Ein Leben wie dieses von Juju ================================================================================ Kapitel 3: Willkommen zurück ---------------------------- Samstag, 25. März 2006   „Endlich fertig“, seufzte Mimi und ließ sich auf ihr gerade bezogenes Bett fallen. Vor zwei Stunden war sie angekommen und hatte es mittlerweile geschafft, das Nötigste auszupacken. Nun musste sie eigentlich schon damit beginnen, sich fertig zu machen. Sora wollte unbedingt mit ihr noch einen Cocktail trinken gehen. „Du kannst doch auch zu mir kommen“, hatte Mimi zu ihr gesagt, doch Sora wollte unbedingt Cocktails trinken. Und dann auch in einer Bar, die nicht gerade um die Ecke war. Und abholen wollte sie sie obendrein auch noch. Als ob Mimi nicht selbst zu so einer blöde Bar finden würde. Zwar war sie schon lange nicht mehr in Tokio gewesen, aber so schlecht war ihr Orientierungssinn auch wieder nicht. Gerade als Mimi damit fertig war, sich zu schminken, klingelte es an der Tür. „Mimi, es ist Sora!“, rief ihre Mutter einige Sekunden später. „Ja, ich weiß“, rief Mimi zurück, schnappte ihre Tasche und verließ ihr Zimmer. Als sie Sora an der Haustür stehen sah, stieß sie einen Freudenschrei aus, rannte auf sie zu und fiel ihr um den Hals. Sora drückte sie einige Sekunden an sich und sah sie dann an. Auch Mimi musterte ihre Freundin. Ihr Haar hatte seine Farbe nicht geändert und es war auch noch immer schulterlang. Doch ansonsten war sie sportlicher geworden und hatte eine wirklich tolle Figur. „Lass uns gehen“, sagte Sora. Die beiden Mädchen verabschiedeten sich von den Tachikawas und gingen zur U-Bahn-Station. „Oh, Mist!“, rief Sora plötzlich und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Ich hab ganz vergessen, auf Arbeit Bescheid zu sagen, dass ich Montag nicht kann. Macht es dir was aus, wenn wir noch ganz kurz an meinem Café vorbeigehen, damit ich Bescheid sagen kann?“ Sie sah Mimi bittend an. „Ähm... klar, kein Problem“, erwiderte Mimi und zuckte die Schultern. Nach einigen Stationen stiegen sie wieder aus und gingen einen Weg entlang, den Mimi nicht kannte. Sie bogen um eine Ecke und standen vor einem Café, auf das Sora schnurstracks zusteuerte. „Sieht ja gemütlich aus“, bemerkte Mimi. „Ist es das, wo du schon seit einem Jahr arbeitest?“ „Ja und es ist auch echt gemütlich. Bei Gelegenheit musst du mich mal besuchen kommen. Tai kommt auch oft vorbei“, antwortete Sora und lächelte. Sie gingen hinein und Mimi folgte Sora durch das Café. Eigentlich hatte sie erwartet, sie würden zur Theke gehen, doch da war überhaupt niemand. Stattdessen liefen sie auf eine Doppeltür im hinteren Teil des Cafés zu. Mimi wunderte sich, sagte aber nichts. Mit einem Ruck stieß Sora die Doppeltür auf. „Überraschung!“, riefen ziemlich viele Leute gleichzeitig und Mimi klappte die Kinnlade herunter. _ Genau wie alle anderen im Raum beobachtete Izzy Mimi gespannt, wie sie sprachlos im Türrahmen stand und sich verblüfft umsah. Ihre Augen huschten von den vielen Leuten im Raum zur Dekoration, zum Banner, zu den Tischen und wieder zurück. Dann glitzerten plötzlich Tränen in ihnen. „Oh mein Gott, habt ihr das... für mich gemacht?“, fragte sie mit zittriger Stimme. „Ich dachte, Sora und ich gehen Cocktails trinken.