Little Presents von Quiana (Wichtel-OS) ================================================================================ Jeder Weg lohnt sich -------------------- Obwohl die Sonne schon tief am Himmel hing, versenkte sie den drei auserkorenen Kandidaten regelrecht die Haut. Es war bereits den ganzen Tag über mehr als nur angenehm warm gewesen und zum Leidwesen aller hatte sich kein Lüftchen dazu erbarmt, sich bemerkbar zu machen. Noch nicht einmal ein kleines Wölkchen war sichtbar, das etwas Schatten hätte spenden können. Ab und an, so konnte man denken, flimmerte die warme, leicht staubige Luft über den weitläufigen Kornfeldern, in denen es manchmal leise raschelte. Sicherlich Tiere, die an dem hochgewachsenen Weizen Gefallen gefunden hatten. Das Getreide leuchtete golden, wodurch die Landschaft alles in allem sehr malerisch und freundlich aussah – trotz der sengenden Hitze. Sakura blieb stehen und wedelte sich erfolgslos mit der flachen Hand Luft zu. Ihr Haar hatte sie längst zu einem wirren Knoten hochgebunden, sodass ihr nur noch vereinzelte Strähnen im Nacken klebten. Missmutig betrachtete sie die Rücken ihrer Freunde. Sie war zu vollem Unrecht hier. Es war nicht ihre Idee gewesen, einige der Herbergszimmer mit Juckpulver auszustatten und der Mädchendusche eine Stinkbombe als Präsent zu hinterlassen. Vor allem letzteres war absurd. Aus welchem Grund sollte sie schon freiwillig in einem ekelerregenden Gestank duschen wollen? Jeder, der schon einmal in Kontakt mit solch einem Scherzartikel gekommen war, weiß, wie hartnäckig sich der Mief in einem Zimmer halten konnte. Da half auch das längste Lüften nicht. Naruto jedenfalls hatte Juckpulver und Stinkbomben für eine gute Idee gehalten und Sasuke ebenso. Doch leider waren ihr Lehrer alles andere als dumm, sodass die Übeltäter dieser Schandtat nicht lange unentdeckt blieben. Die Strafarbeiten hagelten nur so auf sie herein. Und da Naruto und Sasuke in der Schule nur als Trio bekannt waren, hatte man Sakura ebenfalls für diese Streiche verantwortlich gemacht. Da konnten noch nicht einmal die Überzeugungsversuche ihrer Freunde, dass sie unschuldig sei, helfen. So hatte einer ihrer Lehrer, Kakashi, ihnen einen gemeinsamen Wandernachmittag aufgezwängt, da er genau wusste, wie unheimlich beliebt diese Aktivität bei den Schülern war. Vor allem in der prallen Sonne. Allerdings war er so schlau gewesen, sich einen überdimensionalen Strohhut auf den Kopf zu setzten und sich ein Halstuch gegen die, durch den Weizen, verboten staubige Luft umzubinden. Während also der Rest der Klasse den Tag im Freibad genießen durfte, mussten die drei Auserwählten hinter ihrem vergnügten Lehrer her zuckeln und darauf hoffen, dass er möglichst bald umkehren wollte. Naruto hatte schon alles Mögliche versucht, doch Kakashi war eine harte Nuss. Jegliche Kommentare prallten an ihm ab und sollte einer von ihnen stehen bleiben, lief er einfach weiter. Das kleine Gespann war nun schon so oft in die kleinsten Trampelpfade abgebogen, dass sie ohne Kakashis Wanderkarte gewiss nicht mehr den Weg zurück zur Herberge finden konnten. Sakura seufzte. Warum mussten ihre Jungs auch unbedingt auf ihrer aller letzten Klassenreise auf die Sachen zurückgreifen, die sie schon auf ihrer aller ersten getan haben? Und warum wollte keiner der Lehrkräfte glauben, dass sie mit diesen Sachen nichts zu tun hatte? Nur, weil in dem Moment, in dem Naruto und Sasuke erwischt worden, sie allein in ihrem Zimmer war, so dass keiner bezeugen konnte, dass sie zu Unrecht beschuldigt wurde. Ärgerlich