LIFESTYLE made in Japan von mikunyan ================================================================================ Kapitel 1: Der April macht was er will - Auch die Klassenverteilung! -------------------------------------------------------------------- "Ich bin dann weg!", rief ich und verschwand zur Haustür hinaus. Es war ein noch leicht frischer Frühlingstag und ich hatte den Blazer meiner Schuluniform zugeknöpft. Im April war dieses Wetter aber auch keine Seltenheit. Es war Schuljahresbeginn und heute war der erste Schultag. Mein Name ist Ramona König, als ich 10 Jahre alt war, bin ich mit meinen Eltern nach Japan gezogen, da mein Vater berufsbedingt in das Land der aufgehenden Sonne wechseln musste. Wir leben jetzt im schönen Stadtteil Nakano in der Präfektur Tokio, Japan. Mittlerweile bin ich 16 Jahre alt und gehe seit heute in die 2. Klasse der Oberschule. Aufgrund von Ausspracheproblemen stelle ich mich immer als Mona vor, doch von meinen Freunden werde ich Momo genannt. Mit meinen feuerroten Haaren fiel ich immer besonders auf, aber ich hatte mich schon lange an die Blicke gewöhnt und sie machten mir nichts aus. Ich war Mona, eine Gaijin, eine Ausländerin, doch da ich fließend Japanisch sprechen konnte und mich in diesem Land zu Hause fühlte, betrachtete ich mich selbst nicht als solche. Ich ging den Gehweg meiner Straße entlang und befand mich auf direktem Weg zur nächstgelegenen Bahn-Haltestelle Araiyakushimae. Jeden Morgen fuhr ich mit der Bahn zur Schule, da mich der Fußweg umbringen würde, außerdem fuhr ich nicht besonders gerne mit dem Bus *hust*. Ich zog mein Handy aus der Brusttasche der Uniform während ich den Bahnhof betrat. Ich hatte den Vibrationsalarm gespürt und las die Mail einer meiner besten Freundinnen: Rena Kagawa. Momo☆ Guten Moooorgen!(^O^☆♪ Bist du schon hier oder soll ich auf den nächsten Zug warten?(・・?) Rena Da ich noch nicht am Gleis war, schrieb ich ihr, sie solle bitte auf mich warten. Jetzt beeilte ich mich aber auch ein wenig. Ich legte meine Zugkarte auf das Lesegerät der Schranke und konnte diese nach ertöntem Piepen passieren. Ich ging geradewegs Richtung des Gleises, welches mich zum Zug nach Saginomiya brachte. In diesem Bezirk befand sich nämlich meine Schule. In der Nähe meiner Bahnstation hätte es auch eine Oberschule gegeben, ich wollte jedoch dieselbe wie meine Freundinnen besuchen. Mit der Rolltreppe fuhr ich nach unten zum Gleis. Ich blieb nicht wie gewöhnlich auf der linken Seite stehen, sondern ging schnell auf der rechten Seite runter, da Rena bereits wartete. Ich sah sie auch schon bei den Bänken stehen. Schnell stellte ich mich zu ihr. "Guten Morgen. Sorry, heute bin ich etwas später los. Ich hab verpennt...", entschuldigte ich mich bei ihr. "Guten Morgen. Macht doch nichts", lächelte sie und nahm mich in den Arm. Wir mussten nicht lange auf den Zug warten. Viele Schüler waren unterwegs, außerdem befanden sich viele Berufstätige auf dem Weg zur Arbeit. Demnach waren die Züge viel zu voll. Wir bekamen keinen Sitzplatz mehr. Rena und ich hielten uns an einer Stange fest. In dem Abteil waren auch Schüler unserer Schule. Zwei Jungs aus unserem Jahr grüßten uns. "Morgen Mädels. Ach, Happy Birthday nachträglich Kagawa", gratulierte einer der beiden Rena nachträglich, die vor wenigen Tagen 17 Jahre alt geworden war. "Oh, alles Gute", wünschte ihr nun auch der andere. "Danke", sagte sie höflich und lächelte die beiden an. An der nächsten Haltestelle würde Minami Yamaguchi zu uns stoßen, Mina-chan war eine andere Freundin von mir und auch von Rena. Wir befanden uns jedes Mal im selben Abteil, egal wie überfüllt es war, denn so konnten wir gemeinsam zur Schule fahren. Yuki