Ein Leben wie dieses von Juju ================================================================================ Kapitel 2: Vorbereitungen ------------------------- Endlich klingelte es zur Pause und Yolei stürmte eilig aus dem Raum, den Gang entlang, die Treppe hinunter und in die Mensa. Sie hatte einen Bärenhunger und das Gefühl, wenn sie nicht sofort etwas zwischen die Zähne bekommen würde, müsste sie sterben. Sie war einer der ersten in der Schlange und ließ sich so viel Essen auf den Teller laden, wie nur möglich war. Bei der Tischwahl hatte sie die freie Auswahl und setzte sich an ihren Lieblingstisch nahe der Fenster und begann zu essen. Nur wenige Minuten später kam Sora dazu und fragte, ob sie sich zu ihr setzen dürfte. Auch Tai und Matt folgten ihr. „Sag mal, hast du vielleicht Zeit, mir bei der Raumgestaltung für die Party zu helfen?“, fragte Sora an Yolei gewandt und ließ ihre Gabel sinken. Yolei schluckte den Bissen hinunter, den sie noch im Mund hatte, und überlegte. „Wann soll die Party denn sein?“ „Mimi kommt Samstag Mittag hier an und abends wollen wir die Party geben“, antwortete sie und lächelte Yolei fast schon flehend an. Diese dachte kurz nach. Samstag musste sie meistens in dem Laden ihrer Eltern aushelfen, da dort tagsüber immer besonders viel los war. „Ich weiß noch nicht genau. Ich muss meine Eltern fragen, ob sie mich brauchen“, antwortete sie und sah schuldbewusst drein. „Wo feiern wir denn eigentlich?“ „Naja, das Café, in dem ich arbeite, hat doch so einen Saal für Feiern. Den kann ich kostenlos mieten. Ich brauche noch ein paar Leute, die mir bei den Vorbereitungen helfen“, erklärte Sora und Yoleis schlechtes Gewissen wurde noch größer. Sora kümmerte sich nahezu allein um alles. Sie würde lieber alles versuchen, frei zu bekommen, um wenigstens ein bisschen zu helfen. „Ich werde mal bei meinen Geschwistern betteln, ob sie vielleicht an meiner Stelle aushelfen können“, sagte Yolei. „Hast du denn sonst noch jemanden, der hilft?“ „Tai will versuchen zu kommen“, antwortete Sora und warf dem Jungen neben sich einen Blick zu. „Außerdem hat Kari schon zugesagt und Izzy weiß es noch nicht.“ „Was ist mit Joe?“, fragte Yolei. Sora sah nun beide Jungen unsicher an. „Keine Ahnung, ich hab schon lange nichts mehr mit ihm zu tun gehabt.“ „Du solltest ihn einfach mal fragen“, schlug Matt vor und nun sahen alle ihn an. „Ich habe letztens ein paar E-Mails mit ihm geschrieben und ich glaube, er findet es schade, dass er nicht mehr so viel von uns hört. Er würde bestimmt gerne helfen kommen.“ „Ich kann auch noch Cody fragen“, bot Yolei an, die den Jüngsten der Gruppe fast schon vergessen hatte. „Der hat bestimmt Zeit. Wollen wir Freitag schon den Raum schmücken?“ „Ja, ich glaube, er ist für Freitag nicht gemietet. Das müsste gehen“, sagte Sora und nickte. _ Joe suchte den Weg von der U-Bahn-Station zu dem Café, in dem Sora arbeitete. Er war noch nie dort gewesen, obwohl sie dort seit einem Jahr jobbte. Er bog rechts ab und erblickte das Café direkt an einer Straßenecke. „Nami's Café“ stand in großen geschwungenen Buchstaben über dem Eingang geschrieben. Joe ging durch die Tür und augenblicklich strömte ihm ein angenehmer Duft von Kaffee und Gebäck entgegen. Innen war es durch viele große Fenster sehr hell. Die Tische waren größtenteils klein und rund, die Sitzflächen bestanden aus bequem aussehenden gepolsterten Bänken und Stühlen. Auf jedem Tisch standen zudem eine Kerze und eine dünne Vase mit einer frischen Blume darin. Joe sah sich um, konnte Sora oder sonst irgendjemanden, den er kannte, aber nicht entdecken. Er ging vor an die Theke. Dort stand eine Frau – vielleicht Ende zwanzig – mit dunklen Haaren, die gerade Gläser und Teller abspülte. Als Joe sich näherte, sah sie auf und lächelte ihn strahlend an. „Hallo, was kann ich für Sie tun?