Broken Record von Flordelis ================================================================================ Fourth Record: Because of my mistake our team is in pieces. ----------------------------------------------------------- Der Kampf war aussichtslos, genau wie Arnaud es geahnt hatte. In diesem Moment war er froh darum, gar nicht erst aktiv daran teilgenommen zu haben. Jude, Yulie und Raquel knieten erschöpft auf dem Boden, während Arnaud abseits stand und sie betrachtete. Er spürte einen schwachen Schimmer von Besorgnis, konnte aber nicht sagen, ob dieser seinen Kameraden oder ihm selbst galt. Mit lässigen Schritten näherte Scythe sich ihnen. „Meine Macht über das Raumgefüge erlaubt mir auf dem Schlachtfeld, anzugreifen oder mich zu verteidigen, ganz nach meinem Willen.“ Er verzog seine Mundwinkel zu einem gehässigen Grinsen. „Ich habe keine Geduld für Kinder, die sich Erwachsenen widersetzen und schon gar nicht gewöhnlichen Menschen, die einen Crimson Noble herausfordern!“ „Wehe, du wagst es, Yulie anzurühren...“, brachte Jude kraftlos hervor. Etwas, was Arnauds Erstaunen weckte. Selbst in diesem Moment, in dem er dem Tode so nahe war, wie vermutlich niemals zuvor, galt seine Sorge dem jungen Mädchen, das er zu beschützen geschworen hatte. Doch im selben Moment, in dem er bemerkte, dass so etwas wie Bewunderung in ihm erwachte, verscheuchte er diesen Gedanken sofort. Es musste die Naivität sein, die da aus dem Jungen sprach, ganz genau! „Das würde mir im Traum nicht einfallen“, sagte Scythe gefällig. „Weißt du, ich habe einiges an Erfahrung im Umgang mit Frauen. Ich habe nicht die Absicht, ihr irgendwie zu schaden...“ Jude sagte nichts, schien aber erleichtert aufzuatmen, als er das hörte. Arnaud wollte das auch tun, aber da fuhr Scythe bereits fort: „Ihr Kinder seid jedoch eine ganze andere Geschichte. Ihr habt einen Haufen Probleme auf meinem Schiff verursacht und ich habe keine Wahl, als euch für eure Taten büßen zu lassen. Also...“ Er warf einen prüfenden Blick umher, als müsste er sich erst etwas einfallen lassen, um sie zu bestrafen, aber zu Arnauds Unglück schaffte er das rasch. „Wie wäre es mit ein wenig illegalem Schuttabladen vom Himmel aus...?“ Alles in Arnauds Innerem zog sich zusammen, allein bei dem Gedanken, aus dieser Höhe den Boden unter den Füßen zu verlieren. Er musste das unter allen Umständen verhindern. „W-whoa, warte mal! Du bist doch ein Crimson Noble, oder? Du solltest uns einfach irgendwo einsperren! Du willst uns nicht töten! Auf diese Weise kannst du dich von uns ernähren, wann immer du willst! Mmm, klingt das nicht lecker?!“ Eingesperrt zu sein, war auch nicht der ideale Zustand in seinen Augen, aber es war bei weitem besser, als einfach von einem Luftschiff geworfen zu werden, im tiefen Fall, bis man irgendwann auf dem Boden aufschlug und... nein, er wollte sich nicht vorstellen, was geschah, sobald man aufprallte. Der Schmerz war schon in seiner Vorstellung stärker als alles, was er je erleben wollte. Aber zu seiner Enttäuschung wandte Scythe desinteressiert den Blick ab. „Mmm, ich fürchte, ich muss dein Angebot ablehnen. Wenn ich euch leben lasse, besteht die Chance, dass später Probleme für Brionac entstehen.“ Arnaud seufzte schwer, die Hoffnung war viel zu schön gewesen, aber nun zitterten seine Beine wieder. „Belial ist die einzige, die ich benötige, um mich mit Blut zu versorgen. Sie befriedigt mich gut genug. Wo wir gerade davon sprechen... ich frage mich, wo sie ist? Ich habe meine Macht aufgebraucht und könnte ein wenig Auffrischung brauchen.“ Scythe warf einen Blick umher, als er sich nach ihr umsah und Arnaud nutzte die Gelegenheit, um mit einem erschrockenen Schrei – im Moment war ihm wirklich egal, wie er auf alle anderen wirkte – wegzurennen. Er stolperte über seine Füße, schaffte es dennoch, nicht zu stürzen und brachte sich schließlich hinter einer Schaltfläche in trügerische Sicherheit. Er kauerte sich zusammen, die Knie angezogen, die Hände schützend auf seinen Kopf gelegt, aber dennoch schaffte er es nicht, mit dem Zittern aufzuhören. Sein ganzer Körper wurde von seiner Furcht durchgeschüttelt und er wünschte sich, mehr als alles andere, dass die Metapher Angst verleiht Flügel wirklich buchstäblich zu verstehen wäre. Scythe gab ein amüsiertes, fast schon gehässiges Lachen von sich. „Na na, wohin willst du nun gehen? Weißt du denn nicht, dass es keinen Fluchtweg auf diesem Schiff gibt...?