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Poisonous Berry

von

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Juns Idee

Ein nervöses Rascheln erfüllte den Raum, als ich mich ruckartig aufsetzte. Eben noch glaubte ich, im Zuge unserer Unterhaltung langsam weg zu dämmern und schließlich einzuschlafen, und dann sagte er plötzlich sowas!

„Ist das dein Ernst!?“

Die Überraschung gab meiner Stimme eine beinah hysterische Färbung, doch Jun ließ das kalt. Er zuckte gleichmütig mit den Schultern und lächelte zu mir hinauf. Für einen Moment vergaß ich meine Überraschung, ließ mich nur allzu bereitwillig von diesem schönen Lächeln auf andere Gedanken bringen.

„Natürlich, Jui. Sonst hätte ich es ja nicht gesagt.“

„Und was ist mit Spiv States?“, hakte ich nach und setzte mich nun in den Schneidersitz, ohne Jun dabei aus den Augen zu lassen. Wie beiläufig rückte ich die Decke über meinen Schoß, die mehr entblößt hatte, als es im Moment angebracht war.

Jun hatte es gesehen, aber überging es mit einem Grinsen und zuckte erneut mit den Schultern. „Was soll schon damit sein? Es ist doch nur ein Projekt… Um Erfahrungen zu sammeln und so. Iori weiß das auch, dass das nichts auf Dauer ist.“

Für einen kurzen Moment war ich versucht, dieses Verhalten auf die Unbedarftheit der Jugend zu schieben, aber noch bevor ich etwas dergleichen äußerte, erinnerte ich mich daran, dass wir einen Altersunterschied von gerade mal zwei Jahren hatten. Einen solchen Spruch zu bringen, kam dann sicherlich nicht allzu gut an. Und nichts lag mir ferner, als Jun in einem Moment wie diesem vor den Kopf zu stoßen. In einem Moment, in dem Jun mir so ein unglaubliches, um nicht zu sagen irrwitziges Angebot machte.

„Aber du singst doch so gerne!“

„Ich spiele auch gerne Gitarre“, erwiderte Jun. Das Lächeln war bedeutend kleiner geworden und nun richtete auch er sich ein Stück weiter auf, um das Gespräch auf Augenhöhe zu führen.

„Oder hast du keinen Bock auf mich?“

Die Enttäuschung, die sich in Juns Augen geschlichen hatte, versetzte mir einen Stich mitten ins Herz, als sich unsere Blicke einen Wimpernschlag lang trafen.

„Was? Nein, Quatsch, das ist es nicht…“

Genau genommen fiel mir niemand ein, mit dem ich lieber meine Zeit verbrachte als mit Jun. Und genau das war das Problem – nämlich, dass ich wollte, dass es auch so blieb.

„Was denn dann? Mann, Jui, du kannst doch nicht ewig arbeitslos bleiben!“

Für gewöhnlich liebte ich diese Art an Jun, dass er sich niemals viele Gedanken über seine Wortwahl machte, sondern immer alles direkt aussprach, was ihm auf der Zunge lag. Doch jetzt gerade hasste ich ihn dafür. Die Worte waren vermutlich nicht so verletzend gemeint wie sie mich erreichten, aber der Schuss aus einem Revolver tat immer weh – auch, wenn man den Abzug sanft drückte.

Und dieser Schuss traf mich – genau dort, wo es richtig wehtat: in meinem Stolz. Sofort kippte die Stimmung und blanke Wut machte sich in mir breit.

„Ewig arbeitslos!? Ich hab im Januar meine Band verloren, weil ich KRANK war; im April bereits mein Soloalbum veröffentlicht; damit auf Tour gegangen bis Juli…“

Hier endete die Aufzählung. Inzwischen war der Januar zurückgekehrt und das Soloalbum hatte sich auch eher mittelprächtig verkauft. Ja, vielleicht musste ich im Moment etwas sparsamer leben, aber das machte mich noch lange nicht asozial! Noch bekam ich Tantiemen und von meinen Ersparnissen konnte ich die nächsten Monatsmieten auch erbringen.

