Little Presents von Quiana (Wichtel-OS) ================================================================================ Hauch von Hoffnung ------------------ Der Schmerz in ihrer Brust nahm zu. Je länger Sakura da stand und auf diesen großen Trümmerhaufen starrte, desto schlimmer wurde es. Sie ist tief in den Wald hineingelaufen, auf die höchsten Äste geklettert, damit sie dieses große Ausmaß von Nichts beobachten konnte, das einmal ihre Heimat war. Dort, wo sonst Häuser, Mäste und Bäume standen, war nun ein Loch. Die komplette Stadt war dem Erdboden gleichgemacht worden. Ein paar Grundmauern hatten überlebt und zeugten traurig von dem, was sie einmal waren. Feiner Staub flog noch immer durch die Luft und ließ die Sicht über die Stadt gelblich trüben. Und das, obwohl die Sonne sich einen Weg durch die ansonsten dichte Wolkendecke gekämpft hatte und das Land erhellte. Sakura war immer der Meinung gewesen, dass die Trennung von Sasuke, als er beschloss, Konoha den Rücken zu kehren, das schmerzhafteste war, was ihr hätte begegnen können. Jetzt wusste sie es besser. Niemand hatte es kommen sehen, dass im Zuge des Krieges die gesamte Stadt zerstört wurde, als wäre sie nicht mehr als eine Wimper, die man mit Leichtigkeit fortpusten konnte. Und dann war es einfach passiert. Diese Trennung war grausamer als so vieles, was Sakura bis dato erlebt hatte. Konoha mit all seinen Bauten war ihre Heimat gewesen und nun stand nichts mehr davon. Sie hatte sich nicht darauf vorbreiten können, plötzlich das zu verlieren, was ihr so viel bedeutete. Dabei war das schlimmste, dass sie bis dahin nicht einmal gewusst hatte, wie wichtig Konoha ihr eigentlich war. Der Wind rauschte durch das dichte Blätterdach des Waldes und ließ Sakura aus ihren Gedanken aufschrecken. Sie sollte aufhören, über das Verlorene nachzudenken. Jeder des Dorfes, der auch nur annähernd in der Lage dazu war, hatte mit dem Aufbau von Unterständen begonnen und sammelte alle noch verwendbaren Ressourcen auf. Besäße sie die Möglichkeit, die Sinnesaufgabe ihrer Augen gezielt zu verstärken, hätte sie wahrscheinlich Ino entdecken können, die am Rande des riesigen Lochs damit beschäftigt war, sich um Verletzte zu kümmern. Irgendwann war Sakura aufgefallen, dass sie, all der schweren Zeiten zum Trotz, wieder so etwas wie Freundinnen geworden waren. Manchmal fehlte es ihr richtig, sich mit Ino zu kabbeln, nur um ein bisschen das Gefühl eines Alltages genießen zu können. Der Krieg hatte das Leben aller auf den Kopf gestellt und verlangte alles an Kräften, die aufgebracht werden konnten. Ziellos sprang Sakura von einem Ast zum nächsten, bevor sie weit unter sich ein kleines Meer von kleinen Blumen sah. Irritiert von diesem so unpassenden Bild kletterte sie hinab. Hunderte von verschiedenen Pflanzen hatten sich dazu entschlossen, ausgerechnet hier, ausgerechnet jetzt mit dem Wachsen zu beginnen. Es war ein bizarres Bild für diese Zeit und dennoch schien ein Teil Sakuras aufzuhorchen. Ihre Trauer, ihre Verzweiflung, die Wut und Angst hielten nun schon zu lange an. Ihre Gedanken lebten in der Vergangenheit, waren blind für die Gegenwart und für das, was in der Zukunft passieren würde. Sie half bei den Aufbauarbeiten – aber sah keinen Sinn darin. Sakura fehlte jeglicher Mut an den Gedanken für alles, was noch käme. Innerlich stellte sie sich vor, dass sie vor einer Wand aus nichts stünde. Konnte man durch das Nichts gehen, oder hörten alle Wege davor auf? Mechanisch beugte sie sich zu den kleinen Pflanzen und fuhr vorsichtig mit den Handflächen über die bunten Blüten, die sich Richtung Sonne räkelten und streckten. Eigentlich wäre es ein schönes Bild. Es war ein schönes Bild. Sakura seufzte tief, richtete sich wieder auf und zog ihre Jacke zurecht. Sie musste zurückgehen, bevor ihr Fehlen auffiel und die anderen sich fragen konnte, wo sie hingegangen wäre. Über dieses merkwürdige Stolpern ihres Herzens, als sie dieses Blumenmeer gesehen hatte, musste sie den gesamten Weg lang denken. Ein Gefühl wollte sich in ihr ausbreiten, das sie