Ein Leben wie dieses von Juju ================================================================================ Kapitel 42: Ein perfekter Geburtstag ------------------------------------ Mittwoch, 15. November 2006   „Ehrlich, T.K., ich versteh‘ dich einfach nicht“, tadelte Kari ihn und verschränkte die Arme vor der Brust. „Er ist dein Bruder. Er hat heute Geburtstag. Und du hast immer noch kein Wort mit ihm geredet? Seit wann bist du so nachtragend?“ „Arschloch bleibt Arschloch, egal ob Bruder oder Geburtstag oder sonstwas“, entgegnete T.K. stur, während er seine Sachen für die erste Stunde aus seiner Tasche auf den Tisch beförderte. „Und Bruder bleibt Bruder“, erwiderte Kari. „Du hast gut reden. Dein Bruder hat ja nicht das nächstbeste Mädchen geschwängert.“ „Er hat sie nur vielleicht geschwängert.“ „Oder ist auf dem besten Weg, deine Familie wieder kaputt zu machen.“ Sie musterte ihn ein wenig genervt. „Wir feiern heute seinen Geburtstag bei uns. Wenn du möchtest, kannst du auch gern kommen, genauso wie deine Mutter und dein Vater. Sora kommt auch. Er würde sich ziemlich freuen. Ich glaube, er ist ganz schön niedergeschlagen.“ T.K. biss sich auf die Unterlippe. Seit Freitag wohnte sein Bruder nun schon bei den Yagamis und er konnte nicht leugnen, dass ihn manchmal ein schlechtes Gefühl deswegen überkam. Natsuko hatte natürlich ein furchtbar schlechtes Gewissen und versuchte jeden Tag, Hiroaki umzustimmen und ihm ins Gewissen zu reden. T.K. wusste, dass sie sich auch schon gestritten hatten, weil er Matt einfach rausgeworfen hatte. Er befand sich einfach in einem Zwiespalt und es kam ihm so vor, als müsste er sich zwischen seinen Eltern und Matt entscheiden. Warum konnte er nicht einfach beides haben? „Gib dir einen Ruck und komm‘ heute zu uns“, forderte Kari und legte eine Hand auf seine.   _   „Du bist echt dreist, weißt du das?“, sagte Tai vorwurfsvoll an Mimi gewandt. „Lädst dich einfach selbst zu einer Geburtstagsparty ein.“ „Entschuldige mal. Ich bin ja wohl auch seine Freundin. Außerdem ist heute unser Nachhilfetag und ich brauche das. Das weißt du besser als jeder andere“, erwiderte sie schnippisch, während sie in ihrem Mathehefter blätterte. „Das ist heute aber keine Party mit Freunden, sondern mit Familie“, widersprach Tai grummelnd. „Natürlich. Nach dieser Logik dürftest auch du nicht mitfeiern.“ „Ich bin sowas wie seine Familie. Schon seit Ewigkeiten.“ Mimi sah ihn an und hob eine Augenbraue. „Sei ehrlich. Du hast doch nur Angst, was zu verpassen. Oder noch schöner: du bist eifersüchtig, weil Sora auch hier ist.“ Ihr Blick verriet ihm, dass er Recht hatte. „Ich hab‘ Recht, stimmt’s?“ „Tai, was erwartest du denn? Sie ist deine Ex und ich habe keine Ahnung, ob du noch was für sie empfindest oder nicht. Und nach allem, was wir bisher hatten, ist es doch nur logisch, dass mir das nicht egal ist“, erklärte sie ihm überraschend ehrlich und sah ihn durchdringend an. „Ich…“ Er hatte auch keine Ahnung, was er für wen empfand. Momentan war alles ziemlich verwirrend. „Lass‘ uns anfangen, okay? Dann haben wir uns das Feiern nachher verdient.“   _   „Ich weiß echt nicht, wie ich Ihnen jemals danken soll. Sie machen viel zu viel für mich“, murmelte Matt, während er Yuuko Yagami dabei half, das Essen für seine Geburtstagsparty vorzubereiten. Kari deckte gerade den Tisch und Tai hockte mit Mimi in seinem Zimmer und gab Nachhilfe. „Ach was, sei nicht albern“, erwiderte Yuuko und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Du hast Geburtstag und wir feiern gern mit dir.