“ „Nein, geh bitte zur Seite, wir haben das für den hinter dir gemacht“, antwortete Tai laut und erntete einige Lacher. „Natürlich haben wir das für dich gemacht!“ Mimi machte einen gerührten Gesichtsausdruck und ging dann los, um alle zu umarmen, die da waren. Es waren knapp dreißig Leute zusammengekommen. Von der alten Gruppe hatten es alle geschafft, hier zu erscheinen, und dann waren noch einige andere Leute eingeladen worden, die mit Mimi befreundet waren und einige Klassenkameraden, die sie zumindest kannten. Auch Izzy hatte einige seiner Klassenkameraden mitgebracht, die ja dann mit Mimi zumindest in einem Jahrgang wären. „Izzy“, sagte Mimi und schlang die Arme plötzlich um seinen Hals. „Es ist so schön, dich zu sehen.“ Izzy lächelte verlegen und musterte sie. Sie war in den letzten Jahren noch hübscher geworden. Ihr Haar fiel ihr lang und lockig über den Rücken, die Haarspitzen hatte sie pink gefärbt. Sie war schlank und trug ein einfaches kurzes Kleid, das ihrer Figur sehr schmeichelte. „Du siehst gut aus“, sagte Izzy ein wenig verlegen. „Danke, du auch“, erwiderte Mimi. „Wir müssen uns nachher unbedingt unterhalten. Ich hab die Nase voll vom Reden über Mails.“ Mit diesen Worten setzte sie die Reihe der Umarmungen fort und ließ Izzy stehen. _ Je später es wurde, desto ausgelassener wurden die Anwesenden. Davis konzentrierte sich sehr darauf, in Karis Nähe zu sein, wo leider auch T.K. stets anzutreffen war. Aber auch Ken hatte sich zu ihnen gesellt, was Davis freute. Es war aber kein Wunder, hatte er doch sonst kaum noch Personen dort, mit denen er reden konnte. „Wie schön, dass du gekommen bist“, rief Kari über die Musik hinweg Ken zu. „Ich hab dich schon so lange nicht mehr gesehen.“ „Ehrlich gesagt wollte ich erst gar nicht kommen, weil es mir irgendwie komisch vorkam“, gestand Ken und Davis schüttelte heftig den Kopf. „So ein Blödsinn! Du gehörst doch dazu“, widersprach er ungeduldig. „Davis hat Recht“, stimmte Kari zu und lächelte ihn an, wobei Davis ein Kribbeln in der Magengegend verspürte. Kari sah einfach toll aus. Sie trug eine enge Jeans und ein rosafarbenes Oberteil ohne Ärmel. Ihr Haar war noch immer knapp schulterlang, doch sie hatte es zu einem modischen Bob geschnitten. „Wollen wir tanzen gehen?“, fragte Davis plötzlich und spürte, wie er rot wurde. Ihm war die Frage einfach durch den Kopf gegangen. Er wollte sie gar nicht aussprechen, doch es war einfach so über seine Lippen gekommen. „Ähm... klar“, antwortete Kari und ging voraus in Richtung der kleinen Tanzfläche, wo schon ein paar andere herum hampelten. Davis strahlte über das ganze Gesicht, als er gegenüber von Kari anfing, sich einigermaßen rhythmisch zur Musik zu bewegen. _ Davis tanzte wirklich dermaßen lächerlich, dass T.K. sich ein Lachen nicht verkneifen konnte. Aber neben Kari sah wohl jeder lächerlich beim Tanzen aus, tanzte sie doch schon seit Jahren in einem Verein. Sie bewegte sich so anmutig wie eine Elfe. „Und du und Kari, ihr seid jetzt zusammen?“, riss Ken ihn aus seiner Beobachtung. Überrascht sah er ihn an. „Was? Nein. Sieht das so aus?“ „Nur ein wenig“, antwortete Ken zurückhaltend. T.K. musste lachen. „Ehrlich gesagt werden wir ständig für ein Paar gehalten.