Ein Leben wie dieses von Juju ================================================================================ Kapitel 20: Brüche ------------------ Mittwoch, 31. Mai 2006   „Mein Gott, Kari. Was ist denn los? Du gähnst schon zum gefühlt tausendsten Mal“, beschwerte sich Yolei und sah sie schief von der Seite an. „Ich habe irgendwie schlecht geschlafen“, murmelte Kari und rieb sich über die Augen. „Warum denn das? War es dir zu kalt? Vielleicht hätte ich das Fenster doch nicht öffnen sollen“, erwiderte Yolei. „Nein, das war okay. Mein Kopf ist nur so...“ Fragend sah Yolei sie an, als sie den Satz nicht zu Ende sprach. Ihr Kopf war gesenkt, als versuchte sie angestrengt, etwas zu übersehen. Yolei sah sich um und entdeckte T.K. am Eingang zum Schulgelände. „Ah, guten Morgen, T.K.“, begrüßte sie ihn schon von weitem. Zum Gruß hob er eine Hand. Kari murmelte ihm eine Begrüßung entgegen, ohne ihn anzusehen und auch er schien den Blickkontakt zu meiden. Yolei runzelte verwirrt die Stirn. „Ich gehe schon mal rein“, verkündete Kari. „Warte, wir kommen doch mit“, rief Yolei und sah T.K. auffordernd an, doch der schüttelte den Kopf. „Ich warte noch auf Shiori“, antwortete er. „Hätte ich mir eigentlich auch denken können, so sehr, wie ihr in letzter Zeit aneinanderklebt“, erwiderte Yolei grinsend. T.K. lächelte nur verhalten. „Ich gehe jedenfalls schon mal rein. Bis später.“ _ Nachdenklich sah er Kari nach, die soeben im Schulgebäude verschwunden war und von Yolei verfolgt wurde. So sehr, wie ihr in der letzten Zeit aneinanderklebt, hatte sie gesagt. Für seine Freunde musste es tatsächlich so aussehen, als wären er und Shiori ein Paar, doch das war nicht der Fall. Er konnte nicht von sich behaupten, etwas für Shiori zu empfinden, das über Freundschaft hinausging. Sie war nett und sie hatten viele gemeinsame Themen, über die sie reden konnten, doch je mehr Zeit er mit ihr verbrachte, desto sicherer war er sich, dass es da keine Gefühle gab. „Hallo“, begrüßte Shiori ihn fröhlich, sodass er ein wenig zusammenzuckte. Sie umarmte ihn und machte sich mit ihm gemeinsam auf den Weg ins Schulgebäude. „Na, hast du deinen Vortrag noch fertig bekommen?“, fragte er. „Ja, heute Nacht noch. Aber ich habe danach kein Auge zu bekommen. Ich habe solche Angst davor“, murmelte sie. „Aber wieso denn? Du hast doch anscheinend viel Zeit damit verbracht. Dann kriegst du das bestimmt gut hin“, sagte T.K. ermutigend. „Ach, du weißt doch. Mir liegt es nicht so, vor Menschen zu reden“, antwortete sie ein wenig verlegen. „Ja, ich weiß“, antwortete T.K. lächelnd. Diese Art ging ihm allmählich etwas auf die Nerven. Er konnte nicht verstehen, wie ein Mensch nur so schüchtern sein konnte. Mittlerweile schaffte sie es, mit ihm normal zu reden, doch auch das hatte einige Tage gedauert, nachdem sie sich das erste Mal persönlich gegenübergestanden hatten, obwohl sie sich vorher so viele E-Mails geschrieben hatten. Er hatte nichts gegen Schüchternheit, doch er konnte einfach nicht verstehen, wie jemand kaum den Mund auf bekommen konnte. „Vielleicht sind wir ja im nächsten Schuljahr wieder in einer Klasse. Dann kannst du mein Vortragspartner werden und dann bekomme ich das bestimmt besser hin“, sagte sie. Sie kamen im Foyer an und blieben stehen. T.K. musste den Gang nach rechts weitergehen, während Shioris Raum im ersten Stock lag. „Glaubst du?“ Er sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Vielleicht wird es mit mir auch nur noch schlimmer.“ Sie kicherte. „Das kann ich mir nicht vorstellen. In deiner Nähe fühle ich mich irgendwie so sicher und... ich glaube, das würde einfach klappen.“ „Wenn du meinst“, antwortete T.K. verwirrt. „Ja, meine ich. Ich muss jetzt hoch. Sehen wir uns in der Pause?“ Mit leuchtenden Augen sah sie ihn an. „Klar, wie immer.