“ „Ich meine nicht nur die Party, sondern auch, dass ich hier wohnen darf. Trotz allem“, erklärte Matt. „Ach, Matt“, seufzte Yuuko. „Das ist doch selbstverständlich. Jeder hat mal Ärger und jeder macht mal Fehler. Ich bin mir immer noch sicher, dass du auch zu deiner Mutter hättest gehen können. Sie hätte dich ganz sicher nicht abgewiesen.“ Nein, sie nicht, aber T.K. Er hatte ihm deutlich gemacht, was er von ihm hielt, indem er nicht mehr sein Bruder sein wollte. Unter diesen Umständen konnte Matt doch unmöglich mit ihm unter einem Dach schlafen. Andererseits war es ihm jedoch auch mehr als unangenehm, bei den Yagamis zu wohnen. Er versuchte, sich einzubringen, wo er nur konnte, was schwierig war, da Yuuko ihn oft nicht ließ. Deshalb versuchte er meist einfach nur, nicht im Weg zu stehen, doch zweimal hatte er nun immerhin schon das Abendessen für die gesamte Familie gekocht und war damit auf Begeisterung gestoßen. Er konnte kaum glauben, dass die Yagamis ihn weiter hier wohnen ließen, obwohl sie wussten, was er getan hatte. Am Wochenende hatten Tai und er den Yagamis zusammen erzählt, was passiert war und weshalb Matt nicht nach Hause konnte. Von ihrem Schock hatten sie sich kaum etwas anmerken lassen, doch im Gegensatz zu Hiroaki und T.K. hatten sie ihn ausreden lassen und ihm aufmerksam zugehört und schienen ihm am Ende sogar zu glauben, dass er an jenem Abend nicht zu viel getrunken hatte, sondern vielleicht etwas anderes dahintersteckte. Es klingelte an der Tür. „Gehst du mal aufmachen? Ist sowieso für dich“, meinte Yuuko lächelnd und sah ihn an. Matt nickte, ging zur Tür und öffnete. Sora stand dort und lächelte breit. „Happy Birthday!“ Er erwiderte ihr Lächeln und trat beiseite. „Danke. Komm‘ rein.“ Sie ging an ihm vorbei und er schloss die Tür hinter ihr. Dann folgte sie ihm ins Wohnzimmer, wo sie von Yuuko und Kari begrüßt wurde. Eine Viertelstunde später saßen sie alle um den Tisch versammelt, der für sieben Leute recht eng war und ließen sich das Abendessen schmecken. Es war eine seltsame Geburtstagsrunde, ganz anders als in den bisherigen Jahren, doch trotzdem war es angenehm und er fühlte sich in Anbetracht der Umstände sehr wohl und geliebt. Nach dem Essen überreichten Tai, Sora und Mimi ihm sein Geschenk. Sie hatten ihm einen Gutschein für seinen Lieblingsmusikladen besorgt. Auch Susumo und Yuuko Yagami hatten sich an diesem Geschenk beteiligt. Matt wollte sich schon länger eine neue Gitarre kaufen, doch bisher hatte ihm das Geld gefehlt. Dankbar hob er den Blick von dem Gutschein und sah seine Freunde und Tais Eltern an, die ihn erwartungsvoll beobachtet hatten. „Danke. Das ist echt cool.“ Während sie gemeinsam den Tisch abräumten, klingelte es noch einmal an der Wohnungstür. Verwundert ging Yuuko, um sie zu öffnen. Eine Minute später standen Hiroaki, Natsuko und Takeru mit einigen Flaschen Wein bewaffnet in der Wohnküche der Yagamis. Ungläubig starrte Matt sie an, unfähig etwas zu sagen. Warum waren sie hier? Wollten sie etwa doch mit ihm zusammen feiern? „Hey, jetzt mach nicht so ein Gesicht“, sagte Tai und verpasste ihm einen derben Klaps auf die Schulter. „Begrüß‘ deine Gäste lieber mal.