Ein Lied für uns von Petulia (meine Liebe für dich) ================================================================================ Kapitel 10: Die Insel --------------------- Voller Elan hatte Dominique sich für die Schnuppertanzstunde eingetragen und mit nicht minderer Vorfreude steuerte sie nun den vorgesehenen Raum an. Man hatte sie angehalten bequeme Kleidung zu tragen und das kam Dominique gerade recht. Wann sonst kam man dazu, eine lockere Dreiviertelhose zu tragen, ohne total bescheuert dabei auszusehen? Einige Schüler befanden sich schon in dem völlig verwandelten ehemaligen Klassenzimmer. Das Parkett glänzte sanft und eine Wand war vollkommen mit Spiegeln ausgekleidet. Aufregung überschwemmte Dominique. Zum hinein Schnuppern waren bereits mehrere Tanzarten angeboten worden und sie hatte sich für einen Mix aus Ballett und modernem Tanz angemeldet. Als Kind hatte sie Ballettstunden genommen und diesen absolut mädchenhaften Sport geliebt. Mit Hogwarts hatte ihre Ballerinakarriere jedoch jäh geendet. Die Erinnerung an ihr wehleidiges Weinen, weil sie lieber nach Beauxbatons hatte gehen wollen, war lebhaft in Dominiques Kopf gebrannt. Da ihre Fähigkeiten eingerostet sein mussten, entschied sich Dominique daher gegen reines Ballett. Weiter hinten hatte sie ihre Cousine Lily entdeckt und auch ein paar andere bekannte Gesichter befanden sich in dem Raum, fröhlich miteinander quatschend, bis die Tanzlehrerin den Raum betrat. Ihre Erscheinung war lässig und elegant zugleich. Die blonden Locken steckten in einem hohen Knoten und obwohl ihr Gesicht rundlich war, betonte ihre Kleidung einen schlanken, muskulösen Körper. “Guten Tag.”, flötete die Frau und strahlte in die Runde. “Es freut mich sehr, so viele neugierige Schülerinnen und, oh ja, zwei Schüler in diesem Schnupperkurs begrüßen zu dürfen.” Sie zwinkerte gut gelaunt.
“Mein Name ist Lavender Brown. Nennt mich ruhig Lavender, dann wird das Ganze nicht so unpersönlich.” Ein weiteres Zwinkern, doch Dominique hatte sich an ihrer eigenen Spucke verschluckt. Lavender Brown? War das nicht... Sie musste es sein. Onkel Rons nervige Exfreundin. Die Geschichten, die bei Familienfeiern über sie erzählt worden waren, konnte Dominique gar nicht mehr zählen. Jetzt allerdings schien Lavender einen recht sympathischen Eindruck zu machen. Vielleicht durfte man sich nur nicht auf eine Beziehung mit ihr einlassen. Dominique jedenfalls wollte der guten Frau eine Chance geben und ihr keinesfalls Vorurteil behaftet entgegen treten. “Damit ihr heute ein Gefühl für diese Tanzart bekommt, werde ich euch eine etwas professionellere Solochoreografie vorführen und dann eine schnelle, leichte Choreografie mit euch einüben.” 
Die Schüler nickten zustimmend und sie warf Musik an. Tatsächlich vergaß Dominique jegliche Vorurteile, als sie die Frau tanzen sah. Körperspannung, Körperbeherrschung, Balance, Zielstrebigkeit. Es war atemberaubend wie gewählt sie ihren Körper gehorchen ließ und gleichzeitig ein Gefühl für Wildheit und Spontaneität erzeugte. Am Ende drehte sie eine vertikale Schraube und landete im Spagat. Atemloser Beifall belohnte die Vorführung und sie lächelte erfreut und dankbar. Alle verspürten den Tatendrang loszulegen und Lavender begann mit den ersten Schritten der Choreografie. Die klassischen Ballettelemente vermischten sich mit eher modernen Tanzeinlagen, die zackigere Bewegungen beinhalteten. Lavender wanderte zwischen ihnen umher und gab Tipps. “Halte deinen Arm gerader. Zehen spitzen und mehr Körperspannung. Sehr schön!” Auf den meisten Gesichtern spiegelte sich völlige Konzentration wieder, diese spürte auch Dominique, schließlich wollte sie ihre vorgearbeiteten Künste wieder aufleben lassen. Plötzlich flog die Tür auf und Albus Potter, gekleidet in eine zu enge Strumpfhose und einen rosa Body stürmte in den Raum.