Harada kam aus einer anderen Richtung und wir trafen sie deshalb erst an der Schule. Wir vier waren unzertrennlich und unternahmen alles zusammen. Manchmal waren noch mein bester Freund Rain und sein Kumpel Kennichi Yoshida mit von der Partie. Rain heißt nicht wirklich Rain, er ist Chinese (aber in Japan geboren) und sein Name Yu bedeutet Regen. Yu Xíng wohnte im Haus neben dem meiner Familie und ich kannte ihn seit ich hier her gezogen war. Meine Freundinnen konnten seinen Namen nicht aussprechen, deshalb nannten sie ihn Shin-kun, Yu war ihnen zu persönlich. Wenn ich ehrlich war, nannte ich ihn ebenfalls nie bei seinem richtigen Namen, er war eben einfach Rain. Der Zug hielt nun an der Haltestelle Nogata und Minami stieg zu uns in das Abteil. "Guten Morgen", grüßte sie uns, wir erwiderten den Gruß fröhlich. "Mina-chan, deine Frisur ist heute wieder supersüß. Wie machst du das nur immer?", fragte Rena mit strahlenden Augen. "Geflochten und hochgesteckt", erklärte Minami. Während Rena das Kunstwerk von Frisur aus allen Winkeln begutachtete, überlegte ich, ob ich so eine Frisur auch nur Ansatzweise hinbekommen würde und ob mir das dann auch stehen würde. An unserer Schule war es Pflicht das Mädchen mit langen Haaren, diese mindestens zu einem einfachen Zopf zusammengebunden hatten. Genau das stellte meine Frisur auch jeden Tag dar. Von meinen Freundinnen hatte nur Yuki kurze Haare. Endlich kamen wir an der nächstgelegenen Haltestelle unserer Schule an und stiegen aus. Wir fuhren mit der Rolltreppe nach oben. "Habt ihr am Samstag schon was vor?", fragte Minami. "Nein", antwortete ich ohne zu überlegen. "Ich kann nur bis nachmittags, abends gehe ich mit meiner Familie ins Onsen", informierte Rena uns. "Ich muss shoppen, brauche unbedingt ein neues Outfit für ein Date" "Date?!", da wurden Rena und ich gleich hellhörig. "Ja, er ist so süß! Ihr werdet übrigens auch kommen, ich trau mich nicht alleine... Deshalb mache ich ein Gokon draus", kicherte Minami. Ein Gokon war ein Gruppendate, oftmals fanden dort auch Blinddates statt. Ich war nicht der größte Fan von Gruppendates, aber wenn Minami es unbedingt wollte, konnte ich schlecht Nein sagen. Ich fragte mich, welche Jungs sie einladen wollte. "Bin dabei", sagte Rena zu. "Okay, ich auch", gab ich schließlich auch mein Okay. "Momo, Rena-chan, ihr seid die Besten", jubelte Minami. Wir verließen nun den Bahnhof und gingen zur Schule. Wir passierten das metallene Tor und gingen über den Schulhof zur großen Eingangstür. Zu dieser führte eine kleine Treppe mit wenigen Stufen. "Ihr wisst ja, dass ich heute AG habe, ihr könnt also ohne mich nach Hause gehen", erinnerte Rena. Heute war Montag und Rena war im Kyūdō-Club. Sie hatte Montag- und Freitagnachmittag sowie Mittwochmorgen Training. Manchmal sah ich Rena beim Training zu, da sie wirklich unglaublich gut war. Kyūdō ist japanisches Bogenschießen, nicht unbedingt ein einfacher Sport für Mädchen, denn der Bogen ist ziemlich schwer. (Ich habe ihren einmal gehalten) In der Eingangshalle zogen wir unsere Schuhe aus und tauschten sie gegen Hausschuhe aus, denn Straßenschuhe waren innerhalb des Gebäudes verboten. Ich stellte die Schuhe meiner Schuluniform in ein Fach im Regal. Rena und Minami taten dies ebenfalls. "Morgen Mo!", rief plötzlich eine vertraute Stimme. "Rain! Guten Morgen", ich drehte mich um und sah ihm ins Gesicht. Ja, Rain wohnte in dem Haus neben mir, aber er fuhr jeden Morgen mit dem Fahrrad zur Schule, er wollte sich das Geld für den Zug sparen. Mir wäre das viel zu anstrengend, aber wenn es ihm Spaß machte, konnte er sich ruhig jeden Morgen abstrampeln. Jeder war nun mal seines eignen Glückes Schmied. Ich bevorzugte