Schmerzende Liebe von NaschKatzi (IN ÜBERARBEITUNG) ================================================================================ Nicht mehr als Freundschaft!? ----------------------------- Schlecht gelaunt blätterte Soichi in dem ellenlangen Bericht, der vor ihm auf den Tisch lag. Eines musste man seinem neuen Kohai lassen - die Handschrift war exzellent. Entgegen Soichi´s Befürchtungen agierten Oni und er, was die Laborarbeit betraf, erstaunlich gut miteinander. Zwischenmenschlich hingegen herrschte so gut wie Funkstille. Soichi blockte jeden Versuch Oni´s sich mit ihm anzufreunden ab. Er hatte kein Interesse sich mehr als nötig mit dem Jüngeren zu befassen. Natürlich war er froh über die Hilfe und der damit verbundenen Entlastung aber schon nach kurzer Zeit hätte er Atsuhi Oni am liebsten zum Teufel gejagt! Das Kuriose dabei war, dass er nicht einmal sagen konnte, was ihn störte. Vielleicht war er einfach zu sehr an Morinaga gewöhnt? Doch wenn Soichi Oni zurückwies würde das nur wieder neuen Stress mit seinem Mentor bedeuten. Immerhin war es Nagiza persönlich gewesen, der Soichi den Studenten nahebrachte. Somit blieb ihm keine andere Wahl als die Gesellschaft des neuen Assistenten zu ertragen. Beim Durchgehen des Berichtes begann er unwillkürlich seinen rechten Arm zu kratzen. „Mist verdammter!“, stieß er ärgerlich hervor als er bemerkte war er tat. Einmal angefangen konnte er nur schwer wieder damit aufhören. Blöde Ausschlag! Bestimmt hatten die im Krankenhaus ihn mit einer verseuchten Nadel gestochen! Scheppernd wurde die Tür aufgerissen. „Seeenpai! Bin wieder da!“, flötete Oni zur Begrüßung. Die Freude über das Wiedersehen werte aber nicht lange, als er sah wie der Senpai seinen Arm bearbeitete. Verstohlen verzog Oni das Gesicht zu einer Grimasse. Kratzen war ein unfehlbares Zeichen für schlechte Laune. Und schlechte Laune bedeutete nichts Gutes für ihn! Ein verstimmtes Brummen war alles, was er als Antwort erhielt. Na toll! Tatsumi-Senpai war wie immer bester Laune. „Ähm…bist du mit meinen Bericht durch?“ Atsuhi musste all seinen Mut zusammennehmen um die Frage zu stellen. Angespannt fixierte er den Blätterstapel in den Händen seines Gegenübers. Die Augen weiteten sich vor Empörung, als er zusehen musste, wie der mit Herzblut erarbeiteter Projektbericht nachlässig auf dem Tisch landete. „Nein…“, erwiderte Tatsumi gewohnt knapp. Ohne den Assistenten großartig Beachtung zu schenken stand er auf. „Ich geh eine rauchen…“, verkündete Soichi genervt und ging. Kaum war Oni allein stieß der junge Student erleichtert die Luft aus. Glück gehabt! Dieses Mal hatte ihn Tatsumi nicht zur Schnecke gemacht. Der Student gab sich wirklich alle erdenkliche Mühe, die ihm auferlegten Aufgaben zur Zufriedenheit des Älteren auszuführen. Meistens gelang ihm das auch. Aber ein Lob oder freundliche Wort bekam er noch nie zu hören. Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass Soichi ihn nicht leiden konnte. Immer öfter fragte sich Oni wie sein Vorgänger das nur so lange ertragen konnte. Auf einer abgelegenen Bank im Innenhof machte es sich Soichi gemütlich. Immer öfter verzog er sich hierher, wenn er die Schnauze voll von Oni und dessen Gequatsche hatte. Entnervt kramte er die Zigaretten hervor. Während er genüsslich den ersten Zug tat wirbelte ihm ein angenehmer Wind um die Nase. Der Oktober zeigte sich heute von seiner besten Seite. Es war angenehm warm, eine leichte Brise fuhr durch die Baumkronen, bunte Blätter verliehen der sonst so tristen Umgebung einen schönen Farbtouch. „Jetzt reicht es aber!