eigentlich schon lange vergessen hatte … Etwas in ihr war dabei, seine Augen zu öffnen, zu erwachen. Zurück nach Konoha zu kommen, oder zu dem zu kommen, was es nun war, glich für Sakura wie das Eintreten in eine andere Welt. Lärm der Bauarbeiten begrüßten sie, Stimmengewirr, herumlaufende Tiere – und lachende Kinder, die auf den Trümmerhaufen ehemaliger Häuser spielten. Die Menschen machten das beste aus der Situation, gaben sich mit dem, was sie hatten und schauten voraus. Ein kleiner Teil in Sakura wusste, dass dies der richtige Weg war, aber momentan schien es ihr noch immer etwas falsch. Sie wollte nicht, dass sich etwas änderte. Sie hatte nie gewollt, dass sich überhaupt etwas veränderte. Doch dann wurde sie von ihrem Leben getrennt, wurde von all dem gerissen, was ihr lieb und teuer war. Warum konnte sie in den wenigsten der anderen Menschen ebenfalls diesen Schmerz finden? Natürlich war er da gewesen, aber er war in ihren Augen schnell wieder gegangen. Etwas, das Sakura nicht nachvollziehen konnte. Dabei war sie jemand der behaupten konnte, ein gutes Menschenverständnis zu haben und sich gerade bei ihrer Berufung in die anderen hineinversetzten zu können. Ob es nicht sogar daran lag, dass sie kein Verständnis für das ihr befremdliche Verhalten zeigen konnte, hatte sie sich schon einige Male gefragt – aber wer sollte ihr schon antworten? Die sonst so vertrauten Wege, die Sakura lief, waren verschüttet. Die neu geschaffenen Wege hingegen waren ihr unvertraut, beinahe fremd. Dafür sah sie ihr lauter bekannte und liebgewonnenen Gesichter. Allen voran Ino, die soeben einem Kind half, das sich verletzt hatte. Beide Frauen hoben die Hand kurz zum Gruß, gingen dann allerdings ohne Worte ihren Tätigkeiten nach. Das hieß, Ino tat es, Sakura ging lediglich ihren Weg durch das ehemalige Konoha weiter. Es fühlte sich für sie immer so an, als gäbe es keine Zeit in dieser Stadt. Die Tage kamen und gingen, ohne dass sie sagen konnte, was sie gemacht hatte. Jetzt allerdings bemerkte sie eine Veränderung – in ihr. Schon auf dem Rückweg war es ihr aufgefallen, dass ein Hauch … Hoffnung in ihr aufkeimte und sich seinen Weg in Sakuras Gedanken bahnte. Die Sonne verteidigte immer noch erfolgreich ihren freien Platz am Himmel, erkämpfte sich sogar immer mehr und ließ die Stadt weiterhin staubig gelb leuchten. Und eventuell begann sie auch, Sakuras Gedanken nach und nach zu erhellen. Sie erreichte die Stelle, in der so etwa ihr Elternhaus gestanden haben musste und setzte sich auf einen großen Brocken zerbrochener Hauswand. Tränen hatte sie keine mehr. Zu oft hatte sie nun schon geweint und wenn diese Blumen im Wald es trotz der momentanen Situation schafften, erneut zu wachsen und ein neues Leben zu beginnen, sollte sie dann nicht auch in der Lage dazu sein? Stumm schüttelte sie den Kopf, hielt aber sogleich inne. Es war ein sehr leiser, schwerer Gedanke, der ihr kam und den sie zu Beginn selber nicht ganz verstehen konnte. Es war eher ein Murmeln, das durch ihren Kopf ging und nur schlecht ihre Aufmerksamkeit auf sich lenken konnte. Sollte sie nicht neu anfangen? So viele Leute um sie herum, die zugegeben so viel schwächer waren als sie, hatten es geschafft. Warum dann nicht auch sie? Wenn die Natur begann, Neues zu erschaffen, dann sollte Sakura sich ihr ebenfalls anschließen, auch wenn es ihr nicht leichtfiel. Unbehagen und Verwunderung zugleich durchfluteten sie. Kam dieser Sinneswandel nur dadurch, dass sie ein paar Blumen gesehen hatte, oder wusste sie tief in sich, dass es so nicht weitergehen konnte? Sakura wusste, dass es noch einiges an Überwindungskraft kosten würde, endlich aufzustehen und das zu tun, was sie wahrscheinlich vor einigen Wochen hätte tun sollen. Ihre Mutter sagte oft, dass sie das probieren, wovor sie am meisten Angst hatte und es somit wenigstens versuchen sollte. Auch wenn es schwer würde. Die Hoffnung auf und in das Unbekannte musste sie nur noch stärker in Besitz nehmen. Die Hoffnung. Auf einen Neuanfang. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)