Der Schneeprinz von Jadis ================================================================================ Kapitel 11: Eine intime Banalität --------------------------------- 11 ¨¯¯¨˜“ª¤.¸°¸.¤ª“˜¨¨¯¯¨ Eine intime Banalität Die Nachrichten eines Mittwochabends bringen mich dazu einen folgenschweren Entschluss zu fassen. Mir platzt der Kragen, mir geht die Hutschnur hoch und es brodelt gewaltig in meinem Inneren, als ich kurzerhand in das Schlafzimmer stapfe, einen großen Koffer unter dem Bett hervor zerre und völlig wahllos anfange, irgendwelche Klamotten aus der Kommode hineinzustopfen. Ich murmele gerade leise fluchend vor mich hin, als ich das Geräusch von Lokis Kawasaki auf der Straße vernehme und kurze Zeit später jemand an die Wohnungstür klopft. »Ja?«, rufe ich und packe wie besessen weiter. »Mit deiner Erlaubnis würde ich gern eintreten«, ertönt Lokis gedämpfte Stimme auf dem Flur. »Geht klar« sage ich nur und überlege, wo zum Henker ich eigentlich meinen Reisepass habe. »Phlump«, macht es hinter mir und Loki teleportiert sich in den Raum. »Was machst du da?«, fragt er sogleich und schafft seinen schicken Motorradhelm in sein Zimmer nebenan. »Ich packe«, sage ich, immer noch aufgebracht und haste ins Bad, um meine Zahnbürste zu holen. Als ich zurück komme, lehnt Loki lässig im Türrahmen und sieht mir dabei zu, wie ich versuche den heillos überfüllten Koffer zu schließen. »Was hast du vor?«, fragt er in genau dem Moment, als ich mich kurzerhand darauf setze und die Schnallen bereits ein protestierendes Knacken von sich geben. »Ich fliege nach New York«, teile ich ihm keuchend mit und atme erst einmal tief durch, als mein Vorhaben endlich von Erfolg gekrönt wird. »Darf man fragen, weshalb?« »Darf man«, sage ich und deute eifrig auf den Fernseher. Ein Nachrichtensprecher ergeht sich noch immer über die vergangenen Gräueltaten eines gewissen Gottes, den damit verbundenen Gefahren für die Weltbevölkerung und den heroischen Taten einer nur allzu bekannten Rächer-Gruppe. Loki zieht eine Augenbraue steil in die Höhe und der Fernseher gibt, wie auf Kommando, den Geist auf. »Und was willst du in New York?« »Ich lasse mir einen Termin im Stark Tower geben und werde dieses ganze Missverständnis aufklären.« »Riley«, beginnt Loki und hat diesen Ton drauf, der einem sagt, dass das, was man vorhat, totale Zeitverschwendung ist. »Versuche nicht, mich aufzuhalten«, sage ich daher, hieve den Koffer hinter mir her und stiefele zur Wohnungstür. »Riley«, sagt Loki erneut und ich stelle den Koffer noch einmal ab, um meine Jacke überzuwerfen. »Nein, Loki, ich werde nicht-« Ich halte inne, als seine anbietende Hand in meinem Gesichtsfeld auftaucht und blicke auf. Er sieht mich mit einem irgendwie sentimentalen Ausdruck an, den ich nicht ganz deuten kann. »Ein Wimpernschlag«, sagt er leise und ich begreife. Uff. Aber wieso eigentlich nicht? Und wieso hatte ich vorher nicht daran gedacht? Vorsichtig und mit Bedacht lege ich also, mit dem Vorhaben einverstanden, meine Hand in seine. Lokis Mundwinkel ziehen sich kaum merklich in die Höhe, als er mich an sich zieht und ich gegen seine Brust stolpere. »Die Magie fließt besser, wenn so viel Kontakt wie möglich besteht«, erklärt Loki leise und unterstreicht diese Aussage damit, dass er seine Hände auf meinen Rücken legt und mich an sich presst, während ich mein Gesicht an seine Schulter lege. Ich schiebe sogar meine Hände in seinen Nacken und kann unter meinen Fingern spüren, wie sich sein Körper einen kurzen Moment lang überrascht versteift. »Es ist besser, wenn du beim ersten Mal die Augen schließt.« Ich gehorche und schon fühle ich, wie mein Körper durch Raum und Zeit gerissen wird. Der Boden unter meinen Füßen ist verschwunden und es fühlt sich an, als würde ein Anker an meinem Bauchnabel hängen und mich mit Lichtgeschwindigkeit hinter sich her zerren. Kurz erinnert mich das Gefühl auch an eine Achterbahnfahrt. Und schon ist es vorbei. Meine Füße prallen hart auf asphaltierten Boden und ich reiße, nach Luft schnappend, die Augen auf. Sofort wird mir wieder Schwarz vor Augen und ich stolpere nach hinten, wo ich gegen etwas Hartes stoße, während Loki mich an den Oberarmen hält und somit verhindert, dass meine wackeligen Knie unter mir nachgeben. »Es wird gleich besser«, sagt er und streicht mit seinen Händen beruhigend an meinen Oberarmen auf und ab. Gerade als ich denke, dass ich mich gleich zielsicher auf Lokis Schuhe übergeben werde, hört das Schwindelgefühl auf und ich komme wieder vollends zu mir. Ich bin nicht sicher, ob ich das noch einmal miterleben möchte. Ich höre Großstadtstraßenlärm und blinzele in das kahle Erscheinungsbild einer Seitengasse. Pappkartons, riesige Müllcontainer und Ziegelsteinfassaden der angrenzenden Häuser. In der schattigen Gasse ist es kühl, doch ich sehe, dass die Morgensonne den Bürgersteig von New York ein paar Meter weiter erhellt. Ich fange plötzlich an zu kichern, als mir klar wird, dass ich zwischen Loki und der Wand festgenagelt bin. Irgendwie fühle ich mich auch beschwipst. Nanu. »Was?