Ein Leben wie dieses von Juju ================================================================================ Kapitel 6: Der erste Schultag ----------------------------- Donnerstag, 6. April 2006   Wenn sie etwas typisch Japanisches in den USA auf keinen Fall vermisst hatte, dann waren es wohl die Schuluniformen. Genervt stand Mimi vor dem großen Spiegel mit dem verschnörkelten Rahmen in ihrem Zimmer, hatte die Hände in die Hüften gestützt und musterte sich selbst. Am liebsten würde sie dieses seltsame Oberteil mit den langen Ärmeln und erst recht den Faltenrock sofort wieder ausziehen und ihre eigenen Sachen überziehen, doch dann würde man sie wohl nach Hause schicken, noch bevor der Unterricht begonnen hatte. „Honey, kommst du? Dein Frühstück wird kalt.“ Honey. Das war eines der Wörter, die Mimis Mutter in den USA kennen und lieben gelernt hatte, weshalb sie es jetzt immer noch benutzte, vorzugsweise, wenn sie Mimi ansprach. Ihr Vater wurde stets Darling gerufen. Bevor Mimi es sich mit ihrer Schuluniform doch noch anders überlegen konnte, wandte sie sich schnell von ihrem Spiegelbild ab und ging in die für japanische Verhältnisse relativ große Küche, wo ein Teller voll Rührei und Speck auf sie wartete. Auch Pfannkuchen mit Ahornsirup gab es. Das Essverhalten der US-Amerikaner hatte ihre Mutter ebenfalls mit nach Japan geschleppt. „Du siehst süß aus“, begrüßte Satoe sie lächelnd. „Ich finde, ich seh bescheuert aus“, widersprach Mimi und setzte sich auf ihren Platz am Esstisch. „Aber Mimi, auf deiner Schule sehen doch alle so aus“, sagte Satoe und musterte sie mit verzücktem Blick. „Eben“, murmelte Mimi und begann zu essen. „Aber du hast doch immer erzählt, wie in New York manche deiner Klassenkameraden gemobbt wurden, wenn sie billige Kleidung getragen haben. Das kann jetzt nicht mehr passieren“, erwiderte Satoe, stützte den Kopf auf die Hände und sah Mimi beim Essen zu. Sie selbst frühstückte stets halb sieben zusammen mit ihrem Vater. Mimi beschloss, nichts mehr zu antworten, da es eh zu nichts führte, und wandte sich nach ein paar Bissen vom Rührei den Pfannkuchen zu. Den Speck ließ sie vollkommen unangetastet. „Bist du eigentlich schon aufgeregt?“, fragte Satoe neugierig. „Total“, antwortete Mimi sarkastisch. Sie war selten vor irgendetwas aufgeregt und schon gar nicht vor diesem ersten Schultag. Immerhin kannte sie die Stadt, die Sprache und sogar ein paar Leute aus der Schule. Was sollte schon passieren? „Glaubst du, du kommst mit Izzy in eine Klasse?“, fragte Satoe weiter. „Keine Ahnung“, antwortete Mimi schulterzuckend. „Ich werde es nachher sehen. Aber es wäre zumindest gut, schon mit jemandem aus der Klasse befreundet zu sein.“ „Du kannst Izzy auch gern mal zu uns nach Hause zum Abendessen einladen“, schlug Satoe strahlend vor. Mimi runzelte die Stirn und antwortete auch hierauf nicht. Ihre Mutter war immer ganz scharf darauf, all ihre Freunde zu kennen und zu sich nach Hause einzuladen, um sie zu bekochen. Mimi ließ ihr Besteck sinken, stand auf und schnappte sich ihre Schultasche. „Ich muss los, sonst komme ich schon am ersten Tag zu spät“, verkündete sie und machte sich auf den Weg zur Wohnungstür. „Warte mal. Du hast doch noch gar nicht aufgegessen“, rief Satoe und lief ihr hinterher. „Ich hab dir doch schon gesagt, ich will nicht mehr so viel fettiges Zeug essen. Ich muss abnehmen“, antwortete Mimi ungeduldig. „Du musst doch nicht abnehmen!“, protestierte Satoe, wie immer. Sie gab Mimi einen Kuss auf die Wange zum Abschied und ließ sie dann endlich gehen. „Viel Spaß.