“Tut mir leid, dass ich zu spät bin!”, rief er breit grinsend und entlockte den Schülern ausgelassenes Lachen. Auf dem Weg in die Menge drehte er eine schiefe Pirouette und Lavender die eher verwirrt lächelte, wollte gerade die Tür schließen als sie erneut aufgestoßen wurde. Earl Scamander in einem monströsen, pinken Tütü, hüpfte mit erhobenen Armen in den Raum. Wackelig auf Zehenspitzen balancierend bahnte er sich einen Weg durch den Raum und versuchte sich hin und wieder an einem Sprung. Die Anwesenden kamen aus dem Lachen gar nicht mehr heraus. Dominique wusste nicht, ob Lavender mit dem Lachen kämpfte oder für das Verhalten der Jungs tatsächlich kein Verständnis hatte, jedenfalls stand sie mit in die Hüfte gestemmten Händen an der Tür. Earl packe Albus um die Taille und hob ihn hoch, wirbelte ihn durch die Luft und schleifte ihn dann über den Boden, wobei Albus sich stetig um sich selbst drehte. Dann warfen sie sich in die absurdesten Posen, die Dominique in solcher Ausführung nie im Ballett gesehen hatte. Nach fünf Minuten war der Spaß vorbei und die beiden verneigten sich dramatisch. Applaus brandete auf, der vielleicht sogar stürmischer wurde als bei Lavender. Unter ihrem strengen Blick trippelten die Jungs mit über dem Kopf sich berührenden Armen hinaus. Es war nicht anders möglich, als Albus zu lieben, dachte Dominique sich, während sie wieder die Schritte übte. Ein absolut liebenswürdiger, ulkiger, treuer kleiner Welpe, den sie unglaublich gern zum Cousin hatte. Und Earl... ganz vielleicht war Earl auch nicht so übel. Das neue Angebot der Schule stieß jedenfalls auf große Begeisterung. Nachdem viele an den Schnupperstunden teilgenommen hatten und ein Interessenbild aufgestellt werden konnte, entschieden die Vertrauensschüler gemeinsam mit McGonagall den Rahmen der AG, worüber Dominique sich mit den Rest der Schülerschaft freute. Endlich erweiterte Hogwarts sein Angebot und musste somit in Zukunft nicht mehr so viele Kinderträume zerstören. Die Zeit raste, verflog, zerrann. Wie man es nennen mochte, ehe Hogwarts sich versah war der Januar bald vorbei. Die wunderschönen Ferien rückten immer weiter in die Ferne, während der Alltag sich erneut eingekrochen hatte mit seinen Hausarbeiten, kleinen Streitereien, der Müdigkeit und Langeweile. Von diesem Trott lenkten nur wenige Dinge ab, wie der nun eingeführte Tanzunterricht oder die Hogwarts Owls. Die Zeitung beschäftigte sich beinahe zur Hälfte mit dem Ball, zeigte eine Menge Fotos und beschrieb die Gegebenheiten und die Landschaft genauestens, damit sich jeder für immer an den Abend erinnern könnte. Wie nicht anders zu erwarten, besaß bald jeder Schüler eine Ausgabe. Darin sah man auch einige Bilder, die man sich nicht selbst geholt hatte. Außerdem gab es viele Schülerkommentare zu Silvester zu lesen und ein kleines Dankschreiben an die Schülervertreter. Natürlich wurden Paare heiß diskutiert, allen voran Albus und Amy. Ihre Freundinnen waren sich sicher, dass die Redakteurin diesen Teil des Artikels so nicht unterschrieben hatte und als sie sie einmal beschämt beim Mittagessen sahen, wurde diese Vermutung bestätigt. Albus Liebesgeständnis hatte definitiv für Aufruhr gesorgt. Mittlerweile hatte sich die eine Hälfte der Schülerschaft daran gewöhnt, das der Schwarm nun nicht mehr Single war, die andere Hälfte jedoch hatte beschlossen, dass die Beziehung nicht von langer Dauer wäre. Rose wusste zumindest bei Albus, dass er es sehr ernst meinte. Schließlich hatte er die vergangenen Monate elendig in Gedanken an Amy verbracht. Für Rose selbst war der Alltagstrott der schönste ihres Lebens. Denn auch heimliche Treffen mit Scorpius, getarnt als Schulsprecherverantwortung, gehörten nun dazu. Sie tranken heiße Schokolade, redeten bis spät in die Nacht, kuschelten, küssten und träumten. Mit ihrer Glückseligkeit fühlte sich Rose wie in einem sanften Wirbel der Zeit, die um sie herumtobte, sich jedoch nur wie ein Hauch anfühlte, während Rose in einer rosa Welt schwebte und nur Lachen wollte. Leider war auch ihren Freundinnen diese außergewöhnlich fröhliche Rose aufgefallen. Während diese versuchte, ihre Verwandlungsaufgaben zu lösen, studierten die drei anderen Mädchen sie genau - und zu allem Übel auch Albus. Als säßen sie vor einer Laborratte, mit der man kürzlich ein Experiment durchgeführt hatte, lehnten sie sich vor und sprachen gedämpft, jedoch direkt neben Rose, sodass sie jedes Wort verstehen konnte. “Ich glaube, sie wurde verzaubert.”, stellte Albus eine sehr professionelle Vermutung an und rieb sich das Kinn. “Ich glaube,”, widersprach Dominique zwitschernd, “sie hat sich endlich eine Scheibe von mir abgeschnitten.”
“Welche Scheibe denn?”, hakte Roxanne nach. “Die des unbändigen Optimismus, der Sicht auf die Schönheit der Welt, der Unbeschwertheit und des strahlenden Lachens.” “Mhm.”, machte Amy nachdenklich. “Du solltest weniger dich selbst und mehr Rose studieren, Dominique.”
 “Meiner Meinung nach, lagen wir bisher falsch und Rose wurde von einer ganz üblen Krankheit erwischt.” Verschmitzt wackelte Roxanne mit den Augenbrauen. Interessiert hob nun Rose selbst den Kopf. “Oh!”, sagte Albus überrascht. “Du hast die Aufmerksamkeit der Testperson erweckt.” “Wie meine intensive Untersuchung aufdeckt, zeigen sich bei Rosalie Weasley folgende Symptome: Abgelenktheit, gute Laune, verklärtes Lächeln, Nettigkeit!” Mit bedeutungsschwangerem Blick sah Roxanne ihre Freunde an. “Ich habe die Diagnose!”, rief Albus.
“Sie ist verliebt.”, entschieden die vier einstimmig und Rose warf sie lachend mit ihrer Feder ab. “Ich glaube, ihr habt euch irgendwo verrechnet. Fragt lieber noch mal Bridget Wenlock.” “Nein, nein, nein. Es stimmt alles. Oben drauf, bist du nicht nur verliebt, sondern glücklich verliebt.”, kicherte Dominique begeistert. “Das sind gute Neuigkeiten.”, stimmte Rose zu. “In wen denn? Ich würde ihn gerne kennenlernen.” “Das ist die Frage.” Geheimnisvoll beugten sich alles noch ein wenig zu ihr vor. “Jedenfalls wissen wir, dass die gehäuften, angeblichen Schulsprechertreffen mit Malfoy in letzter Zeit nur ein Vorwand sind.” Den Blick nach unten gewandt versuchte Rose ihre Bestürzung zu verbergen. “Mindestens die Hälfte dieser Treffen hast du unserer Meinung nach nicht mit ihm, sondern deinem Herzbuben verbracht.”, klagte Roxanne an. “Und uns kein Sterbenswörtchen verraten.”, fügte Amy empört hinzu. Rose lehnte sich wieder entspannt zurück. “Spannende Theorien. Man sollte meinen, dass ihr mehr Zeit mit Hausaufgaben als haarsträubenden Liebestheorien verbringt.” Sie lächelte sanft. “Das jedenfalls tue ich.” Bestimmt wandte sie sich wieder ihrem Pergament zu und ihre Freunde seufzten enttäuscht. Später an diesem Tag knuffte Albus seinen besten Freund in die Seite. “Ich wusste ja, dass Rose und du besser klarkommt, aber dass es so weit geht wusste ich nicht.” Verwirrt sah Scorpius ihn an. “Wovon redest du?” “Na, den vermeintlichen Schulsprechertreffen.” Scorpius schwieg unsicher, doch Albus plapperte unbeirrt weiter.
