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Kochlöffelattentat

[Beyblade | Richterin Barbara Salesch | Defense Devil]
von

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Prolog

Ein unscheinbares Gerichtsgebäude im Zentrum der Sat.1-Trash-TV Stadt, direkt neben der suspekten Praxis von Frau Kallwass und dem Polizeipräsidium, in dem die zwei Polizisten Niedrig und Kuhnt tagein, tagaus ihr Unwesen treiben.

Alles ist wie leergefegt, nirgendwo rennt ein unnötiger Statist herum, obwohl in wenigen Minuten eine Verhandlung beginnen wird. Nicht einmal ein Wachmann lässt sich blicken, weil alle längst gekündigt haben.

Auch innerhalb des Gerichts hängt niemand verdächtig auf den Gängen herum, kritzelt dumme Parolen an die Wände oder macht kreischend auf sich aufmerksam, dabei hätten sie alle Grund dazu, denn eine Truppe ausgedienter Berühmtheiten wird heute Richterin Barbara Salesch allein mit ihrer reinen Anwesenheit tierisch auf die Nerven gehen, das steht fest.

So haben es jedenfalls die Autoren in ihren Drehbüchern festgehalten, an die sich aber inzwischen auch keiner mehr hält. Irgendwie muss man ab und zu die Richterin mit ihrem skeptischen Blick und den schneidenden Kommentaren aus der Kon… Reserve locken.

Wie die Ruhe selbst und als ob sie das Gebäude für sich selbst erbaut hätte, eilt Richterin Barbara Salesch würdevoll aus ihrem Büro, um noch rechtzeitig den Saal zu betreten, da einer der üblichen Drohanrufe von viel zu gelangweilten Jugendlichen, die sie mit der Nummer gegen Kummer verwechselt hat, sie aufgehalten hat.

Eigentlich hat Frau Salesch keine Lust auf die Leute, die nun ihre kostbare Zeit verschwenden und ihr Nerven klauen werden; allein der Tathergang erscheint ihr so unspektakulär, dass man eigentlich schon weiß, wer der Täter ist und dass das Opfer noch düstere Geheimnisse in seinem Keller bunkert.

Trotzdem muss sie sich mit ihnen herumschlagen und ein nicht nachzuvollziehendes Urteil fällen, damit sich die Menschheit wieder sicher fühlt und ein junger Mann mit Schalfetisch und geschmackloser Sturmfrisur die Wahrheit über seinen nicht ganz zufälligen Unfall erfährt.

Wie erwartet sind die Besucherreihen fast komplett leer, kein normaler Mensch, der so etwas wie ein Hobby besitzt und nicht dafür bezahlt wird, tut sich so etwas an. Da stapelt man lieber stundenlang Bechertürme oder ruft bei überteuerten Verkaufssendungen an statt sich selbst der Lächerlichkeit preiszugeben.

Nur zwei Personen offenbaren der Zuschauergemeinde, offiziell bescheuert zu sein: Eine junge Frau im komplett pinken Aufzug – sicher einer dieser Wunderwesen namens Cosplayer – ,die eine kleine Fahne mit „Team Ray!“ in der Hand hält, und eine weitere Frau, wesentlich unbunter und mit einem T-Shirt bekleidet, auf dem die Aufschrift „Autorin des Grauens“ zu entziffern ist.

Die Richterin muss sich stark zusammenreißen, um nicht laut zu lachen. Verrückte gibt es immer wieder, besonders oft in diesem Saal und immer schlecht getarnt.

Zu ihrer Überraschung stellt sie fest, dass sie nicht die einzige ist, die es nicht rechtzeitig aus dem Büro geschafft hat, denn sowohl Staatsanwalt als auch Verteidiger glänzen mit offensichtlicher Abwesenheit.

Das fängt richtig gut an; vielleicht sollte sie auch besser die Flucht ergreifen und sich endlich in den wohlverdienten Ruhestand versetzen lassen.

Während Frau Salesch genervt Däumchen dreht, Kreuzworträtsel löst und mehr als dreimal nach den fehlenden Persönchen ausrufen lässt, um heute doch noch Feierabend haben zu können, stürmen noch drei Mädchen ohne anzuklopfen in den Saal, packen ihre „Kai, wir lieben dich!“ Plakate und T-Shirts aus und lassen sich auch von den bösen Blicken der Richterin nicht an ihrer Vorfreude über Kai, der coolste Hecht ever, Hiwatari behindern.

Man musste es positiv sehen: Immerhin passiert gerade überhaupt etwas.

