ihn zum Aufstehen bewegen wollte, warf er sie hochkant hinaus. Weil sie nicht schnell genug weg kam, schmiss er sogar ein Buch nach ihr. Soichi wollte weder essen, noch mit irgendjemanden sprechen. Ihr Bruder lag einfach nur in der Dunkelheit und starrte an die Decke. Ihr tat es weh ihn so leiden zu sehen, auch sie trauerte sehr um Morinaga, der praktisch ein dritter Bruder für sie gewesen war. Also beschloss Kanako ihn lieber in Ruhe zu lassen. Aber heute musste Soichi sich zusammenreißen. Denn heute fünf Tage nach seinem überraschenden Tod wurde Tetsuhiro auf dem Zentralfriedhof beerdigt. „…Kanako…lass mich in Ruhe…ich geh nicht hin…“, ertönte eine matte Stimme. Das Mädchen seufzte. „Aber Bruder…das kannst du doch nicht machen…“, versuchte sie ihn zu überreden. Als keine Antwort kam ging das Mädchen doch noch einen Schritt in den Raum hinein. „Soichi! Bitte, du musst mitkommen!! Morinaga war doch dein bester Freund!! Du kannst nicht einfach…“, redete sie ihm ins Gewissen. Sie hörte ein leises Rascheln, als Soichi sich im Bett bewegte. Kurz dachte sie, ihre Worte hätten ihn erreicht. Aber ein zorniges „Verschwinde!! Raus!!“, ließ sie zurückzucken. Mit hängenden Schultern zog sie leise die Tür zu und ging zurück ins Wohnzimmer, in dem Frau Matsuda auf sie wartete. Ein fragender Ausdruck trat auf das Gesicht der älteren Frau. „Wo ist Soichi?“ Kanako schüttelte resignierend den Kopf. „Er weigert sich hinzugehen. Er ist…so ein Sturkopf!! Morinaga…hätte bestimmt gewollt…das…er kommt…“ Ihre Stimme brach, Tränen kullerten hinab. Frau Matsuda nahm sie in den Arm. „Nicht weinen Kanako-chan.“ Aufmunternd strich sie dem Teenager übers Haar. Kanako sah dankbar zu ihr auf. „Vielleicht sollte ich doch noch mal mit ihm reden?“, schlug sie vor und sah über ihre Schulter Richtung Flur. Frau Matsuda schüttelte leicht den Kopf. „Dein Bruder brauch noch etwas Zeit, Kanako. Lass uns vorgehen, er kommt bestimmt gleich.“, versicherte sie dem jungen Mädchen zuversichtlich. Doch hinter dem Lächeln verbarg sich große Unsicherheit. Frau Matsuda war sich überhaupt nicht sicher, ob Soichi überhaupt kommen würde. Gedämpft hörte Soichi Tatsumi wie die Haustür ins Schloss fiel. Gleichgültig starrte er an die Zimmerdecke und sah nichts als ein großes schwarzes Loch, welches ihn zu verschlingen drohte. Seit fünf Tagen hatte er kaum geschlafen und wenn doch sah er immer Tetsuhiro vor sich. Ihre letzte Begegnung, die wenigen Worte, die sie miteinander sprachen. Tetsuhiro´s Augen, die ihn glücklich anstrahlten, als er ihm sagte er liebe ihn. Soichi wünschte, er könne die Zeit zurückdrehen. Alles ungeschehen machen, sein altes Leben wieder haben. Tetsuhiro wieder bei sich haben. Aber das war unmöglich. Tetsuhiro Morinaga, sein Kohai, Freund und Geliebter war tot. Verblutet auf einem kalten OP-Tisch. Morinaga würde nie wieder in die gemeinsame Wohnung zurückkehren, nie wieder die Uni betreten und ihn nie wieder lieben. Wie grausam das Schicksal doch war! Jetzt da Soichi zu seinen Gefühlen stand, wurde ihm der wichtigste Mensch auf der Welt genommen. Warum hörte er nicht früher auf sein Herz, das doch schon von Anfang an wusste, dass sie zusammengehörten? Es war unerträglich! Soichi glaubte den Verstand zu verlieren. Ein