“Nett von dir, dass du sie deckst! Ich würde nur zu gerne wissen, wer er ist.” “Bitte?” Der Malfoy schien keinen blassen Schimmer zu haben, wovon Albus sprach. “Der Typ, Scorp. Mit dem Rose sich trifft, wenn sie so tut, als träfe sie dich.” “Achsooo.”, sagte Scorpius langgezogen. “Davon sprichst du.” Albus Augen weiteten sich. “Sag bloß, du weißt wer es ist.” “Nein, natürlich nicht.” Scorpius wollte die Geschichte lieber nicht zu weit ausdehnen. Je weniger er sagte, desto glaubwürdiger wäre er. “Was machst du eigentlich, wenn du angeblich bei den Treffen bist?”, hakte Albus nach. “Triffst du vielleicht das mysteriöse Mädchen, von dem du mir langsam mal sagen solltest, wer es ist?” Genervt verdreht Scorpius die Augen. 
“Schon wieder, Al? Ich dachte, das Thema wäre abgeschlossen.” “Ohne das ich erfahre, wer es ist? Bestimmt nicht.” Hartnäckig verschränkte Albus die Arme, doch Scorpius schüttelte nur den Kopf. “Das ist nicht fair, Scorp. Von Amy weißt du jetzt auch.” “Ja, das war schon Schock genug für ein Jahr. Die Zaubererwelt muss sich erst mal erholen.”, neckte Scorpius und brachte Albus zum Schmollen. “Ich weiß, ihr versteht euch nicht gut.” “Ich habe kein Problem mit ihr.”, wehrte Scorpius unbekümmert ab. “Na gut.”, lenkte Albus ein. “Ich weiß, sie kann dich nicht ausstehen.”
“Richtig.” Resigniert seufzte Albus. “Das kann man aber doch ändern, oder? Wenn sie dich erstmal kennenlernt.” “Von wegen.” “Doch ich krieg das hin.”
Ernst legte Scorpius seinem Freund die Hand auf die Schulter. “Verwende deine Energie lieber auf das kommende Quidditchspiel. Dein Cousin könnte eine Bedrohung sein.” Beleidigt warf Albus sich in die Brust. “Soll das ein Witz sein? Hugo hat keine Chance gegen mich.” Das wollte Hogwarts jedoch erst einmal sehen. Nach der Glanzleistung des kleinen Weasley im letzten Spiel, hatte das Schloss und besonders Hufflepuff große Erwartungen an ihn. Da Slytherin jedoch seit eh und je mit sehr guten Spielern besetzt war, fieberten die Schüler dem Spiel mit großer Spannung entgegen. Lily, Rose und Roxanne redeten Hugo Mut zu, doch das wäre gar nicht nötig gewesen. Wie immer war er absolut zuversichtlich. “Rose.”, meckerte er. “Hör schon auf mich so zu betüddeln. Das hast du vor dem letzten Spiel auch nicht gemacht. “Lindsey und Earl sind ein gutes Team.”, redete Roxanne auf ihn ein. “Sie werden alles tun, um dich vom Besen zu hauen.” “Ich pack das schon.”, beruhigte er die Mädchen. “Werde halt mein Bestes geben. Darf ich jetzt zu meinem Team?” Sie verabschiedeten ihn und eilten auf die Tribünen. Rose bereute es, Scorpius vorher nicht gesehen zu haben. Es war noch immer kalt und so zog sie den Gryffindorschal enger um ihren Hals. Die Anfeuerungs- und Jubelrufe überrollten sie auf ihrem Weg zu den anderen und steckten sie an. Schon bald klatschte sogar Dominique vor Aufregung, obwohl sie herzlich wenig von Quidditch verstand.
“Warum hat der sprechende Hut dich eigentlich nach Ravenclaw geschickt?”, fragte Lorcan amüsiert. “Du hängst ja doch immer bei den Löwen rum.” “Du doch auch!”, gab Dominique begeistert zurück und hüpfte weiter auf und ab. Pfiffe ertönten, als die Hufflepuffs aufs Feld gesaust kamen. Hugo machte einen Looping direkt vor ihren Nasen und Lily rief “Mach sie alle, Hugo!”. Nun düsten auch die Slytherins aufs Feld. Der Beifall außerhalb der grün-silbernen Woge war verhalten, doch Amy, Rose und Lily jubelten umso lauter für Albus - und Scorpius, doch das verriet Rose lieber nicht. Die Bälle wurden freigesetzt und schon stürmten die Jäger los. “Marling hat den Quaffel. Zu Malfoy, Steel. Oh nein, Steel hat ihn fallen lassen, weil er einem Klatscher ausgewichen ist. Guter Schlag von Ingen.” Der Kommentator Bradley war neu dieses Jahr, doch Rose fand ihn gut. Die Jäger waren ausgezeichnet, von beiden Teams. Man konnte eine definitive Verbesserung auf Seiten der Hufflepuffs erkennen. Sie mussten sehr hart trainiert haben. Auch der Hüter überraschte die meisten, mit seinen Paraden. Damit hatten die Slytherins nicht gerechnet, doch trotzdem donnerte Scorpius den Quaffel durch die Ringe. Rose war ganz begeistert von seiner Leistung. Er glitt so unbeschwert durch die Luft, wich allem aus, was ihm im Wege stand und strahlte eine unheimlich Stärke dabei aus. Bei einem seiner Tore entglitt ihr ein begeisterter Schrei, den ihre Freunde mit äußerster Verwirrung quittierten. Die Jäger wurden jedoch weniger interessant. Vom Schnatz war noch nichts gesehen worden, dennoch lag der Fokus und die Spannung auf den beiden Suchern, die wie Habichte das Feld umflogen. Die Treiber beider Teams nutzen jede Gelegenheit, um Klatscher auf den gegnerischen Sucher zu jagen, denen sie regelmäßig ausweichen mussten. In einem unerwarteten Moment stürzte Hugo los. Er sauste in Richtung der Ravenclawtribüne, doch Albus war zu schnell für ihn. Dieser legte sich auf seinen Besen und schnitt Hugo im Sturzflug den Weg ab. Vor Schreck riss Hugo seinen Besen hoch, überschlug sich und fiel. Albus zischte ihm hinterher, um ihn zu fangen, war aber deutlich zu langsam. In unheimlicher Stille hielt das Stadion den Atem an, bis Scorpius aus dem Nichts auftauchte und den fallenden Viertklässler auf seinen Besen zerrte. 