“ „Ihr passt halt gut zusammen, schon seit ich euch kenne“, meinte Ken schulterzuckend. „Aber Davis ist noch in sie verliebt, oder?“ T.K. nickte mit finsterer Miene. Davis' Verknalltheit war manchmal ziemlich nervig und auffällig. Er sah Ken an und musterte ihn zum ersten Mal an diesem Abend. Er war ein ganzes Stück gewachsen, genau wie er selbst, sah aber recht schlaksig aus. Auch seine Haare hatte er wachsen lassen und hatte sie im Nacken zusammengebunden. „Wollen wir uns was zu trinken holen?“, fragte T.K. Ken nickte und gemeinsam gingen sie zu den Tischen, auf denen die Getränke verteilt waren. _ „Izzy!“, quietschte Mimi und warf sich ihm um den Hals. „Du hast mir so gefehlt. Endlich bekomme ich mal die Chance, mit dir zu quatschen.“ Izzy erwiderte ihre Umarmung überrascht und drückte sie kurz an sich. „Du hast mir auch gefehlt.“ „Komm, wir holen uns was zu trinken!“, forderte Mimi ihn auf, nahm seine Hand und zog ihn hinter sich her zu den Getränken. Ungefragt schenkte sie jedem ein Glas Bowle ein, grinste Ken und T.K. zu, die an einen Tisch gelehnt standen und sich unterhielten und wandte sich wieder an Izzy. „Zum Wohl“, rief sie fröhlich und stieß mit ihm an. Ihre Wangen waren bereits gerötet und sie wirkte übertrieben fröhlich. „Diese Party ist echt so eine tolle Idee. Ich freue mich so und bin so gerührt, dass ihr das nur für mich gemacht habt.“ „Naja, eigentlich war das alles Soras Idee. Sie hat sich um alles gekümmert“, gestand Izzy und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Also habt ihr sie das alles allein machen lassen?“, fragte Mimi gespielt empört und stemmte die freie Hand in die Hüfte. „Natürlich nicht“, sagte Izzy schnell und hob die freie Hand. „Das heißt, ich hab nicht so viel gemacht.“ Er lächelte schuldbewusst. Mimi musterte ihn, wobei er sich geröntgt fühlte, und schüttelte den Kopf, wobei ihr langes Haar mitschwang und einen fruchtigen Duft verströmte. Sie trank in einem Zug ihr Glas voll Bowle aus und nahm dann wieder seine Hand. „Los, gehen wir zu Kari und Davis und tanzen mit!“ Wieder wurde Izzy nicht gefragt, doch er hatte nichts dagegen. Liebend gern tanzte er mit Mimi. _ Sora stand mit Tai und Matt in einer Ecke und trank Erdbeerbowle. Die Jungs hatten jeder eine Flasche Bier in der Hand. „Und wer ist die da hinten?“, fragte Tai und deutete auf ein Mädchen auf der Tanzfläche. „Das ist Natsu, die ging mal mit Mimi in eine Klasse und war gut mit ihr befreundet“, erklärte Sora. „Sieht auf jeden Fall ganz süß aus“, bemerkte Matt und musterte das Mädchen mit seinen blauen Augen. „Alter, nimmst du eigentlich jede, die nicht bei drei auf dem Baum ist?“, fragte Tai und boxte seinen besten Freund in die Seite. „Oh, nein“, antwortete Matt mit einem spöttischen Unterton und lachte. „Ich bin anspruchsvoll.“ „Du bist ein verdammter Casanova“, erwiderte Tai grinsend. „Ich möchte mich eben nicht festlegen“, antwortete Matt geheimnisvoll lächelnd, nahm einen Schluck von seinem Bier und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Sora schüttelte nur den Kopf über die beiden und deutete auf Kari und Davis. „Kari tanzt wirklich toll und sieht hübsch aus. Kein Wunder, dass Davis so verliebt in sie ist.