dumpfer ziehender Schmerz war sein Dauerbegleiter geworden. Er hatte keine Kraft mehr irgendwas zu tun, wollte einfach nur alleine sein, seine Ruhe haben. Kanako tat ihr Bestes, um Soichi aus seiner Lethargie herauszuholen. Sie wich nicht von seiner Seite, obwohl auch ihr die Trauer ins Gesicht geschrieben stand. Sie übernachtete sogar in der Wohnung, aus Angst ihren Bruder allein zu lassen. Aber dieser ließ niemanden an sich ran. Mit brennenden Augen sah Soichi wie die Zahlen auf dem Digitalwecker auf 14:00 Uhr sprangen. In einer halben Stunde würde die Trauerfeier stattfinden. Entgegen aller Befürchtungen hatten die Morinagas beschlossen ihren Sohn auf den hiesigen Friedhof beerdigen zu lassen. Nach der Trauerfeier würden die sterblichen Überreste des Verstorbenen auf dem Friedhof beigesetzt. Soichi hatte seine Worte ernst gemeint. Er würde nicht gehen, wollte nicht Abschied zu nehmen. Denn Abschied nehmen hieß, dass er weitermachen musste. Allein, ohne Morinaga. Und dazu war er nicht bereit. Er klammerte sich an die verrückte Idee, alles sei nur ein dummer Fehler, Tetsuhiro könnte jeden Moment durch die Tür spaziert kommen und seinen Senpai schelten, weil dieser den ganzen Tag im Bett lag. „Lasst mich doch einfach alle in Ruhe!“, murmelte der junge Mann in die Dunkelheit hinein. Das Handy auf dem Nachtisch klingelte bereits einigen Minuten lang. Genervt schlug er die Decke über den Kopf. Doch er hatte das Gefühl, das Klingeln würde noch lauter werden. Nach langer Zeit trat Stille ein. Doch keine zehn Sekunden später dudelte es erneut. Dieses Mal jedoch ignorierte Soichi es nicht. Mit einem Schlag saß er aufrecht im Bett. Sein Herzschlag verdoppelte sich kurz, als er den veränderten Klingelton wahrnahm. Jemand rief auf Tetsuhiro´s Handy, das auf seinem Nachttisch lag, an. Es versetzte ihn einen schmerzhaften Stich. Zitternd griff er nach dem Telefon. Schweißnass waren seine Finger, als er den Anruf entgegennahm. „Was willst du? Verschwinde!“, wütend funkelte Soichi die Person, die vor der Haustür stand, an. Taro Tomoya hob erstaunt die Augenbrauen an, den Aufzug seines Gegenübers betrachtend. Äußerlich ruhig, aber innerlich erschrocken über die Verfassung Tatsumis trat er unaufgefordert in die Wohnung. „Blöde Frage! Dich abholen. Auf den Weg traf ich deine Schwester. Sie meinte du kommst etwas später. Und nett wie ich bin, dachte ich, gehe ich dir doch entgegen.“ Lässig lehnte er sich an eine Wand. Soichi drehte sich zu ihm um. Fordernd streckte er die Hand aus. „Ich geh nicht hin. Handy her und raus!“, antwortet er knapp. Taro glaubte etwas mit seinen Ohren zu haben. Er runzelte die Stirn. Ein riesengroßes Fragezeichen erschien auf seinem Gesicht. „Hä?? Warum das denn??“ Tomoya konnte nicht glauben was er da hörte. Das musste ein Irrtum sein! Aber das versteinerte Gesicht Soichi´s sagte ihm, dass dieser es ernst meinte. „Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig und jetzt raus!“ Der Blonde trat einen Schritt zur Seite, um die Tür frei zu machen. Tomoya dachte nicht im Traum daran ohne Soichi zu gehen. Nachdenklich sah er zu dem anderen, der starr auf den Boden blickte. Eigentlich konnte er dieses Großmaul nicht leiden. Nur Tetsuhiro zu Liebe war ihr Waffenstillstand zu Stande gekommen. Eigentlich bestand kein Grund für den Rocker hier zu sein. Taro aber glaubte, dass er es Tetsuhiro schuldig war. Und irgendwie saßen sie alle in einen Boot, oder? Tomoya seufzte. „Weil…es dann Realität wird, nicht?