“Was ist das?”, rief Bradley. “Malfoy, der beste Freund von Potter, lässt den Quaffel Quaffel sein und kommt dem Weasley zu Hilfe. Eine Gedenkminute für dieses historische Ereignis.”
Die Zuschauer lachten erleichtert und bald saß Hugo wieder auf seinem Besen. “Er hat ihn gerettet!”, kreischte Rose begeistert, die vor Angst kreidebleich geworden war. Dominique standen Tränen in den Augen vor Freude und Rose blickte sie besserwisserisch an.
“Habe ja gesagt, Malfoy ist nicht so übel.” “Über diesen spektakulären Unfall ist der Schnatz wieder verschwunden.”, erklärte Bradley. “Malfoy ist vom Heldentum weg und bombardiert den Hüter Higgs mit dem Quaffel. Da hört die Freundschaft auf, nicht wahr Slytherin?” Das Spiel war wieder beim Alten und die panische Aufregung der Schüler war zu einer freudigen Erregung zurückgekehrt. Die Treiber von Hufflepuff konzentrierten sich nun darauf, Marling, Steel und Malfoy auszuschalten, um ihrem Hüter eine Pause zu geben. Das Geschehen hatte sich deutlich in Richtung der Hufflepuff Torstangen verlagert. Dort zischten die Klatscher umher, dort flog der Quaffel von Hand zu Hand und dort wurden atemberaubende Ausweichmanöver gestartet. Kaum einer bemerkte also, wie wieder Leben in die beiden Sucher gekommen war. Von beiden Enden des Spielfeldes donnerten sie auf einander zu. “Merlin!”, schrie Lily und deutete auf sie. Innerhalb einer Sekunde starrten alle wie gebannt auf Potter und Weasley, die in einander krachen würden. Was taten sie?
Doch da war er! Der Schnatz. Gleich zwischen ihnen, ihre konzentrierten Mienen auf den kleinen Ball gerichtet. Schreie und Rufe hallten durchs Stadion, als die beiden Spieler wie erwartet ineinander krachten. Sie rutschten halb von ihren Besen, sanken in einem Knäuel hinab, doch wollten sich um keinen Preis von einander lösen. “Sie... Potter... Weasley...”, stammelte Bradley im Versuch ausfindig zu machen, was dort geschah. “Halten sie sich fest? Ich glaube... JA!! SIE HABEN BEIDE DEN SCHNATZ!”, rief Bradley und nun erkannten sie es. Beide Hände hielten den Schnatz umklammert. Keiner wollte ihn loslassen und so trudelten sie wie zwei Betrunkene durch die Luft. Bis ein sehr viel zu spät geschlagener Klatscher sein Ziel fand. Es schleuderte sie beide vom Besen, sodass sie die letzten Meter in den Sand fielen. Sofort eilte Madame Pomfrey mit zwei schwebenden Tragen auf sie zu. Keiner von beiden hielt mehr den Schnatz. Dieser lag mit zerknickten Flügeln ebenfalls im Sand. Madam Hooch’s Pfiff war ertönt und sie flog hoch zu Bradley. Dieser verkündete baff das Ergebnis.
“Beide Sucher fangen den Schnatz! 150 Punkte für beide Teams und damit gewinnt Slytherin mit einem Vorsprung von 100 Punkten!” Die Slytherins brachen in ausgelassenes Jubeln aus. Rose und ihre Freunde stürmten jedoch zum Ausgang, wo Madam Pomfrey vor den anderen Schülern den Ausgang ansteuerte. “Keine Sorge, keine Sorge.”, sagte sie barsch zu Rose und den anderen.
“Sie werden okay sein. Gehirnerschütterung, vielleicht der ein oder andere Knochen gebrochen. Ich werde sie im Nu geheilt haben.”
Damit schritt sie weiter. Im Vorbeischweben warf Albus seiner Freundin ein verklärtes Grinsen zu. “Hey, Baby.”, krächzte er, dann ließ er erschöpft den Kopf sinken. Gerührt schlug Amy die Hände vor den Mund. “Was für ein Spiel.”, wisperte Lily mit Andacht. Weiter hinten sah Rose die Slytherins ausgelassen singend den Weg zu den Umkleiden antreten. So gerne sie Scorpius gratulieren wollte, sie würde wohl warten müssen. Traurig folgte sie der Menge am Stadion entlang zurück. Wenn sie ihn sehen könnte, wäre ihre und seine Begeisterung und Aufregung schon längst verflogen und zum ersten Mal stimmte sie ihre geheime Beziehung traurig. Da Hugo mindestens bis zum Abend im Krankenflügel bleiben sollte und Lily nichts zu tun hatte, verbrachte sie eine Weile bei ihm und Albus. Gemeinsam kauten sie das Spiel noch einmal durch. “Mann, ich dachte du brichst mir das Genick, Al.”, lachte Hugo. “Aber ich wollte mir den Schnatz nicht entgehen lassen.”
