Gebunden durch Hass von BloodyRubin ================================================================================ Kapitel 5: Krankenpflege mit Hindernissen ----------------------------------------- Das Licht, das durch die Fenster fiel, ließ Ed schließlich aufwachen. Er gähnte und spürte einen warmen Körper neben sich. Im Schlaf war sein Halbbruder sehr nahe an ihn herangekommen. Kurz musste Ed lächeln, als er die entspannte Miene des anderen sah, die sich nur Zentimeter von ihm entfernt befand. Ohne etwas zu sagen, wartete er ab, bis auch Envy die Augen aufschlug. „Guten Morgen, Liebling.“ säuselte er und warf ihm einen verführerischen Blick zu. Der Homunculus wich so schnell vor ihm zurück, dass er aus dem Bett fiel. Obwohl er Ed dabei mit sich zog, schaffte es der ehemalige Alchemist, nicht auch zu stürzen. „Du elender…“ begann Envy und ließ eine seiner berühmten Schimpftiraden los, was Ed nur mit einem Grinsen quittierte. Auf dem Bauch liegend, robbte er an den anderen heran, sah zu ihm hinunter und winkelte die Beine an. „Willst du wirklich schon gehen? Es wurde doch gerade so gemütlich.“ Der Homunculus schien sich nur mit äußerster Anstrengung einen Kommentar verkneifen zu können. Bebend vor Wut und Scham, stand er mühsam auf und warf seinem Halbbruder einen zutiefst bissigen Blick zu. „Das wirst du mir büßen, Winzling.“ knurrte er. Schwer atmend sah der einstige Alchemist den anderen an. Wieder fühlte er sich müde, was ihm irgendwie seltsam vorkam. Er hatte doch genug geschlafen… Kühle Finger, die sich auf seine Stirn legten, ließen ihn erschauern. „Du glühst vor Fieber. Hast du dir etwa irgendwas eingefangen?“ „Scheint wohl so…“ „Auch das noch. Jetzt muss ich zu allem Überfluss noch deine Krankenschwester spielen.“ Envy setzte sich zu ihm und tastete nach seinem Hals, um seinen Puls zu fühlen, bevor ihn gründlich untersuchte. Ohne sich zu wehren ließ Ed die Prozedur über sich ergehen. Er fühlte sich schlecht und seine Kleidung klebte an seinem Körper. „Scheint so, als wäre es nichts Bedrohliches. Aber es wird dauern, bis du wieder aus dem Bett kannst.“ Ed wollte protestieren, aber sein Halbbruder drückte ihn entschlossen in die Kissen. „Du brauchst Ruhe.“ „Was machen wir jetzt?“ fragte der frühere Alchemist und ließ die Kette leise klirren. „Ich werde dich wohl wieder aufpäppeln müssen, Winzling.“ antwortete sein alter Gegner und verdrehte die Augen. „Aber da wir uns so nahe stehen…“ Kurz warf er einen wütenden Blick auf die Eisen. „…wird das nicht einfach.“ Er erhob sich. „Komm mit.“ Tapsend stolperte Ed hinterher. Nach einiger Suche fand Envy einige Packungen mit Tütensuppe, einen Wasserkocher, mehrere Flaschen mit Wasser und eine Tasse. Dann ging er ins Bad, wo er sich ein Handtuch und eine Schüssel schnappte, bevor er wieder ins Schlafzimmer zurückkehrte und den anderen fest in die Decken wickelte. Dort füllte er das Wasser aus einer Flasche in den Wasserkocher und wartete ab. Als das Wasser heiß war, füllte er etwas in die Schüssel und den Rest in die Tasse. Als er es geschafft hatte, die Suppe fertigzumachen, reichte er die Tasse an Ed weiter. „Trink.“ befahl er kurz angebunden. Der tat, was ihm gesagt wurde. Obwohl die Suppe nicht gerade schmackhaft war, ging es ihm etwas besser. Das Gefühl des feuchten Tuchs auf seiner Stirn war herrlich. Er dämmerte weg, gejagt von wirren Träumen. Sein Bruder, der mit einem Hasen Fangen spielte, Pinako, die an einer übergroßen Wasserpfeife zog und zusah und Mustang, der neben ihr saß und dem Treiben vor sich kaum Aufmerksamkeit schenkte. Er schreckte hoch und da war Envy, starrte ihn an, als wäre er ein seltsames Insekt. „Envy…“ flüsterte er schwach und sein Halbbruder nahm etwas in die Hand, öffnete es und hielt es ihm hin. „Du musst was trinken.