“ Sie lächelte glücklich, zwinkerte ihm zu und eilte dann die Treppe nach oben. T.K. beobachtete sie, bis sie um die Ecke bog und verschwand. Dann ging er in seinen eigenen Klassenraum. _ „Sag mal, hast du irgendwas genommen, oder warum bist du so gut gelaunt?“, fragte Tai, den Kopf auf die Hand gestützt und beobachtete Sora skeptisch. Diese war gerade dabei, ihre Schulsachen auf dem Tisch auszubreiten und summte ein Lied vor sich hin. „Hm? Oh. Nein, alles okay“, antwortete sie lächelnd. Tai hob eine Augenbraue, erwiderte aber nichts. Eigentlich freute er sich ja auch, wenn sie glücklich war, aus welchem Grund auch immer. „Gibst du Mimi heute wieder Nachhilfe?“, fragte Sora. „Oh Gott, ja. Erinner' mich nicht dran“, seufzte Tai und verdrehte die Augen. „Wieso? Ist es denn so schlimm?“, fragte sie verdutzt. „Sie ist so schwer von Begriff. Das bringt mich manchmal zur Weißglut“, murmelte Tai und verzog das Gesicht. Sora kicherte. „Ich finde es aber echt toll, dass du das für Mimi machst. Ich glaube, das bedeutet ihr sehr viel, auch wenn sie das nicht so zeigt.“ „Das will ich stark hoffen“, erwiderte Tai. „Immerhin opfere ich jeden Mittwoch drei Stunden meiner Freizeit für sie.“ Sora lachte und berührte mit der Hand seinen Arm, was ihm einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte. „Du bist ein richtiger Held, Tai.“ „Man tut, was man kann“, antwortete Tai lässig und zuckte mit den Schultern. „Wir müssen unbedingt mal wieder was zusammen machen. Ich weiß schon gar nicht mehr, wann wir das letzte Mal einen Abend zusammen verbracht haben“, stellte Sora fest und sah ihn fragend an. „Ähm... keine Ahnung“, erwiderte er und kratzte sich am Kopf. Er konnte sich auch nicht wirklich daran erinnern. Es war ein wenig schwieriger geworden, seit sie wusste, was er für sie empfand, doch vielleicht wurde es jetzt wieder besser und vielleicht bekam er sogar eine Chance. „Vielleicht am Freitag?“ „Hm...“, machte Sora nachdenklich. „Da könnten wir zu Matts Konzert gehen und hinterher irgendwo feiern.“ „Matts Konzert?“ Tai runzelte die Stirn. „Da war ich doch erst mit.“ „Das war letzten Monat, du Banause“, erwiderte sie. „Aber wir können auch was anderes machen, wenn du willst.“ Tai lächelte. Eigentlich war es ihm egal, was sie machten, solange sie zu zweit waren. _ Irgendetwas musste einfach passieren. So wie jetzt konnte es nicht weitergehen. Unruhig rutschte Kari auf ihrem Platz hin und her und konnte sich beim besten Willen nicht auf den Unterricht konzentrieren. Es widerte sie mittlerweile fast schon an, wenn Davis sie küsste. Sie spürte einfach, dass sie das eigentlich gar nicht wollte und würde sich am liebsten wegdrehen, wenn er ihr so nahe kam. Nicht, dass sie ihn nicht mochte, doch sie war einfach nicht in ihn verliebt. Und mit T.K. musste sich auch wieder etwas ändern. Es machte sie fertig, dass sie sich in den letzten Tagen so wenig zu sagen hatten. Als seine beste Freundin sollte sie sich für ihn freuen, dass er eine Freundin hatte, die er liebte und kein Eifersuchtsdrama abziehen. Und schon gar nicht jemand anderen dafür ausnutzen, denn das hatte Davis auf keinen Fall verdient. Ruckartig drehte sie sich zu T.K. neben sich um, der ihren Blick fragend erwiderte. „Ich muss mit dir reden“, flüsterte sie. „Jetzt?“ Er sah sie stirnrunelnd an. „In der Pause?“ „Da treffe ich mich mit Shiori“, antwortete T.K. „Hikari, Takeru. Ich bitte um Aufmerksamkeit in meinem Unterricht.