stieß sie ein Insekt, das vor ihrer Nase herumschwirrte, mit der flachen Hand weg. Wie gerne säße sie jetzt mit ihren Freundinnen auf einem großen Strandhandtuch, eine Limo trinkend und natürlich mit ihrer Sonnenbrille vor den Augen, damit keiner sehen konnte, dass sie sich nach nackten, durchtrainierten Männerrücken umsah. Aber hier, umgeben von all den Kornfeldern, gab es weit und breit keinen nackten Rücken, den sie betrachten konnte und wollte – wobei es sie schon immer interessiert hatte, ob ihr Lehrer unter seinen Shirts einen normalen, ein Bierbauch oder gar ein Sixpack verbarg. Sakura musste sich wohl damit zufrieden geben, sich am Abend all die verpassten Jungs auf dem Handy ihrer Zimmergenossinnen anzuschauen. Zumindest eine von ihnen fotografierte definitiv ungeniert irgendwelche wildfremden Personen. Da war sie sich ziemlich sicher. Unsicher war sie sich allerdings, ob Kakashi vorhatte noch eine Pause vor ihrem Ziel einzulegen, wenn es dieses überhaupt gab. Sie konnte sich gut vorstellen, dass er die drei einfach nur zur reinen Qual durch die Gegend führte, darauf wartete, dass sie vor Erschöpfung mitten auf dem Boden einschliefen und sogar ihr Sonnenbrand einen Sonnenbrand bekam. Warum hatte sie sich nicht auch einen Hut mitgebracht? Immerhin hatte sie ein Shirt und kein Top an, sodass ihre Schultern vor der prallen Sonne geschützt waren. "Ist es nicht ein herrlicher Tag heute?" Es waren die ersten Worte seit langem. Naruto musste es auch zu anstrengend geworden sein, die ganze Zeit über zu quengeln. Kakashi lief rückwärts und betrachtete seine drei erschöpften Schüler. Sakura konnte genau sehen, dass sich hinter seinem albernen Mundschutz ein geradezu diabolisches Grinsen verbarg. Wahrscheinlich war dieser anstrengende Wanderweg ebenfalls die Rache für die Lehrerstuhl-Kleber-Aktion letzter Woche. "Total", murmelte Sasuke und blinzelte der Sonne entgegen. Hoffentlich wurde das Wetter angenehmer, sobald sie nicht mehr zu sehen war. "Das schönste, was ich je in meinem Leben getan habe", grinste Naruto und streckte sich kurz, "ist dieser Ausflug!" Er kickte einen Stein in das Weizenfeld neben ihm, aus dem eine Maus gerannt kam, die sofort wieder kehrtmachte, als sie Naruto sah. "Ups. Die habe ich wohl getroffen", sagte dieser und hob die Schultern. "Können wir jetzt umdrehen?" Sakura verdrehte die Augen. "Je öfter du fragst, desto länger werden wir unterwegs sein." Sasuke nickte zustimmend und Kakashi lachte. Im Gegensatz zu ihnen sah er nur halb so erschöpft aus. "Aber ich kann euch beruhigen, bald sind wir da." Bald erwies sich als eine halbe Stunde später und der Zielort als eine kleine baumbewachsene Bergkuppe, zu dessen Fuße sich, wie sollte es auch anders sein, ein weiteres großes Kornfeld erstreckte. Trotzdem verschlug Sakura diese Aussicht die Sprache. Von hier oben war noch ein kleines Stück der Sonne zu sehen, die den Himmel zudem in einen wunderschönen lila Farbton verfärbte. Sie fragte sich, ob ein Fotoapparat diesen Moment einfangen konnte, aber sie entschied sich dagegen. Sie hätte ja eh keinen dabei gehabt. Nichts konnte das Gefühl festhalten, das sie mit einem Mal umgab. Rechts und links von ihr ihre beiden Freunde, vor ihr ein phänomenaler Sonnenuntergang und hinter ihr ein endlos langer Trampelpfad, den sie wirklich gemeistert hatten. Und das sollte eine Bestrafung sein? Natürlich, der Weg war anstrengend gewesen, aber das hier machte es wieder wett. "Ihr könnt froh sein, dass ihr nicht nach Hause fahren musstet." Kakashi lehnte sich an den