“ „Ja, kein Wunder“, stimmte Matt zu und grinste herausfordernd. Tai reagierte sofort. „Rühr' sie an und ich bring' dich eigenhändig um“, drohte er halb zum Spaß, halb ernst. „Reg dich ab“, meinte Matt lachend und gab ihm einen Klaps auf die Schulter. „Sie ist mir eh zu jung.“ Tai machte eine verärgerte, aber halbwegs beruhigte Miene, bis Matt hinzufügte: „In ein oder zwei Jahren dann vielleicht.“ „Mimi sieht richtig glücklich aus“, sagte Sora laut und schob sich zwischen die beiden Jungs, bevor Tai Matt noch an die Gurgel gehen konnte. „Aber warum tanzt Kari eigentlich mit Davis und nicht mit T.K.?“ „Kari behauptet nach wie vor, dass sie nicht mit T.K. zusammen ist“, antwortete Tai schulterzuckend. „Vielleicht sollten wir die beiden mal verkuppeln? Das wäre doch mal eine Aufgabe für dich und Mimi“, schlug Matt an Sora gewandt vor und lächelte amüsiert. „Was?! Wieso für mich? Ich mische mich doch nicht in das Liebesleben anderer ein“, murrte Sora und verschränkte die Arme vor der Brust. „Aber Verkupplungsaktionen sind doch so'n Mädchending“, entgegnete Matt unbekümmert. „Ja, wenn man zwölf ist und gerade anfängt, Jungs nicht mehr doof zu finden“, meinte Sora schnippisch. Eine Weile beobachteten sie die Jugendlichen auf der Tanzfläche, bis es Sora schließlich auch in den Beinen juckte. Sie überredete die Jungs, ebenfalls mit tanzen zu kommen, wobei sie eigentlich nur Matt überreden musste. Tai hatte nichts dagegen. _ Alle auf der Tanzfläche Anwesenden grölten die Lieder mit, die aus der Anlage dröhnten. Das nächste Lied war ein Titel von Matts Band und Matt warf Sora einen anerkennenden Blick zu. „Derjenige, der die Musikliste zusammengestellt hat, hat einen guten Geschmack“, meinte er und zog die Augenbrauen hoch. Sora grinste. „Das war ich. Und das ist übrigens mein Lieblingslied von euch.“ „Echt? Zufällig ist es das einzige Lied auf diesem Album, das ich ganz allein geschrieben und komponiert habe“, antwortete er. „Das ist echt toll. Weißt du, ich hab – “ Doch Matt erfuhr nicht mehr, was sie hatte, denn Mimi, die an seiner anderen Seite tanzte und anscheinend nicht mitbekommen hatte, dass er sich gerade mit Sora unterhielt, sprach ihn plötzlich an und Sora wandte sich vorerst wieder ab. „Ist das nicht deine Band? Wie heißt ihr jetzt noch mal?“, fragte Mimi. „Tokyo Rebels. Und von den Teenage Wolves sind nur noch Shin und ich dabei“, antwortete Matt. Mimi machte ein überraschtes Gesicht. „Ach echt? Ich dachte, die Teenage Wolves haben sich einfach nur umbenannt.“ „Nein, nein. Die anderen beiden aus der Band hatten keine Lust mehr und so haben wir neue Mitglieder gesucht“, erklärte Matt. Mimi nickte und lauschte dem Lied. I will follow the electric lines. With my electric heart I then will find a way through all these damn street signs. But I'll be there, I will wait by your side, ooh, by your side. Think back, think back to the summer time. I will cross through these state lines. You were always on my mind. It should not be this hard to see how to get from point A to B without losing sleep, without losing sleep. „Hast du bei dem Text an jemand Bestimmtes gedacht?“, fragte Mimi und sah ihn interessiert an. Matt zuckte lässig die Schultern. „Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.“ „Der Text ist echt toll. Und deine Stimme klingt super“, meinte Mimi strahlend. „Ich wünschte, jemand würde mal für mich so ein Lied schreiben.