“ _ Müde setzte Kari sich neben Tai an den Frühstückstisch und begann, sich eine Scheibe Toast mit Butter zu bestreichen. Ihre Mutter saß ihnen gegenüber und wirkte noch müder, als Kari sich fühlte. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, ihr Haar war unordentlich und fettig und sie wirkte um Jahre gealtert. Am vorigen Abend hatten Kari und Tai ihre Eltern wieder streiten hören, was Kari mittlerweile jedoch als gutes Zeichen deutete. Viel schlimmer fand sie es, wenn ihre Eltern kein Wort miteinander redeten und sich sogar ignorierten. „Seid ihr ausgeschlafen?“, fragte Yuuko, wahrscheinlich nur um überhaupt etwas zu sagen. „Wir schon, aber du anscheinend nicht“, antwortete Tai und musterte sie besorgt. Keiner der beiden Geschwister hatte ihre Mutter oder ihren Vater auf die häufigen Streitereien bisher angesprochen. „Ach was, schon gut, ich kann mich ja noch mal hinlegen, wenn ich will“, widersprach sie und lächelte ein sehr gezwungen aussehendes Lächeln. „Übrigens wundert euch nicht, wenn ich nachher nicht da bin. Ich muss ein paar Einkäufe fürs Wochenende erledigen.“ Kari nickte geistesabwesend und knabberte ohne Hunger an ihrem Toast. Als es endlich Zeit war, sich auf den Weg zur Schule zu machen, schnappten beide ihre Taschen und verließen mit ein paar Abschiedsworten für ihre Mutter die Wohnung. Schweigend liefen sie nebeneinander her zur Schule. „Ich bin irgendwie froh, dass die Schule wieder los geht. Das bedeutet, dass ich weniger zu Hause sein muss“, sagte Kari nach einer Weile mit gesenktem Kopf. „Geht mir auch so“, erwiderte Tai trocken. „Glaubst du, wir sollten sie mal direkt darauf ansprechen?“, fragte sie unsicher und rückte ihre Schultasche in eine bequemere Position. „Nein, was sollen sie uns denn sagen? Das müssen die unter sich ausmachen“, antwortete Tai bestimmt. Er klang ziemlich kühl. „Aber vielleicht könnten wir ihnen eine Paartherapie oder so etwas vorschlagen“, überlegte Kari laut und Tai gab ein verächtliches Geräusch von sich. „Ach, das ist doch eh alles Quatsch.“ Da war sich Kari nicht so sicher. Sie hatte eine Freundin in der Schule, deren Eltern auch einmal eine Paartherapie mitgemacht hatten und bei denen hatte das tatsächlich gewirkt. Wieso sollte es ihren Eltern also nicht auch helfen? Kari hatte sich immer so wohl gefühlt in ihrer Familie, so behütet und geborgen und glücklich. Sie wollte dieses Gefühl nicht verlieren. „Glaubst du, sie werden sich trennen?“, fragte sie beunruhigt und sah Tai an. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete. „Nein, bestimmt nicht. Die kriegen das sicher wieder hin“, sagte er, erwiderte ihren Blick jedoch nicht, sondern sah stur geradeaus. Kari wusste, dass er selbst nicht von dem überzeugt war, was er sagte. _ Sie hatten sich alle im Foyer der Schule verabredet, um gemeinsam zum schwarzen Brett zu gehen und die Klassenverteilung anzuschauen. Nur Tai und Kari fehlten noch, dann waren sie vollständig, doch die beiden kamen gerade an. „Was ist denn mit euch los? Ihr seht ja so geknickt aus“, begrüßte Sora die beiden und machte ein besorgtes Gesicht. „Na logisch sind sie geknickt. Es ist ja auch der erste Schultag und wir tragen alle bescheuerte Schuluniformen“, warf Mimi genervt ein und verschränkte die Arme vor der Brust. Izzy seufzte. Sie beschwerte sich schon den ganzen Morgen über ihre Schuluniform und fand sich damit furchtbar universell. Auch Cody, der bisher sehr schweigsam gewesen war, wirkte nicht