“ Frau Yamamoto sah sie streng an, sodass beide sich wieder an sie wandten. Als Frau Yamamoto sich wieder zur Tafel drehe, kritzelte Kari eine Notiz auf die Ecke eines Blatt Papiers. Heute nach der Schule Nami's Café? Sie riss die Ecke ab und schob sie zu T.K., der eine Hand darauf legte, ohne den Blick von der Tafel abzuwenden. Während er möglichst unauffällig ihr Gekritzel las und darauf antwortete, versuchte Kari, Frau Yamamoto zuzuhören, doch es gelang ihr einfach nicht. Viel mehr dachte sie darüber nach, was T.K. wohl antwortete und wie Davis reagieren würde, wenn sie ihm demnächst sagte, dass sie doch keine Beziehung mit ihm wollte. Sicher brach es ihm das Herz. Sie zuckte zusammen, als sie T.K.s Hand an ihrem Oberschenkel spürte. Er wollte ihr nur den Zettel unter dem Tisch geben, doch diese Berührung machte sie trotzdem verlegen. Sie nahm ihm den Zettel aus der Hand, wobei sich ihre Hände berührten. Schnell legte sie beide Hände auf dem Tisch ab und wartete auf einen günstigen Moment, seine Antwort zu lesen. Ok. Treffen im Foyer? Kari sah ihn an und nickte kaum merklich. Ein flüchtiges Lächeln huschte über seine Lippen. „Dürfte ich das bitte haben?“ Erschrocken drehte Kari sich wieder um. Frau Yamamoto stand mit ausgestrecktem Arm vor ihr und hielt ihr die Hand direkt vors Gesicht. „Was denn?“, fragte Kari in einem verzweifelten Versuch, sich dumm zu stellen. „Den Zettel in deiner Hand“, antwortete Frau Yamamoto trocken. Alle Blicke waren auf sie gerichtet. Beschämt legte Kari den Zettel in ihre Hand und schaute anschließend auf ihren Hefter. Frau Yamamoto ging mit dem Zettel nach vorn. „Eure Liebesbriefe könnt ihr in der Pause austauschen, aber jetzt ist Unterricht.“ Kari biss sich auf die Unterlippe. Sie sah Davis nicht, doch sie wusste genau, wie sein Gesicht in diesem Moment aussah. _ „Liebesbriefe? Warum hat sie Liebesbriefe gesagt? Was habt ihr euch da geschrieben, Kari?“ Cody beobachtete Davis' verzweifeltes Gesicht. Er konnte ihm nicht so ganz folgen und hatte keine Ahnung, wovon er redete, doch er wirkte ziemlich geknickt. „Das waren keine Liebesbriefe“, antwortete Kari nun schon zum dritten Mal. Sie sah ihn nicht an. Cody fing Yoleis Blick auf und wusste, dass er nicht der Einzige war, der wieder einmal nichts mitbekommen hatte. „Aber was stand denn dann auf dem Zettel?“, fragte Davis und versuchte, Kari in die Augen zu sehen, doch sie fand ständig eine andere Beschäftigung. Jetzt spielte sie mit dem Saum ihres Rocks und kratzte an einem unsichtbaren Fleck herum. „Das war nichts Wichtiges. Nur so Blabla“, murmelte Kari ausweichend. „Worum geht’s denn überhaupt? Weshalb streitet ihr?“, fragte Yolei nun neugierig. „Das kann Kari dir wahrscheinlich besser erklären. Immerhin schreibt sie T.K. geheime Zettelbotschaften“, antwortete Davis leise. Überrascht hob Cody die Augenbrauen. Er konnte sich nicht erinnern, Davis schon einmal so enttäuscht gesehen zu haben. Er wirkte ernstlich verletzt, sodass auch Cody sich nun fragte, was Kari und T.K. sich für Zettel schrieben. „Da ist nichts Geheimes“, erwiderte Kari mit einer Spur Ungeduld in der Stimme. Es sah ihr gar nicht ähnlich, so zu reagieren. „Das war nur ganz oberflächliches Gerede.“ Cody sah sich um, konnte T.K. aber nirgendwo entdecken. Es hätte ihn interessiert, was er dazu zu sagen hatte, doch er war sicher wieder bei Shiori. „Kari...“, stammelte Davis. Seine Augenbrauen hatten sich zusammengezogen. Nun sah sie ihn an. „Was?“ „Nichts.“ _ Ungeduldig und ein bisschen nervös wartete Kari im Foyer auf T.K. Sie wusste, dass er gerade noch irgendwo mit Shiori sprach. Sie selbst hatte sich nur ganz kurz von Davis verabschiedet und war ins Foyer gegangen, während Davis sich zu den Umkleidekabinen aufgemacht hatte. Kari war froh, dass er heute Fußballtraining hatte und so nicht mit ihr und T.K. mitkommen konnte. T.K. tauchte zusammen mit Shiori auf und Kari lächelte beide tapfer an. „Hallo Hikari“, grüßte Shiori sie schüchtern. „Hi“, antwortete Kari ausweichend. Sie machten sich auf den Weg zu Nami's Café und Kari fragte sich gerade, ob Shiori wohl