„Raste doch nicht gleich aus!“, beschwichtigte Jun mich lachend, hob abwehrend die Hände in die Höhe. „Manchmal bist du echt schlimmer als jede Tussi.“

Meine Finger krallten sich in den Bettbezug, denn das war besser, als wenn sie sich in Juns Gesicht gekrallt hätten. Obwohl er das durchaus verdient hätte.

„Sonst noch was!? Ich bin dir zu asozial, zu tussig,…! Was mache ich überhaupt hier!?“

Ich wandte mich abrupt ab und beugte mich über den Bettrand, um dort meine Kleidung aufzulesen. Während dieser Bewegung spürte ich den hämmernden Kopfschmerz, das Zeugnis meiner Müdigkeit. Es war mitten in der Nacht und eigentlich hatten wir nach einem schönen Schäferstündchen nur noch ein bisschen reden und dann einschlafen wollen.

Stattdessen war die Stimmung nun vollkommen ruiniert. An Schlaf war nicht mehr zu denken – zumindest nicht neben diesem Typen, der mich so sehr in Rage brachte.

Ich griff nach meiner Unterhose, die auf der Spitze des Wäschebergs lag. In diesem Moment spürte ich wie Juns Hand meinen Oberarm umfasste und mich zu sich ziehen wollte. Ich wehrte sie mit meiner freien Hand ab, hatte nicht im Geringsten vor, mich besänftigen zu lassen. Jun musste die Konsequenzen aus seinem Handeln ziehen, und außerdem war ich beleidigt und wollte es auch noch eine Weile bleiben.

Wieder griff der Gitarrist nach mir, packte mich dieses Mal mit beiden Händen an den Schultern.

„Vergiss es, Jun, darauf hab ich jetzt keinen Bock!“, fauchte ich drohend. Ein kurzes Handgemenge folgte und ehe ich mich versah, lag ich bereits auf dem Rücken und Jun auf mir. Den aufkeimenden Protest unterdrückte er, in dem er meine Lippen mit seinen verschloss.
 

Allein schon aus Prinzip weigerte ich mich, die Augen zu schließen. Ich richtete sie demonstrativ auf Jun, dessen Gesicht diesen erotischen, sinnlichen Ausdruck angenommen hatte, der mich schon immer um den Verstand gebracht hatte. Ich wusste selbst nicht, warum, aber die Wut fiel schlagartig von mir ab, entlud sich mit einem tiefen Atemzug, während Juns Zunge sanft über meine Lippen kitzelte. Ich kostete mich all meine Kraft, um ein wohliges Aufseufzen zumindest klein zu halten.

Warum nur war dieser Kerl so erotisch?

Ich kannte niemanden dieses Alters, der so heiß wie dieser Gitarrist war. Nicht umsonst hatte ich mich sonst immer mit älteren Männern getroffen. Jun war der erste Mann, der sogar jünger als ich selbst war und nachdem wir das erste Mal im Bett gelandet waren, hätte ich auch kaum für möglich gehalten, dass aus uns mehr als ein One Night Stand werden würde.

Trotzdem trafen wir uns nun schon seit einigen Monaten in regelmäßigen Abständen und obwohl wir kein Paar waren, verhielten wir uns immer mehr wie eins. Auch konnte ich nicht abstreiten, dass ich allmählich Gefühle entwickelte, die ich absolut nicht erwartet hatte.

Und das Beste daran war, dass Jun kein Aufreißer war. Somit stand ich völlig außer Konkurrenz und konnte mir die Zeit nehmen, die ich brauchte, um zu entscheiden, wie es mit uns weitergehen sollte. Zum Glück hakte Jun nie nach, wie ich unsere Beziehung beurteilte.
 

Juns Lippen lösten sich von meinen. Ganz allmählich hob er den Kopf, öffnete dabei seine Augen. Unsere Blicke trafen sich und sofort spürte ich das Kribbeln in meiner Magengegend, das mir in der letzten Zeit so vertraut geworden ist.