die überfüllte, nach schwitzenden Menschen muffige Bahn. Das mochte vielleicht auch nicht jeder. Mit dem Zug dauerte es sieben Minuten plus 20 Minuten Fußweg, wir waren zumindest immer in etwa eine halbe Stunde unterwegs. Mit dem Fahrrad brauchte Rain ein wenig länger. "Morning~", jetzt war auch Yuki eingetroffen. "Habt ihr schon den Plan gesehen? Ich möchte wissen mit wem ich in einer Klasse bin", fragte Yuki. "Nein, und wir haben auch keine Zeit mehr", sagte Rena, die ihren Blick auf dem Handy hatte. "Die Zeremonie fängt gleich an" Mit einem etwas schnelleren Schritttempo gingen wir zur Aula, um die Schuljahreseröffnung offiziell einzuläuten. Wir setzten uns in den Saal und warteten darauf, dass die Eröffnung begann. Es war nicht gerade das spannendste Ereignis, denn der Direktor hielt eine Rede, begrüßte die neuen Schüler und so weiter. Außerdem wurden noch einmal die Verhaltens- und Uniformregeln aufgezählt, die an unserer Schule am häufigsten missachtet wurden. Nichts, das ich nicht schon gehört hätte. Nach der Veranstaltung stürzten meine Clique und ich zum Aushang der Klassenverteilung und hofften, wir würden in eine Klasse kommen. Rena war die erste. "2-2 b! Kagawa", las sie und suchte sofort nach weiteren Namen in der gleichen Klasse. "Harada Yuki auch 2-2 b... Yamaguchi Minami auch! Und Momo?", sie durchforstete die Klassenliste. "2-2 c...", grummelte ich. Ja, meine Noten waren im letzten Jahr nicht so gut gewesen, ich hatte es geahnt. "Oh...", beteuerten meine Freundinnen ihr Mitgefühl. "Na ja, kann man nichts machen. Wir sehen uns dann in der Pause", versuchte ich gelassen zu klingen. "Ach verdammt! Nicht in der selben Kenny", maulte nun auch Rain, der nicht in einer Klasse mit seinem besten Freund gelandet war. "Und dabei hat mein Omikuji noch gesagt 'In der Schule wird sich alles für dich zum Positiven wenden'... Stimmt nicht...", zischte Kennichi. "Wir waren letztes Jahr auch nicht in einer Klasse", fügte er hinzu. Wir hatten aber keine Wahl, die Entscheidung war getroffen worden. Wir gingen jetzt zu unseren Klassenzimmern. Kapitel 2: Gefangen in der Klassensprecher-Hölle ------------------------------------------------ Ich kannte zwei Mädchen aus meiner AG, deshalb war ich nicht völlig verloren. Ich fand die beiden auch recht schnell. "Ach! Morgen Ōsama~", säuselte Maya. Die beiden, Maya Murakami und Noriko Sawaguchi, nannten mich immer Ōsama, das bedeutete König, denn so war mein Nachname, aber ich hasste es einfach. Aus diesem Grund war ich auch nicht mit den beiden befreundet. Es nervte mich, wenn sie mich so nannten. "Guten Morgen", grüßte ich die beiden. "Schön, dass wir mal in einer Klasse sind", lächelte Noriko. Notgedrungen setzte ich mich erst einmal neben die beiden. Wir würden später sowieso noch auslosen wer wo sitzen würde. An den Tischen befanden sich die Namen der Schüler, das war einfacher für die Lehrer. Jeder hatte also seinen eigenen Einzeltisch. Fürs erste blieb uns aber die freie Wahl. Als ich mich setzte betrat ein Mädchen das Klassenzimmer. Ziemlich viel an ihr verstieß gegen die Schulregeln. Ihre Haare waren wasserstoffblond gebleicht und nur teilweise zusammengebunden, sie trug zahlreiche Accessoires an ihrer Schuluniform. Sie war supersüß, aber sie würde definitiv Probleme bekommen. Sie hatte ihren Platz in der ersten Reihe. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich dieses Gesicht von irgendwo her kannte. "Eh? Ist das nicht NOZOMI-chan?", flüsterte Maya. "Das kann sein. Sie sieht ihr ähnlich", antwortete Noriko. Das Getuschel der beiden ließ mir keine Ruhe. NOZOMI-chan? NOZOMI-chan?! Das konnte sein. NOZOMI war ein sehr erfolgreiches Model aus Okinawa, aber warum war sie hier in Tokio? Ich fragte mich warum sie an unsere Schule gewechselt (?) hatte. Vielleicht war sie ja auch nicht lange hier, sondern nur für wenige Monate. Das erklärte natürlich auch ihr Aussehen, als Star darf man alles. Ich wusste, dass NOZOMI ein Künstlername war, ich fragte mich, ob sie mit ihrem richtigen Namen an die Schule gewechselt war. Jetzt kam auch der Lehrer ins Zimmer, wir erhoben uns und begrüßten ihn höflich. "Guten Morgen. Ihr könnt euch setzen", wies er uns an. "Ich begrüße euch im neuen Schuljahr, ihr seid schon alte Hasen und kennt euch in dieser Schule aus. Ab diesem Jahr wird Akira Hashimoto an unserer Schule sein, bitte unterstützt sie, damit sie sich eingewöhnen kann. Sag doch der Klasse ein paar Worte zur Begrüßung". Das Mädchen stand auf und stellte sich vor die Klasse. "Guten Morgen. Freut mich euch kennen zu lernen. Mein Name ist Akira Hashimoto, ich bin 16 Jahre alt und diesen Monat aus Okinawa nach Tokio gezogen. Meine Hobby's sind fotografieren und die Musik. Natürlich mag ich es auch fotografiert zu werden. Ich würde mich freuen, wenn wir gut miteinander auskommen würden", sie endete und verbeugte sich kurz. In der ganzen Klasse hörte man Getuschel und Gemurmel. "Ist das NOZOMI-chan oder nicht?", wollte Maya von mir und Noriko wissen. Ein Mädchen hob jedoch bereits die Hand, nachdem der Lehrer ihr erlaubte zu sprechen, stellte sie die Frage, die allen auf der Zunge lag. "Kann es sein, dass du das Model NOZOMI-chan aus Okinawa bist?", fragte sie. "Ja, ich wurde von einem Privatlehrer unterrichtet, da es mir aufgrund meines Bekanntheitsgrades unmöglich war, eine normale Schule zu besuchen. Jetzt möchte ich das Modeln aufgeben und versuche in einer neuen Stadt in den Alltag einer Oberschülerin zurückzufinden. Ihr werdet das in den Magazinen lesen, ich wollte nur schon vor der Veröffentlichung weg, denn ich möchte den Trubel gerne vermeiden. Wahrscheinlich kann ich das eh nicht, aber einen Versuch ist es wert, oder?", zum Schluss lachte sie. Ihre Stimme klang tiefer als im Fernsehen. Akira setzte sich wieder auf ihren Platz und der Unterricht begann. Die Information über NOZOMI verbreitete sich jedoch wie ein Lauffeuer. In der Mittagspause wusste es bereits jeder. Die Schüler belagerten sie. Ich hatte mich schon so auf eine Mittagspause mit meiner Clique gefreut, aber auch die hatten nur NOZOMI im Kopf. Ich verzog mich auf das Schuldach und genoss mein Obentō, meine Lunchbox. Ich hatte es gerade zur Hälfte gegessen, als ich plötzlich Gesellschaft bekam. "Oh, hier ist schon jemand", stellte Akira fest. "Darf ich mich setzen? Ich halte diesen Hype um mich nicht mehr aus", lachte sie. "Klar, setz‘ dich" Das war ja schließlich nicht mein Dach. Sie setzte sich im Schneidersitz mir gegenüber. "Ich bin Akira Hashimoto", stellte sie sich noch einmal vor. "Mona", nannte ich ihr meinen Namen. "Woher kommst du?", fragte sie mich, denn es war ja nicht zu übersehen, dass ich Ausländerin war. "Aus Deutschland. Ich wohne hier seit ich zehn bin", erzählte ich ihr. "Das ist echt cool", sie war begeistert. Lustlos stocherte ich im Reis herum. "Ist was?", fragte Akira besorgt. "Ich wollte die Pause mit meinen Freunden verbringen, aber sie wollten unbedingt zu dir", seufzte ich. "Und du nicht?", fragte sie. "Ehhhhh?! Versteh mich jetzt bitte nicht falsch, du bist total cool und ich bin ein riesengroßer Fan, aber ich dachte es würde dich nerven, wenn dich alle mit Fragen bombardieren, Fotos und Autogramme wollen. Außerdem willst du doch aus dem Business zurücktreten...", versuchte ich ihr irgendwie zu erklären warum ich nicht an ihr klebte wie der Rest der Schule. "Danke", lachte sie. "Aber wenn du ein wenig