Der Bluthund von Nhaundar (a hound's tale) ================================================================================ Kapitel 20: Hass ---------------- SHAARI Sie fühlte den heißen Kuss den sie nach dem etwas ungeplanten Beieinanderseins geteilt hatten noch immer auf ihren Lippen. Seine Lippen rau und verheißungsvoll. Auch seine Hand ruhte gefühlt noch immer an delikateren Stellen und sie musste sich zusammenreißen um die Röte auf ihren Wangen zu unterbinden. Nach dem Bad hatte sie sich in andere Kleidung gehüllt und war dann zusammen mit Sandor wieder in das Zimmer gegangen, wo sie sogleich wieder von einem Klopfen an der Tür gestört wurden. "Ich bringe das Essen.", erklang die Stimme der Wirtsfrau vom Gang und Shaari trat lächelnd an die Tür und nahm das erstaunlich schwer beladene Tablett entgegen. Es wunderte sie nicht wirklich, dass sie sofort Essen bekamen, vermutlich hatte das ganze Wirtshaus gelauscht, ob sich was tat, immerhin war Sandor erkannt worden. Eben jener blickte etwas mürrisch drein und zog sich gerade ein Hemd über den Kopf. "Vielen Dank.", meinte die Dunkelhaarige, die ältere Frau nickte und schloss die Tür. Shaari stellte das Tablett auf den kleinen Tisch im Raum und war wirklich sehr froh nicht hinunter in den Schankraum zu müssen um etwas zu Essen. Allerdings war das Essen zweckmäßig. Es war ein Eintopf und altes aufgebackenes Brot. Es war heiß, alles andere interessierte sie im Moment relativ wenig. "Hmm. Irgendwie hatte ich auf Fleisch gehofft.", kam es brummig von Sandor, als er den Eintopf musterte. Shaari nahm sich eine der gefüllten Holzschüsseln und begann zu Essen. "Es herrscht nicht unbedingt die beste Zeit für solche Ansprüche...", meinte sie leise zu ihm und fing sich einen missbilligenden Blick ein. "Ich schau mir dann nochmal deine Wunde an.", sie deutete dabei auf die Stelle an seiner Seite und hockte sich aufs Bett. Als sie beide fertig waren, stellte sie das Geschirr aufs Tablett und beorderte Sandor mit einer Geste, dass er sich von dem klapprigen Stuhl erheben sollte, damit sie das Angekündigte tun konnte. "Halt fest.", meinte sie als sie das Hemd nach oben geschoben hatte, dass natürlich wieder hinunterrutschte. Aber sie brauchte beide Hände. SANDOR Amüsiert blickte er zu ihr hinab und sah dabei zu wie sie mehrfach das Hemd nach oben schob, bevor sie ihm einen leicht genervten Blick zuwarf. Noch immer etwas grinsend griff er nach dem Hemd und hielt es nach oben, damit sie etwas an der Wunde herumdrücken, Salbe auftragen und einen Verband anlegen konnte. Durchaus ein wenig interessiert sah er ihr dabei zu. Sie wirkte so konzentriert und wusste ganz genau was sie tat. Das war ihre Leidenschaft. So wie er das Kämpfen als seine hatte, hatte sie die ihre im Heilen. Was waren sie nur für ein merkwürdiges Gespann? Allein die Blicke der Leute im Gasthaus sprachen dahingehend Bände. Sie hatten Angst vor ihm, vermutlich tuschelten sie über die haarsträubendsten Gerüchte, erfanden neue und verdrehten alte so sehr, dass kein Fünkchen Wahrheit mehr in ihnen steckte, wenn jemals Wahrheit darin gesteckt hatte. Er bezweifelte es, aber es war ihm auch gleich. Dass sie sich natürlich fragten, was die Frau bei ihm sollte, ob sie freiwillig bei ihm war... es würde ihn nicht wundern. "Danke.", kam es dann beiläufig über seine Lippen, als sie fertig war und er bemerkte kaum, was er da gesagt hatte. Etwas, das selten war und er gewiss nicht zur Gewohnheit werden lassen wollte... aber er war mit seinen Gedanken noch woanders. SHAARI Sie blickte etwas irritiert zu ihm auf, als sie das Wort vernahm und runzelte leicht die Stirn, nickte dann aber leicht und lächelte ein wenig. Immerhin hatte er sie beschützt und das war