allzu begeistert von seinem neuen täglichen Outfit. Tai und Kari begrüßten alle und anschließend machte sich die Gruppe, nun bestehend aus zehn Leuten, auf den Weg zum schwarzen Brett, wo sich schon viele Schüler tummelten und laut verkündeten, in welche Klassen sie eingeteilt waren. Izzy und die anderen versuchten, sich ebenfalls in die Menge zu quetschen, um den Plan lesen zu können. Wenigstens gab es zwei unterschiedliche schwarze Bretter für die Mittelschule und die Oberschule, doch es war trotzdem voll genug. „Izzy, hast du deinen Namen schon gefunden?“, fragte Mimi neben ihm aufgeregt und starrte auf den Plan. „Ja. Ich bin in der Eins und du?“ Ihr Blick glitt suchend die Liste entlang, bis sie anscheinend ihren Namen fand und vergnügt quietschte. „Ich auch!“ Sie warf die Arme um ihn und drückte ihn kurz an sich, weshalb Izzy ein wenig rosa anlief. Mimi war immer so überschwänglich. Sie kämpften sich zurück, woraufhin ihr Platz unverzüglich von anderen Schülern eingenommen wurde, und warteten auf ihre Freunde, die nach und nach wieder zu ihnen stießen. _ „Wie blöd, dass wir nicht mehr in einer Klasse sind“, sagte Sora traurig an Matt gewandt und meinte es auch ernst. Nun würden sie Matt noch weniger sehen. „Ja, dumm gelaufen“, sagte Matt nüchtern. „Aber wir sehen uns ja in den Pausen.“ „Und, wie ist es bei euch gelaufen?“, fragte Tai die anderen, als sie bei ihnen ankamen. „Wir sind alle drei in einer Klasse“, verkündete Davis und deutete auf sich, Kari und T.K. „Wie schön für euch. Wir haben Matt leider verloren“, erzählte Sora. „Ach, komm schon. Du tust ja gerade so, als würden wir uns gar nicht mehr sehen“, entgegnete Matt und tätschelte ihr die Schulter. „Naja, wir können zumindest keine Vorträge mehr zusammen machen. Jetzt muss ich die allein mit Tai machen.“ Sora grinste Tai an, der das Gesicht verzog. „Was soll das denn heißen? Ich bin ja wohl ein prima Vortragspartner!“, protestierte er. Matt und Sora prusteten los und die anderen lachten. „Wie sieht's bei euch aus? Seid ihr in eine Klasse gekommen?“, fragte Sora nun an Mimi und Izzy gewandt. Mimi klammerte sich an seinen Arm und nickte. „Ja und wehe, du lässt mich heute allein.“ Sie grinste ihn an und er lächelte unschuldig. „Gut, dass ich nicht mit Mimi in einer Klasse sein muss“, bemerkte Tai und musterte die beiden mit einer hochgezogenen Augenbraue. Mimi streckte ihm die Zunge raus. „Das Gleiche kann ich auch von dir behaupten.“ „Cody, wie ist es denn bei dir? Kennst du schon jemanden aus deiner Klasse?“, fragte Yolei an den Jüngsten der Runde gewandt, der den Kopf schüttelte. „Nein, die sind alle auf andere Mittelschulen gekommen“, antwortete er und ließ den Kopf hängen. „Aber das ist doch nicht so schlimm. So kannst du mehr neue Leute kennen lernen“, meinte Kari und zwinkerte ihm zu. „Genau, das wird bestimmt super“, pflichtete Sora ihr bei. „Mach dir keine Sorgen.“ Cody seufzte tief, nickte aber einigermaßen beruhigt. „Vielleicht sollten wir langsam mal in unsere Räume gehen, sonst kriegen wir nur noch die blöden Plätze ab“, sagte Davis mit einem Blick auf die große Uhr, die über den schwarzen Brettern hing. _ In ihrem Klassenraum angekommen, versuchte Davis, möglichst zwischen Kari und T.K. zu gehen, sodass er sich neben sie setzen konnte. Letztes Jahr hatten die beiden nebeneinander gesessen und Davis hinter ihnen, was ihn ziemlich genervt hatte, aber so hatte er zumindest nichts verpassen können. Sein Plan ging auf. Kari setzte sich auf einen Platz in der letzten Reihe am Fenster und Davis stürzte sich förmlich auf den Platz neben ihr. Ihm entging T.K.s kurzes Augenrollen nicht, doch das war ihm egal. Glücklich drehte er sich zu Kari, die gerade einen Schreibblock und einen Stift aus ihrer Tasche kramte. „Was machst du heute nach der Schule?