unauffälliger aussehen würdest, dann hätte es dir den Start wesentlich einfacher gemacht", riet ich ihr. "Ohhh, du kannst dir gar nicht vorstellen wie unauffällig dieser Rückzug aus der Öffentlichkeit ist. Lass mir doch den Spaß", sie streckte mir die Zunge raus und ich verstand nur Bahnhof. "Hä? Muss ich das jetzt verstehen?", fragte ich verwirrt. Akira lachte. "Nein, schon gut, vergiss es einfach", winkte sie noch immer lachend ab. "Isst du das noch?", fragte Akira plötzlich. "Nein, ich hab irgendwie keinen Hunger mehr", mit diesen Worten reichte ich ihr die Reste meines Lunchpaketes. "Danke!", freute sie sich und ging in Position. "Itadakimasu~", sagte sie und begann zu essen... zu schlingen. Ich hatte noch kein Mädchen gesehen, das so schnell essen konnte. Ich staunte wirklich nicht schlecht. Innerhalb von eineinhalb Minuten hatte sie alles aufgegessen. "Gochisōsama!", bedankte sie sich. "Gerne...", murmelte ich noch immer perplex. "Das war sehr lecker. Hast du das selbst gemacht?", fragte sie. "Nein, meine Mutter", erwiderte ich. Ich stützte mich auf meine Hände, legte den Kopf in den Nacken und seufzte. "Schade, dass der Himmel bewölkt ist" "Ja", auch Akira sah zu den Wolken. Die Mittagspause neigte sich langsam ihrem Ende. In der nächsten Stunde mussten wir die Klassensprecher wählen, außerdem wurde die Sitzordnung ausgelost. Ich war sehr gespannt auf dieses Schuljahr. Akira und ich beschlossen zur Klasse zurück zu gehen. Nachdem auch der Lehrer sich in dem Klassenzimmer eingefunden hatte, klärten wir die organisatorischen Details. Der unbeliebte Nach-Schulschluss-Dienst, der Fege- und Aufräumdienst, wurde nach dem Klassenbuch verteilt. Dieser Dienst rotierte wöchentlich, so kam jeder einmal in den 'Genuss'. Bis K waren es zum Glück noch ein paar Wochen. "Jetzt werden wir den Klassensprecher und den Vertreter wählen. Irgendwelche Freiwilligen oder Vorschläge?", kündigte der Lehrer an. Es entstand ein Getuschel, doch der Name der am häufigsten fiel war NOZOMI-chan, Akira Hashimoto. Ein Mädchen hob zittrig ihre Hand. "Yamada-san", forderte der Lehrer sie auf zu sprechen. "Ich fände es toll wenn Hashimoto-san, die Klassensprecherin werden würde", sagte sie leise. "Hashimoto-san?", bat unser Klassenlehrer sie zuzustimmen oder abzulehnen. "Abgelehnt", das einstimmige "Ohhhhhhh" im Raum ignorierte sie. "Ich schlage Mona König vor", sagte Akira. Ich starrte sie von meinem Platz aus an. "Sie macht sich von allem ein objektives Bild, ist nicht voreingenommen und kein Mitläufer", wollte sie meine guten Eigenschaften aufbauschen, doch diese Eigenschaften existierten nicht. Ich war ein Mitläufer, denn was andere machten, machte ich auch. Entscheidungen konnte ich nicht treffen, weil ich vor den Konsequenzen Angst hatte. Ich war ein Jasager, ein Nichtskönner und ließ lieber die Anderen die komplizierten Dinge regeln. Ich konnte keine Klassensprecherin werden, denn ich hasste es vor einer Masse an Menschen zu stehen und zu sprechen. Die meisten aus der Klasse waren auch noch fremd! "Nein, ich kann das nicht und ich will das nicht", versuchte ich mich rauszureden. "Wer stimmt noch für sie?", fragte Akira und hob ihre Hand. "Na, wenn NOZOMI-chan sie für die Richtige hält", in der Klasse begann man ihren Worten zu glauben. Ich war verloren. Nach und nach hoben meine Klassenkameraden die Hände. "Dann ist es entschieden. König-san ist Klassensprecherin. Mein Herz setzte aus und mir schossen bereits die Tränen in die Augen. Ich wollte nicht, ich konnte das wirklich nicht. Nur mit halbem Ohr bekam ich mit, dass Koji Masuda zu meinem Stellvertreter gewählt wurde. "Die Klassensprecher sind gewählt. Ich werde euch jetzt alleine