«, fragt er leicht alarmiert und versucht durch einen Blick in mein Gesicht herauszufinden, was mir fehlt. »Nichts weiter«, gluckse ich und bemerke eine plötzliche Hitze in meinem Gesicht. »Ich musste nur gerade daran denken, dass ich so schon immer einmal geküsst werden wollte.« Loki macht ein amüsiertes Gesicht, packt meine Hand und stößt sich an der Wand hinter mir ab. »Na komm«, sagt er und wir schlendern in Richtung des belebten Bürgersteigs. Schade, denke ich nur. Dann bin ich von der Skyline New Yorks geflasht. Hochhäuser, Menschenmassen und geschäftiges Treiben wohin man sieht. Ach ja, Dreck und Lärm nicht zu vergessen. Bereits nach wenigen Sekunden dröhnt mir so sehr der Kopf, dass ich froh bin in der Abgeschiedenheit von Alaska zu leben. Loki bleibt mit einem Mal stehen und ich laufe fast in ihn hinein. Menschenmassen fluten um uns herum und ich widerstehe nur schwer dem Drang mich an Loki festzukrallen. Nicht auszudenken, wenn wir uns hier verlieren. »Da ist er«, sagt er, blickt auf die andere Straßenseite und ich werfe meinen Kopf in den Nacken, um zum Stark Tower aufblicken zu können. Oh ha. Der ist ja riesig. Bestimmt einhundert Stockwerke hoch, flankiert von zwei kleineren Nebengebäuden und mit einem eigenen Arc-Reaktor versorgt, sodass der Tower bis zu einem Jahr völlig unabhängig vom Rest der Stadt über Strom verfügen kann. Habe ich mir sagen lassen. Obenauf prangt in exorbitanten Lettern der Schriftzug »Stark«, was mein Gehirn dazu bringt an ein unschönes Wort namens Größenwahn zu denken. Außerdem ist der Hauptturm des Gebäudekomplexes das Hauptquartier der Avengers, und genau deswegen bin ich hier. Der Straßenzug ist seit dem kleinen Zwischenfall im Tower noch nicht wieder ganz aufgebaut. In einem Hochhaus gegenüber sind alle obersten Stockwerke unbenutzt, nur eine Bank im Erdgeschoss ist immer noch in Betrieb. »Was genau hast du jetzt vor?«, fragt Loki und behält aufmerksam die Umgebung im Auge. Ich zucke mit den Schultern. Einen Plan wollte ich mir eigentlich auf dem Flug hierher überlegen. Da dieser Flug jedoch ins Wasser fiel, muss ich mir jetzt schnell irgendetwas einfallen lassen. »Ich gehe da einfach rein, haue auf den Tisch und sage was Sache ist«, erkläre ich plump und wedele unsicher mit den Armen. Oh Gott, die werden mich da schneller wieder raus werfen, als ich Desoxyribonukleinsäure buchstabieren kann. »Und davon lässt du dich auch nicht abbringen?«, fragt Loki und straft einen Passanten, der mich anrempelt, mit seinem Todesblick. »Nein«, sage ich, bin aber von der Genialität meines Planes selber nicht mehr so ganz überzeugt. »Gut, dann warte ich hier auf dich.« Alarmiert sehe ich zu Loki, der mit dem Daumen auf ein Starbucks hinter uns zeigt. »Du kommst nicht mit?«, höre ich meine Stimme fragen, und diese entgleitet mir dabei in eine etwas höhere Tonlage als normal. Zur Antwort sieht Loki mich auf eine Art an, die mich kurz selbst an meinem Verstand zweifeln lässt. »Ja, okay. Hab verstanden. Bis gleich also.« Ehe ich es mir anders überlege, wende ich mich von ihm ab und lasse mich mit der Masse über eine Ampelkreuzung schieben. Zu allem Überfluss muss ich mich auf der anderen Straßenseite sogar noch von einem Taxi anhupen lassen. Steht mir eigentlich »Landei« auf die Stirn geschrieben? Ich spreche mir selber Mut zu, als die Glasfronten des Eingangsbereiches des Stark Towers unaufhaltsam näher rücken. Ich bin aufgeregt und auf meinen Handflächen hat sich kalter Schweiß gebildet. Hoffentlich muss ich niemandem die Hand geben. Einigermaßen sicheren Schrittes schaffe ich es durch die Drehtür und bin froh, dass ich nicht gegen eine hinterhältig aufgestellte Glasscheibe renne. Nein, das ist mir natürlich noch nie passiert. Hust. Der Eingangsbereich ist eher steril anzusehen. Kaum Menschen, nur eine einsame Empfangsdame hinter einem weißen Tresen, die die Aufzugtüren bewacht. Ich blicke mich um, kann keine Kameras entdecken, weiß aber, dass welche da sein müssen. Zweifellos hat das Sicherheitssystem des Gebäudes mich schon abgescannt, auf Waffen durchsucht, meine Sozialversicherungsnummer herausgefunden, meine Mutter angerufen und diese gefragt, ob sie weiß, dass ich hier bin. Als die Empfangsdame den Blick von ihrem kleinen Tablet PC hebt, straffe ich die Schultern und gehe schnell auf sie zu. Die junge Frau wirkt überrascht. Vermutlich rechnet sie nicht mit so viel Dreistigkeit der Passanten, hier einfach hinein zu spazieren. »Willkommen im Stark Tower«, sagt sie dennoch pflichtbewusst und rasselt ihren Text herunter. »Mein Name ist Vivian Snook. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?« Dann setzt sie dieses Honigkuchenlächeln auf und ich will mich auf der Stelle übergeben. »Äh, hallo«, zwinge ich mich zu sagen und lümmele mich auf den Tresen. Plötzlich wird mir bewusst, dass das vielleicht keinen so guten Eindruck macht, also stelle ich mich wieder aufrecht hin. »Ich hätte ganz gern einen Termin bei den Avengers.