“, fragte er lächelnd. Sie sah ihn an und strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Ich weiß nicht.“ „Im Park ist doch gerade so ein Frühlingsfest. Vielleicht können wir ja da mal vorbeischauen?“, schlug Davis vor und spürte sein Herz höher schlagen. „Ja, okay“, antwortete Kari schulterzuckend. „T.K., willst du auch mitkommen?“ T.K. vor ihnen drehte sich um und Davis versuchte, seine Enttäuschung zu verbergen. Immer T.K. Immer und immer wieder T.K. Warum konnte sie nicht einmal mit Davis allein etwas unternehmen, sondern musste immer T.K. einladen? „Nein, ich kann nicht“, antwortete T.K. und Davis hätte fast erleichtert aufgeatmet. „Matt hat mich zum Essen zu sich nach Hause eingeladen. Unser Vater kommt heute extra zeitig von der Arbeit.“ „Oh, schade“, sagte Davis und bemühte sich um einen betrübten Gesichtsausdruck. „Kocht Matt für dich?“, fragte Kari interessiert und widmete ihre komplette Aufmerksamkeit nun T.K. „Ja, zumindest war das gestern noch sein Plan“, antwortete er grinsend. „Ach, ich hätte auch gern einen Bruder, der mich bekocht. Tai hat das schon ewig nicht mehr gemacht“, seufzte Kari und stützte den Kopf auf die Hände. Davis warf ihr einen schiefen Blick zu. Obwohl Tai nicht kochte, würde er Jun sofort für ihn eintauschen. Wie ärgerlich, dass sie keine Wohnung gefunden hatte und während des Studiums weiter zu Hause leben musste. _ Die Klassenleiterstunde verging schleppend und Matt warf alle paar Minuten einen Blick auf die Uhr, die über der Tafel hing. Nagisa neben ihm, von der er wusste, dass sie auf ihn stand, versuchte ständig ein Gespräch mit ihm zu beginnen, obwohl Matt ihr jedes Mal nur einsilbige Antworten gab. „Wirst du dich in eine Arbeitsgemeinschaft einschreiben?“, fragte sie ihn gerade flüsternd, als er einen Kugelschreiber zwischen den Fingern drehte. „Nein, ich glaube nicht“, antwortete er. Immerhin hatte er genug mit seiner Musik zu tun und er hätte selbst dann keine Zeit für außerschulische Aktivitäten, wenn es keine Schule mehr geben würde. „Bestimmt wegen eurer Proben, oder?“, fragte Nagisa weiter. Matt nickte nur und starrte nach vorn zur Tafel. „Wann ist euer nächstes Konzert? Am Wochenende?“, fragte Nagisa, die anscheinend noch immer nicht merkte, dass er kein Interesse an einem Gespräch mit ihr hatte. „Morgen“, murmelte er. Morgen wollte er endlich mal wieder ein Mädchen mitnehmen. Seit Wochen hatte er schon keine mehr gehabt, weil er irgendwie nicht wollte. Warum, konnte er sich selbst nicht erklären. Es war doch irgendwie sehr eigenartig. Wäre er heute nicht mit T.K. verabredet, hätte er es mit Nagisa versuchen können, aber T.K. ging vor. Immer. _ „Puh“, machte Mimi, starrte auf die Liste, die sie in den Händen hielt, kratzte sich am Kopf, warf einen Blick auf Izzy neben sich und starrte wieder die Liste an. Sie saßen auf dem Schulhof auf einer Bank in der Sonne und überlegten gerade, in welche Aktivitäten sie sich einschreiben sollten. Das hieß, nur Mimi überlegte. Izzy wusste es wahrscheinlich schon. „Was soll ich bloß nehmen? Ich hätte Lust auf den Chor, aber ich würde auch gern in deinen Computerclub kommen. Aber tanzen wäre auch toll. Oder der Kochclub.“ Sie warf Izzy einen verzweifelten Blick zu. „Hilf mir doch mal.