mitkommen würde, als sie plötzlich in eine andere Richtung abbog. „Macht's gut. Bis morgen“, verabschiedete sie sich und Kari entging der Blick nicht, den sie T.K. zuwarf. „Bis morgen“, erwiderte T.K. und wandte sich um. Schweigend gingen sie nebeneinander her zu Nami's Café. Drinnen war es relativ voll und sie hatten Glück, noch einen Tisch abzubekommen „Da drüben sind ja Izzy und Mimi“, stellte T.K. überrascht fest. Kari drehte sich in die Richtung um, in die er sah, und entdeckte die beiden. Sie saßen an einem Fensterplatz und unterhielten sich angeregt miteinander, sodass sie sie gar nicht bemerkten. Das war Kari ganz recht so. Mimi würde sie es zutrauen, dass sie Gerüchte verbreitete, wenn sie sie und T.K. hier ohne Davis sah. Sie nahmen Platz und bestellten sich etwas zu trinken. Dann schwiegen sie und Kari überlegte, wie sie das Gespräch beginnen konnte. Auch T.K. schien darauf zu warten, dass sie endlich etwas sagte, denn er sah sie fragend an. „Lange her, dass wir was zu zweit gemacht haben“, sagte er schließlich, nachdem sie weitere Augenblicke lang geschwiegen hatte. „Ja“, antwortete Kari nickend. „Jetzt fang' du nicht auch noch an wie Shiori. Die sagt auch immer nur 'ja' und 'nein' und den Rest muss man ihr aus der Nase ziehen.“ Er sah sie schief an, sodass sie lächelte. „Entschuldige. Ich freue mich, dass du Zeit hast.“ T.K. nickte. „Wolltest du irgendwas Bestimmtes?“ „Ehrlich gesagt ja“, gestand Kari, den Blick auf ihre Cola gerichtet, ohne sie wirklich zu sehen. „Ich vermisse dich, T.K., obwohl ich dich jeden Tag sehe. Aber es ist irgendwie so anders und ich weiß gar nicht richtig, warum. Das heißt, eigentlich weiß ich schon, warum.“ Sie sah auf und bemerkte, dass er sie beobachtete. Sein Blick war ernst, doch er erwiderte nichts. „Als ich gesagt habe, dass es mich nicht stört, dass du und Shiori euch Briefe schreibt, habe ich vielleicht gelogen.“ Sie nippte an ihrer Cola und nutzte den kurzen Moment, um ihn anzusehen, doch er zeigte noch immer keine wirkliche Reaktion. Wusste er nicht, was er sagen sollte? Oder wollte er einfach nichts sagen? Kari stellte ihr Glas ab und seufzte. „Hör' mal, wenn du mit Shiori zusammen bist, dann ist das für mich okay. Ehrlich. Ich kann ja trotzdem genauso mit dir befreundet bleiben wie vorher. Naja, vielleicht nicht genauso. Es gefällt ihr wahrscheinlich nicht, wenn ich bei dir übernachte, aber wir können uns trotzdem noch am Wochenende treffen und in den Park gehen und so.“ Er runzelte die Stirn. „Ich bin doch gar nicht mit ihr zusammen.“ _ Izzy genoss es, wieder einmal außerhalb der Schule Zeit mit Mimi zu verbringen. In den letzten Tagen und Wochen hatten sie sich nur in der Schule gesehen, da sie beide ständig beschäftigt waren, doch jetzt hatten sie einen freien Nachmittag gefunden, um mal wieder ein wenig zu quatschen. „Wie läuft es denn eigentlich mit deiner Nachhilfe? Macht es Spaß oder ist es anstrengend mit Tai?“ Mimi seufzte. „Also es hilft mir schon und ich glaube, ich habe mich verbessert, aber es ist anstrengend mit Tai, ja. Mit dir wäre es sicher schöner.“ Verlegen kratzte Izzy sich am Hinterkopf. „Aber Tai ist doch nett, oder nicht?“ Mimi runzelte die Stirn. „Es geht so. Er ist nicht gerade der geduldigste Mensch und meistens merke ich ihm an, dass er keine Lust hat. Aber dann machen wir irgendwas in Englisch und dann geht’s wieder.“ Sie warf einen Blick auf ihr Handy. „In einer Stunde hole ich ihn vom Training ab und dann gehen wir zu ihm nach Hause. Er will nicht mehr zu mir kommen, weil mein Vater ihn nicht leiden kann, weißt du?“ Sie kicherte. Izzy hob überrascht die Augenbrauen. „Dein Vater mag Tai nicht?“ Mimi schüttelte den Kopf. „Nein, er hat keine gute Meinung von Fußballern.“ „Wieso nicht?