“ Fluchend krempelte Soichi seinen Ärmel hoch. Der Anblick der kleinen roten Pünktchen machte ihn noch wütender – waren sie doch sozusagen ein Symbol für sein Versagen. Drei ganze Monate waren seit dem Besuch der Morinagas vergangen. Drei Monate!! Und noch immer konnten sie nur warten und hoffen. Nachdem Tetsuhiro ihn an jenem Tag mitteilte, dass auch er als Organspender nicht in Frage kam konnte Soichi seinem Freund tagelang nicht in die Augen sehen. Es war natürlich absurd, aber es fühlte sich an, als habe er Tetsuhiro im Stich gelassen. Aber das Leben, so schwer es ihnen fiel, ging weiter und so spielte sich in den vergangenen Monaten ein gewisser Trott ein. Vormittags widmete Soichi sich dem Studium, seinen Experimenten und anderen alltäglichen Ärgernissen. Nachmittags oder abends, je nachdem wann er aus der Uni wegkam, besuchte er Morinaga im Krankenhaus. Doch jeder Tag ohne die rettende Nachricht schlug ihnen aufs Gemüt. Eine Zeit lang fiel Morinaga in so starke Depressionen, dass er tagelang niemanden sehen wollte. Glücklicherweise war diese Phase überstanden, ihm ging es relativ gut. Trotzdem machte sich Soichi Sorgen. Ihre Beziehung zueinander hatte sich verändert. „Ich sollte langsam zurückgehen…“ Seufzend rauchte der Student die Zigarette auf. Einigermaßen ausgeruht warf er die Kippe weg. Vorsichtig rollte Soichi den Stoff hinunter. Es brannte und juckte unangenehm. „Scheiß drauf…“ Ohne große Lust machte er sich auf den Rückweg zum Labor. Atsuhi war in seiner Abwesenheit nicht untätig geblieben. Konzentriert stand er über ein Mikroskop gebeugt. „Ah! Senpai! Ich habe schon angefangen!“, berichtete er freundlich. Unbeeindruckt nickte sein Senpai und nahm den Bericht wieder auf. Der Assistent presste die Lippen aufeinander. Ob Tatsumi zu allen so freundlich war? Die Vermutung lag nahe. Oni war so naiv gewesen den Gerüchten keinen Glauben zu schenken. Kommilitonen warnten ihn, Soichi Tatsumi sei ein echtes Ekelpaket, mit dem sei nicht gut Kirschen essen! Aber nein! Atsuhi wollte Professor Nagiza ja unbedingt gefallen. Mit seinem jetzigen Kenntnisstand über die Launen Soichi´s hätte er nie und nimmer zugestimmt. So eine Pleite. Für einen Rückzug war es längst zu spät. Nicht, nachdem er vor Nagiza schleimte, er komme wunderbar mit seinem Senpai aus. Jetzt musste er das Beste aus der Situation machen. Mit diesem Vorsatz im Hinterkopf griff er nach einem Klemmbrett. „Äh…Senpai…Ich habe die gesuchten Aufzeichnungen gefunden…“, verkündete Oni stolz. Ein Grinsen breitet sich auf seinen Lippen aus. „Also, der Typ vor mir war wohl kein Einstein. Mein Gott was für ein Gekrakel!“, kichernd hielt er Tatsumi die Unterlagen entgegen. Ein guter Witz hatte bis jetzt jedes noch so dickes Eis zum Schmelzen gebracht. Leider reagierte Tatsumi nicht wie erwartet. Anstatt zu lachen starrte dieser mit bleicher Miene auf das Papier. Eine Sekunde später riss er ihm das Klemmbrett aus der Hand und packte ihn an den Aufschlägen seines Kittels. „Halt die Schnauze!