“ „Hm“, machte er und sah ebenfalls auf die Liste. „Was hast du denn in New York gemacht?“ „Du wirst lachen, wenn ich dir das sage.“ Er blickte neugierig auf und sah sie fragend an. „Ich war bei den Cheerleadern.“ Izzy nickte und lächelte amüsiert. „Dann geh doch zusammen mit Kari in den Tanzclub. Die ist da jetzt auch schon seit zwei Jahren.“ „Hm“, machte Mimi nun und sah nachdenklich die Eintragung „Tanzclub“ an. Er fand zwei mal die Woche statt, dienstags und donnerstags. Wenn sie regelmäßig zum Tanztraining ging, würde das ihrer Figur sicher gut tun und ihre Abnehmpläne unterstützen. Tanzen war zwar nicht das selbe wie Cheerleading, aber es kam dem zumindest nahe. „Ja, ich glaube, das mache ich. Machst du neben dem Computerclub noch etwas?“ „Ich wollte mal den Go-Zirkel probieren“, antwortete Izzy nachdenklich und tatsächlich hatte er selbigen auf seiner Liste unterstrichen. Das brachte Mimi zum Grinsen, weil es irgendwie total zu Izzy passte. „Also gut.“ Mimi sprang von der Bank auf und drehte sich zu Izzy um. „Lass uns uns einschreiben gehen, bevor noch alles voll ist.“ _ Es war schon mittags, als sie sich alle wieder vor dem Schulgelände trafen, um sich die wichtigsten Neuigkeiten zu erzählen. Alles hatte länger gedauert als erwartet: die Klassenleiterstunde, das Eintragen in die außerschulischen Aktivitäten, das Plaudern mit den Mitschülern, die man zwei Wochen nicht gesehen hatte. „Na, Cody? Was sagst du?“, fragte Izzy an den Jüngsten der Gruppe gewandt. „Wie ist dein Eindruck?“ „Also bisher finde ich es echt cool“, antwortete Cody. „Bei den ganzen außerschulischen Aktivitäten kann man sich ja gar nicht entscheiden.“ Daraufhin teilten sich alle gegenseitig mit, in welche Clubs und Vereine sie sich eingetragen hatten. Tai hatte sich natürlich beim Fußballclub angemeldet, wie jedes Jahr. Schließlich war er seit Beginn der Oberstufe der Kapitän der Mannschaft und liebte diesen Posten, auch wenn er Arbeit bedeutete. Davis hatte sich ebenfalls in die Fußballmannschaft eingetragen, denn auch er besuchte sie seit zwei Jahren. Izzy hatte sich dazu entschieden, wieder den Computerclub zu leiten, den auch Yolei besuchen wollte. Zusätzlich ging sie fortan in den Kochclub. Mimi und Kari hatten sich für den Tanzverein gemeldet und Kari war begeistert, dass Mimi diesen besuchen wollte. „Die Mädels beim Tanzen sind supernett, bis auf zwei, drei Ausnahmen“, hatte sie ihr fröhlich erklärt. Cody hatte sich wie auch Izzy in den Go-Zirkel eingeschrieben. T.K. wollte wieder am Basketballclub teilnehmen, wo er seit Beginn seiner Mittelschulzeit ziemlich erfolgreich war. Tai war sich sicher, dass er ab dem nächsten Schuljahr der Kapitän sein würde. Matt hielt wie üblich Abstand von außerschulischen Aktivitäten, da er genug mit seinen Bandproben zu tun hatte. Nur um Sora machte Tai sich Sorgen. Sie hatte sich in den Tennisclub, den Fußballclub der Mädchen und den Handarbeitsclub eingetragen. Zusätzlich wollte sie weiter in Nami's Café jobben. Tai konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie ein Mensch so viele Dinge auf einmal bewältigen sollte, doch Sora war der Meinung, das wäre nicht zu viel. „Also dann sehen wir uns ja alle morgen wieder“, sagte sie gerade und blickte in die Runde. Alle verabschiedeten sich fröhlich voneinander und machten sich dann zusammen oder allein auf den Weg nach Hause. „Tai?“ Tai drehte sich um und sah seine Schwester fragend an. „Ich gehe noch mit Davis aufs Frühlingsfest. Sagst du Mama Bescheid?