lassen, dann könnt ihr in Ruhe die Sitzordnung auslosen. Die Klassensprecher übernehmen die Leitung", sagte Herr Murata und verließ den Raum. "Komm", sagte Koji als er an mir vorbei nach vorne ging. Ich zitterte, als ich ihm folgte. Ich sah nur eine Sekunde in die Gesichter meiner Klassenkameraden und fing an zu heulen. "Die heult ja", wisperten die ersten. "Wie peinlich", kicherten andere. "Ōsama, du musst uns nur Zettel ziehen lassen", lachte Noriko. "Das kannst du ja wohl", meinte Maya. Ich wusste, dass ich mich zusammenreißen musste, aber ich hasste das und wie war ich hier nur reingeraten? Ich war so peinlich mit meinem Geflenne, doch dagegen war ich im Moment machtlos. "Masuda-kun, steh nicht so da, du bist Vertreter, hilf ihr", sagte Akira plötzlich. "Eh okay, also... die Sitzplätze sind alle auf den Zetteln, jeder zieht nach und nach einen aus der Box und dann stellt ihr die Tische um", begann Koji. "Nach der alphabetischen Reihenfolge, also fangen wir mit A an", fügte er noch hinzu und schlug das Klassenbuch auf. "Yukio Aizawa", las Koji den ersten Namen vor. Yukio ging nach vorne und zog einen Zettel, somit begann das Geräume. Ich bekam nicht viel davon mit, denn ich war noch immer mit heulen beschäftigt. "Ramona König... Ramona König", Koji sah mich an und sprach nun lauter. "Mona-chan, du bist dran", hörte ich dann Akiras Stimme. Ich schreckte auf und sah in die leicht genervten Gesichter meiner Klassenkameraden. Schnell wischte ich mir die Tränen aus den Augen. "Was denn?", fragte ich. "Du bist dran", sagte Koji noch einmal. Die anderen Schüler kicherten wieder. Mein Gesicht war noch immer tränenverschmiert als ich in die Box griff und meinen Zettel zog. Ohne etwas zu sagen stellte ich meinen Tisch um, ich stellte fest, dass ich neben Akira am Fenster saß. Gott sei Dank. Ich blieb sitzen und ging nicht wieder nach vorne. Koji leitete die Platzverteilung bis zum Ende. Kapitel 3: Date Crasher - Die Spannerin von Nebenan --------------------------------------------------- "Das ist alles deine Schuld", schniefte ich an Akira gewandt. "Ich bin trotzdem überzeugt, dass du das kannst. Du musst dich nur daran gewöhnen", sagte sie. "Ich kann sowas nicht", jammerte ich. "Du kannst das, du musst nur noch mehr Vorstandsaufgaben annehmen", erklärte sie mir. "Noch mehr?!", ich war geschockt. "Ja, zum Beispiel für das Schulfestkomitee. Du musst selbstsicherer und selbstständiger werden", versuchte sie mir klar zu machen. "Du kennst mich doch gar nicht", meinte ich dann. "Das stimmt, aber ich habe eine sehr gute Menschenkenntnis. Ich kann in deinen Augen lesen, dass du nicht an dich glaubst", antwortete Akira. "Aber...", ich wusste nicht mehr was ich sagen sollte. Sie hatte Recht, ich glaubte nicht an mich und war nicht überzeugt von meinen Fähigkeiten. Ich machte mir das Leben gerne einfach. Warum sich auch unnötig Arbeit machen? Das war doch gar nicht nötig. Nun waren alle Plätze verteilt und da Homeroom – Klassenleiterstunde – war konnten wir noch viele andere Dinge klären. Herr Murata kam gegen Ende der Stunde noch einmal in die Klasse. Nach dem Unterricht verabschiedete ich mich von Akira und wartete im Eingangsbereich auf meine Freundinnen. Rena hatte heute AG und würde nicht kommen. Yuki und Minami waren jedoch bald bei mir. "Momo, wie war dein erster Tag?, fragten sie gleich. "Total bescheuert", jammerte ich. "Bin dank Hashimoto-san Klassensprecherin geworden. Das liegt mir überhaupt nicht", teilte ich meine Misere mit. "Eh?! Du bist mit NOZOMI-chan in einer Klasse?!", staunte Minami. "Das hast du ja gar nicht gesagt", tadelte Yuki mich. "Wann denn? In der Mittagspause hattet ihr ja keine Zeit für mich", beschwerte ich