Nach einer halben Stunde, in denen die eine Hälfte des Publikums eingeschlafen ist und die andere Hälfte sich aufführt, als wären sie auf einem Rockkonzert gestrandet, ist das Gericht endlich vollzählig und Barbara Salesch versucht sich durch wildes Gestikulieren und Schläge auf das wackelige Richterpult Gehör zu schaffen.

Als endlich jeder im Saal kapiert hat, dass es wirklich losgeht und man die Klappe halten sollte, beschließt Barbara Salesch, das den allerallerletzten Fall ihrer Karriere gewesen lassen zu sein.

Ihr Blick gleitet skeptisch über den Verteidiger und den Staatsanwalt, die sie beide noch nie gesehen hat, und bleibt schließlich an der Angeklagten hängen, die mit trotzigem Gesichtsausdruck und nicht zu übersehenden Babybauch vor ihr sitzt und mit ihrem neonpinken Oberteil den guten Geschmack verletzt.

„Die Sitzung ist hiermit eröffnet. Ihr Name ist Hiromi Tachibana, sie sind 23, gelernte Kindergärtnerin, arbeitslos und offensichtlich schwanger; der Rest interessiert weder mich noch den gemeinen Zuschauer daheim vor der Glotze. Der Staatsanwalt verliest nun die Anklage. Wer Sind sie überhaupt?“

„Das ist für den Fall irrelevant.“ Seine Stimme klingt aufdringlich mechanisch und die Aluminiumantennen auf seinem eckigen Kopf drehen sich in Richtung Hiromi, die ihn entsetzt anstarrt und unruhig auf ihrem klapprigen Stuhl herumrutscht.

Frau Salesch seufzt etwas lauter als nötig, um ihren Unmut kundzutun, lässt ihn aber seine Arbeit erledigen. Noch in letzter Sekunde einen Ersatz für ihn aufzutreiben und ihn aus dem Saal entfernen zu lassen, weil die Produktionsfirma mal wieder keinen vernünftigen Bernd Römer Klon für wenig Geld hat finden können, würde die Sitzung enorm in die Länge ziehen und das Verständnis aller strapazieren.

„Die Staatsanwaltschaft und die weltfremden Drehbuchautoren gehen von folgender Tat aus: Die Angeklagte hatte eine kurze Affäre mit dem Opfer und weil anscheinend beide mit Verhütung nichts zu tun haben wollten, wurde sie ungewollt von ihm schwanger. Jedenfalls nahm Sie an, dass das Opfer Kai Hiwatari der Vater sei. Der wollte davon natürlich nichts wissen, da das seinen guten Ruf als notorischen Menschenhasser und bad boy ruinieren würde, und unterstellte Hiromi Tachibana, mit jemand anderem etwas angefangen zu haben und von dem unbekannten Dritten schwanger zu sein.“

„Etwas kürzer, bitte, das klingt gerade zu sehr nach RTL am Nachmittag!“

„Jedenfalls nutzte sie die Chance, als Kai einen seiner Standardspaziergänge unternahm, schlich sich von hinten an und schlug ihn mit einem Kochlöffel mehrmals auf den Kopf, bis er bewusstlos war; danach floh sie.“

„Stimmt nicht, du gammlige Blechdose!“, schreit Hiromi dreist dazwischen und tobt auf ihrem Platz hin und her, sodass sie beinahe hinunterkracht.

„Ruhe auf den billigen Plätzen, Sie haben noch nichts zu melden!“, donnert die Richterin, die solche dummen Zwischenrufe durch ihre lange Laufbahn schon als absolut normal ansieht; trotzdem bereut sie es, nicht auch einen dieser affigen Hämmer zu haben, um autoritär und wichtig zu wirken und damit im Notfall auch zuschlagen zu können. Natürlich nur auf die Tischplatte. „Anwalt ohne Namen, fahren Sie fort.“

„Das Opfer kam mit bedenklichen Verletzungen an Kopf und Ego ins Krankenhaus. Obwohl er wegen der Dunkelheit nicht viel sehen konnte, ist Kai Hiwatari sicher, dass nur die Angeklagte als Täterin in Frage kommt. Als Motiv wird ihre Wut über Kais mangelndes Pflichtgefühl für sein Kind vermutet. Hiromi Tachibana wird daher wegen Körperverletzung und unvorstellbarer Dummheit angeklagt.“ Seine halb verwesten Finger sortieren die vor ihm liegenden Blätter.

„Danke, wer auch immer Sie sind. Hiromi, möchten Sie sich zu den Vorfällen äußern?“ Eigentlich hat Frau Salesch gar keine Lust, diese explosive, spätpubertäre Frau einer Befragung zu unterziehen, doch auch sie muss in den sauren Apfel beißen und gute Miene zum bösen Spiel machen.