Zaun, der wohl dazu dienen sollte, nicht in das Feld zu laufen, und schaute in die Ferne. "Ein anderer Lehrer wäre nicht so milde mit euch umgegangen." Beschämt zog Naruto den Kopf ein. Es stimmte schon. Kakashi war vergleichsweise freundlich zu ihnen, wenn sie mal wieder etwas getan haben, das … nicht gerne gesehen war, um es mal so auszudrücken. "Trotzdem muss ich sagen, dass mir meine Zeit als euer Klassenlehrer ohne euch wahrscheinlich nur halb so viel Spaß gemacht hätte." Er lupfte kurz seinen großen Strohhut und blinzelte dann in die Sonne, die nun fast verschwunden war. "Wir haben wirklich einen langen Weg hinter uns." Sakura war klar, dass er damit nicht nur ihre Wanderroute meinte, sonder auch all die Jahre, die sie aufeinander hocken mussten – und durchgehalten haben. Wie oft hatte sie schon überlegt, das Handtuch zu werfen und wie oft hat sie sich dazu gezwungen zu beenden, was sie begonnen hat? Das Zahlenverhältnis war auf jeden Fall im Gleichstand. Nachdenklich schaute sie ihren Lehrer an. Sicher wollte Kakashi ihnen etwas mit dieser Aktion sagen. Einer seiner obersten Prioritäten war es, durchzuhalten. Es gab auch schattige Seiten im Leben, die zu überstehen waren. Und das ging nur, indem man seinen inneren Schweinehund überwand und sich nicht unterkriegen ließ. Am Ende war man froh, eine solche Zeit durchgemacht zu haben. Egel, wie lang der Weg auch sein mochte – er lohnt sich. "Da wir jetzt alle diese schöne Aussicht genießen durften schlage ich vor, wieder zurück zu gehen. Sonst verpassen wir noch das Abendessen." Auffordernd sah Kakashi seine Schüler an. Entgeistert sackten Narutos Schultern hinunter. "Aber ich war grade dabei, mich auszuruhen!" Auch Sasuke sah alles andere als verzückt aus. Den ganzen Weg, den sie gelaufen waren, wieder zurück? Bis dahin hatten sie nicht nur das Abendessen verpasst, sondern das Frühstück mit dazu! Nur widerwillig setzten sich die drei in Bewegung und folgten ihrem Lehrer, der eine andere Richtung einschlug, als die, aus der sie gekommen waren. "Ist das nicht der falsche Weg? Wir müssen dort lang." Sakura deutete auf den kleinen Pfad, doch Kakashi schüttelte nur den Kopf und marschierte entschlossen durch das Geäst. "Wetten, dieser Weg ist noch länger …", murrte Naruto nach einiger Zeit, blieb dann aber so abrupt stehen, dass Sasuke und Sakura in ihn hineinliefen. Die Bäume auf der Bergkuppe waren kleine Ausläufe eines Waldes gewesen, durch den sie gehen mussten. Kakashi hatte sie ohne zu Zögern immer weiter geführt, bis sich der Wald wieder lichtete und schließlich endete. "Was ist los, warum bleibst du stehen?" Sasuke und Sakura stellten sich neben ihren Freund und verfielen ebenfalls ins Schweigen. Etwas unterhalb und keine fünfhundert Meter entfernt von ihnen lag ihre hell erleuchtete Herberge inmitten der bergigen Landschaft. Kakashi drehte sich zu ihnen. "Jetzt habe ich euch einmal an der Nase herumführen können. Wir sind einfach nur einen riesigen Kreis gelaufen." Naruto schüttelte den Kopf, grinste und lief weiter. Sasuke tat es ihm nach. Schulter an Schulter liefen sie den schmalen Weg hinunter, die Hände in den Hosentaschen. "Wartet auf mich!", rief Sakura, zögerte einen Moment und setzte sich dann auch in Bewegung. Ihre Freunde blicken ihr erwartungsvoll entgegen. Nach einigen Schritten drehte sie ihren Kopf über ihre Schulter und betrachtete ihren Lehrer. "Danke!", rief sie, "Dank für alles!" Sie konnte sehen, wie seine Augen auf ihnen hafteten. Voller Stolz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)