Sugar Sugar Rune - Sechs Jahre später (wird aktuell überarbeitet) von Anastasya ================================================================================ Kapitel 4: Kein Kind mehr ------------------------- Lovin setzte uns vor den Toren unserer neuen Schule ab und verabschiedete sich mit einem Winken und brüllendem Motor. Ein paar Leute, die in Grüppchen an der Straße standen, blickten ihm interessiert hinterher. Ich würde wetten, dass der eine oder andere ihn erkannt hatte, immerhin war er ein Promi; ein Star in beiden Welten. Und das versteckte er auch nicht gerade. Schon sein Auto war ja nicht gerade 0815. Vanilla durchwühlte die vielen Zettelagen, die sie im Arm trug: Anmeldeformulare, Lagepläne, Hausordnung, ...Wie immer war sie gut vorbereitet, aber ich merkte, wie flach ihr Atem ging. „Aufgeregt?“, fragte ich mitfühlend und lächelte ihr zu. Schließlich wollte ich heute für sie da sein, so wie ich es immer war. Und ohne sie würde ich mich bestimmt verlaufen. Sie nickte nur stumm und wir liefen auf die Eingangstür des Gebäudes zu. „Woah, es ist echt ganz anders als vorher, oder Vanilla?“, fragte ich und erwartete eigentlich keine Antwort. Ich hoffte nur, Vanilla mit meinem Gequatsche ein wenig beruhigen zu können. „Kaum zu glauben, dass wir soo lange geschlafen haben.“ Ich hätte bestimmt noch weiter irgendein irrelevantes Zeug erzählen können, aber eine Stimme unterbrach uns. Es war eine männliche Stimme, aber sie klang, als wäre der Stimmbruch noch nicht ganz vollzogen. „Vanilla? Chocola?“, fragte sie unsicher und trat an uns heran. Ein schlaksiger, blasser Junge mit schwarzem, stacheligem Haar sah uns aus großen ungläubigen Augen heraus an. Dieser Anblick kam mir doch bekannt vor... „Akira.“, begrüßte Vanilla ihn, freundlich wie eh und je und damit ging auch mir ein Licht auf. Stimmt, Akira Mikado, der uns damals vehement für Aliens gehalten hatte. Irgendwie war es beruhigend, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Auch wenn das Gesicht anders aussah, als noch vor sechs Jahren. Es war weniger kindlich und viel kantiger. Nur die Augen sahen noch genauso aus, wie früher. „Ja, hi.“, schloss ich mich dem allgemeinen Begrüßen an und fügte hinzu: „Akira, altes Haus, wie geht's, wie steht's?“ Er starrte uns noch einen Moment ungläubig an und ich betete innerlich, dass er nicht wieder mit seiner Außerirdischen-Paranoia loslegte. „Ich habe schon nicht mehr geglaubt, dass ihr beiden zurückkommt. Dieser Unfall... Und ihr seid einfach nicht aufgewacht. Ich kann nicht fassen, dass ihr hier seid.“ Ich grinste nur und erwiderte: „Doch, schau, wir sind ganz real.“ Wie um es zu beweisen, zupfte und zerrte ich an meinen Klamotten und machte einen kleinen Sprung. Vanilla sah mit geröteten Wangen zu Boden und sagte kein Wort mehr. Es war merkwürdig, im Klassenraum zu sitzen. Es gab bekannte Gesichter und gänzlich neue. Wobei das nicht wirklich einen Unterschied machte. Fremd waren sie alle irgendwie. Ich kannte sie nur noch von den Genesungskarten und -präsenten, die wir aus dem Krankenhaus hatten. Manche begrüßten uns auch gar nicht, aber das wunderte mich nicht großartig. Für sie war es schließlich auch seltsam und als einfache Menschen waren sie noch viel weniger außergewöhnliches Zeug gewöhnt, als wir Hexen. Der Unterricht zog sich endlos lang hin, genau, wie ich es in Erinnerung hatte. Einfach öde. Die Lehrer siezten uns mittlerweile und die Themen waren viel unangenehmer und ernster, als noch in der Grundschule. Als die Klingel ertönte, die das Ende des Schultages verkündete, warf ich alle meine Sachen in einem Rutsch in meine Tasche und sprang vom Stuhl. „Fräulein Kato!“, ermahnte mich die Mathelehrerin, Frau Kanjuji, erbost. „Setzen Sie sich sofort wieder hin. Ich beende den Unterricht. Wir sind doch nicht mehr in der Grundschule!