“Ich auch nicht.”, stimmte der Potter ein Bett weiter zu. “Bist echt gut geflogen. Liegt einfach in der Familie.” Sie lachten und Lily schilderte ihre Angst, als Hugo gefallen war und auch später, als die beiden sich halb umgebracht hatten. “Du wirst übrigens wieder gefeiert.”, erzählte Lily ihrem besten Freund.
“Die Hufflepuffs haben zwar verloren, aber sie finden es klasse, wie du gespielt hast. Habe gehört wie dein Kapitän meinte, du warst seine beste Entscheidung dieses Jahr. Ich bin sicher, sie kommen noch bei dir vorbei.” Hugo glühte wahrhaftig vor Stolz. Er war ein solch liebsamer Mensch. Lily konnte sich niemanden vorstellen, der ihn nicht leiden könnte. Dafür gewann Hugo die Herzen seiner Mitmenschen zu schnell. Er schien aber auch einfach alles richtig zu machen, während Lily sich manchmal zu sehr von ihrem Temperament leiten ließ. Wie um sie schmerzlich an eben dieses zu erinnern, öffnete sich die Krankenflügeltür und Mr. Gestriegelt-und-Geleckt betrat den Raum. Lysander hob überrascht die Brauen, als er sie sah, ging jedoch unbeirrt weiter. “Scamander, alter Junge.”, grüßte Al erfreut und gab seinem Freund die Faust. “Hey, tapferer Krieger. Weasley, Bambi.”, nickte er allen zu. “Ich heiße Lily Potter.”, korrigierte Lily ihn. “Tut mir leid, Luna. Das hat sich so in meinem Kopf eingebrannt.” Für einen kurzen Augenblick hakten sich ihre Blicke in einander, mit unausgesprochenen, unbekannten Gedanken. Dann stand Lily auf. “Gut, Hugo. Wir sehen uns später, ja?” “Klar, Lils.” Eilig verließ sie den Raum und lehnte sich draußen gegen die kalte Steinmauer. Ihre Hoffnung, ihm nie wieder über den Weg laufen zu müssen, war natürlich unerfüllbar gewesen. Dennoch wünschte sie ihn weit weit fort. Denn die Bilder und Gefühle des Vergangenen wollten sie nicht loslassen. In unerwarteten Momenten überfiel sie ihre Erinnerung mit solch einer Intensität, dass es ihre Beine zum Zittern brachte. Sie war aufgegangen in der Grobheit seiner Bewegungen, der Kraft, die hinter jeder Berührung steckte. Es war nicht die Sanftheit gewesen, die sie bei Rose und Scorpius gesehen hatte. Stattdessen erinnerte sich an Verzweiflung, Kampf, beinahe Aggressivität. An die Genugtuung ihr Ziel erreicht zu haben, das verzehrende Gefühl seiner Berührungen. Sie hatte Recht behalten. Niemand anderes hätte sie so gekonnt zerrinnen, sie von einem wilden Sturm verschlingen lassen, während es sich so gut angefühlt hatte. Nicht sicher, nicht richtig, nicht liebevoll, nur gut. Schwindel erfasste sie in der Erinnerung an Blitze und Flammen in ihrem Körper und tobende Gewalten um sie herum. Bei ihrem Abschied war sie so stark gewesen. Hatte die Oberhand behalten, doch in Wahrheit hatte sie zu keinem Augenblick im Griff gehabt, was vor sich ging. Nicht einmal sich selbst im Griff gehabt. Übelkeit angesichts ihrer Tat kämpfte mit der Vollkommenheit der Emotionen. Lysander hatte Recht. Sie war nicht zu jung für Küsse, für Romanze, doch mit solcher Ausführung jener konfrontiert war sie ein Kind, das hilflos in dem Geschehen ertrunken war und sich nun schämte für die Sehnsucht nach eben dem. Einerseits war der Abend befriedigend gewesen. Sie hatte ihr Ziel erreicht, hatte den Weg dort hin genossen. Doch sie fühlte sich nicht bereit. Fühlte sich außerhalb seiner Hände keineswegs begehrenswert und vor allem und am Schlimmsten: Lily hatte nicht genug gehabt. Ihr Verlangen nach Liebe und Männern war immer auf ein Minimum beschränkt gewesen, doch nun hinterließ das Ausbleiben jener eine zerrende Hohlheit in ihr. Bei seinem Anblick zog sich ihr Magen zusammen, ihr wurde schwindelig, ihr wurde schlecht. Gutes und Schlechtes zugleich. Wie wenn ein Engel einen Teufel küsst. Erschrocken sprang sie zur Seite, als die Tür erneut aufging und Scamander heraustrat. Vielleicht wollte er sie fragen, warum sie noch da war, doch er tat es nicht. Er sah die Röte auf ihren Wangen und biss hart auf. “Erzähl mir bloß nicht, du willst jetzt was von mir, Pottermädchen.” Wütend kniff sie die Augen zusammen.