« Ich versuche ihr Lächeln zu imitieren, aber es will nicht ganz funktionieren. Vivian tippt eifrig auf ihrem Tablet herum und nickt nach ein paar Sekunden entschieden. »Wäre Ihnen der vierte April, um vierzehn Uhr recht?« »Der vierte April?«, wiederhole ich fragend und sehe sie entsetzt an. »Wie in 'nächste Woche'?« Vivian lacht leise und gekünstelt. »Natürlich nicht«, sagt sie dann und ich dachte mir schon, dass es sich dabei um einen Fehler handeln muss. »Der vierte April, wie in 'nächstes Jahr'.« Ich starre auf ihre gebleichte Zahnreihe und muss mich arg zusammenreißen, dass ich sie ihr nicht einschlage. Jetzt stütze ich mich doch wieder auf den Tresen. »Jetzt hören Sie mal, Vivian«, sage ich in aller Ruhe, die ich noch aufbringen kann. »Vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt. Ich brauche einen Termin, und zwar heute. Am liebsten sofort.« Vivians eingemeißeltes Lächeln beginnt langsam zu bröckeln. »Sind Sie von der Presse?«, fragt sie mich. »Nein«, beantworte ich wahrheitsgemäß. »Fernsehen?« »Nein, auch das nicht.« »Radio? Onlinemagazin? Forschungsinstitut? Universität? Polizei?« »Nein.« »Sind sie wenigstens von der Regierung?« Ich überlege. Ob sie einen Ausweis sehen will? Soll ich schwindeln? Da wäre Loki wohl der bessere Ansprechpartner. Ich konnte in der Grundschule nicht einmal verheimlichen, dass ich mein Gemüse im Mülleimer entsorgt hatte. Bäh, ich hasse Tomaten. »Nein«, sage ich daher zögerlich und Vivian besitzt doch wirklich die Frechheit und schnalzt mit der Zunge. »Dann kann ich leider nichts für sie tun.« Ich erhebe meinen Zeigefinger und beuge mich noch weiter zu ihr vor. Ich will protestieren, komme jedoch gar nicht mehr dazu irgendetwas zu sagen, denn Vivian greift unter die Tischplatte und mir bleibt der Protest vor Verwunderung im Hals stecken. »Haben Sie gerade den Alarm ausgelöst?«, frage ich geschockt und Vivian zieht teilnahmslos die Schultern in die Höhe. Ihr Lächeln hat sich nun komplett aufgelöst. Ein Blick nach rechts sagt mir, dass ein Sicherheitsbeamter bereits im Eilschritt den Empfangsbereich stürmt und alarmiert in meine Richtung blickt. Vivian deutet hektisch nickend auf mich, sodass sich meine Hände von ganz allein zu Fäusten ballen. »Verlassen Sie bitte das Gebäude«, sagt der Kerl zu mir und ich bemerke, dass er die Statur eines Kleiderschrankes hat. »Nein«, stelle ich mich bockig. »Nicht bevor ich nicht- Hey, Finger weg!« Er packt mich grob am Arm und schiebt mich in Richtung Drehtür, droht mir Gewalt anzuwenden, sollte ich nicht kooperieren. »Ich habe wichtige Informationen bezüglich Loki Laufeysons sogenannten Angriffs auf den Tower«, keife ich und hoffe, dass es irgendetwas bringt, dass ich meine Füße gegen den glatten Boden stemme. Doch der Typ zerrt mich einfach weiter. »Das wird noch Konsequenzen haben. Irgendwann werde ich mit Ihrem Vorgesetzten sprechen und er wird nicht sehr erfreut sein, dass Sie die Frau des Hauses verwiesen haben, die ein unglaubliches Missverständnis aufklären wollte!« Ich überlege, ob ich auch kratzen oder beißen soll, beschließe jedoch erst einmal, das auf später zu verschieben. Am Rande meiner Wahrnehmung höre ich ein Telefon klingeln und Vivians Stimme, die leise mit jemandem spricht. »Pete!«, ruft sie dann und der Muskelprotz hört kurz auf mich in Richtung Ausgang zu bugsieren. Pete und ich starren Vivian erwartungsvoll an. Sie legt beinahe enttäuscht einen Telefonhörer beiseite und deutet hinter sich Richtung Aufzug. »Lass sie durch.« Ha! Erleichtert über ihre Worte, reiße ich mich los und streiche übertrieben sorgfältig meine Kleidung glatt. »Danke, Pete, das wäre dann alles«, höre ich mich sagen und gehe erhobenen Hauptes, vorbei an der not amused aussehenden Vivian, zu den Aufzugtüren. Die Tür eines Aufzugs gleitet lautlos auf und ich trete in den quadratischen Kasten. Hinter mir schließen sich die Türen wieder und ich grinse die betröppelt aussehenden Personen auf der anderen Seite frech an. Victory, denke ich mir, doch bemerke eine Abnormalität. Gerade, als ich mir überlege, in welchen Stock ich eigentlich fahren soll, bemerke ich, dass der Aufzug keine Kontrolltafeln hat. Ach du Schreck. Jemand anderes kontrolliert die Aufzüge. Bitte, lass es nicht Vivian sein, schicke ich ein Stoßgebet los. Die würde den Fahrstuhl vermutlich direkt in die Hölle schicken. Noch während ich dies denke, setzt sich der Aufzug langsam in Bewegung. Nach oben, wie ich erleichtert feststelle. Doch eine weitere Frage spukt nun durch meinen Kopf. Was erwartet mich, wenn ich oben ankomme? Sekunden werden zu Minuten. Ungeduldig beäuge ich die digitale Stockwerkanzeige und wippe auf meinen Füßen vor und zurück. Selbst die leise Fahrstuhlmusik, die wohl beruhigend wirken soll, hilft nicht gegen meine Nervosität. Im Gegenteil. Das blöde Gedudel macht mich gleich wahnsinnig! Als die Anzeige von neunundachtzig auf neunzig springt, verlangsamt der Fahrstuhl sein Tempo, kommt zum Stillstand und genauso lautlos, wie auch im Erdgeschoss, schweben die Türen beiseite. Ich blinzele meine aufkommende Überraschung weg, versuche es zumindest. Gelingen will es mir nicht ganz. Ich zwinge meinen Körper dazu, sich zu bewegen und betrete einen, mit reichlich Metall verkleideten, Raum. Labor trifft es eigentlich eher, denke ich mir. Ich erblicke, wo ich auch hinschaue, zahlreiche Maschinen, groß wie Ungetüme, allerlei Gerätschaften, selbstständig arbeitende Roboterarme, die unter dem angeschalteten Neonlicht seltsame Schatten werfen, Hologramme und etliche teuer aussehende Hightech-Computer... Maschinen... Dingens. Die Fahrstuhltüren schließen sich lautlos hinter mir. Nur ein leiser Lufthauch streift um meine Beine und ich fühle mich schlagartig gefangen. Was will ich gleich noch einmal hier? »Au!