“, schrie Soichi wutentbrannt. Der Blonde brauchte nur einen Blick auf das Papier zu werfen um die Handschrift Morinaga´s zu erkennen. Was bildete sich der Kerl eigentlich ein? Er hatte kein Recht dazu auch nur ein Wort über Tetsuhiro zu verlieren! „A…Aber Senpai…Was…ich…“, stammelte Oni hilflos. Hilfe! Was war nur in den sonst so distanzierten Tatsumi gefahren? Es war doch nur ein Scherz gewesen! „Sprich noch einmal schlecht über ihn…“, knurrte der Senpai düster. Bevor er jedoch die Beherrschung verlor, schubste er Oni rüde von sich. Er würdigte ihn keines Blickes als er grummelnd seinen Tasche packte und aus dem Raum marschierte. Studenten, die ihm im Flur begegnete machten schleunigst Platz. Niemand wollte in eine Auseinandersetzung verwickelt werden. Zähneknirschend kam Soichi vor dem schwarzen Brett zum Stehen. Ehe er sich versah, stand er allein davor. „1 2 3 4 5…“, zählte er stumm, um nicht auszurasten. Miese kleine Kröte! Wenn er den heute noch einmal zu Gesicht bekam, dann würde es Tote geben! „Hey! Alter!“, wurde er unvermittelt von hinten angesprochen. Oh nein! Die Stimme kannte er nur zu gut. Genervt wandte er dem Besitzer der Stimme den Kopf zu. „Was willst du!“, blaffte er Taro Tomoya giftig an. Der Rocker und er befanden sich in einem vorübergehenden Waffenstillstand. Trotzdem hatte er auf diesen Widerling so gar keinen Bock. „Freu mich auch dich zu sehen!“, erwiderte besagter Widerling unbeeindruckt. Ihm war es egal, dass der andere nicht mit ihm quatschen wollte. „Also Blondie, wie geht’s Tetsuhiro?“ In den vergangenen Wochen war der Rocker öfter, als es Soichi lieb war im Krankenhaus aufgetaucht. Aber nicht nur er, sondern auch Morinaga´s Freunde und Kommilitonen belagerten häufig das Krankenzimmer. „Als ich ihn das letzte Mal sah, ging es ihm ganz gut.“, gab Soichi wiederwillig Antwort. Sonst würde er Tomoya nie loswerden. Der runzelte verwirrt die Stirn. „Gut? Wie gut? Geht’s nicht etwas genauer!“, stichelte er in seiner gewohnten arroganten Art. Abwartend versperrte er Soichi den Weg. „Mann! Gut heißt gut! Sehe ich aus wie ein verdammter Arzt?!“, schnaufte der Blonde genervt. Jedes Wort an den Kerl war zu viel. Taro Tomoya´s Gesicht verfinsterte sich. „Fuck! Immer noch nichts? Das gibt’s doch nicht!! Ich dachte wirklich die Aktion würde helfen…“ Da Taro aufgrund einer Vorerkrankung selbst nicht in Betracht kam, startete der verrückte Rocker einen uniweiten Aufruf. Jeder, der Tetsuhiro Morinaga kannte sollte gefälligst seinen Hintern bewegen und sich testen lassen. Zwar kamen überraschend viele Leute dem nach, aber ein passender Spender war bis heute nicht ermittelt worden. „Da kann man nichts machen…du und deine bescheuerten Aktionen…“, keifte Tatsumi gereizt. Er konnte den Kerl nicht ausstehen! „Wenn dann nichts mehr ist…“ Ohne weitere Beachtung des anderen drängte sich der Blonde an Tomoya vorbei. Taro starrte ihm nach. Aus dem Kerl wurde er beim besten Willen nicht schlau. „Wenn der das Maul nicht aufbekommt muss ich mir die Infos wohl aus erster Hand holen…“ Jawohl! Er sollte seinem Kumpel Tetsuhiro bald einen Besuch abstatten. Soichi Tatsumi war nicht sonderlich überrascht ein leeres Bett vorzufinden. Morinaga hatte nach langem Betteln und Bitten die Erlaubnis, das Bett verlassen zu dürfen, erhalten. Oft unternahm er lange Streifzüge durch die Klinik. Meistens übertrieb der Dunkelhaarige es jedoch mit seinem Bewegungsdrang. Man musste ihn regelrecht zwingen einen Gang runter zu schalten. In gewisser Weise konnte Soichi Morinaga verstehen. Wenn man wochenlang ununterbrochen im Bett gelegen hatte musste der Trieb sich irgendwie zu bewegen überwältigend gewesen sein. Im Laufe der Zeit war auch das Zimmer wohnlicher geworden. Neben der Krankenhauseinrichtung befanden sich nun ebenfalls zahlreiche persönliche Gegenstände vor Ort, wie z. B. Bücher, Klamotten, Morinaga´s Notebook oder Studienunterlagen. Die Hoffnung Tetsuhiro´s er könne vielleicht nach Hause