“, fragte sie. Ihre Stimme klang warm und melodisch. An ihrer Brust war ein Namenskärtchen befestigt, der Joe verriet, dass er es mit Nami Tsukoyomi zu tun hatte. Das war wahrscheinlich die Besitzerin. „Ich suche Sora Takenouchi. Sie arbeitet doch hier, oder?“, fragte Joe und sah sich erneut um. „Dann sind Sie bestimmt ein Helfer für ihre Party“, mutmaßte Nami und kam hinter der Theke hervor. Sie bedeutete Joe ihm zu folgen und plauderte munter weiter. „Sie hat mir schon erzählt, dass wahrscheinlich ein paar ihrer Freunde hier auftauchen und nach ihr fragen würden. Ihr wollt die Party für eine Freundin schmeißen, richtig?“ „Ja.“ Joe nickte. „Sie kommt aus den USA zurück nach Japan und geht zusammen mit ein paar Freunden auf die Schule.“ „Und du gehst nicht mehr auf die Schule?“, fragte Nami neugierig weiter und Joe spürte, wie sie ihn von der Seite musterte. „Nein, ich studiere ab jetzt“, antwortete er. Ihm war nicht entgangen, dass sie plötzlich auf das persönliche Du umgestiegen war. „Oh, was denn?“, fragte Nami und sah ihn nun interessiert an. „Nein, warte, lass mich raten. Du siehst aus wie ein typischer Jurastudent.“ Joe konnte sich ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen. „Daneben“, antwortete er. „Wirklich? Hm...“ Sie waren vor einer Doppeltür stehen geblieben, doch Nami machte keine Anstalten sie zu öffnen, sondern starrte Joe nachdenklich an. „Dann bestimmt BWL.“ Joe lachte und bevor er etwas antworten konnte, rätselte sie weiter. „Literaturwissenschaft? Mathematik? Informatik?“ „Medizin“, antwortete er schließlich. Sie machte ein überraschtes Gesicht. „Echt? Ich glaube, darauf wäre ich nicht gekommen.“ Sie grinste ihn an und öffnete nun die Tür. „Das ist der Partysaal“, erklärte sie und Joe entdeckte auch sogleich Sora und Tai, die beide zur Tür blickten. Tai stand auf einer Leiter und knotete gerade das Ende einer schillernden Girlande an einem Nagel fest, während Sora die Girlande festhielt. „Joe!“, rief Sora überrascht, ließ die Girlande fallen und kam auf ihn zu. „Wie schön, dass du gekommen bist.“ Sie umarmte ihn kurz. „Ja, ich hab mir den Nachmittag frei geschaufelt. Oder eher Abend“, antwortete er mit einem Blick auf seine Armbanduhr. „Na, dann viel Spaß“, sagte Nami, schenkte Joe noch ein Lächeln und ging wieder. „War das deine Chefin?“, fragte er an Sora gewandt, die noch immer vor ihm stand. „Ja.“ Sie nickte. „Die ist ziemlich nett“, meinte Joe. „Und ziemlich heiß“, kam es von Tai, der Joe nun angrinste. „Tai“, murmelte Sora und wirkte ein wenig verärgert. „Was denn? Stimmt doch“, verteidigte sich der Angesprochene und nahm die Hände von der Girlande. „So, hängt. Wo machen wir das andere Ende fest?“ „Da drüben“, antwortete Sora und deutete auf einen Punkt an der Wand gegenüber. „Was soll ich machen?“, fragte Joe und sah sich in dem Raum um. Er war so groß, dass er etwa fünfzig Leuten locker Platz bieten sollte. In einer Ecke stand auf einem niedrigen Tisch eine Musikanlage. Entlang der Wände befanden sich übereinander gestapelte Stühle und Tische. An der Decke hing sogar eine Diskokugel. „Hm“, machte Sora und sah sich ebenfalls um. „Du kannst schon mal damit anfangen, die Stühle und Tische so anzuordnen, dass man sich ein bisschen hinsetzen kann. Dort vorn machen wir eine Tanzfläche, würde ich sagen.“ „Alles klar.“ Joe marschierte zu den Stühlen und Tischen und begann damit, sie im Raum zu verteilen. In diesem Moment kamen Yolei und Kari zur Tür hereingeschneit. Sie hatten ein Banner aus weißem Stoff dabei und eine Tüte voll mit Pinsel und Farben. „Hallo“, riefen sie wie aus einem Munde und die anderen erwiderten den Gruß. „Wir fangen gleich an, das Banner zu machen, okay?