«, höre ich plötzlich eine männliche Stimme irgendwo aus dem Labyrinth aus Maschinen, begleitet von elektrischem Knistern und Funkenflug. Ich habe Angst, dass hier gleich alles in die Luft fliegt und suche vorsichtshalber schon einmal nach den Notausgang-Schildern. Es gibt keine. Aaahhh! »Sie haben Besuch, Sir«, ertönt mit einem Mal eine blecherne Stimme mit eigenartigem Akzent und füllt den ganzen Raum aus. Der Raum spricht! Ich weiß aus den Medien, dass der Stark Tower ein wirklich interessanter Ort sein muss, aber das hier ist total... abgefahren. »Danke, J.A.R.V.I.S«, sagt jemand erneut von irgendwo aus der Versenkung und ich folge der Stimme mit meinem Blick. Ich erlaube mir, einen wichtig aussehenden Schreibtisch mit diversen Utensilien zu umrunden und erblicke direkt zwischen zwei weiteren Tischen einen Mann, der, mit dem Rücken zu mir gewandt, beschäftigt am Werkeln ist. Neben ihm hält ein Roboterarm einen kleinen Feuerlöscher und ist bereit einzugreifen, sollten Flammen an die Decke schlagen. Ich überlege, ob ich es riskieren soll mich zu räuspern, aber die Entscheidung wird mir abgenommen, als der Tüftler sich umdreht. Ich kenne den Mann aus den Medien. Vor mit steht Tony Stark. Milliardär, Philanthrop, Genie, Playboy und als Iron Man Mitglied der Avengers. Durch sein »Black Sabbath«-Shirt hindurch leuchtet mich etwas kreisförmiges an. In der einen Hand hält er einen Lötkolben, in der anderen... äh... die andere Hand ist mit rotem Metall überzogen. Ein Handschuh? Ein Teil seiner Iron Man Rüstung! Wooow! Ich starre ihn unverblümt an und sein Gesicht erhellt sich kurz, als er mich bemerkt. »Ah, sehr gut«, höre ich ihn sagen und er dreht sich direkt wieder um und wendet sich seinem Labortisch zu. »Komm mal kurz rüber.« Ich horche auf, blicke kurz überprüfend hinter mich – Nein, sonst ist niemand anwesend – und trete zaghaft auf Mr. Stark zu. Tony Stark! OMG! Ich umrunde den Tisch und beobachte, wie er den behandschuhten Arm in eine Vorrichtung legt, die diesen stabilisiert. Eine Abdeckung des eisernen Unterarms liegt auf dem Tisch und das dadurch entstandene Loch legt unzählige Kabel und feine Mechanismen frei. Sieht ziemlich kompliziert aus. »Sei so gut und halte das Kabel da zur Seite«, sagt er und deutet mit dem Lötkolben grob auf das Kabelgewirr. »Das hier?«, frage ich arglos und puhle bereits in der Öffnung herum. »Nein, nicht das«, sagt Tony hastig und schreit kurz darauf zum Gotterbarmen. Ich schreie auch, zu Tode erschrocken, und lasse auf der Stelle alles fallen, was ich ich den tollpatschigen Händen halte. Dann lacht Tony laut auf und stößt mit seiner Schulter freundschaftlich gegen meine. »Kleiner Scherz, nichts passiert. Das Kabel da, bitte.« Meine Hände zittern, als Adrenalin durch meinen Körper rast und ich diesmal das richtige Kabel zur Seite lege. Ich beobachte, wie Tony durch das Wirrwarr hindurch mit dem Lötkolben auf eine Platine stößt. Er bewegt überprüfend seine Finger und der Handschuh gibt simultan leise Geräusche von sich. Ich bin viel zu fasziniert, um den Blick abzuwenden. »Ich muss diese Reparatur vornehmen, wenn ich die Rüstung trage«, erklärt mir der Erfinder. »Dummy hier, ist dabei leider keine Hilfe.« Ich schaue auf, als er mit dem Kopf in Richtung des Roboterarms deutet, der sofort Anstalten macht uns mit Kohlenstoffdioxid einzunebeln. »Na!«, warnt Tony und der Arm lässt beinahe enttäuscht den... äh... Arm hängen. Dann lötet er munter weiter. »Und dein Name war gleich noch mal?« Uh, ich Trottel! Ich habe durch die ganze Aufregung nicht nur komplett ausgeblendet, weswegen ich eigentlich hier bin, sondern mich dazu noch nicht einmal richtig vorgestellt. Meine Manieren sind echt grottig. »R-Riley Parker«, stottere ich schnell. Peinlich. Ich würde ihm die Hand reichen, aber er scheint gerade ein wenig beschäftigt und lächelt vor sich hin, während eine kleine Rauchwolke von der Lötstelle auftaucht. »Wie der Riley Parker aus dem Film 'Düstere Legenden'?« »Keine Ahnung«, sage ich wahrheitsgemäß. »Ist das nicht ein Jungenname?«, löchert Tony mich weiter und schaut währenddessen nicht einmal von seiner Arbeit auf. »Weiß ich nicht«, sage ich einfach, obwohl ich es sehr wohl weiß. Diese Frage hatte ich mir in meiner Kindheit ständig anhören müssen. »J.A.R.V.I.S.?