“ „Soll ich dir eins schreiben?“, fragte Matt fast automatisch und setzte ein schiefes Lächeln auf. Er hatte sich bei dieser Frage ganz dicht zu Mimi gebeugt. Mimi lächelte erst, sah ihn dann aber mit einer Mischung aus Verwirrung und Belustigung an. „Flirtest du gerade mit mir?“ „Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.“ Matt grinste und musterte Mimi. War sie früher schon hübsch gewesen, war sie nun nahezu umwerfend, wo sie weniger wie ein Mädchen und mehr wie eine junge Frau mit einer tollen Figur aussah. _ „Hey, ihr beiden!“ Yolei hatte T.K. und Ken entdeckt, die bei den Getränken herumlungerten und sich unterhielten. „Na“, meinte T.K. und Ken lächelte. „Ken, wie geht’s dir so? Ich hab dich schon lange nicht mehr gesehen“, fragte sie an Ken gewandt und musterte ihn neugierig. Augenblicklich sah er irgendwie verlegen und schuldbewusst aus und so bereute Yolei, dass sie das gesagt hatte. Sie wollte ihn doch nicht in Verlegenheit bringen. „Tut mir echt Leid. Ich weiß, ich hätte mich öfter mal bei euch allen melden sollen“, entschuldigte er sich und sah zu Boden. „Ach was“, sagte T.K. abwinkend. „Ich hätte mich ja auch melden können“, meinte Yolei und versuchte sich an einem unschuldigen Lächeln. „Wir können uns ja vornehmen, uns in Zukunft wieder öfter zu sehen.“ „Ja, das wäre super“, fand Ken und nickte. Yolei sah ihn an und ihr fiel dabei auf, dass er schöne Augen hatte. Gerade wollte sie noch etwas zu ihm sagen, als sich ein Mädchen näherte und ihn ansprach. „Hey, bist du nicht Ken Ichijouji?“, fragte es und lächelte ihn an. „Ähm... ja. Und du bist...“ Ken sah das Mädchen fragend an. „Mira. Ich hab dich damals oft im Fernsehen gesehen“, antwortete es und grinste. „Bist du auch mit Mimi befreundet?“ Yolei wandte sich desinteressiert ab und folgte dem Gespräch nicht weiter. _ Joe hatte sich gegen eine Wand gelehnt und beobachtete seine ehemalige Clique. Die meisten von ihnen hüpften auf der Tanzfläche durch die Gegend, als gäbe es kein Morgen mehr. Matt und Mimi unterhielten sich schon seit einigen Minuten angeregt miteinander und kamen kaum zum Tanzen. Davis warf Kari ständig Seitenblicke zu, ebenso wie Tai Sora. Joe verengte die Augen zu Schlitzen. Anscheinend war ihm hier eine ganze Menge entgangen in der Zeit, in der er mit den anderen kaum etwas zu tun gehabt hatte. Sollte er sich wieder mehr unter die Gruppe mischen oder lieber für sich bleiben, da er ja jetzt sowieso mit seinem Studium begann und neue Leute kennen lernen würde? Früher war das alles einfacher gewesen, doch irgendwie hatten sich ihre Wege getrennt. Tai, Matt, Sora, Izzy, Davis, T.K., Kari und Yolei sahen sich jeden Tag in der Schule und hatten daher mehr Kontakt zueinander. Er, Joe, war auf eine andere Schule gegangen und hatte die anderen daher nur sporadisch gesehen. Er wusste, dass es Ken in dieser Hinsicht nicht anders ergangen war. Cody besuchte gerade das letzte Jahr der Grundschule und auch eher hatte nur wenig Kontakt zu den anderen, wie Joe wusste. Mimi, die im Ausland lebte, kommunizierte eigentlich nur mit Sora und Izzy, wie Joe mitbekommen hatte. Früher waren sie alle doch so eine eingeschworene Truppe gewesen und hatten so viel zusammen erlebt und durchgemacht. Joe