“ Wie in Trance trat Matt auf seine Familie zu, die mitten in der Küche stand und ihn ein wenig zurückhaltend musterte. „Hallo“, brachte er heraus, wohl wissend, dass auch die anderen ihn beobachteten. Er konnte die Blicke in seinem Nacken spüren. Natsuko war die Erste, die die Arme um ihn warf und in Tränen ausbrach. „Matt! Ich wünsche dir alles Liebe. Es tut mir alles so leid.“ Unbeholfen tätschelte er ihren Rücken, erneut unfähig, etwas zu erwidern. Sie ließ ihn los und T.K. trat auf ihn zu. Ohne Umschweife nahm er ihn ebenfalls in die Arme. Matt konnte Mimi irgendwo schräg hinter sich schluchzen hören. „Alles Gute zum Geburtstag, großer Bruder“, murmelte T.K. leise und ließ ihn wieder los. Ihre Blicke begegneten sich und ein leichtes Lächeln huschte über T.K.s Lippen. Dann wandte Matt sich an Hiroaki, der sich ein wenig verlegen am Kopf kratzte. Natsuko räusperte sich hörbar. „Ähm… wir müssen auf jeden Fall nochmal reden. Ich habe etwas überreagiert und… ja. Alles Gute, Großer“, stammelte er und legte eine Hand auf Matts Schulter. Matt lächelte schief. „Danke.“ Er fühlte sich unbehaglich, als er sich zu den anderen umdrehte, die ihn alle wie gebannt anstarrten, und sich jetzt auf einmal hastig eine Beschäftigung suchten. Yuuko verteilte Aufgaben, Tai und Susumo schafften mehr Stühle heran, Kari holte Gläser, Sora und Mimi räumten schmutziges Geschirr in die Spülmaschine. Matt konnte nicht anders als zu grinsen. Plötzlich sah dieser Abend ganz anders aus.   _ Stundenlang saßen sie dort, zu zehnt um den Küchentisch der Yagamis gequetscht, plauderten über alles Mögliche, tranken Sekt und Wein und spielten sogar ein Brettspiel. Sie lachten viel und je später es wurde, desto besser schien die Laune aller zu werden. Schließlich, kurz nach Mitternacht, gähnte Kari herzhaft und streckte sich. „Mama, darf ich morgen die Schule schwänzen?“ „Natürlich, Schätzchen“, gluckste Yuuko und Kari sah sie überrascht an. Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. „Nein, auf keinen Fall!“, bestimmte Susumo energisch und warf seiner Frau einen mürrischen Blick zu. „Deine Mutter ist nur betrunken.“ Alle lachten, nur Kari nicht, die sich schon auf einen schulfreien Tag gefreut hatte. Wie sollte sie nur morgen aus dem Bett kommen? Sie wandte sich an T.K., der neben ihr saß, und lehnte den Kopf gegen seine Schulter. „Wollen wir schlafen gehen?“ „Gute Idee“, stimmte T.K. zu, der ebenfalls schon ziemlich müde aussah. Sie erhoben sich vom Tisch und wünschten den anderen eine gute Nacht. Inzwischen wirkten alle ziemlich beschwipst. „Schlaft schön, ihr Süßen“, flötete Yuuko und winkte. „Und benehmt euch, klar?“, rief Natsuko ihnen nach und die anderen grölten vor Lachen. „Betrunkene Eltern sind so peinlich“, grummelte Kari. Sie machten sich bettfertig und schlüpften in Karis Bett unter die Decke. Wie immer schliefen sie im selben Bett. Es war das Natürlichste auf der Welt für sie. Kari knipste das Licht aus, kuschelte sich an T.K. und schloss die Augen. Sie wusste genau, dass sie sofort einschlafen würde. Ihre Augen fühlten sich schwer vor Müdigkeit an und brannten. Das Bettzeug raschelte, als T.K. sich auf die Seite drehte, mit dem Zeigefinger vorsichtig Karis Kinn anhob und seine Lippen auf ihre legte. Lächelnd erwiderte Kari seinen Kuss und genoss das wilde Flattern in ihrer