“, beantwortete er seine eigene Frage. Tatsumis Kopf schnellte hoch. In den braunen Augen des Studenten sah er, dass er ins Schwarze getroffen hatte. „Glaubst du wirklich, dass du der Einzige bist, dem es dreckig geht? Tetsu…ich kapier doch selbst noch nicht, dass er nicht mehr das ist…Aber das Leben geht weiter, so schwer es auch ist! Er hätte bestimmt nicht gewollt, dass du dich gehen lässt…Und jetzt zieh dir was Ordentliches an, damit wir los können!!“ Die Trauerfeier hatte zum Glück noch nicht begonnen, als Soichi und Taro dort ankamen. „Oha! Hier ist aber viel los. Die Alten sind bestimmt sauer!“, scherzte Tomoya mit einen Seitenblick auf seinen Begleiter. Dieser verzog keine Miene beim Anblick der vielen Trauergäste. Die Räumlichkeiten platzten fast aus allen Nähten. Neben der Familie waren unzählige Freunde und sogar der ein oder andere Professor anwesend. Ein paar der Gesichter kannte Soichi. Da waren Makoto, Hiroto und andere Kommilitonen, die er vom Sehen kannte. Die meisten anderen waren aber unbekannt. Das überraschte den Senpai nicht. Tetsuhiro war ein sehr sozialer Mensch mit vielen Freunden gewesen. Langsam bewegte Soichi sich durch die Menge. Die Blicke der anderen brannten auf seiner Haut. Hier und da wurde hinter vorgehaltener Hand getuschelt. Soichi war es egal. Sollte sie doch reden wie es ihnen beliebte. „Soichi! Da bist du ja!“ Erleichtert kam seine Schwester auf ihn zu. Auch Frau Matsuda war froh ihn zu sehen. Zur Begrüßung tätschelte sie seinen Arm. „Ich habe noch auf dich gewartet.“, sagte Kanako und zog ihren Bruder zum Altar, wo man dem Brauch entsprechend eine Kerze zu Ehren des Toten anzünden und ein stilles Gebet sprechen konnte. Der Körper des Toten war bereits einen Tag nach dessen Ableben in engsten Familienkreis eingeäschert worden. Soichi war es nicht einmal vergönnt gewesen, seinen Freund noch ein letztes Mal zusehen. Neben einem gerahmten Foto stand die Urne mit der Asche Tetsuhiro´s. Eine große Menge Kerzen flackerte darum. Mehr und mehr kamen dazu. Viele der Menschen, die vor dem Altar verharrten hatten Tränen in den Augen. Eine junge Frau musste sogar von einer Freundin gestützt werden. Soichi Hals schnürte sich zu, als er auf das Foto sah. Der gelbe Schein der Kerzen spiegelte sich auf der glatten Oberfläche wieder. Das Bild zeigte Tetsuhiro Morinaga wie er war. Fröhlich mit einem Lachen im Gesicht. Neben sich hörte er Kanako schniefen, während das Mädchen eine Kerze anzündete. Tatsumi aber konnte keinen Muskel rühren. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Plötzlich konnte er sich selbst sehen, wie er einem Häufchen Elend gleich vor dem Traueraltar stand. Der schwarze Anzug schlapperte um seinen Körper, das lange Haar hing ihm wirr ins Gesicht. Eine erbärmlich jämmerliche Gestalt, die das Unausweichliche nicht akzeptieren konnte. Tränen brannten hinter den Lidern. Energisch wischte Soichi sie weg und schaffte es dann doch noch eine Kerze anzuzünden. Taumelnd machte er den nächsten Platz. Er hätte sich nicht