“, fragte Yolei an Sora gewandt und die beiden Mädchen breiteten den Stoff auf dem Boden aus. _ „Mann, Sora, meine Arme tun schon weh. Reicht das nicht langsam mal mit den bescheuerten Girlanden? Die braucht doch eh kein Mensch“, murrte Tai schlecht gelaunt, als Sora ihm gerade eine weitere Girlande in die Hand gedrückt hatte, die er aufhängen sollte. Es war bereits nach neun, was bedeutete, dass er seit über vier Stunden hier auf der Leiter stand und Girlanden auf- und umhängte, weil die Mädchen immer wieder mal meinten, es sähe unausgeglichen aus. „Ich denke, du bist Sportler. Wie kannst du dann jetzt schon rumjammern, dass dir die Arme weh tun?“ Sora sah ihn unerbittlich an und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie verbrachte den Abend damit, noch zusätzlich Luftschlangen über die Girlanden zu werfen, die Tischordnung zu bestimmen, die Tische mit Papiertischdecken zu bekleben und alle zu überwachen. „Ich bin Fußballer! Ich hab's nicht so mit den Armen“, antwortete Tai genervt und kletterte wieder auf die Leiter. „Dann wird’s Zeit, dass du was dagegen machst“, antwortete Sora, lächelte ihn an und reichte ihm wieder einmal das Ende einer Girlande. „Das ist auch die Letzte. Versprochen. Danach hängen wir nur noch das Banner auf.“ Tai verdrehte genervt die Augen und knotete die Schnur an einem Nagel fest. „Ich finde, euer Banner ist super geworden“, sagte Sora zu Yolei und Kari, die gerade überlegten, was sie noch verändern konnten. Sie hatten in großen bunten Buchstaben die Worte „Willkommen zurück, Mimi“ auf den Stoff gepinselt und ihn noch mit Herzen, Blumen und Glitzerkram verziert, was Tai völlig übertrieben fand. „Naja, also Mimi gefällt es bestimmt“, meinte Joe mit einem prüfenden Blick auf das fertige Banner und schien insgeheim das gleiche zu denken wie Tai, der ihn nun angrinste. „Gefällt es dir etwa nicht?“, fragte Yolei ihn und wirkte ein wenig gekränkt. „Wir haben uns so viel Mühe gegeben.“ „Doch, doch“, sagte Joe schnell und hob abwehrend die Arme. „Macht euch keine Sorgen, das sieht toll aus.“ „Es sieht kitschig aus und ist viel zu bunt“, meinte Tai, der sich zu den anderen gestellt hatte. „Halt du dich raus, du zweitklassiger Girlandenaufhänger“, zischte Kari und funkelte ihn böse an. „Was heißt denn hier zweitklassig? Die hängen ja wohl perfekt!“, entgegnete Tai und machte eine ausschweifende Armbewegung. „Perfekt ist anders“, antwortete Kari schnippisch und streckte ihm die Zunge raus. „Wie wäre es, wenn wir uns darauf einigen, dass die Girlanden super hängen und das Banner einfach toll aussieht?“, seufzte Sora. „Ja, dafür bin ich auch“, stimmte Joe zu. „Lasst uns das Banner aufhängen. Sind wir danach fertig?“ Sora überlegte kurz. „Ja, eigentlich schon. Es wäre schön, wenn morgen alle eine Stunde vor Mimi da sind, damit wir uns noch um die Musik und die Getränke kümmern können.“ Die anderen nickten und so machten sie sich daran, das Banner aufzuhängen. „Weißt du was? Ich bring dich noch nach Hause“, sagte Tai an Sora gewandt. Die beiden Freunde und Kari saßen in der U-Bahn und warteten auf ihre Station. Yolei und Cody waren bereits vorher ausgestiegen und eigentlich würden zunächst die Geschwister aussteigen, doch Tai wollte Sora nicht allein nach Hause gehen lassen. Sie musste von der U-Bahn-Station aus noch ein Stück laufen. „Das musst du nicht“, erwiderte Sora überrascht. „Ich weiß. Aber was ist, wenn dich jemand überfällt?“, entgegnete Tai und zog die Augenbrauen hoch. „Genau. Man kann nie wissen“, stimmte Kari zu. „Außerdem ist das doch kein großer Umweg.“ Tai sah seine Schwester stirnrunzelnd an. „Du fährst am besten schon mal nach Hause.“ „Was? Sora willst du begleiten, aber mich lässt du allein nach Hause gehen?“, rief sie empört. „Wir haben es doch nicht so weit“, grummelte Tai. „Du wirst das schon überleben.“ „Tai!“ Sora sah ihn nun streng an. „Kommt überhaupt nicht in Frage!“, rief Kari energisch. „Na schön.