“, fragte Izzy verwirrt. „Ach, lange Geschichte“, antwortete Mimi abwinkend. „Dich mag er da schon viel lieber.“ Sie zwinkerte ihm zu und Izzy wurde verlegen. „Dich mögen meine Eltern auch. Du bist jederzeit wieder zu uns eingeladen“, antwortete er lächelnd. _ T.K. beobachtete, wie sich Karis etwas zurückhaltender Gesichtsausdruck in Überraschung verwandelte. „Du bist nicht mit ihr zusammen?“, fragte sie irritiert. „Irgendwie dachte ich das die ganze Zeit.“ T.K. schüttelte den Kopf. „Wieso hast du mir nicht gleich gesagt, dass dich das mit Shiori stört?“ „Erstens will ich dir ja bei nichts im Weg stehen und mich nicht wie eine eifersüchtige Ziege benehmen und zweitens hätte das doch sowieso nichts geändert“, antwortete sie und zuckte mit den Schultern. „Ich glaube schon, dass das was geändert hätte“, erwiderte T.K. „Dann würden wir jetzt nicht hier sitzen und darüber reden, sondern alles wäre gut.“ Sie senkte die Lider und betrachtete erneut eingehend ihre Cola. Ihre Wangen hatten einen zarten rosafarbenen Schimmer angenommen und sie fuhr sich fahrig durchs Haar. „Wahrscheinlich wäre ich dann auch nicht mit Davis zusammen“, sagte sie nach einer Weile und sah ihm wieder in die Augen. T.K. runzelte die Stirn und sah sie schief an. „Wie meinst du das?“ „Naja“, wieder senkte sie den Blick, „ich bin gar nicht verliebt in ihn, denke ich. Ich glaube, ich habe das nur gemacht, um dir irgendwie eins auszuwischen. Ich weiß, das war bescheuert.“ Entgeistert starrte T.K. sie an. Was hatte sie ihm da gerade gestanden? Die ganze seltsam plötzliche Beziehung mit Davis war nichts als ein Akt der Eifersucht? Kari nutzte jemanden aus, um jemand anderem eins auszuwischen? „Ist das dein Ernst?“, brachte T.K. heraus. Er konnte nicht behaupten, dass Davis sein bester Freund war und auch nicht, dass er von ihm und Kari begeistert war, doch er wünschte es ihm wirklich nicht, so ausgenutzt zu werden und schon gar nicht von Kari, in die er seit gefühlten hundert Jahren verknallt war. „Ja“, antwortete sie betreten. „Ich werde es ihm morgen sagen und mit ihm Schluss machen.“ „Kari, das ist...“ Ihm fehlten die Worte. Er war wirklich enttäuscht von ihr. Nie hätte er ihr so etwas zugetraut. „Ich weiß, das ist gemein von mir“, stimmte sie ihm deprimiert zu. „Ja. Jetzt stehst du doch wie eine eifersüchtige Ziege da.“ T.K. stand auf, legte ein paar Münzen auf den Tisch, die für sein Glas Cola gedacht waren und verließ Nami's Café, ohne sich noch einmal nach Kari umzudrehen. _ „Worüber wolltest du mit mir reden?“, fragte Ken geduldig. Er und Davis saßen auf einer Bank am Strand und blickten aufs Meer hinaus. Davis hatte diese Sache mit Kari so sehr zu schaffen gemacht, dass er Ken nach dem Unterricht angerufen hatte und ihn gefragt hatte, ob sie sich treffen könnten. Er musste einfach mit jemandem darüber sprechen und er glaubte, dass Ken genau der Richtige war. Er konnte zuhören und würde sicher versuchen, ihm hilfreiche Tipps zu geben. Und außerdem konnte er sicher verstehen, wie Davis sich fühlte, da er ja selbst gerade eine Freundin hatte. „Ich habe Angst, dass das mit Kari bald vorbei sein könnte“, gestand Davis schließlich und sah zu Boden. Allein der Gedanke, Kari könnte sich von ihm trennen, machte ihn fertig. „Oh. Wie kommst du denn darauf?“, fragte Ken verwundert. „Sie und T.K. haben sich im Unterricht Zettel geschrieben. Und in der Pause hat sie mich ignoriert. Und nach der Schule hat sie sich so komisch von mir verabschiedet“, erklärte er und seufzte. „Ich habe das Gefühl, dass etwas nicht stimmt und ich glaube, es hat was mit T.K. zu tun.“ „Aber ich dachte, T.K. hat eine Freundin?“, erwiderte Ken verwirrt. „Bestimmt machst du dir umsonst Sorgen.