überreden lassen sollen! Am liebsten würde er verschwinden. Aber das war jetzt unmöglich. In unmittelbarer Nähe entdeckte er die Morinagas, die die Beileidsbekundungen der Gäste entgegen nahmen. Sakura Morinaga musste von ihren ältesten Sohn gestützt werden. Morinaga Senior blickte starr geradeaus. Sein Gesicht gab nichts von seinen Gefühlen preis. Ja, man könnte meinen der Mann wäre lieber woanders, nur nicht hier. Später begaben sich alle Anwesenden auf den Friedhof. Die Stimmung war bedrückt. Niemand sprach ein Wort. Unter ihren Füßen knisterte das Laub. Ein kalter Herbstwind wehte und der Horizont färbte sich langsam rot. Tetsuhiro´s letzte Ruhestätte befand sich im südlichen Teil des Geländes. Alles in allen war es ein schöner Ort. Sonnig mit viel Grün und Blumen. In einer feierlichen Zeremonie wurde die Urne der Erde übergeben. Noch mehr Tränen flossen. Kanako vergrub ihr Gesicht an Soichi Brust. Er legte einen Arm um sie und hielt sie fest. Aber um ehrlich zu sein hielt er sich vielmehr an seiner kleinen Schwester fest. Viele taten es ihr gleich. Hiroto, Morinaga´s bester Freund, heulte laut auf. „Mein armes Engelchen!! Warum nur!“ Eigentlich war das der Zeitpunkt wo die Familie, meist das Familienoberhaupt einige Worte an die Trauergemeinde richtete. Aber weder Yuuto, noch Sakura unternahmen dergleichen. Bevor eine peinliche Stille eintreten konnte, trat Hiroto, der sich einigermaßen wieder eingekriegt hatte, vor. Zwei Mal musste der junge Mann zum Sprechen ansetzen. „Also…ich…Engelchen war…ich meine Tetsuhiro war…“ Aufmerksam hörten alle der kleinen Ansprache zu. Hiroto schaffte es sogar hier und da die Zuhörer zum Lachen zu bringen, indem er einigen lustige Begebenheiten aus dem Leben Morinaga´s zum Besten gab. „…er ist jetzt an einem besseren Ort…und lacht sich bestimmt schlapp, weil wir hier wie die Trauerweiden stehen und unsere Frisuren ruinieren…“ Nach und nach löste sich die Trauergesellschaft auf. Hiroto lud noch alle auf einen Drink in seine Bar ein. Zum Schluss waren Soichi und Taro die letzten am Grab. Frau Matsuda war kurz zuvor mit Kanako vorgegangen. „Ich schätze es hätte Tetsu hier gefallen. Ist doch ganz hübsch hier…“, versuchte der Rocker ein Gespräch in Gang zu bringen. Keine Antwort. Fröstelnd zog Taro die Schultern hoch. Der Anzug, den er trug war nicht gerade warm und es begann leicht zu regnen. „Geht schon mal vor…Ich brauche noch einen Moment….“, meinte Soichi dann leise, weiterhin auf das frisch aufgeschüttete Grab starrend. Kaum war Soichi allein, war es mit der Beherrschung der letzten Stunden vorbei. Kraftlos sank er auf die Knie. „Tetsuhiro…was soll ohne dich machen? Wie…soll es…weitergehen…?“ Heiß liefen die salzigen Tränen über die Wangen, tropften hinab und sickerten in den Boden. „Du…du…verdammter Idiot!! Warum! Warum lässt du mich wieder allein!!“, schrie er aus Leibeskräften gegen den Wind. Kalt klatschte Regen in sein Gesicht und vermischte sich mit Tränen. Plötzlich wurde Soichi Tatsumi ganz ruhig. Zitternd stand er auf. Ein letztes Mal warf er einen Blick auf das Grab. Als er sich abwandte hörten nur die Grillen im Gras seine Worte. „Tetsuhiro…wir sehen uns nachher…“ *Ende Alternativ* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)