hatte geglaubt, diese Leute würden auf ewig seine besten Freunde bleiben. Nie hatte er gedacht, dass sie sich einmal so aus den Augen verlieren konnten. Verband sie denn gar nichts mehr? „Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“ Yolei und T.K. waren plötzlich neben ihm erschienen und musterten ihn nun beide neugierig. „Du siehst nicht gerade aus, als hättest du hier besonders viel Spaß“, stellte Yolei fest und verengte die Augen. Joe schüttelte den Kopf. „Schon gut, ich war nur gerade in Gedanken.“ „Bei wem denn?“ Ein neugieriges Grinsen legte sich auf Yoleis Lippen, während sie ihn weiter musterte. T.K. lächelte sie nur schief an und warf Joe einen ratlosen Blick zu. Joe musste lachen. „Bei niemand Bestimmtem, wenn du das wissen willst“, antwortete er. „Schade“, fand Yolei und sah tatsächlich ein wenig enttäuscht aus. Sie drehte sich weg und schaute nun ebenfalls auf die Tanzfläche. „Wieso schade?“, fragte Joe verdutzt. „Ach, ich hab eine Schwäche für Liebesgeschichten.“ „Die hat sie wirklich“, stimmte T.K. zu. „Weigerst du dich etwa gegen Yoleis Kuppelversuche?“, fragte Joe scherzhaft. „Ständig!“, rief Yolei, bevor T.K. etwas antworten konnte. Joe lachte über die beiden und fühlte sich heiterer als noch vor wenigen Minuten. Vielleicht sollte er den Kontakt zu seinen alten Freuden tatsächlich wieder aufnehmen. _ Die Party dauerte bis spät in die Nacht und erst, als der Horizont im Osten langsam eine kühle bläuliche Farbe annahm, beschloss Sora, das Aufräumen auf den Sonntag zu verschieben. Nur noch sie, Matt und Joe waren übrig geblieben, was sie wunderte. Normalerweise verschwand Matt irgendwann im Laufe einer Party mit einem Mädchen und von Joe hatte sie nicht gedacht, dass er überhaupt lange feierte. Doch nun machten sie sich zu dritt auf den Heimweg, nachdem sie schon einmal den größten Schaden beseitigt hatten. „Wann soll ich morgen Früh kommen?“, fragte Joe an Sora gewandt, als sie in der U-Bahn saßen. Überrascht wandte sie den Blick vom sowieso schwarzen Fenster ab und sah ihn an. „Was meinst du?“ „Na zum Aufräumen.“ „Du brauchst mir nicht helfen, ist schon gut“, sagte sie abwinkend und gähnte. „Kommt nicht in Frage. Wann soll ich da sein?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er sie an. „Na schön. Dann komm eben so gegen eins“, meinte Sora schulterzuckend. „Alles klar.“ Joe stand auf und ging Richtung Tür. „Dann bis morgen. Oder eher nachher.“ Er lächelte und stieg aus, nachdem die Bahn zum Stehen gekommen war und die Türen auf gingen. „Warum willst du eigentlich immer alles allein machen?“, fragte Matt, der neben ihr saß, und sah sie mit seinem typischen Matt-Blick an: eine seltsame Mischung aus Langeweile und Belustigung. Wie bekam er es nur hin, dass all seine Mädchen mit ihm mit gingen? „Ich mach doch gar nicht alles alleine“, antwortete sie unwirsch. „Klar. Du hättest die ganze Party vollkommen allein auf die Beine gestellt, wenn nicht ein paar Leute so viel Anstand gehabt hätten, dir von selbst zu helfen“, meinte Matt. „Ach was. So schlimm wäre das nicht gewesen“, murmelte Sora und starrte wieder aus dem Fenster. „Du musst es ja trotzdem nicht übertreiben, du Workaholic“, entgegnete Matt und lächelte schief. „Ich komme zurecht“, sagte Sora nur und stand