“ sagte er nur und Ed trank, genoss das Gefühl des Wassers in seinem Mund. Kurz darauf schlief er wieder ein. Winry saß an seinem Bett und Mitgefühl lag in ihren Augen. „Armer Ed.“ hauchte sie. „Du musst vorsichtiger sein. Mit Fieber herumlaufen ist nicht gerade eine gute Idee. Sieh nur, wie du aussiehst.“ Er spürte ihre Hand, die auf seiner Stirn lag. Dann beugte sie sich vor und schüttelte seine Kissen auf. Doch als sie sich zurückzog, lächelte sie spöttisch. „Deine Temperatur ist gestiegen, Winzling. Das ist wirklich ungünstig.“ Ed starrte sie an, bevor er sich selbst sah, wie er auf Envy saß und ihm hart ins Gesicht schlug. „Zeig mir dein wahres Gesicht.“ schrie er den Homunculus an. Vor ihm tauchte das Bild seines Vaters auf, dann war da nur noch Schmerz und Dunkelheit. Schreiend und um sich schlagend fuhr er hoch, bevor ihn jemand an den Handgelenken packte und unsanft in das Bett stieß. „Beruhige dich, Winzling. Du bist ja wirklich schlimmer als ein kleines Mädchen.“ Keuchend sah Ed Envy an und entspannte sich etwas. „Mir ist so heiß…“ „Das geht vorbei. Kann ich dich loslassen oder drehst du dann wieder durch?“ Ed wurde knallrot, als ihm klar wurde, dass der andere ihn immer noch an den Handgelenken festhielt und zurückdrückte. Er war dem früheren Alchemisten viel zu nahe, seine langen, struppig wirkenden Haare strichen ihm über den Hals. „Es geht schon wieder.“ murmelte er verlegen und sein Halbbruder ließ ihn los. „Du hast im Schlaf gesprochen. Irgendetwas über Hasen. Was hast du für einen Blödsinn geträumt?“ „Ich erinnere mich nicht.“ log Ed rasch und schälte sich aus den Decken. „Was machst du denn da, Winzling? Du musst im Bett bleiben.“ „Dann nimm wenigstens die Decke weg. Unter dem Ding ist es heißer als in der Hölle.“ Sein Halbbruder seufzte schwer, tat aber, worum er gebeten wurde. „Du kannst ja wirklich nett sein, Envy.“ Wieder wurde der Homunculus rot und wandte dem anderen den Rücken zu. „Wie gesagt, das ist nur wegen der Kette. Normalerweise würde ich keinen Finger rühren, um ausgerechnet dir zu helfen, aber es geht nicht anders.“ Er spürte eine Hand, die ihm vorsichtig über den Rücken strich. „Was ist mit dir passiert, dass du so geworden bist?“ Envy erstarrte. Vor dieser Frage hatte er sich immer gefürchtet. Er war nicht bereit, dem ehemaligen Alchemisten so weit zu vertrauen. Noch immer spürte er seinen Hass auf den Halbbruder, der hilflos und fiebrig neben ihm lag. „Das ist unwichtig.“ murmelte er. Mit überraschender Stärke richtete Ed sich auf, packte ihn an den Schultern und drehte ihn zu sich. „Du warst nicht immer so… sagen wir mal schwierig. Irgendetwas hat dich verändert. War es wirklich nur der Hass auf meinen Vater?“ „Wie gesagt, es ist unwichtig. Leg dich wieder hin, ich werde dir was zum Essen machen.“ Damit wollte er aufstehen, doch leider hatte er die Rechnung ohne seinen Halbbruder gemacht, der ihn unverwandt ansah. Er sagte nichts, musterte den Homunculus nur mit seinen goldenen Augen. Dann, bevor dieser etwas sagen konnte, zog der andere ihn an sich und hielt ihn fest. Noch nie zuvor war Envy von irgendjemandem umarmt worden. Eds Körper war warm und löste etwas in ihm aus, dass er sich nicht erklären konnte. Er hasste sich für die Tränen, die ihm in die Augen traten. Es war, als würde irgendetwas ihn ihm seinen Stolz und seine Arroganz fortspülen. Die Fassade, die er so lange aufrecht gehalten hatte, fiel in sich zusammen wie ein Kartenhaus. „Nein…lass mich…“ flüsterte er schwach, was nur dafür sorgte, dass Ed ihn noch fester hielt. Alles verschwamm vor Envys Augen, als er spürte, wie seine Trauer sich ihren Weg bahnte. Unfähig, seinen bebenden Körper unter Kontrolle zu bringen, gab er schließlich auf. „Ich wollte nur eine Familie.