Sugar Sugar Rune - Sechs Jahre später (wird aktuell überarbeitet) von Anastasya ================================================================================ Kapitel 9: Der Morgen vertreibt weder Kummer noch Sorgen -------------------------------------------------------- Als um sieben Uhr der Wecker das zweite Mal schellte, richtete ich mich unbeholfen auf und schlug mit der flachen Hand auf die Schlummerfunktionstaste. Unmöglich, ich konnte noch nicht aufstehen, ich fühlte mich wie gerädert. Es war, als wäre ein Lkw mehrmals über mich rüber gerollt. Auch der halbherzige Versuch, mir den Schlaf aus den Augen zu reiben, half da nicht viel. Wie gerne würde ich mich einfach wieder in die Laken werfen, aber ich hörte schon Schritte die Treppe hochkommen und so energisch, wie sie klangen, konnte es sich nur um Lovin handeln, der bereit war, mich wieder unsanft aus den Federn zu schmeißen. Ich murrte und trat erst Houx und dann Saule mit dem Fuß. Als würde ich die beiden einfach friedlich weiter schnarchen lassen. Wieso sollten die weiterschlafen dürfen, wenn ich es nicht konnte? Wir saßen im selben Boot, was hieß: Gleiches Recht für alle. Mitgefangen, mitgehangen! Irgendwie rollte ich von der Matratze runter und stakste ins Badezimmer. Bevor ich durch die Tür trat, drehte ich mich noch einmal um, griff mir einen Comic von einem nahegelegenen Regal und warf es beherzt aufs Bett. „Aufstehen, ihr Kameradenschweine!“ Die Schritte, die ich eben auf der Treppe gehört hatte, entfernten sich wieder. Immerhin das blieb mir erspart. Ein, nein besser zwei Hände Wasser ins Gesicht und es ging mir... Nein, immer noch nicht besser. Vielleicht würde ja ein kleiner Snack helfen. Im Pyjama quälte ich mich irgendwie die Treppe runter und ließ mich auf einen Stuhl am Küchentisch plumpsen. Vanilla war natürlich - wie eigentlich immer - schon wach und begrüßte mich fröhlich. „Guten Morgen, Choco. Hast du gut geschlafen?“ Ich sah sie nur mürbe an. Im Backofen garten Croissants und Brötchen und Vanilla drapierte Butter, Käse und Marmelade auf der Tischplatte und setzte eine Kanne Wasser auf. „Ohje, du siehst ja ziemlich erledigt aus.“ Ich nickte kraftlos. „Ich bin bestimmt krank. Ich sollte wohl besser zuhause bleiben.“ „Nein, solltest du nicht.“, kam prompt die Antwort, aber nicht von Vanilla, sondern von Lovin, der in diesem Moment in die Küche spaziert kam. „Aber ich bin krank!“, jammerte ich. Lovin tat das nur mit einer kurzen Handbewegung ab und erwiderte: „Unfug, du bist einfach nur viel zu spät ins Bett gegangen.“ Ich murrte, aber er ließ mich gar nicht zu Wort kommen. „Versuch gar nicht erst, dich raus zu reden, ich weiß doch, dass Houx und Saule immer noch in deinem Bett liegen.“ Mist, hatte er mich also doch ertappt. So konnte ich das Zuhausebleiben wohl endgültig knicken. Na, großartig! Vanilla hielt inne und sah mich an. „Houx und Saule sind wieder hier?“, fragte sie und fügte dann flüsternd hinzu: „Und sie sind in deinem Bett?“ Aus ihrer Stimme klang blanke Empörung. Ein schiefes Grinsen schlich sich auf mein Gesicht. „Ja und ja. Aber so, wie du das sagst, klingt das, wie etwas Schlimmes.“ Was dachte sie nur? Es ging hier immerhin nur um Houx und Saule. „Schön, dass sie das sind.“, stellte Vani fest und lächelte ein wenig. Fast schon zu viel, wenn man mal bedachte, dass sie mit Houx und Saule nie so gut befreundet war, wie ich; eigentlich sogar gar nicht. Dafür war Vanilla immer viel zu schüchtern und ängstlich gewesen; und zu behütet. Ich mochte ihre Mutter, sie war eine gute Königin und Mutter, aber auch bevormundend. Und das merkte man Vanilla wirklich an. Na ja! Lovin setzte sich auf einen freien Stuhl und blätterte wieder mal in der Zeitung. Seit wann las er die eigentlich so regelmäßig? Man konnte fast denken, dass er ein vernünftiger Erwachsener war. Ich beobachtete ihn ungläubig und pustete auf den Tee, der vor mir stand, um ihn abzukühlen. Am liebsten hätte ich einen schnippischen Kommentar fallen gelassen, aber ich war wirklich zu erledigt. Da