„Prinz Val…“, sagte Jun leise, während er mich mit diesem verträumten Ausdruck musterte. Ehrlich gesagt, fand ich es schon ein wenig abgedroschen, dass er mich offensichtlich als Prinz bezeichnete. Das klang irgendwie, als wäre es einem schlechten Groschenroman entsprungen. Und wie Jun darauf kam, war mir auch ein Rätsel. Doch ich lächelte. Und vermutlich lag auch eine stumme Frage in meinem Ausdruck, denn sofort beantwortete er sie mir mit feierlichem Grinsen. „Kennst du nicht das Manga „Crimson Spell“? Da verwandelt sich Prinz Val in ein abscheuliches Monster und der Magier Havi kann ihn nur zurück verwandeln, indem er ihm seinen Zauberstab in den Hintern steckt.“

Nach dieser Erklärung trat augenblicklich Stille ein.

So still, dass ich glaubte, trotz seiner zentralen Wohnlage in Tokyo Grillen zirpen zu hören. Aber vermutlich war das nur das Blut, das in meinen Ohren rauschte.

Schlagartig wurde mir wieder bewusst, warum ich sonst nur mit Älteren schlief. Mit reifen, charmanten Männern, die alles Mögliche taten, aber sicherlich keine Yaoi-Mangas lasen und sich so ungeschickt ausdrückten.

„Jun!“, stieß ich schließlich fassungslos aus. „Wie kann man nur SO unromantisch sein!?“

Die Antwort darauf war ein weiteres Achselzucken, kombiniert mit einem kindlichen Lächeln, für das ich hätte töten können.

Ich hasste diese Achterbahn der Gefühle, die mich ständig von einer Emotion zur nächsten, völlig gegensätzlichen warf, sobald ich mit ihm zusammen war.

„Also, was ist nun? Nimmst du mein Angebot an?“

Ach ja, das Angebot. Ich hatte im Eifer des Gefechts völlig vergessen, worum es eigentlich ging, bevor ich das Weite suchen wollte.

Ich ließ mir das Gesagte noch einmal durch den Kopf gegen, versuchte, pro und contra gegeneinander aufzuwiegen.

„Ich meine, du brauchst eh nen Gitarristen. Die aus deiner alten Band kannst vergessen und alle Guten, die ich kenne, haben schon Bands. Den Rest kannst du in der Pfeife rauchen… außerdem haben die dich bestimmt nicht im Griff.“

„Als wenn man mich im Griff haben müsste…“

„Warum ist noch mal deine Band zerbrochen…?“

„Musikalische Differenzen“, leierte ich die offizielle Erklärung herunter, wie ich es schon tausende Male getan hatte. Dieses Frage-Antwort-Spiel nervte mich jetzt schon.

„Und warum wirklich?“

Ich sah nicht ein, warum ich darauf weiterhin eingehen sollte. Um die Stille zu überbrücken, fuhr Jun fort: „Ach, komm, wir wissen beide, wie anstrengend du sein kannst. Ist doch kein Zufall, dass die nichts mehr mit dir zu tun haben wollen. Aber ich, ich hab den Zauberstab!“

Ich rollte mit den Augen. Jun war einfach unmöglich! Fehlte nur noch, dass er anfing, mit seinem Genital herum zu wedeln. Und überhaupt war es irgendwie lustiger, wenn Jun so etwas über andere sagte, und nicht über mich und dann auch noch einfach so in mein Gesicht, während er nackt auf mir lag.

Trotzdem hatte er natürlich nicht völlig Unrecht. Bis auf Tero war mir keiner mehr besonders freundlich gesonnen. Giru vielleicht noch, aber dem kam die Auflösung sowieso ganz recht, nachdem er das Angebot erhalten hatte, bei Angelo einzusteigen.

Ihn, Rame und Shun brauchte ich daher nicht fragen, ob sie mit mir eine neue Band gründeten. Jun hingegen wollte es und immerhin würden die Proben mit ihm sicherlich lustig werden. Und ich verstand mich gut mit ihm. Wenn auch zu gut, wahrscheinlich. Ich seufzte frustriert auf.

„Weißt du, Jun, es gibt da dieses Sprichwort: Never fuck the company!“

Der Gitarrist rollte sich von mir herunter, doch seine Hand verharrte auf meinem Körper, streichelte sanft über meine Brust.

„Wir haben aber gefucked bevor wir zur Company wurden. Das zählt dann nicht.“

Ich überhörte den sinnlosen Kommentar gekonnt.