“ brach es aus ihm hervor. „Als ich damals aufwachte, war ich ganz alleine. Niemand hat sich dafür interessiert, was mit mir los war. Ich konnte mit keinem reden. Als Homunculus habe ich keine Mutter und mein Vater hat mich verstoßen, als wäre ich etwas Abartiges. Ich begann, ihn zu hassen, doch noch mehr hasste ich mich selbst. Wäre ich normal, hätte alles anders sein können. So hatte ich nur den Hass, der mich begleitet hat. Als ich dir zum ersten Mal begegnet bin, wurde es unerträglich. Du hattest mehr, als ich jemals bekommen würde. Zwar hat dein Vater dich auch im Stich gelassen, aber er hat dich akzeptiert und geliebt. Für mich war in seiner ach so heilen Welt kein Platz. Früh lernte ich, ihm den Tod zu wünschen, genauso wie dir und deinem Bruder. Auch die Menschen allgemein habe ich verabscheut, wollte sie meinen Schmerz und meine Einsamkeit spüren lassen. Ich…ich…“ Er konnte nicht weitersprechen, völlig aufgelöst vergrub er sein Gesicht an der Schulter seines Halbbruders. Ed hatte während Envys Gefühlsausbruch kein Wort gesagt. Doch schmerzlich wurde ihm begreiflich, wie sehr der Homunculus all die Zeit gelitten hatte. Im Stillen dachte er sich, dass das Leben ziemlich ironisch und grausam sein konnte. Manchmal musste man nur eine Kleinigkeit anders machen, um es zu ändern. Das galt für Envy wie für ihn. Immer noch schweigend, hielt er den anderen im Arm. Obwohl er seinem alten Widersacher so nahe war, spürte er keinen Herzschlag. Wie es wohl war, nur eine menschenähnliche Puppe zu sein? Darüber wollte er lieber nicht nachdenken. Außerdem hatte er Alphonse, der immer für ihn da sein würde. Envy hatte niemanden. Kein Wunder, dass er so geworden war. Er hatte nur jemanden gesucht, der ihm sagte, dass seine Existenz mehr war als der Beweis für einen schweren Fehler. Sanft löste sich Ed von seinem Halbbruder. Immer noch liefen dem Homunculus die Tränen über die Wangen, sein sonst so blasses Gesicht war gerötet. In seiner Trauer wirkte er menschlicher als je zuvor. „Ich kann verstehen, wie es dir gegangen ist. Niemanden zu haben, ist schlimmer als jede Folter. Damals, als mein Bruder und ich das größte Tabu gebrochen haben, habe ich alles getan, um ihn nicht vollständig zu verlieren. Ich wollte nicht alleine sein. Durch die Fixierung seiner Seele habe ich ihn behalten, auch wenn es mich meinen rechten Arm gekostet hat. Aber das war mir egal. Ich hätte für ihn alles geopfert. Er ist für mich das Wichtigste auf der Welt und ich habe ihn gebraucht.“ Wieder beugte er sich vor und berührte mit seinen Lippen Envys Stirn, spürte, wie der andere sich verkrampfte. Als er den Homunculus ansah, erwiderte der seinen Blick mit seltsam leeren Augen. „Ich habe dich gehasst. Dafür, dass du mich hierhergebracht hast und dafür, dass du mich von meinem Bruder getrennt hast.“ Er nahm den anderen wieder in die Arme und fuhr fort: „Der Envy, den ich kennengelernt habe, war nur ein herzloses Monster. Aber der Envy, dem ich nun gegenübersitze, ist eine verletzte, einsame Person. Jemand, der einen Freund braucht. Lass mich dieser Freund sein.“ „Warum tust du das für mich?“ wisperte sein alter Gegner. „Weil ich für dich da sein will.“ Wieder begann Envys Körper zu beben, Ed hielt ihn fest und langsam ging die Sonne auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)