“Was bildest du dir ein?”, keifte sie. “Ah, das ist schon eher wieder die alte Hexe.” “Ich dachte, ich sei die kleine Hexe.”, gab Lily bissig zurück. “Ich habe viele Spitznamen für dich, Luna. Doch ich glaube am liebsten ist es dir, wenn ich keinen davon in den Mund nehme und stattdessen die echte Lily.” Die Zweideutigkeit schnürte ihr die Kehle zu. “Arroganter Mistkerl.”, zischte sie und seine Augen blitzten vor Freude. “Du weißt genau, warum ich bei dir war und dass das einmalig war.” “Es war einmalig.”, flüsterte er. “Weil ich das will, nicht weil du das willst.” Bevor sie sich umwandte und davon stolzierte, ließ sie es sich nicht nehmen, ihm eine wüste Geste zu zeigen. Von einer Seite auf die andere rollend, versuchte Rose sich in den Schlaf zu wälzen. Keine Position wollte ihr so recht gefallen, immer fühlte sie sich unwohl, zerrte an der Decke, rückte das Kopfkissen, probierte Bauch-, Rücken- und Seitenlage. Irgendwann wurde es ihr zu bunt, sie stieg aus dem Bett und legte sich stur auf den Teppich, wo sie die Arme kreuzte und an die Decke starrte. Ein helles Klacken drang an ihre Ohren und sie öffnete die Augen. Scheinbar hatte der Teppich Wunder gewirkt und sie war in der Tat eingenickt. Noch immer wurde das Zimmer nur vom Mondschein beleuchtet. Klack-Klack ertönte es erneut und Rose blickte auf zu dem Fenster neben ihrem Bett. Eine hübsche kleine Eule hockte auf dem äußeren Fenstersims. Sie legte den Kopf schief und blinzelte mit ihren riesigen, runden Augen. Dann tippte sie mit ihrem Schnabel gegen die Scheibe. Aus Angst ihre Freundinnen könnten erwachen, kroch Rose hinüber und öffnete vorsichtig das Fenster. Am Bein der Eule befand sich ein kleiner, zusammengerollter Zettel. Zärtlich strich sie der Eule über das Haupt, bevor diese davon flatterte. Dann setzte Rose sich wieder auf den Boden und entrollte neugierig das Papier. ‘Kleine Löwin, ich hoffe, mit meiner Nachricht wecke ich dich nicht. Das heißt, ich hoffe, du bist noch wach. Es tut mir leid, dass ich heute keine Zeit für dich hatte und im Schlafsaal wurde bis jetzt gefeiert. Du fehlst mir. Wenn du also nicht schläfst und Lust auf einen nächtlichen Spaziergang hast, triff mich am Schlossportal. Ich werde zehn Minuten warten.
Solltest du schon schlafen, hoffe ich, dass du schön geträumt hast und ich dich morgen sehen kann.
Dein Scorpius.’ Gerührt lächelnd schlüpfte sie in ihre Kuschelhose und steckte den Zettel in deren Tasche. Dann streifte sie ihren Wintermantel, einen flauschigen roten Schal, ihr Boots und Ohrwärmer über und schlich aus dem Schlafsaal. Zu dieser Tageszeit waren der Gemeinschaftsraum und das restliche Schloss natürlich leer, dennoch ließ sie Vorsicht walten. Sollte Mrs Norris Nummer 3 sie erwischen, wäre es ganz schnell aus mit dem Spaß. Alles, was sie sich in ihrem ungemütlichen Bett gewünscht hatte, war eine warme Schulter, an die sie sich lehnen könnte. Scorpius Schulter, welche sich schon so oft als zuverlässiges Kissen erwiesen hatte. Wie versprochen erwartete er sie am Schlossportal. Es hatte wieder zu schneien begonnen und weiße Flocken glitzerten in seinem Haar. “Hallo.”, flüsterte sie und ließ sich von ihm an seine Brust ziehen. Lange, doch viel zu kurz hielten sie einander. Scorpius lehnte sein Kinn gegen ihren Kopf und küsste mehrmals ihr Haupt. “Hallo, Süße. Tut mir wirklich leid, dass ich keine Minute hatte für dich.” “Macht nichts.”, versicherte sie ihm unbeschwert. Nun, da er sie bei sich hielt und er ganz allein ihrer war, machte es in der Tat nichts. Alles vergangene spielte keine Rolle mehr. Wie hatte sie sechs Jahre diese Schule besucht, ohne ihr persönliches Wunder Scorpius Malfoy zu entdecken? Es erschien ihr wie verschwendete Zeit. “Herzlichen Glückwunsch übrigens.”, fügte sie wie aus allen Wolken hinzu, denn durch die zeitliche Distanz zum Spiel, hatte sie es schon völlig vergessen.
“Und danke, danke, danke, dass du meinen Bruder gerettet hast!” Stürmisch nahm sie ihn erneut in die Arme. “War doch selbstverständlich.”, zwinkerte er, doch sie schüttelte heftig den Kopf.
“Nein, du bist mein Held. Genieße das.” Mit einem Lächeln drückte sie ihm einen Kuss auf den Mund. Er hatte flüchtig sein sollen, doch Scorpius Pläne sahen anders aus. Nun da ihre Lippen einmal in Reichweite waren, nutzte er den Augenblick in vollen Zügen aus. Der Kuss spendete ihnen Wärme, doch bald begannen sie dennoch zu frösteln. Scorpius nahm ihre Hand und sie schlenderten in Richtung des tiefschwarzen Sees. “Mir gefällt deine Hose.”, erwähnte er beiläufig und sie lief rot an. “Ich wollte mich beeilen, um dich zu erwischen und da -” “Nein, sie gefällt mir wirklich.” Gerne hätte er ihr gesagt, wie sehr er ihre Lässigkeit liebte. Ihre Natürlichkeit. Die Fähigkeit in den beiläufigsten Kleidungsstücken zu strahlen. Nein, zu strahlen, weil sie sie beiläufig tragen konnte. Er liebte ihr ungeschminktes Gesicht, die vor Kälte rosa Nase und den zotteligen Haarknoten. So sah sie nur für ihn aus. Ganz seins. “Meine Freundinnen schöpfen Verdacht.”, riss Rose ihn aus seinen Gedanken. “Ja.” Sie schwieg unbehaglich. “Manchmal wünsche ich mir, sie könnten es wissen.”, flüsterte Rose. “Oder vielleicht, dass sie dich wenigstens mögen würden.” Aus Unsicherheit, was er sagen sollte, schwieg er. “Es macht mich neidisch, weißt du, wenn ich sehe, dass Amy ihren Freund und ihre Freundinnen haben kann.” Als seien ihr ihre Gedanken peinlich, murmelte sie nur noch vor sich hin. “Ich wünschte, es gäbe diese Harmonie. Dass wir uns alle verstehen.” “An mir liegt es nicht.”, gab Scorpius zu bedenken.
“Na gut, Amy und Dome können dich eben nicht leiden. Und Fred auch nicht mehr. Und deine Freunde können sie auch nicht leiden.”