“ „Ich weiß nicht, ob er wirklich mit Shiori zusammen ist. Ich hab's nur gehofft, aber ich kann mich auch irren“, murmelte Davis. „Ehrlich gesagt hatte ich mich gefreut, als er angefangen hat, mit Shiori rumzuhängen. Seitdem rennt Kari ihm nicht mehr so hinterher.“ „Aber sie sind doch sowieso nur beste Freunde, oder?“, fragte Ken weiter. Davis zuckte ratlos mit den Schultern. „Keine Ahnung. Offiziell schon, aber wer weiß, was da wirklich abgeht. Sie hat auch schon bei ihm übernachtet und so.“ Ken nickte zögerlich. „Ich denke, du solltest einfach mal mit ihr darüber reden. Bestimmt versteht sie das und erklärt dir dann, was los ist.“ „Ich weiß nicht. Ich will sie nicht nerven oder so. Ich hab' Angst, dass sie sich dann erst recht trennen will“, entgegnete Davis deprimiert. „Aber vielleicht machst du dir auch völlig umsonst sorgen“, sagte Ken aufmunternd. „Mit Kari kann man doch reden.“ „Vielleicht hast du Recht.“ Davis seufzte tief und lehnte sich auf der Bank zurück. „Ich wünschte, ich wäre du und müsste mir keine Sorgen um meine erste Beziehung machen.“ Ken zögerte. „Naja, also...“ Davis sah ihn mit gehobenen Augenbrauen an. Ken sah nicht wirklich glücklich und zufrieden aus. „Was also?“ „Mit Saki, das ist irgendwie komisch“, murmelte Ken mit gesenktem Blick. Davis war verwirrt. Komisch? „Wie meinst du das?“ Ken zuckte resigniert mit den Schultern. „Ich weiß auch nicht. Es fühlt sich seltsam an. Ich glaube, ich bin nicht richtig verliebt in sie.“ Davis machte große Augen. „Du glaubst es nicht? Heißt das, du weißt es nicht? Wie kannst du das nicht wissen?“ Erneut zuckte Ken mit den Schultern. „Ich weiß nicht, ob sich Liebe wirklich so anfühlt.“ „Also ich weiß ja nicht, wie es sich bei dir anfühlt, aber wenn ich an Kari denke, dann kriege ich so ein kribbelndes Gefühl im Bauch. Jetzt auch gerade. Und wenn sie bei mir ist, dann kann ich an nichts anderes denken. Und nachts, bevor ich einschlafe, sehe ich immer als letztes ihr Gesicht vor mir“, erzählte Davis und hatte auch jetzt Karis Gesicht vor seinem inneren Auge. Wie sie lächelte. Wie sie sich mit den Fingern durch die Haare fuhr. Ken lächelte traurig. „So geht es mir irgendwie nicht, wenn ich an Saki denke.“ _ Am ganzen Körper verkrampft saß Mimi mit den Yagamis am Esstisch und würgte das Abendessen herunter. Sie hasste Tai dafür, dass er immer darauf bestand, erst einmal etwas zu essen, wenn er zu Hause ankam. So war sie gezwungen, mitzuessen. Sie konnte sich ja schlecht ausklinken und in der Zeit allein in seinem Zimmer warten. Es war auch schon vorgekommen, dass Kari gekocht hatte, dann war das Essen eigentlich in Ordnung gewesen, auch wenn manchmal ein wenig Salz fehlte oder das Hühnchen zu zäh geworden war. Aber im Grunde schmeckte es. Doch Kari saß heute Abend vor dem Teller und stocherte in ihrem Essen herum. Mimi konnte nicht sagen, ob es daran lag, dass es ihr nicht schmeckte, oder ob irgendetwas nicht stimmte. „Wie hast du das denn gewürzt?“, fragte Tai an seine Mutter gewandt, das Gesicht verzogen. „Von irgendwas ist hier viel zu viel drin. Und der Reis ist auch noch hart.“ „Ich weiß auch nicht mehr. Koriander oder so. Kann sein, dass ich ein bisschen viel rein gekippt habe“, räumte Yuuko ein. „Wieso hat Kari eigentlich nicht gekocht, hm?“, fragte Tai nun an seine Schwester gewandt, die ihm einen giftigen Blick zuwarf. „Koch' doch selbst“, zischte sie. „Kari kam heute später nach Hause, deswegen“, antwortete Yuuko an ihrer Stelle. „Achso? Wo war sie denn?“, fragte Tai neugierig. „Was geht dich das an?“, fuhr sie ihn an. Tai hob eine Augenbraue. „Was ist denn mit dir los? Hast du deine Tage, oder was?