musste ich meine Kräfte schonen. Schließlich bestand so gut wie keine Chance, dass Lovin mich zuhause lassen würde. Wir frühstückten, wobei ich mir eher auf Zwang ein Brötchen in den Mund schob und es mit dem Kräutertee hinunterspülte. Dann musste ich mich nochmal ins Bad kämpfen. Was Duke gestern gesagt hatte, stimmte schon. Ich konnte meinen ersten Tag nicht verschwenden, ich musste heute mindestens ein Herz ergattern und am besten kein olles, gelbes. Schuluniform angezogen, Haare gebürstet, Zähne geputzt. Ich betrachtete einen Moment lang meine Schminke, dann lies ich von dem Gedanken ab und lachte nur. Ne, das war heute wirklich nicht drin. Und wenn ich dadurch kränklich aussah, bestand ja zumindest die Chance, dass ich von den Lehrern früher nach Hause geschickt wurde. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt! Ich fasste mein Haar zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen und band es dann zu einem lockeren Dutt. Ich trug es nicht viel anders, als vor meinem Koma. Darauf hatte ich beim Friseur bestanden, sonst hätte ich mich vermutlich gar nicht wiedererkannt. Also fiel mir das rot-orange Haar noch immer in langen, glatten, roten Strähnen bis über die Hüfte. Ich hatte nur irgendwie das Gefühl, dass es ein wenig dunkler war, als damals, aber da war ich mir nicht sicher. Vielleicht irrte ich mich auch. Ich zuckte nur mit den Schultern und verließ das Badezimmer. Houx und Saule saßen immer noch verschlafen auf meinem Bett. Es war nur ein kleiner Fortschritt, aber immerhin hatten sie die Augen offen und sich ein Stückchen aufgerichtet. „Ich muss jetzt los. Vielleicht solltet ihr nicht zu lange bleiben, Lovin weiß, dass ihr hier seid.“ Sie sahen mich erschrocken an. „Oh Mist.“, murmelte Saule und stieß dann seinen Bruder an. Beiden sah ich deutlich an, dass auch sie keine Lust auf Ärger mit ihm hatten. „Okay, wir melden uns später.“, sagte Houx matt. „Ja, bis später, Chocola.“, ergänzte Saule noch und die beiden rafften sich nun endgültig auf. Ich winkte und verließ dann mein Zimmer. Vanilla kam mir entgegen. Sie duftete nach Vanille-Parfüm und sah viel fitter und gepflegter aus, als ich. Vor unserem Friseurbesuch waren ihre hellblonden Locken schulterlang gewesen, aber auch sie orientierte sich eher an der Vergangenheit und schnitt es wieder fast so kurz, wie vor dem Koma. Ich hatte das Gefühl, wir haben da beide nicht lange überlegt, sondern einfach gehandelt. Zusammen verließen wir das Haus und stiegen in Lovins Auto. „Mehr Motivation, Mädels.“, feuerte er uns an und dann verließen wir den Hof. Heute war es bedeutend kälter, als gestern, aber Lovin ließ das Dach trotzdem auf. „Das weckt vielleicht deine Lebensgeister, Chocola.“, meinte er. Dann sprach er ein anderes Thema an. „Also meine Mädchen, bald könnt ihr ja selber fahren. Wird Zeit, dass wir euch in der Fahrschule anmelden.“ Ich stöhnte ungläubig. „Was bitte? Wir sind Hexen. Wieso sollen wir Menschen-Autos fahren?“ Aber Vanilla unterbrach mich - ungewöhnlich für sie. „Mensch, Choco, wir müssen uns doch hier integrieren. Außerdem können wir doch nicht erwarten, dass Lovins uns immer fährt.“ „Aber wir könnten doch zum Beispiel fliegen!“, schlug ich vor, aber Lovin tat das mit leicht verärgerter Stimme ab. „Chocola, sei nicht immer so widerborstig. Warum kannst du nicht mehr wie Vanilla sein?“ Ich knurrte leise und verschränkte die Arme. Pff, jetzt war ich froh, dass ich gleich in der Schule sitzen konnte, wo ich mit keinem reden musste, sondern einfach stumm an meinem Pult hocken konnte. „Ich hol' euch später aus der Stadt ab. Ruft mich an, ja?!“ Mit diesen Worten verabschiedete er sich und fuhr davon. Mir fiel auf, dass er offenbar nicht nach Hause fuhr, sondern in die entgegengesetzte Richtung, weiter in die Stadt. Wahrscheinlich hatte er ein Date oder sowas. Vanilla stupste aufmunternd meinen Arm. „He, Choco-chan, lach doch mal! Nur sechs Schulstunden, dann können wir was Schönes in der Stadt unternehmen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)