mich über meine Freundinnen. "Tut uns leid", entschuldigten sie sich. "Das ist heute einfach blöd gelaufen", meinte Minami. "Möchtet ihr noch mitkommen? Will nach Mangas schauen", fragte Minami dann um das Thema zu wechseln. "Ich kann leider nicht. Bis morgen", verabschiedete sich Yuki. "Bis morgen. Byebye", verabschiedeten wir sie ebenfalls. "Ich komme gerne mit, Mina-chan", sagte ich dann. "Supi", freute sie sich und klatschte in die Hände. Nebeneinander gingen wir nun aus der Schule und machten uns auf den Weg zum Buchladen, den wir am häufigsten aufsuchten. "Ich freu mich riesig auf die Shoppingtour am Samstag. Yuki hat auch zugesagt", teilte Minami mir mit. "Das ist wirklich klasse", tat ich meine Begeisterung kund. Wenige Minuten später hatten wir den Buchladen erreicht. Wir gingen geradewegs auf die Manga-Abteilung zu und suchten nach unseren Lieblingswerken. Ich war ein großer Fan von Yuka Fujiwara. Momentan sammelte ich CRASH! und war nun auf der Suche nach dem neusten Band. Da hatte ich ihn auch schon gefunden. Gerne wäre ich auch so eine ausgezeichnete Managerin wie 'Hana Shiraboshi', doch dazu hatte ich einfach nicht das Zeug. In meiner Musik-AG kamen wir kein Stück voran. Ein Instrument spielen konnte ich nicht und die anderen ließen sich nie auf meine Vorschläge ein. Wenn sich nicht bald was änderte würde der Club geschlossen werden. Unsere Tutorin hat uns bereits gewarnt. Aber ich würde mich darum nicht kümmern, es war nicht meine Aufgabe, sondern Mayas. Mir war das egal. "Hast du gefunden was du gesucht hast?", fragte Minami. "Ich habe alles", fügte sie, die Arme voller Manga, hinzu. "Ich auch. Lass uns bezahlen gehen", schlug ich vor und wir gingen zur Kasse. Nachdem wir bezahlt hatten, verließen wir den Buchladen wieder. Wir schlenderten die Straße entlang. Irgendwie hatte ich keine Lust den Nachmittag alleine zu verbringen. Es war sowieso schon später Nachmittag, fast früher Abend, denn wir hatten ja meistens Ganztagsschule. "Mina-chan, hast du noch was vor? Oder hättest du Lust mit zu mir zu kommen?", fragte ich dann. "Hmmmmm", sie überlegte kurz. "Ich komme mit, muss nur eben zu Hause anrufen", sagte sie zu und während sie telefonierte gingen wir in den Bahnhof. "Hallo. Ich bin's Minami. Wollte nur Bescheid sagen, dass ich noch zu Mona gehe... Ja, ich komme später nach Hause... Mama, ich werde schon nicht verhungern", lachte sie. "Bis später. Hab dich lieb", verabschiedete sie sich und legte auf. Wir hatten mittlerweile den Bahnsteig erreicht. Wir warteten auf den Zug und fuhren bis zur Haltestelle Araiyakushimae, die am nächsten an meinem Haus war. Wenige Minuten später waren wir auch schon da. "Ich bin zu Hause", rief ich als ich durch die Tür trat. Minami folgte mir. "Willkommen zurück", grüßte meine Mutter. "Ich habe Mina-chan mitgebracht", wies ich sie darauf hin. "Alles klar. Hallo Minami", sagte sie dann. "Hallo", Minami lächelte freundlich. Wir gingen erst mal nach oben in mein Zimmer. Wie immer setzte sich Minami auf den Boden und ich schmiss mich auf mein Bett. Sie zog einen Manga aus der Tüte und begann zu lesen. Ich blieb auf dem Rücken liegen und dachte nach. Heute war ein schrecklicher erster Tag gewesen. Vielleicht war es ja nur ein Albtraum und ich wachte morgen auf und durfte den ersten Schultag noch einmal durchleben. Und dann wurde ich ganz bestimmt keine Klassensprecherin. "Mina-chan, wie war der Tag bei euch? Ich wünschte ich wäre mit euch in einer Klasse, es war so schrecklich", jammerte ich. "Bei uns war's cool. Ja, wäre echt toll, wenn du auch bei uns wärst. Aber du bist doch jetzt mit NOZOMI-chan in einer Klasse, das ist doch auch toll, oder?", sagte sie. "Wegen ihr bin ich