« Und schon ertönt abermals die Stimme mit dem britischen Akzent und rasselt einen Wikipediaeintrag herunter. »Riley ist ein Familienname, der in der Neuzeit als Vorname verwendet wird. Der Name ist in seinen verschiedenen Schreibweisen in den Vereinigten Staaten für beide Geschlechter beliebt. Riley war auf Platz 109 der beliebtesten Jungennamen und auf Platz 52 der weiblichen Vornamen der Vereinigten Staaten im Jahr 2007. Namensträgerinnen sind unter anderem das Model Riley Keough oder die Pornodarstellerin Riley Steele.« Oh je. »Danke, J.A.R.V.I.S.« »Gern, Sir.« »Also Riley«, sagt Tony nun, nachdem alle Unklarheiten beseitigt sind. »Ich habe gehört, du hast wichtige Informationen?« Er legt sein Werkzeug beiseite, verschließt die Öffnung und sieht nun zum ersten Mal direkt und forschend in mein Gesicht. Jetzt wird es ernst. Das darf ich nicht versauen. »Allerdings«, sage ich und beobachte Tony dabei, wie er seine Rüstungshand prüfend bewegt. Oh je, wo soll ich nur anfangen? »Fühlt sich gut an«, stellt Tony unterdessen fest, streckt seinen Arm mit gespreizter Hand aus und eine Energiewelle rast durch den Raum, die einen nahe stehenden Tisch in seine atomaren Bestandteile zerlegt. »Ja, fühlt sich definitiv gut an. Danke, Riley.« »Äh, ja, gern geschehen.« »Was wolltest du sagen?« Ja, was wollte ich denn eigentlich-? »Loki ist mein Mitbewohner«, sage ich einfach geradeheraus und ernte einen skeptischen Blick. »Er hatte sein Gedächtnis verloren und wollte bei seinem Erscheinen hier nur erklären, dass er sich nicht vor der Verhandlung drücken wollte. Aber ihr musstet ja gleich anfangen loszuballern!« Wie, um sich abzureagieren, hebt Tony erneut den Arm und sprengt die Verankerung eines Regals aus der Wand, sodass dessen Inhalt klirrend und krachend zu Boden poltert. Die Erwähnung von Lokis Namen scheint ihm ein wenig zu schaffen zu machen. »Raus hier«, sagt er leise, doch ich höre die unterdrückte Drohung in seiner Stimme. »Mr. Stark«, versuche ich an seine Vernunft zu appellieren und ihn dazu zu bringen, mir weiter zuzuhören. »Loki ist keine Bedrohung für diese Stadt, diesen Planeten.« Als Tony den bewaffneten Arm in meine Richtung hebt, nehme ich die Beine in die Hand und rette mich in den Aufzug. ~ Mein Blick schweift durch das Kaffee, auf der Suche nach einem bekannten Gesicht. Ich erblicke Loki in einer Sitzecke, wartend und gerade einen weiteren Flirtversuch eines vollbusigen Gastes abwehrend. Die Verschmähte wirft mir einen Blick zu, als sie an mir vorbei rauscht und ich sehe ihr kurz hinterher, bevor ich mich auf den bequemen Sessel neben Loki fallen lasse. »Mädchen wie sie lassen Mädchen wie mich echt blöd aussehen«, murmele ich enttäuscht über meinen missglückten Besuch im Tower und Loki schiebt mir seinen Kaffee über den kleinen Beistelltisch zu. »Grande Latte, italienische Zubereitung, viel Zimt, wenig Schaum, mit einem Schuss Himbeersirup«, erklärt er, ohne auf meine Bemerkung einzugehen und ich nippe an dem Getränk. Hm, köstlich. »Du warst länger da drin, als ich dachte.« »Ich wurde trotzdem rausgeworfen. Die sind noch immer nicht sonderlich gut auf dich zu sprechen.« Loki legt einen Ellenbogen auf die Armlehne, bettet sein Kinn in seine Handfläche und mustert mich abschätzend, als würde er sagen »Ich hab's dir ja gesagt.« Ich deute mit dem Daumen dem Mädel hinterher, meine aber die gesamte Weltbevölkerung. »Wieso erkennen die Leute dich eigentlich nicht?«, will ich wissen. »Machst du irgendwelche Jedi-Gedankentricks?« »Nein«, verneint Loki vehement. »Vielleicht rechnen sie nur einfach nicht mit mir.« Ich nicke. »Muss an der Rüstung liegen«, stelle ich fest und auch Loki nickt zustimmend. »Und jetzt?«, fragt er, als ich das bisschen Schaum, was ich finden kann, aus dem Glas löffele. »Will ich nach Hause. Auf mein Sofa und Süßigkeiten futtern. Aber vorher gebe ich dir noch einen Kaffee aus.« Ich krame in meiner kleinen Handtasche nach meinem Geldbeutel und zähle die Scheine. Mist. Mit drei Dollar komme ich nicht mehr weit. Dann fällt mir die Bank gegenüber ein. »Bin gleich wieder da.« Ich spüre Lokis fragenden Blick in meinem Nacken, als ich mir meinen Weg durch die Tischreihen bahne und wieder auf den Bürgersteig trete. Mein Ziel fest im Blick, husche ich hinüber in die Bank und reihe mich in die Schlange an den Schaltern ein. Kaum bin ich nach ein paar Minuten Wartezeit an der Reihe, glaube ich den Verstand zu verlieren. Kann der Tag wirklich noch beschissener werden? Er kann. »Hände hoch, das ist ein Überfall!« Ich will weinen. Und wieso entspricht dieses Klischee, dass Bankräuber solch dämliche Dinge rufen, auch noch der Tatsache? Ich sehe, dass die Dame hinter dem Schalter geistesgegenwärtig den stillen Alarm auslöst, ehe sie, wie alle anderen Anwesenden, die Hände in die Höhe reißt. Ich drehe mich langsam und gelassen um und sehe, wie drei schwarz gekleidete Maskierte die Bank stürmen. Einer bewacht direkt den Eingang, ein anderer treibt die Anwesenden Kunden in eine Ecke und der Dritte hüpft hinter den Schalter und stopft Geldbündel in mitgebrachte Plastiktaschen. Alle drei haben Handfeuerwaffen, mit denen sie wild in der Gegend herum fuchteln. Auch mir hält einer der Idioten ungefragt den Lauf der Waffe an die Schläfe und will mich somit dazu bewegen zu den anderen, bereits am Boden hockenden, Geiseln zu gehen. »Du auch, Püppchen«, sagt er zu mir und stößt mich zu Boden. Püppchen? Ich bin außer mir. Und ich habe nicht halb so viel Angst, wie ich in dieser Situation eigentlich haben sollte. Die Ereignisse rauschen vielmehr in einer Gleichgültigkeit an mir vorbei, dass ich mich schon frage, wo die Riley ist, die noch vor ein paar Wochen in eben so einer Situation einen Herzkasper bekommen hätte. »Bleiben Sie ganz ruhig«, rede ich auf die teilweise wimmernden Bankkunden ein, die neben mir hocken. »Die wollen nur das Geld, dann verschwinden die wieder.