“Dabei scheinen Dominique und Earl ganz gut klarzukommen.” “Wenn es so einfach ist, warum verstecken wir uns dann?”, sprach sie lauter und auch ein wenig ärgerlich. “Hey.” Erneut stehen geblieben strich er ihr beruhigend über die Wange. “Ich wollte das nicht herab spielen.” “Ich weiß.”, erwiderte sie entschuldigend.
“Vielleicht ist das aber gar nicht so abwegig.” Verwundert hob sie die Augenbrauen. “Na ja, vielleicht können wir unsere Freunde ein bisschen warm reden. Dann ziehen sie wenigstens nicht mehr über einander her. Das würde doch alles einfacher machen, oder?” Rose nickte halbherzig. “Wenigstens etwas.” In Wahrheit jedoch wünschte sie sich so viel mehr. Die Schlangen, die sie bisher so verabscheut hatte, sollten sie mögen. Ja, sie wollte, dass Earl, Lysander und Lindsey sie mochten. Dass sie Rose als Scorpius Freundin anerkannten und guthießen. Dass sie eine feste Variabel in Scorpius Leben wurde. Dass sie zu ihm gehörte. Denn trotz allem war sie doch nur halb seine Freundin. Sonst hätte sie heute mit ihm und den Slytherins seinen Sieg feiern können. Hätte offen ihren Stolz auf ihren Freund zeigen können. Vielleicht würde diese blöde Häuserrivalität nach Hogwarts auch abklingen. Sie wanderten am Ufer entlang durch die Nacht und ließen die Zeit ungeachtet verstreichen. Mal Hand in Hand, mal Arm in Arm. “Süße Löwin.”, murmelte Scorpius irgendwann in ihr Haar. “Wenn wir das Frühstück nicht verpassen wollen, rufen unsere Betten.” Mit müden Augen blickte sie zu ihm auf. “Unser Bett.”, wisperte sie und er sah traurig zur Seite. “Komm, Süße, ich trage dich, du bist ja kaum noch wach.” Ohne Widerspruch ließ sie sich auf seine Arme heben und kaum hatte er den Geheimgang im zweiten Stock betreten, war sie auch schon gegen seine Schulter eingeschlafen.
Glücklicherweise hatte der vorher getrunkene Alkohol seine Kondition nicht vollkommen ausgelöscht, sodass ihn hauptsächlich sein warmer Aufzug ins Schwitzen brachte. “Spießdrehhund.”, flüsterte er der enorm Fetten Dame zu und sie schwang neugierig hinunter lukend zur Seite. Albus sei Dank kannte er das Passwort, doch an der Treppe zum Mädchenschlafsaal wurde ihm bewusst, dass er Rose ohnehin wecken musste. Zum Test hatte er die Fußspitze auf eine Stufe gelegt und augenblicklich verwandelte sich der Aufgang in eine Rutsche. Die Gryffindormädchen waren definitiv von anderem Kaliber als die Slytherins. Dort wurde jeder Junge in den Mädchenschlafsälen beinahe mit rotem Teppich und Fanfaren willkommen geheißen. Zumindest in jedermanns Fantasie. Beim Anblick ihres schlummernden Gesichts schmerzte ihn der Gedanke, sie aufzuwecken. Es erschien ihm wie ein Verbrechen, diese Seligkeit zu vertreiben. Allein die Ironie dieser Situation machte die Unausweichlichkeit absurd. Wie viele Mädchen hatte Scorpius Eintritt zu seinem Bett gewährt? Hatte unbefangen sein Laken mit ihnen geteilt, gleich unter der Nase seiner Freunde. Ganz genau wie sie es auch handhabten. Doch seine Freundin, das eine Mädchen, das sein Herz für sich gewonnen hatte und dem er es nie wieder abnehmen wollte, seine Freundin konnte in seinem Bett nicht gesehen werden. “Rosie. Hey, kleine Schneelöwin.”, flüsterte er und rieb seine Nase gegen ihre Stirn. Schläfrig blinzelte sie zu ihm auf. “Ich kann Euch leider nicht bis ganz ans Bett tragen, Prinzessin.” Bedauernd setzte er sie ab. “Komm mit mir.”, bat sie in müder Trance, doch er musste mit einem Kopfschütteln antworten.
“Mir ist alles egal.”, versuchte sie es ein letztes Mal. “Tut mir leid, mein Schäfchen.” “Mmhh, Schäfchen.”, schmunzelte sie zufrieden gegen seine Brust. Dann hob sie ihren schweren Kopf und küsste ihn gute Nacht. “Ich liebe dich.”, versicherte er. “Ich liebe dich.” Er wartete, bis sie die wieder normale Treppe hochgestiegen war, bevor er den Rückweg antrat. Neben dem nervenaufreibenden Quidditchspiel brachte der Februar ein Gefühl für Verpflichtung mit sich. Für diesen Monat waren Sonderstunden zum Thema Berufsberatung angesetzt, für die alle Schüler der Siebten Klasse jede Woche eine Stunde ihres Nachmittags opfern mussten. An diesem tristen Dienstag hatte man die Schüler zu Grüppchen versammelt, in denen sie Interviews anhand eines vorgeschriebenen Leitfadens simulieren sollten. Wie Scorpius und Rose unauffällig eingefädelt hatten, saßen ihre Freunde alle bei einander. Dominique, Roxanne und Fred, sowie Earl, Lysander und Lindsey und Rose, Scorpius und Albus arbeiteten gemeinsam. “Wie würden Sie ihre Stärken beurteilen?”, fragte Rose Albus und er begann zu griemeln. “Ähm, ich spiele gerne Quidditch.” “Das ist schon mal ganz schlecht.”, fuhr Rose ihm dazwischen. Gebannt beobachtete Albus wie McGonagall sich leise entschuldigte, sie habe etwas zu erledigen und alle sollen fortfahren und dann den Raum verließ. “Bitte?”, fragte er. “Das ‘Ähm’.”, bekräftigte Rose. “Und ich habe nach deinen Stärken gefragt. Nicht deinen Interessen. Noch mal: Wie würden sie ihre Stärken beurteilen?” “Ich bin ein ausgezeichneter Sucher für das Team von Slytherin.” “Und inwiefern glauben Sie, dass Sie das in diesem Job weiter bringt?”, hakte Rose die nächste Frage ab und Albus schnaubte.