doch in diesem Schlamassel", seufzte ich betroffen. Ich konnte Akira nicht die Schuld geben, dennoch war der Tag echt bescheiden gelaufen und sie hatte dazu beigetragen. Ich stand mit einem weiteren Seufzer auf und ging zu meinem Fenster. Die Vorhänge hatte ich zugezogen, als ich sie öffnete, schloss ich sie sofort wieder. Es hatte einen Grund warum sie meistens geschlossen waren. Mein Fenster lag genau gegenüber von Yus... "Was macht er denn da?", stammelte ich. Jetzt wurde Minami natürlich hellhörig. "Was? Wer?", fragte sie und stand auch schon neben mir. Vorsichtig spähte sie durch den Vorhang und kurz darauf fing sie an zu lachen. Mit einem Ruck zog sie den Vorhang auf. Ich fand das gar nicht so lustig wie sie. "Ich glaub‘, Shin-kun legt sie gleich flach", lachte sie. Unglücklicherweise war Yus Bett direkt unter dem Fenster, deshalb konnten wir sehen, dass er ordentlich beschäftigt war. Er machte mit einem Mädchen rum, sie war bereits halbnackt. Noch immer lachend griff Minami nach MEINEM Handy und schickte eine Mail. Ich bemerkte das gar nicht. Ich sah nur wie Yu zu seinem Handy sah, das scheinbar neben dem Bett lag. Er grinste und griff danach. Nachdem er die Mail gelesen hatte, lachte auch er und sah aus dem Fenster. Minami kriegte sich nicht mehr ein. Ich war schockiert und starrte Yu fassungslos an. Wieso zog er denn nicht die Vorhänge zu?! Jetzt bemerkte auch Yus... Date (?), das etwas nicht stimmte. Als sie aus dem Fenster sah und ihr Blick auf uns fiel, begann sie zu schreien. Yu öffnete jetzt das Fenster. Das Mädchen verschwand aus dem Blickfeld, scheinbar wollte sie sich wieder anziehen. Jetzt riss auch Minami das Fenster auf. "Shin-kun, hahahahahaha was machst du denn da?", lachte sie ihm entgegen. Wir hörten, wie sich das Mädchen drüben beschwerte. "Ich glaub's nicht! Das ist doch völlig verrückt!", sie war sehr aufgebracht. "Ich hab dir doch gesagt im Dunkeln ist es besser, weil gegenüber ein Spanner wohnt", lachte Yu. "Spannerin!", korrigierte Minami lachend. "Hörst du jetzt auf", bat ich meine Freundin. Das Mädchen stampfte empört aus Yus Zimmer. "Rain, was sollte denn das??", fragte ich aufgebracht nachdem sie verschwunden war. Er legte den Finger auf seine Lippen. "Pssst", machte er und beobachtete halb aus dem Fenster gelehnt die Straße, das Mädchen kam aus dem Haus und verschwand die Straße runter. "Ich wollte gar nicht mit ihr schlafen und hab‘ ihr das auch gesagt, sie wollte trotzdem und die Vorhänge wollte sie auch nicht zuziehen, es wäre ja sonst zu dunkel. Ich habe sie gewarnt", erklärte er. "Danke für eure Hilfe", fügte er noch hinzu. "Gern geschehen", erwiderte Minami. "Danke? Gern geschehen? Seid ihr verrückt? Das arme Mädchen", versuchte ich den beiden ins Gewissen zu reden. "Ich werde mich noch bei Kumamoto entschuldigen. Demnächst", sagte Yu. "Na ja, viel Spaß noch", dann schloss er das Fenster wieder. Auch ich schloss meins. Mir war die vergangene Situation sehr peinlich. Ich schmiss mich auf mein Bett und Minami setzte sich neben mich. "Nimm das doch nicht so schwer. War doch ganz lustig oder stehst du etwa auf Shin-kun?", fragte sie. "Was?", ich drehte mich auf den Rücken und war entsetzt. "Ich steh‘ nicht auf Rain, er ist mein bester Freund", machte ich ihr klar. Sie grinste nur. In diesem Moment klingelte mein Handy. Ich dachte es wäre eine Mail von Yu, aber es war eine mir unbekannte Mailadresse. Hi Mona, ich find dich so süß! Endlich habe ich deine Mailadresse. Würde mich freuen, wenn du mich zu einem Date begleiten würdest. Sag mir wann du Zeit hast. Küsschen Saehara Hiroki "Hä?", gab ich nur von mir und zeigte Minami die Mail. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)