« Polizeisirenen lassen mich aufhorchen. »Scheiße!«, flucht der Typ, der noch damit beschäftigt ist Geld zu schaufeln. »Das sind die Bullen«, sagt der an der Tür unnötigerweise und sieht zu, dass er vom Eingang verschwindet. Dann packt er sich eine Schaltermitarbeiterin und zerrt sie an den Haaren auf die Beine, sodass sie sofort los kreischt. »Wer von euch Schlampen war das, huh? Du? Warst du das?« Er reißt ihren Kopf in den Nacken und steckt den Lauf seiner Pistole in ihren Mund. Mistkerl, denke ich noch, während die ersten neben wir, mit der Situation hoffnungslos überfordert, in Ohnmacht fallen. »Herrgott, jetzt lassen Sie doch die Frau in Ruhe«, höre ich jemanden todesmutig – oder vielmehr bekloppt - sagen und alle starren mich an. Scheiße!!! War ich das etwa? Mein Mundwerk war wieder schneller als mein Gehirn. Spitze. Der Typ lässt von der Frau ab, schuppst sie unsanft gegen eine Trennwand, sodass sie erst einmal benommen liegen bleibt und widmet sich nun... schluck... mir. »Macht die Sprengladung bereit«, sagt er zu seinen Kumpels und seine, hinter einer Sonnenbrille versteckten, Augen fixieren mich. Glaube ich zumindest. Sprengladung? Das hört sich alles andere als gut an. Wo bleibt eigentlich die Kavallerie? Wie auf Kommando rauschen die ersten Einsatzwagen vor das bereits abgeriegelte Bankgebäude und Lautsprecher posaunen Polizeigelaber in das Innere der Bank. Davon absolut unbeeindruckt, hievt mich der Bankräuber vom Boden, zerrt mich als menschliches Schutzschild vor sich und drückt nun mir den Lauf seiner beschissenen Handfeuerwaffe gegen die Schläfe. Aua, denke ich. Aber Angst habe ich noch immer keine. »Alles klar«, ruft einer der Typen und ich sehe, dass er Rucksäcke an strategisch günstigen Orten hinterlegt hat. Der andere kommt mit vollgepackten Einkaufstüten hinter den Schaltern hervorgesprungen und wirft seinen Kumpanen je einen Beutel zu. Dann suchen sich die beiden anderen Trottel ebenfalls eine Geisel als Schutzschild und schleichen gemütlich Richtung Ausgang. Mein Geiselnehmer fischt unterdessen einen Zündmechanismus – so richtig schön mit fettem roten Knopf - aus seiner Jackentasche und hält ihn mir kurz vor die Augen. »Mach keinen Blödsinn, Püppchen, sonst gehen hier gleich alle drauf.« Püppchen. Schon wieder. Dafür werde ich ihm noch kräftig in die Weichteile treten. »Abflug, Jungs.« Sein Unterarm drückt sich um meinen Hals, als wir eine halbe Drehung vollführen, zum Ausgang stolpern und plötzlich Loki gegenüberstehen. Mit den Händen in den Hosentaschen und einem Ausdruck im Gesicht, der Lemminge sofort in den Freitod treiben würde, steht er da und fixiert den Gangster hinter meinem Rücken. »Wo kommst du denn auf einmal her, du Clown?«, fragt dieser fälschlicherweise und ich ziehe scharf die Luft ein, was sofort gerächt wird, denn der Druck an meinem Hals verstärkt sich und ich versuche mit meinen Fingern seinen Griff zu lockern. »Ich würde es sehr begrüßen, wenn Ihr die Dame freilassen könntet«, sagt Loki gefährlich ruhig und ich bekomme eine Gänsehaut. Die drei Ganoven sehen sich kurz fragend an, dann lachen sie schallend. »Ich puste der Dame gleich das Hirn weg, wenn du deinen Arsch nicht zur Seite bewegst, Blödmann.« Loki nickt kaum merklich. »Bedaure«, sagt er dann und sein Blick streift mich kurz, als ich unter dem Druck des Unterarms aufkeuche. »Aber das kann ich leider nicht zulassen.« »Sagt wer?«, fragt der wahre Blödmann, als würde er mit einem Kind sprechen. Überraschenderweise verändert Loki in diesem Moment seine Erscheinung. Die zivilen Klamotten verschwinden in einem grünen Licht und - boah! - seine coole Rüstung samt Helm erscheint. »Scheiße«, erkennen nun auch die Räuber ihre Bredouille, als durch die anderen Geiseln ein entgeistertes Raunen geht. Dann geht alles rasend schnell. Der blöde Trottel von Gauner streckt seinen Arm nach vorn und gibt einen Schuss ab, der durch Loki hindurch geht. Seine Gestalt flimmert kurz und er legt anklagend den Kopf ein wenig schief. Die beiden anderen Gangster geben hinter uns einen Schrei von sich und wir wirbeln herum, der Griff um meinen Hals lockert sich in der Aufregung ein wenig. Wir sehen, wie vier weitere Lokis die Männer in Schach halten und wie diese wild und nutzlos durch die Gegend ballern. Ein Querschläger verfehlt mich nur knapp und schlägt hinter uns in eine Wand ein. Himmel, Arsch und Zwirn! Einer der Typen wird unterdessen von hinten gepackt und kurzerhand wegteleportiert. Der andere schreit wie ein Mädchen, als er Zeuge dessen wird. »Los, weg hier«, ruft er noch, rennt jedoch gegen eine unsichtbare Mauer aus... Energie, schätze ich... und fällt bewusstlos zu Boden. Die verbliebene Nummer Drei stößt mich von sich, ich falle zu Boden und beobachte, wie sich die Lokis in Luft auflösen. »Wo bist du?