“ Mürrisch beugte ich mich ihrem Willen. Wenn sie doch nur wüsste, dass ich doch noch ein bisschen in der Grundschule war. Schließlich wurde man nicht von heute auf morgen erwachsen. Vanilla schrieb noch eifrig mit, bis Frau Kanjuji uns in den Nachmittag entließ. „Fräulein Kato, Sie noch nicht, Sie kommen bitte noch einmal zu mir.“ Genervt stöhnte ich und quälte mich zum Lehrerpult, während meine Mitschüler dem Klassenraum den Rücken kehren konnten. Frau Kanjuji ließ sich Zeit. Sie deutete auf einen Stuhl neben ihrem Pult und ich setzte mich darauf. Dann stapelte sie in aller Ruhe ihre Papiere und räumte Schreibuntensilien zusammen, bis wir schließlich alleine waren. Auch das Gelärme auf den Fluren wurde immer leiser. Sie setzte sich auf ihren Stuhl, verschränkte die Finger ineinander und sah mir fest in die Augen. „Fräulein Kato, ich habe ja Verständnis für Sie und Fräulein Aisu, aber ich erwarte doch ein Mindestmaß an Benehmen. Nehmen Sie sich mal ein Beispiel an Fräulein Aisu. Sie zeigt viel mehr Engagement und Manieren, als Sie. Verhalten Sie sich also, wie die fast erwachsene Frau, die Sie sind.“ Sie hatte eine ganz ernste, aber bedachte Stimme aufgesetzt, doch ich sagte nichts, sondern murrte nur leise. Ich wollte mich erheben, aber sie hielt mich zurück. „Ich möchte Ihnen nichts Schlechtes. Beherzigen Sie meinen Rat. Dann wird schon alles werden. Und wann immer Sie Hilfe brauchen, können Sie sich an mich oder meine Kollegen wenden.“ Sie wollte eine Reaktion von mir, das machte sie mehr als deutlich. Und ich tippte, dass es kein genervtes Augenrollen war. „Okay.“, entgegnete ich ruhig. „Werde ich.“ Sie nickte und dann trottete ich ein wenig niedergeschlagen in den Schulflur und aus dem Gebäude hinaus. Himmel, es war wirklich nicht so einfach, wie sich das alle vorstellten; vor Allem nicht für mich. Ich hatte damals schon schnell gemerkt, dass ich in der Menschenwelt sehr oft aneckte und das hatte sich offenbar nicht geändert. Jetzt eckte ich höchstens noch mehr an, weil ich sechs Jahre meines Lebens verpasst hatte. Zeit, in der ich hätte lernen können, mich hier zurecht zu finden. Wie sollte denn einfach alles wieder seinen Gang gehen? Das kam mir vor, wie eine unmögliche Aufgabe. Der Schulhof war schon relativ leer; leer und groß. Nur wenige Menschen liefen noch herum und alles war grau betoniert. Es gab keine Schaukel, kein Klettergerüst und keine Wippe, wie in meiner vorherigen Schule; nur einige Sitzgelegenheiten. Bänke und Tische reihten sich nebeneinander auf und ich konnte auch drei Tischtennisplatten entdecken. Die massive Größe des Schulhofs wunderte mich nicht im Geringsten, immerhin lagen die Oberschule und die Hochschule direkt nebeneinander und teilten sich diesen Platz, der durch zwei Tore, soweit ich das wusste zumindest, zu erreichen war. Aber vermutlich waren es nicht die einzigen Eingänge zu dem riesigen Schulzentrum. Es war keine Menschenseele mehr zu sehen, und ich war wohl so sehr in meine Gedanken versunken, dass ich nicht zu dem Tor der Oberschule, sondern quer über den Schulhof gewandert war. Und jetzt stand ich vor der großen Universität und starrte das kahle Gemäuer mit den vielen Fenstern an. Die tief stehende Sonne spiegelte sich in einer Scheibe und ich starrte einfach nur. „Das dauert wohl noch ein wenig.“, stellte eine kühle Stimme hinter mir fest und ich wand mich erschrocken um. Ich kannte diese Stimme. Ich kannte sie nur zu gut. Aber das konnte doch jetzt nicht wahr sein? Das war doch nicht etwa...? Ich hoffte, dass ich mich täuschte. Ein kleiner Teil von mir wollte das zwar nicht, aber der hatte nichts zu melden. Doch ich hatte mich nicht verhört, das wusste ich ganz genau. Jede Faser meines Körpers wusste es und ich brauchte mich gar nicht bemühen, mir etwas anderes einzureden. Das Universitätsgebäude befand sich nun hinter mir und mit weit aufgerissenen Augen starrte ich völlig entgeistert Pierre an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)