“Hallo?! Ich bewerbe mich hier für ein Quidditchteam!” Scorpius kicherte verhalten und neben ihnen knallte Earl das Script auf den Tisch. “Jetzt sag mal, wer hat das Gerücht in die Welt gesetzt, dass Arbeit sein muss? Das war doch sicher jemand unter Drogeneinfluss.” “Wie willst du sonst Geld verdienen?”, stellte Roxanne genervt die Gegenfrage.
“Diebstahl.”, witzelte Earl, doch niemand konnte so Recht mit lachen. “Zur Strafe geht’s jetzt barfuß ins Bett und da kannst du dann träumen, wie Elfen dir helfen.” Die Augen verdrehend wandte Roxanne sich ab, doch Earl ließ ihr keine Ruhe. “Besser als jeden Tag derselbe Trott. ‘Ich bin Roxanne.’”, imitierte er sie auf äußerst alberne Art und Weise. “‘Der Wecker klingelt, das klingt so.’ Dring-dring-dring-dring.”, machte er laut und sprach dann mit hoher Pieps-Roxannestimme weiter. “‘Und ich reib mir die Augen und bin froh. Ich darf arbeiten geh’n, draußen regnet es mal wieder, ach, das Leben ist schön.’” Selbst die Gryffindors mussten ein bisschen lachen. Interessiert am Thema der Konversation lehnte Dominique sich vor. 
“Ich bewundere alle Menschen, die in großen Städten wohnen, wo man niemals ganz allein ist. Immer einer von Millionen irgendwie. Und man stürzt sich ins Getümmel und der Strom reißt einen mit und man hat ein bisschen Mühe, doch man hält irgendwie Schritt.” In Gedanken verpasste sie ihrem Stück Pergament ein Eselsohr. “Und man sieht Werbung, wohin man auch schaut, denn auf Werbung ist unsere Wirtschaft aufgebaut.”, zerstörte Lysander sogleich ihre leicht philosopische Vorstellung einer Großstadt. “Und es gibt Werbung für alles, was man nicht braucht!”, klinkte sich nun Scorpius kopfschüttelnd ein. “Damit man fliegende Autos fährt, anders riecht und dabei raucht.” “An Rauchen ist ja auch nichts falsches.”, zwinkerte Lysander. Plötzlich öffnete Carl ein paar Tische weiter den Mund und unterbrach so sein Übungsinterview. “Gegen die Werbung kann man ja gar nichts mehr machen. Die ist so präsent, aber unterschwellig, dass man seine Kaufwünsche kaum bemerkt. Dagegen helfen keine Pillen und auch keine Prophylaxen.”, sagte er weise. Theatralisch warf sich Albus zu Boden und reckte die Arme gen Decke. 
“Ich bin hilflos, denn meine Wünsche wachsen in dem Maß, in dem mein Einkommen steigt.” “Sodass mein Glück immer gleich unerreichbar bleibt.”, fügte Dominique nachdenklich hinzu. “Man kann also niemals genug verdienen, aber hält das einen vom Glücklichsein ab?” “Es ist ein bisschen wie beim Turmbau zu Babylon.” Alle sahen überrascht zu Fred aufgrund seiner Hintergrundkenntnisse. “Ich habe so viele Träume und hier ist einer davon: Eine Insel mitten im Meer, da ist das Leben nicht schwer.” Wissend sah er zu den anderen und nickte bedeutungsschwanger, um seine Worte wirken zu lassen. “Kein Stress, keine Arbeit, kein Berufsverkehr. Ich träume oft davon, wie schön es wär.” “Ein schöner Traum - zurück zur Realität.”, unterbrach Lindsey ihn barsch. “Du willst eine Insel? Ich sag dir, was geht: Zwei Wochen Ibiza, einmal im Jahr. Fang schon mal an zu sparen.” “Bingo, wir haben unseren Pessimisten gefunden!”, rief Fred freudlos. “Ist doch wahr!”, gab sie patzig zurück. Endlich meldete auch Rose sich traurig zu Wort. “Und der Vater fragt: Warum haben wir nie Geld, mein Kind?” “Weil wir nicht im Besitz der Produktionsmittel sind.”, antwortete Carl eifrig. “Und der Mehrwert den wir schaffen, macht andere reich und die bauen sich dann Villen oder kaufen sich gleich -” “Eine Insel mitten im Meer, denn da ist das Leben nicht schwer!”, warf Fred ein und entlockte den anderen ein Lachen. “Dann müssen wir einfach die Reichen sein.” Lysander hieb bestimmt mit der Hand auf den Tisch.
 “Viel Spaß dabei.”, murmelte Dominique. Fred war weiterhin in seiner Traumwelt gefangen. “Blaues Meer und weißer Sand und hoher Himmel und weiter Strand.” “Und viel Wasser und wenig Land.”, fügte Albus glückselig hinzu, worauf Roxanne rief: “Und keine Krokodile, aber Kokosnüsse.” Gemeinsam lachten Slytherins und Gryffindors in Gedenken an die Trauminsel. “Irgendwann, wenn wir alle stinkreich sind, kaufen wir eine verlassene Insel. Oder mieten zumindest eine.”, schlug Albus sich streckend und gähnend vor. 
In dem Augenblick öffnete sich die Tür, da McGonagall sich wohl entschieden hatte, ihrer Aufsichtspflicht nach zu kommen. Rasch richteten sich alle auf und begannen an irgendeinem Punk des Scripts. “Warum sind Sie der Beste Kandidat für diesen Job?”, erkundigte Rose sich mit fachmännischem Blick. Immer noch fläzend zwinkerte Albus ihr zu. “Mein Name ist Potter und ich seh’ gut aus.” “Na, dann haben Sie den Job!”, lachte Rose. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)