verpatzte schnell. Generell sprach nichts dagegen aber in seinem Fall schwankten die Werte viel zu sehr. Es war ein ständiges auf und ab. Speziell nach der Dialyse ging es ihm besonders dreckig. Es gefiel ihnen beiden nicht aber Morinaga war ihm Nakamura einfach besser aufgehoben. „Scheißkerl…“, schimpfte Soichi leise vor sich hin. Er war, knapp zwei Stunden später, immer noch sauer auf diesen Affen von Assistenten. Vielleicht sollte er doch noch mal mit dem Professor reden. Ungeduldig ging Tatsumi im Raum umher. Wo trieb sich Tetsuhiro nur wider rum? Hier konnte ihm zwar nichts passieren, dennoch wäre Soichi wohler, wenn er wüsste wo der andere war. Außerdem verspürte er keine große Lust kreuz und quer durch die Klinik zu latschen um ihn zu suchen. Nach etwa fünfzehn Minuten des Nichtstuns trat er angenervt ans Fenster. Doch für die schöne Aussicht hatte er keinen Blick, denn Soichi entdeckte einen dunklen Schopf, der zwischen den Ästen hervorblitzte. Er hatte sich nicht getäuscht. Soichi fand Tetsuhiro unter einem großen Ahornbaumes im Laub sitzen. Die Augen des Jüngeren waren geschlossen. Entspannt lehnte er am Stamm des Baumes und ließ sich die Sonne auf den Pelz scheinen. Soichi ließ seinen Blick einen Augenblick auf Tetsuhiro ruhen. Der Krankenhausaufenthalt war Morinaga deutlich anzusehen. Im Gegensatz zu vorher war er sehr viel schmaler. Dunkle Augenringe und eine anhaltende Blässe zierten das Gesicht, der dunkle Haarschopf war noch wuscheliger geworden. Es raschelte laut als Soichi langsam durch das Blättermeer auf ihn zu wartete. „Nur noch einen Moment, Senpai…“, murmelte Morinaga ohne die Augen zu öffnen. Er erkannte seinen Freund allein an dessen Gang. Tief so er die frische Herbstluft ein. Die letzten Wochen waren eher vom Regen gekennzeichnet gewesen. Heute konnte er seit langem wieder einen Abstecher nach draußen wagen und den wollte er so lange wie möglich genießen. Es raschelte erneut als Soichi sich neben ihn setzte. Auch das noch! Tetsuhiro schluckte hart. Verstohlen linste er zur Seite. Ihre Hände im Gras lagen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Der Wunsch die Hand des anderen zu ergreifen war überwältigend. Morinaga hatte sich fest vorgenommen auf Abstand zu gehen. Das war besser für alle Beteiligten. Er wollte ihre Freundschaft nicht durch seine dummen Träumereien zerstören. Aber Soichi machte es ihm nicht gerade leicht. Ob er überhaupt wusste in welch große Versuchung er ihn führte? Scheiße! Sie waren hier ganz allein! Es bedurfte seiner ganzen Willenskraft um Soichi nicht um den Hals zu fallen. Er durfte auf keinen Fall schwach werden. Bevor er irgendetwas Dummes machen konnte rückte er unauffällig ein wenig von Soichi weg. Der bemerkte dies natürlich. Glaubte seine Kohai wirklich Soichi wäre so blind? Der Blonde wurde das Gefühl nicht los Morinaga weiche ihm aus. Ja, wenn es ging vermied er jeglichen unnötigen Körperkontakt. Und die Liebesbekundungen blieben auch aus. Früher war kein Tag vergangen ohne das ständige „Ich liebe dich“. Ihre Beziehung hatte sich wirklich verändert. Und das nicht zum Positiven. „Ähm…ich…du…bist aber heute früh dran. Gab…es wieder Ärger mit Oni??“, fragte Tetsuhiro nervös. Er musste unbedingt Ablenkung finden. Die Frage war eigentlich überflüssig, denn bei jedem seiner Besuche meckerte Soichi über den neuen Assistenten. „Ach, lass mich bloß mit dem in Ruhe!“, motzte Soichi brummig. „Der Typ nervt einfach nur!