“ Kari knallte ihre Gabel auf den Tisch, stand auf und ging in ihr Zimmer, nicht ohne die Tür geräuschvoll zu schließen. „Tai“, sagte Yuuko vorwurfsvoll und schüttelte den Kopf. „Was? Wieso denn ich? Ich stelle ganz normale Fragen und sie macht mich dumm an“, protestierte Tai und aß den letzten Bissen aus seiner Schüssel. „Du musst sie ja nicht provozieren, wenn sie eh schon schlechte Laune hat“, antwortete Yuuko gelassen. Tai schnaubte nur und stand auf. Erleichtert folgte Mimi ihm. Genau wie Susumu Yagami hatte sie sich aus der Situation ganz herausgehalten und sich ganz auf ihr Essen konzentriert, das sie einfach nicht aufessen konnte. Sie hatte beschlossen, lieber hungrig ins Bett zu gehen. In Tais Zimmer packten sie beide ihre Mathesachen aus und setzten sich auf den Boden. „Du weißt nicht zufällig, was mit Kari los ist? Ihr Mädels steckt doch immer alle unter einer Decke“, sagte Tai und sah Mimi fragend an. „Nein, weiß ich nicht. Und Tai, ehrlich, es würde dir nicht schaden, mal ein bisschen sensibler zu sein“, antwortete Mimi trocken. „Dann würde Kari dir vielleicht auch erzählen, was los ist.“ „Sensibel? Ich bin doch sensibel“, erwiderte Tai. Mimi prustete los. „Du bist vieles, aber sicher nicht sensibel.“ „Du solltest dir überlegen, mit wem du hier redest, Miss Matheniete.“ Er sah sie vielsagend an. „Wollen wir jetzt anfangen, oder weiter diskutieren?“ _ Heute sollte es passieren. Heute wollte er endlich versuchen, seine Wette mit Shin zu gewinnen und mit Sora zu schlafen. Er war fast schon ein bisschen aufgeregt. Eben war sie gekommen und nun saßen sie in seinem Zimmer. Matts Vater war schon schlafen gegangen und Sora war direkt vom Café zu ihm gekommen. Sie hatte allerdings schon angekündigt, dass sie hundemüde war und nicht lang bleiben wollte, doch Matt wusste, wenn er wollte, könnte er sie dazu bringen, lange zu bleiben. „Sag mal... kann ich dir mal was zeigen?“, riss sie ihn aus seinen Gedanken und er sah sie erstaunt an. „Hm? Klar, was denn?“ Sie kramte in ihrer Tasche und holte etwas hervor, das wie ein Skizzenbuch aussah. Sie lächelte ihn nervös an, bevor sie es auf ihren Schoß legte und aufklappte. „Du bist der Erste, dem ich das zeige, also sei bitte nicht zu streng“, sagte sie. „Damit will ich mich bewerben.“ Und dann zeigte sie ihm Skizzen von Kleidungsstücken. Die zugehörigen Figuren waren nur schemenhaft gezeichnet, die Kleidungsstücke dafür umso ausgearbeiteter. Zu jeder Skizze sagte sie ein paar Sätze und erklärte, wie sie sich das gedacht hatte, welche Stoffe verwendet werden sollten und zu welchen Anlässen man die Sachen tragen konnte. Matt hörte interessiert zu und betrachtete ihre Zeichnungen. Er hatte gar nicht gewusst, dass sie so gut zeichnen konnte. „Und? Wie findest du's?“, fragte sie und sah ihm in die Augen. „Ich dachte, du kannst dazu bestimmt was sagen. Immerhin machst du ja auch irgendwie was Künstlerisches.“ „Ich hab' zwar nicht so viel Ahnung von Mode, aber deine Zeichnungen finde ich gut. Man merkt, wie viel Herzblut du da reingesteckt hast“, antwortete er, nahm ihr das Buch aus der Hand und blätterte es noch einmal durch. „Das hier würde bestimmt an dir gut aussehen.“ Er hatte ein mintfarbenes Kleid aufgeschlagen und Sora lächelte. „Wenn ich es irgendwann mal genäht habe, dann zeig' ich dir, wie es an mir aussieht“, sagte sie. „Danke, dass du es dir angesehen hast.“ „Da gibt es nichts zu danken“, antwortete Matt abwinkend. „Zufällig habe ich auch was, was ich dir zeigen kann.“ Er holte seine Gitarre und setzte sich wieder zu ihr aufs Bett. „Dazu hast du mich inspiriert.“ Er spielte die ersten Akkorde und begann zu singen. Picture perfect memories, scattered all around the floor I'm reaching for the phone, 'cause I can't fight it anymore And I wonder if I ever cross your mind For me, it happens all the time It's a quarter after one, I'm all alone and I need you now Said I wouldn't call but I lost all control and I need you now And I don't know how I can do without, I just need you now Er ließ den letzten Akkord ausklingen und legte die Gitarre wieder beiseite. Dann sah er sie an. „Ist noch nicht fertig, aber wie gefällt's dir bisher?