etwas, dass sie tun konnte... tun musste. Es fiel ihr schwer, Verletzte liegen zu lassen und sie bereute es jetzt auch ein klein wenig bei Arnor. Aber sie wusste, dass der miese Drecksack das überlebt hatte, die Dorfbewohner hatten schon dafür gesorgt, immerhin war sie die Böse bei der Sache gewesen und ihr trauerten vermutlich nur diejenigen nach, die jetzt krank und unbehandelt vor sich hinsiechten, weil keiner wusste wie man Kranke behandelte. Sie blickte zu Sandor, nachdem sie zu ihren Sachen getreten war um sie weg zu räumen, musterte ihn von der Seite her und räumte dann weiter ihre Sachen weg. Und er war das böse Ungeheuer gewesen, dass für sie eingetreten war... Shaari hörte das Bett knarzen, als sich der Bluthund darauf sinken ließ und sie blickte wieder zu ihm. Er wirkte nachdenklich und sie setzte sich kurzerhand auf die andere Seite des Bettes. "Sieht so aus als müssten wir uns wieder ein Bett teilen.", nuschelte sie und legte sich dann auch hin, schob die Füße unter die zurückgeschlagene Decke. Das Bett war einfach, aber sauber und gemütlich, im Vergleich zu dem Lager, dass sie die letzten Tage immer geteilt hatten. Sie spürte wie das Bett unter seinem Gewicht nachgab als er sich ebenfalls hinlegte und die Decke über sie beide zog. Zum Glück war das Bett tatsächlich auch für zwei Leute gedacht, wenn auch sicher nicht für Sandors Ausmaße, zumindest aber besser als das Bett was sie in ihrer Hütte gehabt hatte. Die Dunkelhaarige drehte sich unter der Decke in die andere Richtung, blickte den Mann neben sich im Halbdunkel an, hauptsächlich sah sie seine vernarbte Seite. Das dunkelgraue Auge blickte nach oben an die Decke. Sie folgte seinen Blick. "Keine so schöne Aussicht.", kommentierte sie und er drehte den Kopf zu ihr. "So viele Wasserflecken, zum Glück taut es nicht.", fuhr sie fort und die angespannte Haltung Sandors schien sich zu verflüchtigen. SANDOR Shaari sprach nicht über sein Gesicht. Er hätte nicht gewusst, wie er in dem Moment darauf hätte reagieren sollen. Seine Muskeln entspannten sich ein wenig und er schloss die Augen. Sie beide brauchten Ruhe. Streit würde niemand von ihnen voran bringen... und sie hatte oft genug gezeigt, dass ihr seine Fratze, sein entstelltes Gesicht nicht auszumachen schien. Überzeugt war er nicht.... aber die Taten... ihr Verhalten, das Alles sprach für sich selbst. "Gute Nacht.", erklang ihre Stimme leise und sein Blick ruhte noch eine Weile auf der Dunkelhaarigen. "Gute Nacht.", erwiderte er und versuchte einzuschlafen. Allerdings war das zu Anfang nicht wirklich von Erfolg gekrönt, während das leise, ruhige, gleichmäßige Atmen von Shaari ihm verriet, dass sie da mehr Glück gehabt hatte. Sein Geist konnte noch immer nicht wirklich erfassen, was da heute passiert war, was das zwischen ihnen war. Es war ihm so fremd, wie nichts anderes auf dieser verkommenen Welt. Immer wieder kreisten seine Gedanken um ein und dieselbe Sache. Um Shaari und sie kamen einfach nicht zur Ruhe. Es machte ihn wahnsinnig. Nicht auf die positive Art und Weise, sondern auf die, die er gerade wirklich nicht gebrauchen konnte. Sandors Zähne knirschten aufeinander, als sein Unterkiefer unruhig gegen seinen Oberkiefer rieb. Er spürte die nicht definierte Wut in seinen Adern und seine Fäuste verkrampften sich schmerzhaft, seine Fingernägel bohrten sich heftig in seine Handinnenflächen und er musste sich zwingen sich zu entspannen. Was würde er jetzt für einen Zweikampf mit einem ebenbürtigen Gegner geben! Einen der sich Blut zur Seite spuckend mit der aufgerissenen Hand über den Mund wischte, breit grinse, ihm mit Feuer in den Augen anblickte und nicht aufgeben würde. Und er würde das blutrünstige Grinsen freudig erwidern und zum