“ Tai musterte sie und Davis, der neben ihr stand, erstaunt. Es kam selten – um nicht zu sagen nie – vor, dass die beiden etwas zu zweit unternahmen. Ob Kari gerade dabei war, ihre Meinung über Davis zu ändern? „Ja, klar, kein Problem.“ _ „Was kochst du uns denn heute?“, fragte T.K. seinen großen Bruder neugierig. Sie waren gerade eben in der Wohnung der Ishidas angekommen und T.K. hatte auf seinem Stammplatz am Esstisch Platz genommen. In der gesamten Wohnung sah es wie immer ein wenig unaufgeräumt aus. Hier und da hing ein Hemd, das noch gebügelt werden musste, auf der Küchenarbeitsfläche lagen Notizzettel und Stifte verstreut, benutztes Geschirr stapelte sich auf dem Abtropfbecken, auf dem Boden flogen ein paar Staubflusen durch die Gegend. „Sagen wir, es gibt mein Spezialgericht“, antwortete Matt zwinkernd und holte ein Messer und ein Schneidebrett aus den Schränken hervor. „Ah, lecker, ich freu mich schon“, sagte T.K., dem schon der Magen knurrte. „Na ja, ein bisschen dauert es schon noch“, meinte Matt und begann, Gemüse zu schneiden. „Soll ich dir nicht irgendwie helfen?“, bot T.K. an und wollte schon aufstehen, doch Matt hielt ihn auf. „Nein, kommt nicht in Frage. Ich hab dich zum Essen eingeladen, also koche ich und du hältst dich schön raus“, entgegnete er streng, grinste aber. Mit dieser Antwort hatte T.K. schon gerechnet, schließlich durfte er sich auch sonst nie einbringen, sondern spielte stets den Unterhalter. „Findest du es eigentlich okay, dass Kari mit Davis allein aufs Frühlingsfest geht?“, fragte Matt plötzlich, drehte sich aber nicht um, sondern fuhr geschickt fort, das Gemüse zu schneiden. T.K. runzelte die Stirn. „Wieso sollte ich das nicht okay finden?“ „Naja, immerhin ist sie doch sowas wie deine... Freundin“, antwortete Matt schulterzuckend. T.K. schüttelte heftig den Kopf, was Matt natürlich nicht sehen konnte. „Warum versteht ihr eigentlich alle nicht, dass wir nur befreundet sind? Das ist doch schon seit Jahren so.“ Nun drehte Matt sich doch um, hielt im Schneiden inne und musterte ihn prüfend. „Deswegen ja“, sagte er grinsend. „Wir warten alle darauf, dass es bei euch endlich mal funkt.“ „Dann wartet mal alle weiter“, seufzte T.K. und verschränkte die Arme vor der Brust. Langsam war er dieses Thema leid. „Ich weiß ja, dass es dir schwer fällt, mit Mädchen nur befreundet zu sein, aber das heißt nicht, dass es mir genauso geht.“ Matt zog die Augenbrauen hoch und fuchtelte mit dem Messer durch die Gegend. „An deiner Stelle wäre ich vorsichtig, Kleiner. Ich hab hier viele scharfe Messer.“ „Es wird aber schwer, das wie einen Unfall aussehen zu lassen“, erwiderte T.K. grinsend. „Wer sagt, dass ich es wie einen Unfall aussehen lassen will?“, fragte Matt und setzte einen gespielt psychopathischen Blick auf. T.K. schüttelte lachend den Kopf. _ Davis konnte es noch gar nicht fassen, dass Kari tatsächlich mit ihm allein auf das Frühlingsfest ging. Er wollte besonders aufmerksam sein, um ihre Gefühle für ihn irgendwie zu steigern. „Hast du Lust auf Lose ziehen?“, fragte er und deutete auf einen Losstand weiter vorn. „Klar, aber ich ziehe sowieso bloß Nieten“, antwortete Kari. Er nahm ihre Hand und zog sie hinter sich her zu dem Losstand. „Also, ich lade dich ein. Zehn für dich und zehn für mich, okay?“ „Okay, danke.