“ „Das ist... toll“, antwortete sie mit verträumtem Blick. „Und dazu habe ich dich inspiriert?“ „Ja, irgendwie schon“, sagte Matt mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen und zuckte mit den Schultern. Unvermittelt überwand Sora den Abstand zwischen ihnen und küsste ihn. Natürlich ging er sofort darauf ein, schloss die Augen und fuhr ihr mit einer Hand durchs Haar. Er atmete ihren typischen Duft ein, der ihm seit Jahren so vertraut war, genoss ihre Nähe, ihre weichen Lippen auf seinen. Er zog sie auf seinen Schoß, sodass sie nun rittlings auf ihm saß. Seine Hände ließ er vorerst an ihren Hüften ruhen, sie dagegen vergrub ihre Hände in seinem Haar und wurde allmählich ungehaltener. So kannte er sie gar nicht. Fest presste sie sich an ihn, er ließ seine Finger unter ihr Oberteil gleiten und schob es langsam nach oben. Ihre Hände rutschten zum Bund seiner Hose und nestelten an dem Knopf herum. Gerade wollte Matt ihren BH öffnen, als es ihn durchzuckte wie ein Blitz. Sora! Es war Sora, so etwas wie seine beste Freundin, mit der er hier gerade rummachte, um eine Wette zu gewinnen. Die liebe, gutherzige, einfühlsame Sora, die immer ein offenes Ohr für ihn hatte und ihn nie verurteilte, im Gegensatz zu allen anderen. „Warte mal.“ Diese zwei Worte waren wie von selbst aus ihm herausgerutscht, als hätte seine Zunge sich selbstständig gemacht. Sie hielt inne und sah ihn fragend an. Der Ansatz eines Lächelns umspielte ihre Lippen. „Was denn?“, fragte sie leise und ein wenig außer Atem. „Ich... muss dir was sagen“, sagte Matt. Er schob sie behutsam von sich herunter, woraufhin das Lächeln aus ihrem Gesicht verschwand. Vielleicht ahnte sie ja schon, was jetzt kam. „Was musst du mir sagen?“, fragte sie, als er zögerte. Er wollte ihrem Blick ausweichen, doch er zwang sich, ihr in die Augen zu sehen. Wenigstens das musste er tun. „Es war eine Wette.“ Sie sah nicht so aus, als hätte sie verstanden, was er gesagt hatte. Ihre Miene blieb unverändert und sie sah ihn nur an. „Was war eine Wette?“ „Das hier. Shin meinte, ich würde dich nie rumkriegen und ich bin darauf eingegangen, blöd wie ich bin“, erklärte Matt kurz angebunden. Ihre Augen weiteten sich. Sie sah ihn an, als hoffte sie, sie hätte sich verhört oder als würde er seine Worte noch einmal zurücknehmen. Wie in Zeitlupe schüttelte sie den Kopf. „Nein“, hauchte sie. „Das meinst du nicht ernst.“ „Doch. Ich bin ein Arschloch. Ich hätte mich nicht darauf einlassen sollen, ich weiß. Es tut mir Leid. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe“, erwiderte Matt schnell. Man könnte förmlich in ihren Augen sehen, wie etwas zerbrach. „Mir tut es Leid.“ Verwirrt beobachtete Matt, wie sie aufstand und ihre Tasche vom Boden aufhob. „Mir tut es Leid, dass ich so dumm war, zu denken, mit mir könnte es anders sein als mit deinen ganzen anderen Weibern!“ Bei den letzten Worten brach ihre Stimme weg und sie lief aus dem Raum. Matt sprang auf und lief ihr nach. „Es war anders“, rief er und versperrte ihr den Weg zur Wohnungstür, während sie in aller Eile ihre Schuhe anzog. „Glaub mir, es war anders. Ich empfinde wirklich etwas für dich.“ „Geh mir aus dem Weg“, sagte sie. Ihrer Stimme war anzuhören, dass sie mit den Tränen kämpfte. „Nein, hör mir zu. Ich hätte das nicht machen dürfen. Es war ein Riesenfehler. Ich...“ „Nein! Geh beiseite!“, rief sie. „Sora, bitte...“ „Lass – mich – sofort – raus.“ Er zögerte noch einige Sekunden und sah sie verzweifelt an. Mit funkelnden Augen starrte sie zurück. Schließlich trat er zur Seite und sie eilte an ihm vorbei aus der Wohnung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)