«, ruft der Gangster hysterisch, dreht sich im Kreis und wird urplötzlich von einer Druckwelle nach hinten geworfen. Entsetzt sehe ich mit an, wie der Zünder in hohem Bogen durch die Luft fliegt. Wie in Zeitlupe erhebe ich mich, hechte ihm entgegen und werfe mich schliddernd über den gebohnerten Boden, wo ich zwar gegen eine Wand rutsche, den Sender jedoch sicher mit beiden Händen fange. Höre ich ein Halleluja?!? Für einen kurzen Moment hatte ich jetzt doch Angst. Ich wende den Blick zur Seite und sehe, dass Nummer Drei bewusstlos zu Lokis Füßen liegt. Ist das ein Eiszapfen der da aus seinem Unterarm ragt? Urgh, wie unangenehm. Die Geiseln in der Ecke erlauben sich ein erleichtertes Aufatmen, als ich mich erhebe und gerade den Raum durchschreiten will, als wieder Bewegung in Nummer Zwei kommt. Ich wende meinen Blick in seine Richtung, sehe einen Zünder und habe gerade noch genug Zeit, entsetzt die Augen aufzureißen, als mich ein impertinenter Knall von den Füßen reißt. Menschen schreien, in meinen Ohren summt es gewaltig und als ich aufblicke, sehe ich Loki über mir. Mit erhobenen Händen, die Handflächen in den Himmel gestreckt, murmelt er Worte in einer Sprache die ich erstens, durch das Klingen in meinen Ohren und zweitens, durch die Fremdheit der Worte nicht verstehe. Ich blicke mich um und sehe, dass die Sprengsätze die tragenden Säulen weggesprengt haben, sodass das Gebäude kollabiert ist. Trümmer regnen auf uns herab, erreichen uns jedoch nicht, da eine riesige Blase aus grünem Licht, Schutt, Metallträger und riesige Gesteinsbrocken zurück hält. Erstaunt blicke ich mich weiter um. Alle Geiseln und sogar die Geiselnehmer liegen innerhalb der Schutzzone. Niemand wurde verletzt, obwohl das Gebäude vollends über uns zusammengebrochen ist. Jedes Tageslicht ist verschwunden, nur das blasse Leuchten der Blase spendet schummriges Licht. Ich sehe Loki an, der sich angestrengt auf die Erhaltung der Barriere konzentriert, und bin einfach nur stolz. »Coole Aufmachung«, sage ich, als das Klingen in meinem Kopf langsam vergeht und mustere seine Erscheinung. »Aber dieser Helm...« »Was haben nur immer alle gegen den Helm?«, fragt er und die Blase verliert kaum merklich etwas an Höhe. »Na ja«, beginne ich und überlege, wie ich es am blödsten formuliere. »Er ist irgendwie... lächerlich.« Loki lacht leise und keine Sekunde später ist der Helm weggezaubert, einfach so. »Besser?«, fragt er und sieht mich erwartungsvoll an. »Viel besser«, sage ich nickend, ernte ein Lächeln und erschrecke, als Loki in die Knie geht und die Blase sich mit ihm senkt. Automatisch gehe ich auch in die Hocke. »Bring die Leute hier raus«, sagt er gepresst und fixiert einen Punkt neben seinen Füßen. Ich ärgere mich über meine eigene Blödheit Smalltalk zu führen, während er das Gewicht eines ganzen Gebäudes auf seinen Schultern trägt. »Alle raus hier«, rufe ich daher, erhebe mich und scheuche die Leute aus ihrer Angststarre auf. Der Ausgang ist noch intakt, wie mir ein Blick zur Seite verrät, als ich einer älteren Dame auf die Beine helfe. »Gehen Sie zügig nach draußen. Und vorsichtig an der Glastür.« Ich lotse die Menschen, einen nach dem anderen, an mir vorbei in Richtung Tür. Kurz habe ich Bedenken, dass die Blase vielleicht niemanden durchlässt, diese Sorge ist allerdings unbegründet. Mit einem leisen wabbernden Geräusch treten alle nacheinander ins Freie. Und während dies geschieht, stürmen Polizisten den verbliebenen Hohlraum, schnappen sich die vermöbelten Gangster und verschwinden just wieder vor die Tür, als Loki sie darum bittet. »Es sind alle draußen«, teile ich ihm nach einem prüfenden Blick in alle Ecken mit und beobachte, wie ein Schweißtropfen an seiner Schläfe hinab läuft. »Gut«, meint er gepresst. »Und jetzt du.« »Nein«, sage ich bestimmt und Loki wirft mir einen fragenden Blick zu. »Ich bleibe bei dir.« Er sieht aus, als wolle er protestieren, überlegt es sich jedoch schmunzelnd anders und erhebt sich in einer Kraftanstrengung wieder. Die Kuppel über uns schrumpft zusammen und ich erhebe mich ebenfalls hastig, als Trümmer an deren Rand nachrutschen und Staub auf die Straße wirbeln. Loki nimmt vorsichtig eine Hand nach unten und wir sehen gemeinsam zu, wie sich der Kreis um uns zusehends weiter verkleinert. Als er mit dem Resultat zufrieden ist, legt er einen Arm um mich und zieht mich nah zu sich heran. Ich verstehe und schlinge meine Arme um seinen Körper, sodass die Magie besser fließen kann. Dann kneife ich die Augen zusammen, spüre gleich darauf seine zweite Hand an meinem Rücken und höre das Geräusch herabfallender Trümmer. Abermals werde ich am Bauchnabel durch den Raum gerissen und spüre kurz darauf, wie Höhenwind an meinen Haaren zerrt und Sonnenstrahlen meine Haut wärmen. Langsam öffne ich erst ein Auge, dann das andere, nur um mich noch fester an Loki zu klammern, als ich sehe, dass wir mehrere Stockwerke über dem Boden schweben. Unter uns ist das Bankgebäude nur noch eine qualmende Ruine. Feuerwehrleute sprühen Wasser über den Staub, dass dieser sich schneller legt und nicht den ganzen Straßenzug vernebelt. Loki bringt uns in einen langsamen Sinkflug, während auf der Straße bereits erste Stimmen laut werden, die uns entdeckt haben. »Da oben!