„Ich hab einfach Angst, dass wir uns auf die Nerven gehen, wenn wir uns beruflich und privat ständig sehen… Und dann trennen wir uns und wer weiß, was dann aus der Band wird!“

Dieses Mal war ich es, der unüberlegt sprach. Möglicherweise war diese Unart ansteckend. Zumindest aber brachte es zur Abwechslung auch mal Jun aus dem Konzept. Die Streicheleinheiten fanden ein jähes Ende.

„Wir sind doch gar nicht zusammen, dachte ich?“, fragte er sichtlich verwirrt.

Erneut schob sich die Stille wie ein Keil zwischen uns. Aber dieses Mal war es die Verlegenheit und Beschämung, die sie auslöste.

„Ähm… ja. Richtig…“

„Siehste, wenn wir nicht zusammen sind, können wir uns auch nicht trennen!“

Ich blickte auf, und was ich im Gesicht des Gitarristen lesen konnte, war der aufrichtige Wunsch, fast schon ein Flehen, nach meiner Zustimmung.

Wie sollte ich in der Lage sein, ihm etwas abzuschlagen, wenn er mich so ansah?

Und so beugte ich mich statt einer Antwort zu dem anderen vor und bedeckte dessen Lippen mit einem langen Kuss.

„Also gut… lass es uns versuchen“, willigte ich schließlich ein. Als ich die Zweideutigkeit meiner eigenen Worte bemerkte, fügte ich hinzu: „Mit der Band, meine ich.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Phoenix_Michie
2013-11-27T13:17:02+00:00 27.11.2013 14:17
Ach Mensch, warum hab ich das nicht schon vorher angefangen zu lesen? xD
Die beiden sind mir ja auf Anhieb sympathisch, genauso wie dein Schreibstil *^* Der ist wirklich schön :3 Nicht so plump, sondern abwechslungsreich und gut kombiniert. Findet man ja so ausgereift sehr selten.
Ach Jun und Jui sind teilweise schon sehr witzig xD' Ich hatte einiges zu lachen ^^

oh und..never fuck the company?! Ich dachte, ich wäre die Einzige, die den Spruch kennt! Aber er ist doch noch anderen, in diesem Fall dir, ein Begriff, juhu XD

*gespannt weiter les*
Von:  Panakeia
2013-10-30T17:54:42+00:00 30.10.2013 18:54
Oh Gott! Ich liebe die... Beziehung zwischen den beiden!!
Das ist echt so niedlich xDD

Und Jun hat mich hier wirklich mehrfach zum Lachen gebracht (ne Freundin von mir wurde mit Zitaten aus diesem Kapitel zugespammt, weil ichs nich für mich behalten konnte ûu")

Sehr schön, dass schon weitere Kapitel draußen sind! Heute wird mir sicher nicht mehr langweilig!
Von:  -Kurayami-
2013-04-02T17:31:47+00:00 02.04.2013 19:31
Wuuuuhuuuuu :D
Die erste Fanfic die ich gelesen hab und dann auch noch so eine gute^^
Find deinen Schreibstil wirklich toll und wie du den Charakteren dadurch Leben und Persönlichkeit einhauchst :)
Bin echt auf die weiteren Kapitel gespannt und seh es schon kommen, dass ich deinetwegen noch anfange auf Shonen Ai zu stehen XD
Von:  AKIHIRO
2013-04-02T07:51:58+00:00 02.04.2013 09:51
Herrlich! :D
Endlich mal wieder was Neues von dir. ^^
Ich mag deinen Schreibstil, besonders wegen diesen gewissen, humoristischen Komponenten...
Besonders diese Crimson-Spell-Erwähnung...
"[...]ich hab den Zauberstab!“ Herrlich!
„Wir haben aber gefucked bevor wir zur Company wurden. Das zählt dann nicht." ...ich liebe Jun schon jetzt! :,D

Und damit der gute Ton bewahrt bleibt:
So qeil!!!11elf Schreib schnell weitah! ヽ(*≧ω≦)ノ
Von:  -juujun-
2013-03-31T21:51:48+00:00 31.03.2013 23:51
das ist wirklich eine tolle idee. die thematik und die charaktere gefallen mir sehr... und auch sonst lässt es sich gut lesen. freue mich schon aufda nächste kapitel :-)


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