“ Tai gab sich geschlagen und starrte finster aus dem Fenster, obwohl es dort eh nichts zu sehen gab. Manchmal war seine Schwester eine ziemliche Nervensäge. Sie stiegen aus der U-Bahn und machten sich auf den Weg zu Soras Wohnung. „Das ist wirklich nett, dass ihr mich noch begleitet“, sagte sie und lächelte die beiden an. Kari lächelte zurück, aber Tai sah noch immer finster drein. Er wollte doch mit Sora allein sein, wollte ihr näher kommen, als sie es sowieso schon waren. Wollte ihr einen Abschiedskuss geben. Aber Kari wollte er nicht dabei haben. So plauderten Sora und Kari den ganzen Weg miteinander, während Tai sich heraushielt und sich auf den Weg konzentrierte. Schließlich erreichten sie das Haus, in dem Sora wohnte, und verabschiedeten sich. „Danke fürs Nachhausebringen, ihr beiden“, sagte Sora und lächelte, bevor sie sich umdrehte und die Tür aufschloss. Nicht mal eine Umarmung, dachte Tai enttäuscht und erinnerte sich daran, wie sie Joe am Nachmittag umarmt hatte. Griesgrämig drehte er sich ebenfalls um und stapfte den Weg zur U-Bahn zurück. Als die beiden in der Bahn saßen, piepte sein Handy. Alles okay mit dir? Das war eine SMS von Sora. Tai runzelte die Stirn und überlegte, was er darauf antworten sollte. Ja, ich hätte dich nur gern geküsst, weil ich total verliebt in dich bin? Er schüttelte unwirsch den Kopf. Ja, warum fragst du? Er packte sein Handy weg, doch es piepte nur wenige Sekunden später wieder. Du warst so komisch. Gute Nacht :-* Tai starrte nachdenklich auf sein Handy. Was sollte er denn mit einem blöden virtuellen Kuss anfangen? Am liebsten wäre er auf der Stelle ausgestiegen und wieder zurück zu ihr gegangen, doch andererseits wollte er Kari wirklich nicht allein nach Hause gehen lassen. Er stieß einen lauten Seufzer aus. „Kari, du nervst.“ Seine Schwester starrte ihn beleidigt an. „Was hab ich denn jetzt schon wieder gemacht?“ „Du bist hier. Reicht das nicht?“ Genervt sah Tai wieder aus dem Fenster. _ Manchmal konnte Tai ganz schön bescheuert sein. Erst wollte er sie allein nach Hause gehen lassen und nun sagte er ihr, sie würde ihn nerven, obwohl sie nicht mal etwas gesagt hatte. Dabei konnte sie auch nichts dafür, dass Sora anscheinend als Einzige nicht bemerkte, dass er total verknallt in sie war. Sie stiegen aus der U-Bahn aus und gingen nach Hause. Schon bevor sie ihre Wohnung ganz erreicht hatten, hörten sie von dort laute Stimmen nach draußen dringen. Kari hoffte erst, sie würden von woanders kommen, doch als die beiden direkt vor der Tür standen, war es eindeutig, dass es ihre Eltern waren, die sich anschrien. Die Geschwister sahen sich kurz an und Tai schloss schließlich die Wohnungstür auf, woraufhin das Geschrei augenblicklich anschwoll. „Schön! Dann geh ich eben woandershin!“, hörte Kari ihren Vater brüllen. „Jetzt hau doch nicht wieder ab!“, rief Yuuko wütend. Susumo kam Tai und Kari entgegen und schien überrascht, sie hier zu sehen. Er blieb unschlüssig vor ihnen stehen und sah sie wütend und traurig zugleich an. Keiner sagte etwas. Dann zog er schließlich Schuhe und Jacke an und quetschte sich an Tai und Kari vorbei aus der Wohnung. „Papa!“, rief Kari ihm nach, doch er drehte sich nicht mehr um. Tai schloss die Tür und sie traten ins Wohnzimmer, wo sie ihre Mutter vorfanden. Diese ließ sich beim Anblick ihrer Kinder auf die Couch fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. „Tut mir Leid“, schluchzte sie undeutlich. Kari warf Tai einen verzweifelten Blick zu und setzte sich neben ihre Mutter. „Was ist denn passiert?“, fragte sie leise. „Ich... Tai, Kari, ich... es ist nichts. Bitte macht euch keine Sorgen.“ Sie stand auf und lief ins Schlafzimmer, wo sie die Tür hinter sich schloss. Kari traten die Tränen in die Augen. Was war nur los mit ihren Eltern? Ihr Vater haute ab und ihre Mutter schloss sich heulend im Schlafzimmer ein und behauptete, es wäre nichts. Wollten sie sich etwa trennen? Kari bemerkte erst, dass die Tränen schon ihre Wangen hinunterliefen, als Tai einen Arm um sie legte und sie an sich drückte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)