«, höre ich eine junge Frau mit Kind rufen und sehe, dass die gesperrte Straße voll von Menschen ist. Schaulustige, Einsatzkräfte und Presseheinies. Die Menge kreischt, pfeift und johlt, als sie uns gewahr wird, Kameras klicken und sogar Polizisten halten in ihrer Arbeit inne um zu applaudieren. Ich muss unweigerlich lächeln. »Was machen die da?«, fragt Loki an mich gewandt, hält seinen Blick jedoch auf die Massen gerichtet, als meine Füße wieder festen Boden berühren. »Sie jubeln dir zu«, erkläre ich und beobachte ein nervöses Zucken an Lokis Augenbraue. »Wink doch mal.« Zaghaft hebt Loki eine Hand, wedelt damit einmal kurz nach links und rechts und erhält prompt erneut aufbrandenden Beifall. »Das ist mir ja noch nie passiert«, gesteht er und sein Mundwinkel zieht sich leicht in die Höhe. »Könnte mir gefallen.« Ich gluckse, als die Meute einen Kreis um uns bildet, mehrere Meter Sicherheitsabstand jedoch nicht überbrückt. »Vielleicht wirst du ja doch noch ein Held«, sage ich, als der Jubel einfach nicht aufhören will. »In meiner eigenen Welt bin ich schon lange einer«, meint Loki und winkt nun weiter in die Menge, nickt sogar einigen Vertretern der Polizei und Feuerwehr zu. Ich bemerke, dass wir uns immer noch gegenseitig festhalten und ein leichtes Unwohlsein steigt in mir auf. »Ich denke, du kannst mich jetzt loslassen.« »Wir geben gerade so ein schönes Paar für die Presse ab«, erwidert Loki und macht keine Anstalten von mir abzulassen. »Du mediengeiler Bastard«, betitele ich ihn spaßeshalber und boxe gegen seinen Oberarm. Er hat nicht einmal den Anstalt so zu tun, als hätte ihm mein mickriger Versuch weh getan, sondern starrt mich nur mit mildem Interesse nieder. »Öffentlichkeitsarbeit ist der Schlüssel zum Erfolg, Pilzköpfchen«, philosophiert der Herr schließlich und kann froh sein, dass er nicht Püppchen zu mir sagt. »Ein Kuss würde die Medienwirksamkeit mit Sicherheit noch mehr steigern.« Wie meinen? Ein gestellter Kuss? Klar. Warum auch nicht? So was Banales. Ist doch nichts dagegen einzuwenden, in aller Öffentlichkeit Körperflüssigkeiten zur Belustigung anderer auszutauschen. Oi. Ich muss ihn wohl ansehen wie ein beklopptes Schaf, denn Mr. Chaos amüsiert sich köstlich über meinen Gesichtsausdruck. »Du und ich auf der Titelseite der New York Times?«, frage ich, nachdem ich den anfänglichen Schock aufgrund seines Vorschlages überwunden habe. »Das will ich sehen.« Überrascht hält Loki inne, mustert mein Gesicht einen Moment lang so intensiv, dass ich weiche Knie bekomme und legt prompt eine Hand gegen meine Wange. Qualvoll langsam nähert sich sein Gesicht und kurz bevor sich unsere Lippen treffen, lege ich eine Hand auf seine Brust und halte ihn somit vorerst auf Distanz. »Verlieb' dich jetzt bloß nicht in mich, Laufeyson«, flüstere ich aus einer Laune heraus und ein Funkeln tritt in seine Augen, als sein Daumen über meine Wange streicht und er mein Gesicht sanft hält. »Keine Sorge«, stellt er klar und seine Lippen streifen meine, als er spricht. »Ich stehe nicht besonders auf Menschenmädchen.« Na dann ist ja gut, denke ich noch, bevor ich gar nichts mehr denke, weil seine weichen Lippen auf meine treffen. Er küsst mich allen ernstes. Loki küsst mich! Vorsichtig, aber mit Nachdruck. Mein Körper tut erst einmal gar nichts, außer diese Information entsprechend zu verarbeiten. Als dies erledigt ist, fallen mein Augen von ganz allein zu und meine Hände suchen sich ihren Weg in sein Haar. Ich spüre, dass er sich unter der Intensität des Kusses kurz versteift, dann fühle ich seine Hand an meinem Rücken und keuche erschrocken auf, als er mich noch näher an sich zieht. Ich kann nur noch hoffen, dass dieser Moment nie vorübergeht. Doch er geht vorüber. Ich höre ein störendes Geräusch und Loki scheint es auch zu vernehmen, denn er lässt zu meiner maßlosen Enttäuschung von mir ab und sieht über seine Schulter zurück. Ach, denke ich, als ich an ihm vorbei gucke und Iron Man auf uns zurasen sehe. Ganz schön spät dran, die Blechdose. Bestimmt hat er auch die anderen Avengers im Schlepptau. Loki dreht seinen Kopf wieder zu mir, sieht mir in die Augen und fragt: »Nach Hause?« »Ich bitte darum«, erwidere ich, lege meine Wange gegen seine Rüstung und umschlinge seine Mitte. Ich kann sein typisches leises Lachen hören, als wir mit einem »Phlump«, und ohne dass mir wieder übel wird, verschwinden. Ein perfektes Ende für einen perfekten Tag. ~ Ende des 11. 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