nächsten Schlag ausholen. Den Schmerz begrüßen, die Blutergüsse, die Wunden die ihn noch Tage danach an diesen erfüllenden Kampf erinnern würden. Aber das alles unten im Gastraum waren Memmen... keine Männer die so etwas mit Ehre und Stolz bestreiten würden. Kein verdammter Ritter würde sich auf solch einen Kampf einlassen, auf ihren hohen Rössern, verlogen thronend und sich als Heilige aufspielend, die sie nicht waren und niemals sein würden. Alles Feiglinge, die sich hinter Titeln verbargen und falsche Versprechen von Schutz gaben... ihre Schützlinge jedoch grinsend beim ausbluten beobachten würden. Wie Gregor. Heißer Hass überkam ihm und er konnte nicht länger still liegen bleiben. Wütend schob er sich aus dem Bett, schnappte sich seinen Zweihänder und begab sich nach unten, stapfte durch den spärlich bevölkerten Gastraum, trat nach draußen in die eisige Kälte. Aufgewirbelter Pulverschnee nahm ihm kurz die Sicht, bevor er auf den Hackstock des Gasthauses zutrat, in dem noch eine angefrorene Axt steckte, die er mit einem kräftigen Ruck aus dem Holz zerrte, achtlos beiseite warf, bevor er den Baumstamm mit seinem Zweihänder systematisch und mit eiskalter, über Jahre hinweg einstudierter Präzision zu Kleinholz verarbeitete. Er spürte die Kälte nicht die über seine nackten Füße in seine Beine kroch, die an seiner dünnen Kleidung vorbei in seinen Körper drang. Er nahm auch die erschrockenen, beinahe panischen Blicke die ihm aus dem Gasthaus folgten nicht wahr. Reiner, unverfälschter Hass traf auf Holz und das Einzige was er spürte war Erleichterung und Entspannung, als seine Glieder vor Anstrengung und Kälte schmerzten. Seine Gedanken befreiten sich langsam und nach einer kleinen, gefühlten Ewigkeit hatte er sich soweit beruhigt und gefasst, dass er den Hackstock musterte, sich die vom Atem gefrorenen Haarsträhnen aus dem Gesicht strich und mit einem Nicken wieder ins Gasthaus trat. SHAARI Shaari hatte die ruckartige Bewegung gespürt, mit der Sandor aus dem Bett aufgestanden war. War allerdings noch nicht wach genug gewesen um direkt darauf zu reagieren. Mit verwirrtem Blick und träge musterte sie die Tür des Zimmers, die gerade ins Schloss fiel. Hatte Sandor sein Schwert dabei gehabt? Alarmiert sprang sie aus dem Bett und wollte gerade hinter ihm her, als sie von draußen stumpfe Schläge hörte. Langsam trat sie an das kleine, trübe Fenster, dessen kleine Scheiben gefroren waren. Sie rieb mit der Hand über eine Stelle und erhaschte so einen Blick auf einen beinahe unbekleideten Sandor, der barfuß nur mit dünner Hose und Hemd mit seinem Zweihänder auf einen Hackstock einschlug. Was hatte ihn denn dazu bewegt? Stirnrunzelnd sah sie dabei zu und ihr fuhr ein Schauer durch den Körper. Ein Unangenehmer. Er war beängstigend und diese pure Gewalt die er gerade ausstrahlte... der wollte sie nicht ausgesetzt sein. Nicht zusehen, wenn er sie an anderen anwandte und dennoch hatte sie es bereits gesehen. Zwar nicht in dieser ausgeprägten Form... aber eigentlich genug. Woher stammte dieser tiefe Hasse? Den er sich selbst und anderen gegenüber empfand? Shaari fand keine Antwort darauf. Vermutlich kannte auch Sandor sie nicht. Sie sah noch eine Weile zu, bevor sie sich wieder ins Bett legte und versuchte zu schlafen. Allerdings war sie dazu zu aufgewühlt. Nach einer weiteren Weile trat Sandor wieder ins Zimmer und sie blickte ihn im Dunkel entgegen. Er stellte den Zweihänder weg und setzte sich einen Moment aufs Bett, bevor er sich hinlegte und die Decke über sich zog. Der Größere strahlte eine ungewöhnliche Kälte aus und sie beobachtete das was sie von ihm sehen konnte. "Beruhigt?", fragte sie leise und Sandor zuckte kurz zusammen. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass sie wach war. Unwillkürlich rückte sie näher an ihn. Wollte ihn aufwärmen? Sie gab dem Impuls nach und drückte sich ein wenig an ihn. "Ja.", war alles was sie zu hören bekam. Sie wartete noch eine Weile. Aber es kam nichts mehr und so driftete sie langsam wieder ins Land der Träume ab. SANDOR Der nächste Morgen brach mit Licht an, dass durch das kleine Fensterchen strömte und ihm ins Gesicht fiel. Murrend schlug er die Augen auf und spürte nur einen warmen Körper dicht bei sich. Er musterte Shaari eine Weile, die noch zu schlafen schien und sich nach einer Weile regte und sich träge aufsetzte. "Morgen.", meinte er knapp und sie nickte leicht, runzelte die Stirn und griff nach einem Tuch, dass sie sich um den Hals wickelte. Sie wirkte blass und Sandor musterte sie einen Moment irritiert. Shaari bemerkte seinen Blick, lächelte leicht. "Morgen.", erwiderte sie und erhob sich. Begann schon damit die Sachen zu packen. Sandor stand ebenfalls auf und begab sich zu der Waschschüssel mit Wasser, bedeckt von einer Eisschicht. Er durchbrach sie mit der Faust und spritzte sich das eiskalte Nass ins Gesicht. Heute ging es weiter. Nach einem kurzen Frühstück brachen sie wieder auf, weiter in Richtung Wickenden. Die nächsten Tage verliefen gleichbleibend. Ereignislos. Sah man einmal davon ab, dass Shaari sich eine üble Erkältung eingefangen hatte. Fiebrig und hustend auf Rolf saß, dessen Zügel er in der Hand hielt und so die beiden neben sich hielt. Unmöglich konnten sie länger am Wegesrand rasten. Es war einfach zu kalt und so schlug er trotz ihres Zustandes ein schnelleres Tempo an, damit sie Wickenden bald erreichten und ein Gasthaus aufsuchen konnten, damit sie sich auskurieren konnte. Blass, mit fiebrigen Augen und einer Stimme die einem Reibeisen glich, hielt sie sich bellend hustend, zitternd und schniefend im Sattel. Wenn sie eine Weile still war stupste er sie an, nur um immer wieder fest zu stellen, dass sie eingedöst war. Aber er konnte nicht riskieren, dass sie aus dem Sattel fiel, also hielt er sie wach. Nach einer schieren Ewigkeit, zumindest fühlte es sich so an, erreichten sie schließlich ein mitgenommen wirkendes Wickenden. Überall waren Flüchtlinge aus anderen Ortschaften zu sehen, so nahm er an. Langsam bahnten sie sich einen Weg durch das Gedränge der Straßen. Nach dem dritten voll besetzten Gasthaus erreichten sie schließlich eines, dass noch ein paar Zimmer frei hatte. Er mietete eins für Shaari und sich, ließ die Pferde versorgen und trug Shaari mehr, als dass sie selbstständig ging ins Zimmer. SHAARI Elend. Sie fühlte sich so elend und entkräftet. Sich schwer auf Sandor stützend trat sie in das staubige Gastzimmer und ließ sich sogleich von Sandor ins Bett helfen, der ihr lediglich die Schuhe auszog, bevor er sie mit Decken überhäufte, sowohl die von hier als auch mit denen aus dem Gepäck. "Danke.", meinte sie leise, mit rauer Stimme. "Hm.", kam es von Sandor der sie musterte. Nichts weiter sagte, sich kurz an die Bettkante setzte und ihr dann die Stirn befühlte. Brummelnd aufstand und einen Lappen in das Wasser der Waschschüssel tauchte, ihn auswrang und Shaari auf die Stirn legte. "Schlaf. Ruh dich aus. Ich hör mich um und kümmere mich um dein Schiff nach Gulltown.", meinte er und sie nickte nur, es blieb ihr kaum anderes als ihm dahingehend zu vertrauen. Sie hoffte, dass er es als Schuldausgleich sah... sie musste einfach hoffen. Träge blickte sie ihm nach, als er ging, ihr noch einen kurzen Blick zuwarf und die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Dann gab sie endlich der Müdigkeit und der Krankheit nach und schlief einen unruhigen, aber notwendigen Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)