“ Um den Worten Nachdruck zu verleihen nahm er eine Hand voll Blätter und warf sie in den Wind. Tetsuhiro sah ihnen nach wie sie in den Himmel davon getragen wurden. „Senpai ich…“ Die Worte, die er sagen wollte blieben ihm im Hals stecken. Stumm betrachtete er Soichi´s schönes Profil. Was sollte er nur machen? Wie sollte es weitergehen? „Senpai…“ Wie in Trance streckte er eine Hand nach Soichi aus, beugte sich zu ihm vor. Es war der erste Kuss seit einer kleinen Ewigkeit. Soichi zitterte vor Aufregung. Das Herz in seiner Brust schlug hart gegen den Brustkorb. Nicht eine Sekunde dachte er daran sich dagegen zu wehren. Das Gegenteil war der Fall. Wie von selbst öffneten sich die Lippen des Blonden, hießen die heiße Zunge Tetsuhiro´s willkommen. Fest wurde er gegen die raue Rinde des Baumes gepresst. Das Laub knisterte empört auf als sie darauf fielen. Die Hände des Dunkelhaarigen schienen überall auf seinem Körper zu sein. Er fühlte jede Berührung mit einer Intensität, die ihn ganz benommen machte. Doch ganz plötzlich verschwanden die Hände, die Lippen. „Senpai…es tut mir leid.“ Als würde er sich an ihm verbrennen wich Tetsuhiro zurück. Er sah mehr als geschockt aus. Soviel zum Thema „Abstand halten“. Was war er nur für ein Heuchler!! „Soichi…Das war dumm von mir. Ich…“ Enttäuscht über sich selbst sprang Morinaga auf und lief davon. „Wa…Was? Tetsuhiro, hey!“ Auf halber Strecke zum Hintereingang des Gebäudes holte Soichi den anderen ein. Er verstand die Welt nicht mehr. Was war das denn? Hatte er etwas falsch gemacht? „Warte gefälligst!!“ Wütend packte er Morinaga am Arm. Er wollte jetzt endlich wissen was mit dem anderen los war. Langsam verlor er die Geduld! „Was sollte das eben? Warum zum Teufel weichst du mir aus?“ Solange er nicht wusste was los war, würde er keine ruhige Minute haben. Tetsuhiro zuckte ertappt zusammen. Soichi konnte ganz genau fühlen wie er erstarrte. „Soichi…“ Für einen Moment glaubte der Ältere Tetsuhiro würde davon laufen. Aber der Kohai ließ resignierend die Schultern hängen und schwieg. Soichi runzelte die Stirn. „Glaubst du im Ernst ich merke das nicht? Es reicht mir! Was ist dein Problem?“ Unwillkürlich verstärkte er den Druck seiner Hand. „…Warum sagt du mir nicht was los ist….“, flüsterte er leise. Tetsuhiros Herzschlag vervierfachte sich schlagartig. Die Hand, mit der Soichi ihn festhielt war ganz heiß. Selbst durch den Stoff konnte man die Wärme spüren. Einen Moment standen sie reglos da. „Soichi…Warum machst du es mir so schwer?“, sagte der Wuschelkopf nun seinerseits. Morinaga hasste sich für seine Schwäche! Aber es musste sein. „Okay…du…hast Recht…Es stimmt. Ich bin dir mit Absicht ausgewichen…Aber nur um unsere…Freundschaft zu retten.“ Kopfschüttelnd befreite er sich aus Soichi´s Griff. „Deine Worte haben mich aufgerüttelt. Ich weiß jetzt, dass du nie mehr als Freundschaft für mich empfinden wirst. Deswegen hielt ich es für besser, wenn wir uns nicht mehr jeden Tag sehen. Das was eben passiert ist war ein Fehler.“ Nie waren ihm Worte schwerer über die Lippen gekommen. „Ich will dir nicht noch mehr zumuten. Ich möchte dir nicht wehtun. Du wirst immer der wichtigste Mensch in meinem Leben sein…ich habe kapiert, dass ich dich nur verletze, wenn ich weitermache wie bisher. Um unserer Freundschaft willen werde ich dich aufgeben. Es ist besser so. Ab sofort sind wir nur noch Freunde, mehr nicht…“ Am liebsten wollte er sich die Zunge abbeißen. Es tat verdammt weh, mehr als er gedacht hatte. Vorsichtig schaute er Soichi in die braunen Augen. Der Ausdruck in ihnen machte ihm