“ Sie lächelte ihr umwerfendes Lächeln, das Davis' Herz jedes Mal schneller schlagen ließ. Er kaufte die Lose und gemeinsam machten sie sich daran, sie aufzureißen und auseinanderzufalten. Kari hatte tatsächlich fast nur Nieten, Davis hingegen bekam ein paar Punkte mehr zusammen. Der Budenbesitzer nahm ihre Lose entgegen und deutete auf eine Armada von Stofftieren, von denen sie sich eines aussuchen durften. „Welches findest du am besten?“, fragte Davis an Kari gewandt und sah sie erwartungsvoll an. Ihr Blick schweifte abschätzend durch die Reihe, bis sie den Arm ausstreckte. „Den Hasen da.“ Davis nickte. „Den finde ich auch am besten.“ Der Budenbesitzer drückte drückte ihr den Hasen in die Hand, den sie an Davis weiter reichen wollte, doch er hob abwehrend die Hände. „Er gehört dir“, sagte er lächelnd. „Was ehrlich? Aber du hast die Lose bezahlt“, protestierte sie und hielt die Hand mit dem Stoffhasen immer noch ausgestreckt. „Na und? Ich will ihn dir trotzdem schenken“, antwortete Davis bestimmt und zuckte mit den Schultern. Kari sah den Hasen an, ließ die Hand sinken und lächelte dann. „Danke, das ist wirklich süß.“ Davis spürte, wie er errötete und wandte sich um, um weiter zu gehen. _ „Papa, da bist du ja endlich“, begrüßte Matt Hiroaki Ishida, der soeben die Wohnung betreten hatte. „Tut mir Leid, ist doch ein bisschen später geworden. Hallo, T.K.“ Er lächelte und klopfte seinem jüngeren Sohn auf die Schulter, bevor er sich ein wenig erschöpft wirkend neben ihn setzte. „Wie geht’s dir? Alles in Ordnung?“ „Ja, bestens“, antwortete T.K. fröhlich. „Aber du siehst wie immer mitgenommen aus.“ „Seit der Beförderung ist eben alles noch ein bisschen hektischer geworden“, seufzte Hiroaki und lehnte sich zurück. „Jetzt hast du ja für heute frei und kannst dich ausruhen“, warf Matt ein und stellte die fertig befüllten Teller auf dem Esstisch ab, bevor er sich selbst T.K. und seinem Vater gegenüber setzte. „Nicht ganz“, meinte Hiroaki und zog seinen Teller zu sich heran. „Heute Abend muss ich noch mal los.“ Beide Jungen richteten die Blicke neugierig auf ihn, was ihn zum Stottern brachte. „Ähm... ich... muss noch mal wohin. Wie war die Schule?“ Hastig griff er nach den Stäbchen und begann zu essen. Matt hatte ihn natürlich sofort durchschaut und wusste, dass er irgendetwas verheimlichte. Er fing T.K.s irritierten Blick auf, zuckte jedoch nur kaum merklich mit den Schultern und begann dann ebenfalls zu essen. _ „Es hat wirklich Spaß gemacht heute“, sagte Kari zu Davis, als sie vor ihrer Haustür standen. Sie waren tatsächlich bis zum frühen Abend auf dem Frühlingsfest geblieben, hatten gegessen, die Spiele an den Buden gespielt, geplaudert und einfach Spaß gehabt. Eigentlich hatte sie zuerst nicht allzu viel Lust verspürt, mit Davis allein etwas zu unternehmen. Meistens klammerte er dann an ihr und zeigte ihr bei jeder Gelegenheit, wie gern er sie hatte, doch an diesem Tag war er wirklich zuvorkommend und nicht aufdringlich gewesen. Und es war allemal besser, als zu Hause zu sein und ihre Mutter dabei zu beobachten, wie sie mit aller Macht versuchte, sich nichts von ihren Eheproblemen anmerken zu lassen. „Ja, mir auch“, antwortete er, kratzte sich verlegen am Kopf und errötete schon wieder, wahrscheinlich zum hundertsten Mal an diesem Tag. Kari war das nicht entgangen und sie fand es irgendwie süß. „Na dann bis morgen in der Schule“, verabschiedete sie sich lächelnd und umarmte ihn kurz. „Ja, bis morgen“, stammelte Davis verlegen. Er blieb so lang draußen stehen, bis Kari im Haus verschwunden war und die Tür hinter sich geschlossen hatte. _ Sora räumte gerade die letzten Tische ab und stellte das Geschirr in den Geschirrspüler, als ihr Blick auf Tai fiel, der auf seinem Stammplatz saß und gedankenverloren aus dem Fenster starrte. Er war schon am frühen Abend gekommen und bis jetzt geblieben. Sie nahm ihre Schürze ab, hängte sie an den Haken hinter dem Tresen, nahm ihre Tasche und ging auf Tai zu. „Hey“, sagte sie leise und berührte mit einer Hand seine Schulter. Er zuckte zusammen und sah sie ein wenig aufgeschreckt aus seinen braunen Augen an. „Wir müssen los.