auf, da ihre Station nun durchgesagt wurde. Auch Matt erhob sich. „Du musst doch noch eine Station weiter“, sagte sie verwirrt. „Ich bring dich noch nach Hause“, verkündete er und wirkte nicht, als würde er sich noch umstimmen lassen. „Ich glaube, ich finde den Weg auch ganz gut allein“, meinte Sora und sah ihn an, während sie ausstiegen. „Das glaub ich dir nicht“, erwiderte Matt grinsend und erntete dafür einen missbilligenden Blick. „Mensch, du weißt doch, dass man als Frau nachts ein bisschen vorsichtig sein sollte.“ „Um diese Uhrzeit?“ „Gerade um diese Uhrzeit.“ Sora seufzte resigniert. „Du bist ja schon wie Tai.“ Sie liefen die Treppe nach oben, die aus der U-Bahn-Station führte und liefen dabei an ein paar Besoffenen vorbei, die sie anpöbelten. „Siehst du? Jetzt stell dir mal vor, du wärst allein hier lang gegangen. Dann hätten sie dich in die nächste Ecke gezerrt“, sagte Matt, als sie an der Gruppe vorbeigegangen waren. „Das hätten sie nicht geschafft. Ich kann schnell rennen.“ Sora lächelte triumphierend. Matt blieb unvermittelt stehen und hielt Sora am Handgelenk fest. Irritiert sah sie ihn an. „Jetzt hör mal, das ist kein Spiel. Glaubst du, wenn es wirklich mal einer auf dich abgesehen hat, kannst du ihm so einfach davonlaufen? Manchmal mache ich mir echt Sorgen um dich, so oft, wie du spät abends allein unterwegs bist.“ Er sah sie ernst an und hielt noch immer ihr Handgelenk umklammert. Sora war etwas verwirrt von dieser Ansprache und wusste nicht, was sie erwidern sollte. Sie öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder. „Du kannst mich jederzeit nachts anrufen, dann hole ich dich ab. Ich hab doch ein Auto und wohne nicht weit weg von dir“, sagte er, ließ sie los und ging weiter. „Matt, ich würde dich niemals mitten in der Nacht anrufen und dich fragen, ob du mich von irgendwo abholen kannst. Ich will dich ja nicht bei deinen Dates stören“, fügte sie hinzu und grinste ihn an. „Die Mädchen wären bestimmt gar nicht begeistert, wenn du mittendrin abhaust, weil du eine nervige Freundin abholen musst.“ „Besser, als wenn ich die Einzelteile dieser nervigen Freundin identifizieren muss“, murrte Matt und Sora lachte. „Jetzt übertreibst du aber.“ Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er sie an, als sie vor ihrem Wohnhaus ankamen und stehen blieben. „Matt, mir passiert schon nichts. Mach dir keinen Kopf.“ Sie sahen sich kurz in die Augen, dann schob Matt die Hände in die Hosentaschen und wandte den Blick wieder ab. „Na dann bis morgen um eins, Takenouchi“, sagte er und nickte ihr zu. „Du kommst also auch?“, fragte sie überflüssigerweise. Er zuckte die Schultern. „Hab ja schon beim Vorbereiten nicht geholfen.“ „Wie du willst. Dann komm gut nach Hause und schreib mir, wenn du angekommen bist. Sonst muss ich mir nämlich Sorgen um dich machen.“ Matt schnaubte, drehte sich um und ging zurück zur U-Bahn-Station. Sora stieg die Treppen zu ihrer Wohnung hinauf und wunderte sich noch immer über Matt. Seit wann machte er sich so viele Sorgen um sie? Normalerweise verfügte Tai über diese Eigenschaft. Sie seufzte und ihre Gedanken schweiften ab zum Aufräumen am nächsten Tag. Wahrscheinlich hatte Matt einfach nur zu viel getrunken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)