Angst. „…Freunde…ja…natürlich…was sonst…“, sagte er mit ausdrucksloser Stimme. Innerlich war er jedoch alles andere als ausdruckslos. Freunde? Freund! Nach diesem Kuss?? Eigentlich sollte er froh darüber sein, nach all der Zeit hatte der Jüngere es begriffen!! Aber stattdessen wurde ihm kalt, eiskalt. Er wollte schreien, protestieren aber etwas in ihm hinderte ihn daran. Soichi tat nichts dergleichen. „Senpai, du solltest jetzt lieber gehen…“, meinte Morinaga tonlos. Verdrängte Tränen schwangen in den Worten mit, doch Soichi hielt ihn nicht zurück als er sich umdrehte und ging. Auf direktem Weg ging Soichi nach Hause. Er achtete kaum auf die Umgebung. In seinem Kopf flatterten die Gedanken wie Vögel im Käfig. Um nicht länger nachdenken zu müssen, legte er sich früh schlafen. Allerdings konnte er keinen Schlaf finden. Unruhig wälzte er sich stundenlang hin und her. Was war sein geschissenes Problem??? Es war zum verrückt werden! Verrückt, weil er die Antwort darauf nur zu gut kannte. Das Problem war er selbst. Freundschaft. Dass er nicht lache! Wie konnte er das so einfach sagen? Ausgerechnet Morinaga! Wenn das jemand sagen müsste, dass Tatsumi selbst! Wichtigster Mensch in seinem Leben! Von wegen! Ha! Der Student war sauer. Sauer auf Tetsuhiro, weil er seine Gefühle durcheinander brachte. Vor seinem inneren Auge lief der Kuss wie ein Film auf und ab. Wenn er es genau bedachte, war es dann nicht sozusagen ein Abschiedskuss gewesen? Früher als sonst betrat Tatsumi am nächsten Tag die Uni. Müde schlurfte er den Flur entlang. Die Nacht war zu kurz gewesen. Definitiv! Aber was war zu erwarten, wenn man stundenlang wach lag? Was sollte er unternehmen? Musste er überhaupt etwas unternehmen? „Tatsumi! Warten Sie eine Minute! Ich muss mit Ihnen sprechen!“ Professor Nagiza fegte mit strengem Gesicht auf seinen Studenten zu. „Tatsumi! Also wirklich! Seit zwei Tagen warte ich auf Ihre Studienarbeit! Wann kann ich damit rechnen!!!“, legte der Professor lauthals los. Der Mann war gewaltig wütend. Der Schreck fuhr dem Gescholtenen in alle Glieder. Die Studienarbeit!! Die hatte er vollkommen vergessen! Nicht einmal die Hälfte war erledigt. „Ähm…ja…ich reiche sie so schnell wie möglich nach. Ehrenwort!“ Die Miene seines Mentors wurde eine Spur grimmiger. „Ich gebe Ihnen exakt zwei Tage Aufschub. Mehr ist nicht drin. Meine Geduld ist nicht grenzenlos!!“ Es war das erste Mal für Soichi, dass er vom Professor dermaßen gescholten wurde. Es war über alle Maßen peinlich wie ein Kleinkind behandelt zu werden. Nagiza sah kopfschüttelnd seinen Vorzeigestudenten an. In letzter Zeit war Tatsumi nicht er selbst. Früher war er nicht aus der Uni wegzukriegen. Man musste ihn sogar öfter dazu bringen, einen Gang runterzuschalten. Nun aber sah man den jungen Mann öfter gehen als kommen. Dem Lehrer gefiel diese Entwicklung nicht. Erst kündigte Mitzuko von heute auf morgen und nun spielte Tatsumi verrückt! Wie sollte er da sein Gesicht vor den Kollegen und dem Dekan wahren? Sollte Kenji doch Recht behalten? Dieser warnte Nagiza, nicht zu sehr auf Tatsumi zu bauen. Der ältere Mann seufzte. „Wie gesagt, zwei Tage! Und wehe, ich habe sie nicht spätestens 16:00 Uhr auf meinem Tisch liegen!!“ Mit diesen Satz entließ er den blonden Studenten. Ein paar Kommilitonen, die die Unterhaltung mitgehört hatten, begannen zu tuscheln. „Haltet die Klappe! Verschwindet!