“ „Achso, ja warte, ich hab noch gar nicht bezahlt“, sagte er und kramte in der Hosentasche nach seinem Portemonnaie. „Lass stecken. Das geht aufs Haus“, meinte Sora lächelnd und meinte damit eigentlich, dass es auf sie ging, aber das hätte Tai erst recht nicht angenommen. „Danke“, murmelte er und stand auf. Sora schaltete noch alle Lichter aus, bevor sie gemeinsam Nami's Café verließen. „Sag mal, hast du Lust, morgen mit auf Matts Konzert zu kommen?“, fragte Sora auf dem Weg zur U-Bahn. „Mimi will unbedingt hingehen und hat mich gefragt, ob ich nicht mitkommen will. Sie will nicht allein gehen.“ „Ja, kein Problem. Hab ihn ja mittlerweile schon lange nicht mehr spielen sehen“, antwortete Tai. „Da hast du was verpasst“, meinte Sora lächelnd. Sie ging sehr oft zu Matts Konzerten, da ihr seine Musik so sehr gefiel und er ihr die Eintrittskarten meistens schenkte. Manchmal ging sie sogar noch danach mit ihm und dem Rest seiner Band in einen Club, da sie sich auch mit den anderen drei sehr gut verstand. „Naja, ich weiß nicht“, erwiderte Tai scherzhaft. Sora wusste, dass die Musik der Tokyo Rebels nicht zu hundert Prozent Tais Geschmack traf, weshalb er die Konzerte auch nur hin und wieder besuchte. „Ich bring dich noch nach Hause, okay?“ „Ja. Ich weiß ja, dass du dich eh nicht davon abbringen lässt“, antwortete sie nur. Größtenteils schweigend legten sie den Weg zu Soras Wohnblock zurück und verabschiedeten sich vor der Haustür. „Schreib mir, wenn du zu Hause angekommen bist“, befahl Sora und sah ihn gespielt streng an. „In Ordnung“, sagte Tai ergeben und verdrehte die Augen. „Schlaf gut.“ Sora ging in die Wohnung, machte sich im Bad fertig und legte sich dann in ihr Bett. Sie schloss allerdings erst die Augen, nachdem Tai ihr, mal wieder verspätet, per SMS versicherte, dass er heil zu Hause angekommen war. _ Es war bereits nachts, als T.K. sich aus seinem Zimmer schlich, weil er auf die Toilette musste. Müde schlurfte er auf den Flur in Richtung Badezimmer, als er plötzlich seine Mutter hörte, wie sie mit jemandem an der Wohnungstür sprach. „Wann sehen wir uns wieder?“, säuselte sie gerade ihrem Gegenüber zu. T.K. verstand nicht, was derjenige antwortete, er konnte lediglich ausmachen, dass es sich um einen Mann handeln musste. Erstaunt zog er die die Augenbrauen hoch. Es war schon ewig her, seit seine Mutter das letzte Mal einen Freund hatte. Sie war in der Hinsicht sehr wählerisch, da sie unbedingt jemanden haben wollte, der mit T.K. gut auskam und ihn mochte. Das war stets ihre oberste Priorität und wenn sie auch nur im Geringsten den Verdacht hegte, der Mann könnte in irgendeiner Hinsicht nicht zu T.K. passen, dann schlug sie ihn sich sofort wieder aus dem Kopf. Umso verblüffter war T.K. nun, dass sie sich gerade von jemandem verabschiedete, den sie anscheinend wiedersehen wollte. „Okay, ich freue mich schon“, hörte T.K. sie leise sagen, dann folgte ein kurzes Kussgeräusch, bevor sie die Wohnungstür schloss. T.K. grinste und fragte sich, wann er ihn wohl kennen lernen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)