Ihr Kollege Holt hat einmal das Vergnügen gehabt, eine Strafsache zwischen verfeindeten Ninjaclans zu richten, wobei diverse Zuschauer das zeitliche gesegnet haben und das Gerichtsgebäude in Flammen aufgegangen ist.

Dagegen erscheint dieser Fall hier wie der reinste Luxus, weil von Anfang an striktes Beybladeverbot geherrscht hat, sowohl für Beteiligte als auch mögliche Zuschauer, um Sachschäden, Nervenzusammenbrüche und Todesopfer zu vermeiden.

„Hiromi, Sie müssen mir antworten!“ Fällt das unter spontane Taubheit, kindischer Streik oder fehlgeleitete Starallüren? Was auch immer es ist, hier vor Gericht hat das genauso viel zu suchen wie ein Stachelschwein auf Aspirin.

„Ich wars nicht, okay? Das kann ich ihnen gerne noch tausend Mal sagen oder gleich schriftlich geben, damit Sie es kapieren und mich nicht immer dumm von der Seite anquatschen müssen, weil sie es trotzdem noch nicht gerafft haben, Sie alte Schachtel mit der schrecklichsten Frisur auf der ganzen Welt und noch viel weiter als…“

„Was meine Mandantin damit sagen möchte“, unterbricht sie der junge Verteidiger mit den spitzen Eckzähnen und der schwarzen Haarexplosion auf dem Kopf hektisch, „ist, dass sie unschuldig ist.“ Er grinst verunglückt und kritzelt etwas auf seinen Notizen herum.

„Ach, was Sie nicht sagen.“ Die dreisten Beleidigen dazwischen und am Schluss hat er wohl ganz zufällig nicht mitbekommen; was für ein Segen die selektive Wahrnehmung doch darstellt, Barbara Salesch würde auch gerne öfter in ihren Genuss kommen, nur leider würde ihr dann jeder trottelige Zeuge auf der Nase herumtanzen.

Für sie bedeutet Hiromis Gezeter zu allererst, dass sie ihre inoffizielle Liste mit Bußgeld starten kann, die sie am Ende genüsslich jedem vorrechnen darf, der sich etwas zuschulden hat kommen lassen. Wer danach nicht ein paar Euros in die Kasse werfen würde, hat die Ehre, die Gefängniseinrichtung von innen bewundern zu dürfen.

„Na gut, Hiromi.“ Barbara Salesch zwingt sich trotz größter Antipathie dazu, im sachlichen Ton mit der aufgebrachten Dame zu reden. „Sie sagen, Sie seien unschuldig. Haben Sie ein Alibi für den Tatzeitpunkt?“

„Ich war daheim, aber allein. Also nein, Alibi hab ich nicht, nicht wirklich. Mein Goldfisch kann leider keine Auskunft geben. Und Kameras hab ich auch nicht im Haus, bin ja nicht bei Big brother oder so einem Psychozeugs, wo die Leute…“

„Ja, danke, wir haben es begriffen.“ Einatmen, ausatmen, in Gedanken Angeklagte erwürgen, weiter im Text. „Aber Sie hatten ein Motiv für die Tat: Wut auf Kai Hiwatari, weil er sich nicht für ihr Kind verpflichtet gefühlt hat.“

„Klar war ich sauer auf den Deppen! Tut immer einen auf Mr. Supercool, mir kann keiner was, dann lässt er sich auf eine ein und plötzlich ist er wieder zu cool für alles. Sie wären auch sauer, wenn man sie so dumm behandelt, das können Sie mir glauben…“

„Kai ist kein Depp!“, schreit irgendeine vom „Kai, ich will ein Kind, ein Haus und deine Lebensversicherung!“-Club in Richtung Hiromi, springt theatralisch auf, wedelt peinlich mit ihrem roten Fähnchen in der Luft herum und setzt sich ganz schnell wieder, als ihr klar wird, wie dermaßen daneben sie sich benimmt. Wenigstens einer, der merkt, dass er sich zum Horst macht.

„Für mich schon!“, schnappt Hiromi wütend zurück und streckt ihrer spontan erkorenen Rivalin die Zunge heraus. „Ein echter Mann steht zu seinem Kind und tut nicht so, als wäre nichts passiert. Und jetzt sag ich gar nichts mehr, weil mir hier eh keiner glaubt und der Staatsanwalt aussieht wie aus einem Horrorfilm und wofür hab ich überhaupt einen Verteidiger, wenn ich dauernd schwätzen soll. Und ja, ich schweige jetzt!“

In Gedanken applaudiert ihr die Richterin für diesen ersten weisen Vorschlag.

Dann würde nun Kai ihre kleine Chaotenrunde mit seiner Anwesenheit erhellen dürfen.



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