“ Ich rannte. Wie lange, war mir in diesem Augenblick nicht klar und ich sollte es auch niemals wirklich erfahren. Aber viel wichtiger war ohnehin, dass ich nicht einmal wusste, wohin ich überhaupt lief. Ich besaß keinerlei Orientierung für die unterirdischen Gänge, in denen Dunkelheit herrschte, wenn man von dem glühenden Moos absah. Aber immerhin war ich weit entfernt von all diesen Monstern und dem magischen Moos, das Leute erschoss. Doch einen Ausgang fand ich auch nicht. Möglicherweise rannte ich auch im Kreis, es gab keinerlei Anzeichen, das mir verraten konnte, wo ich war. Als meine Lungen zu brennen begannen und ich schmerzhaftes Seitenstechen bekam, wusste ich aber, dass ich mich ausruhen musste. Wenn ich vor Erschöpfung zusammenbrach, wäre ich schutzlos allem ausgeliefert, was in diesem Keller lebte – und ich wollte nicht wissen, welche legendären Wesen, von denen noch niemand gehört hatte, dies noch ihr Zuhause nannten. Es gab mehrere Buchten in der Wand, die offenbar einmal dazu gebraucht worden waren, Dinge aufzubewahren. Ich nutzte sie nun, um mich darin auszuruhen, indem ich mich in die hinterste Ecke setzte, in der Hoffnung, dass mich niemand in der Dunkelheit entdecken könnte. Während mein Herzschlag sich langsam wieder beruhigte, meine Atmung sich normalisierte und meine Beine wieder Kraft sammelten, drängte sich etwas anderes mit voller Macht in mein Bewusstsein, obwohl ich es weiterhin zu verdrängen versuchte. Nichts davon wollte ich wissen, aber es ging einfach nicht anders. Zwei Drifter waren getötet worden, ich war weggerannt und wusste so nicht, was aus Chad und Candace geworden war. Die Mission war ein einziger Fehlschlag – und es war nur meine Schuld. Meine Vernunft sagte mir, dass ich nicht hatte wissen können, wie das Moos reagieren würde oder dass diese Monster so widerstandsfähig waren. Aber meine Schuldgefühle ignorierten die Vernunft und wiederholten immer wieder, dass es nur mir zu verdanken wäre, dass diese Gruppe, die durch all die Jahre und die Erfahrungen zusammengeschweißt worden war, zerbrochen war. Nein, sie war regelrecht zerschmettert worden, ohne dass sie je wieder zusammengesetzt werden konnte. Und weswegen? Weil zwei von ihnen getötet wurden, weil ich nicht schlau genug gewesen war. Und ich würde ihrem Schicksal folgen. Niemand von uns würde überleben, davon war ich in diesem Moment überzeugt. So sehr, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn mein Herz einfach entschieden hätte, nicht mehr schlagen zu wollen. Aber es funktionierte weiterhin, tat seine Arbeit, pumpte Blut durch meinen Körper und meine Vernunft war froh darüber. Mein Tod würde nichts ändern und weder Abiel noch Sendoa zurückbringen. Ich musste leben, so gut es eben irgendwie ging. Aber dafür müsste ich auch einen Ausgang finden. Gerade als ich aufstehen wollte, um weiter nach einem solchen zu suchen, hörte ich Schritte und auch leise Stimmen. Ich spitzte meine Ohren und erkannte zu meiner Erleichterung bald, dass es Chad und Candace waren. Immerhin hatten sie also auch überlebt und ich war hier nicht allein. Doch meine Furcht und mein schlechtes Gewissen flüsterte mir ein, dass das eine schlechte Idee war. Ich war schuld am Tod ihrer Freunde, sie wären sicher alles andere als erleichtert, mich zu sehen, vermutlich sogar eher erzürnt und das wollte ich nicht erleben. Also blieb ich sitzen und versuchte, so flach wie nur irgendwie möglich zu atmen, damit sie nicht auf mich aufmerksam werden würden. Sie gingen an meiner Bucht vorbei, unterhielten sich dabei leise und ich konnte aus dem Flüstern nur einen Satz verstehen, der von Candace geäußert wurde: „Ich hoffe, dem Grünschnabel ist nichts passiert. Armer Kerl, sein erster Auftrag und dann so etwas...“ Ich konnte sehen, wie Chad nickte und das verriet mir, dass keiner der beiden mir das wirklich nachtrug, was mich in diesem Moment durchaus rührte – weswegen ich wohl auch ein leises Schluchzen ausstieß, das sich in meiner Kehle aufgebaut hatte. Beide hielten einen kurzen Moment inne, diesmal konnte ich das Flüstern nicht verstehen, aber ich bemerkte immerhin, dass Chads schwere Schritte sich entfernten, während die von Candace wieder zurückkehrten. Sie hielt von meiner Bucht inne, blickte hinein und entdeckte mich rasch, als sie konzentriert in die Dunkelheit sah. Einen kurzen Augenblick lang befürchtete ich, dass ihr Gesicht sich zu einer rachsüchtigen Grimasse verziehen würde, aber stattdessen lächelte sie mich warm an. Sie ging vor mir in die Hocke, um mich auf Augenhöhe betrachten zu können. „Da bist du ja“, sagte sie sanft. „Ich habe mir schon Sorgen gemacht.