“, fauchte Soichi die Lauscher an. Die Gaffer machten schleunigst, dass sie davonkamen. Zähneknirschend begab er sich in das Labor. „Wie soll ich in zwei kurzen Tagen eine komplette Studienarbeit schreiben???? Fuck! Ich hatte fast drei Monate Zeit!“ Immer und immer wieder schob er das Schreiben der Arbeit von sich, bis sie in Vergessenheit geriet. „Verflucht seist du Morinaga! Nur wegen dir steht mein Studium auf der Kippe! Shit!!“ Es war zum Haare raufen! „Cool bleiben! Wenn ich sofort anfange, dann…“, noch während er sprach kramte er in diversen Unterlagen herum. Wenn er umgehend loslegte ohne Unterbrechung, könnte er es schaffen. Niedergeschlagen starrte Tetsuhiro auf sein Handy. Wie es Soichi wohl ging? Immer wieder suchte er im Adressbuch dessen Nummer. Nein, es war besser wenn sie sich eine Weile nicht sahen. Seufzend packte er das Ersatzhandy zur Seite. Wie sollte er sich bloß ihm gegenüber verhalten? Diese bescheuerten Gefühle!! Warum gab es eigentlich keinen Schalter, mit dem man sie an- bzw. ausschalen konnte? Ihm blieb nichts anderes übrig als sich zusammenzureißen! Richtig zusammenzureißen! Fuck! Warum konnte er sich gestern nicht zurückhalten? Selbst den Gedanken aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen zog er in Betracht, wenn es nicht anders ging. Eventuell war eine räumliche Trennung keine schlechte Idee. Während er noch nachdachte, klopfte es an der Tür. „Taro! Komm rein!“, begrüßte er den Rocker. Tomoya hob die Hand zum Gruß. „Ha Alter! Wie sieht´s aus?“, grinste der Lederjackenfan zwinkernd. Ohne zu fragen pflanzte er sich auf das Bett. Tetsuhiro machte ihm bereitwillig Platz. Er lächelte leicht. Im Grunde war Taro kein schlechter Kerl. Aber sein Temperament legte ihm so manchen Stein in den Weg. Im Grunde kam der Student Tetsuhiro gerade recht, um auf andere Gedanken zu kommen. „Komm, lass uns ein paar Schritte gehen…“, schlug er vor. Tomoya sprang schneller als man „Kawasaki“ sagen konnte auf. Schweigend spazierten die beiden den Flur entlang. „Wieder Stress mit dem Großmaul?“, mutmaßte der Besucher dem traurigen Gesicht des Kranken nach. Als Antwort fing er sich einen bösen Blick ein. „Richtig geraten, was? Dieser Blondie! Soll ich dem mal den Kopf waschen!?“ Die Vorstellung zauberte ein Grinsen auf sein Gesicht. Morinaga verdrehte die Augen. Taro war immer Feuer und Flamme, wenn es darum ging jemanden den „Kopf zu waschen“. Das Lächeln verschwand aus dem Gesicht des Lederjackenträgers, als er bemerkte wie am Boden zerstört Morinaga war. „Alles in Ordnung? Du wirkst so geistesabwesend. Und siehst nicht gut aus…“ Wortlos schüttelte Tetsuhiro den Kopf. Ja, er meilenweit weg. Im Geiste beschäftigte er sich mit Soichi. Es gab keine Worte für das was er fühlte. Außerdem hatte er leichtes Fieber. Vielleicht war der Ausflug keine so gute Idee gewesen. Wenn die Schwester ihn erwischte… Doch die Schwester sollte Morinaga nicht erwischen, denn Sekunden später wurde ihm schwarz vor Augen. Zum gleichen Zeitpunkt, in dem Tetsuhiro Morinaga neben Taro im Nakamura-Hospital zusammenbrach, befand sich Soichi Tatsumi in seinem Zimmer. Vor ihm auf dem Schreibtisch lag die unvollständige Studienarbeit. „Zwei Tage! Ich schaffe das! Keine Ablenkung! Keine Verzögerung! Nur ich und die Arbeit!!!“ Er schob alle störenden Gedanken und Gefühle beiseite und machte sich ans Werk. Ungefähr zwei Stunden arbeitete er ungestört, da klingelte sein Handy. Er warf nur einen raschen Blick darauf. Nach kurzem Zögern drückte er die Nummer von Tetsuhiro weg. Dann schaltete er das Telefon aus. Ende Kapitel 25 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)