“ „Warum?“ Sie zog die Brauen zusammen, während sie darüber nachdachte, was ich wohl meinen könnte. Da sie zu keiner Einigung kam, beschloss ich, nachzuhelfen: „Warum hast du dir Sorgen gemacht? Wegen mir sind Abiel und Sendoa tot... und euch habe ich einfach euch selbst überlassen.“ „Aaah, das meinst du.“ Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Chad und ich haben im selben Moment wie du beschlossen, wegzulaufen. Du warst nur schneller im Wegrennen als wir.“ Sie lachte leise, wohl um mir zu zeigen, dass sie wirklich nicht sauer war, da ich immer noch skeptisch dreinblickte. Da sie aber nicht wirklich weitersprach, bestand ich noch einmal darauf: „Aber Abiel und Sendoa...“ Vielleicht wollte ich einfach, dass sie mir Vorwürfe machte, meine Schuldgefühle bestätigte, damit ich mich in diesen ertränken konnte. Doch in diesem Fall enttäuschte sie mich. Ihr Blick wurde zwar wieder ernst, aber ihre Worte klangen immer noch reichlich verständnisvoll, als sie mir eine Frage stellte: „Arnaud, wir sind doch alle Drifter, oder?“ Ich verstand nicht, worauf sie hinauswollte, nickte aber dennoch. „Wir können uns die Aufträge aussuchen, wenn wir wollen, besonders in dem Alter, in dem sich Sendoa und Abiel befanden und in dem Chad und ich immer noch sind. Wir machen es nicht mehr hauptsächlich wegen dem Geld und dem Ruf, wir machen es, weil wir es wollen.“ Mir erschloss sich immer noch nicht, was das werden sollte, deswegen nickte ich einfach noch einmal, in der Hoffnung, dass sie endlich zum Punkt kommen würde, was sie auch sofort tat: „Wir alle wussten, dass es gefährlich werden könnte, wir wissen das bei jedem Auftrag und wenn wir zu einem solchen antreten, tun wir das in der Gewissheit, dass wir vielleicht nicht wiederkommen.“ Ich sagte nichts darauf, aber das hinderte sie nicht daran, weiterzusprechen: „Abiel und Sendoa standen schon oft kurz vor dem Tod und sie wussten, dass sie irgendwann nicht mehr von der Klinge springen können. Du musst dir also wirklich nichts vorwerfen. Schon allein weil niemand von uns hatte wissen können, womit wir es hier zu tun haben.“ Ich konnte spüren, wie ehrlich sie es meinte. Sie sagte das alles nicht nur, um mich zu beruhigen, sondern weil sie von allem, was sie sagte, absolut überzeugt war, es war die Wahrheit. Zum ersten Mal seitdem wir den Monstern begegnet waren, fühlte ich tatsächlich Hoffnung in mir – und gleichzeitig noch mehr Angst. Ihre Worte sagten mir immerhin auch, dass ich als Drifter auch immer damit rechnen müsste, jederzeit zu sterben und ich war mir nicht sicher, ob ich jemals bereit sein würde dafür. „Fühlst du dich jetzt besser?“, fragte sie fürsorglich. „Ja, danke...“ Meine Schuldgefühle wollten zwar noch nicht vollends schweigen, aber ich fühlte mich schon ein wenig besser. Zukunftsängste plagten mich nun ein wenig, aber sie rückten in den Hintergrund, als ich sie darauf hinwies, dass wir erst einmal einen Ausgang mussten. Candace lächelte zufrieden, während mich bereits eine andere Frage beschäftigte: „Wo ist Chad?“ „Er ist vorausgegangen, um einen Ausgang zu suchen. Wir konnten einen Windhauch spüren, deswegen glaubt er, dass es irgendwo einen Weg geben muss, der nach draußen führt.“ Mein Überlebensinstinkt sprang sofort an und gab Vollgas. Ich würde überleben! Ich würde dieses unterirdische Gefängnis verlassen können und wieder den Himmel sehen! Doch genau in dem Moment, in dem meine Euphorie ihren höchsten Punkt erreichte, konnte ich noch etwas anderes hören und das ließ mein Hochgefühl sofort zersplittern. Die Scherben verwandelten sich in Furcht und spießten meine Seele auf, bis zu einem Punkt, an dem ich es kaum noch ertragen konnte und ich mir Flügel wünschte, obwohl diese hier unten ohnehin nutzlos wären. Ich warf einen Blick über Candaces Schulter und musste schlucken. Der ganze Gang war gefüllt mit diesen seltsamen Monstern – sie waren uns gefolgt und sie hatten uns gefunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)