Magengegend. Sie legte ihre Hand auf seine Wange und vertiefte den Kuss. Sie spürte, wie er seine Hand auf ihre Seite legte und begann, am Saum ihres T-Shirts herumzuspielen. Es fühlte sich angenehm an und als sie seine Finger auf ihrer Haut spürte, jagte ihr ein wohliger Schauer über den Rücken. Sie drängte sich enger an ihn, schob ein Bein zwischen seine Beine, um sich mit ihm zu verhaken und ihm noch näher zu sein. Seine Hand schob sich unter ihr T-Shirt und seine Finger glitten vorsichtig ihre Seite hinauf. Sie konnte spüren, dass seine Hand zitterte. Sie sog seinen vertrauten Duft ein, würde die Nase am liebsten an seinem Hals vergraben. Ihre Hand fuhr durch sein Haar und zog ihn ein wenig näher an sich. Seine Hand strich erst über ihren Rücken, tastete sich dann jedoch langsam nach vorn zu ihren Brüsten. Mitten im Kuss hielt Kari die Luft an. So nah waren sie sich noch nie gekommen. Bisher hatten sie sich immer nur geküsst oder gekuschelt, gefummelt jedoch noch nicht. T.K. verwickelte sie erneut in einen Kuss, während seine Hand ihre Brüste streichelte, vorsichtig massierte. Karis Herz schlug ihr bis zum Hals und sie begann zu zittern. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte, ob sie schon zu mehr bereit war. Plötzlich drückte T.K. sie sanft zur Seite, sodass sie nun auf dem Rücken lag, und beugte sich über sie. Bestimmt schob er ihr Oberteil hoch, sodass er ihren Oberkörper entblößte. Er schien mutiger geworden, während Karis Mut geschwunden war. Aus der Küche ertönte lautes Gelächter. Anscheinend hatte mal wieder einer einen Witz gemacht. „T.K.“, wisperte Kari und hielt seine Hand fest. Er hielt inne. „Ja?“ „Könnten… könnten wir vielleicht noch damit warten? Ich glaube, ich bin noch nicht bereit“, murmelte sie verlegen. „Klar.“ T.K. zog seine Hand zurück und legte sich wieder hin. „Entschuldige, ich wollte nicht…“ „Alles okay. Mir ging das nur irgendwie zu schnell“, flüsterte Kari. Sie zog ihr T-Shirt wieder in die richtige Position und drehte sich wieder zu ihm um. „Okay.“ Er küsste sie auf die Stirn. „Schlaf‘ gut.“ Kari starrte ihn in der Dunkelheit mit großen Augen an, was er natürlich nicht sehen konnte, und biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte das bedrückende Gefühl, ihn enttäuscht zu haben. Vielleicht hätte sie ihn nicht aufhalten sollen, sondern es einfach hinter sich bringen. Wer wusste schon, ob sie zu einem späteren Zeitpunkt mehr dazu bereit wäre als jetzt? Immerhin kannten sie und er sich schon seit Ewigkeiten. Wie sollte sich ihre Beziehung noch verändern? „T.K.?“ „Hm?“ „Es tut mir leid, dass ich nicht… du bist jetzt bestimmt sauer.“ „Was?“ Er lachte leise. „So ein Quatsch. Wieso sollte ich denn sauer sein?“ „Naja, weil ich nicht wollte“, murmelte sie verlegen und zog die Decke ein Stück höher. „Kari“, seufzte er und strich ihr über die Wange. „Wir lassen uns so viel Zeit, wie du willst, okay? Es eilt ja nicht und ich will dich schon gar nicht zu irgendwas drängen.“ „Bist du denn gar nicht aufgeregt? Hast du keine Angst davor?“ „Nö, warum?“ „Ich weiß nicht. Es wäre eben das erste Mal.“ „Andere haben das auch geschafft. Und außerdem ist es ja mit dir. Da muss ich keine Angst haben.“   _   Eine Stunde, nachdem Kari und T.K. sich ins Bett verabschiedet hatten, verkündete auch Sora, dass sie sich nun auf den Heimweg machen wollte. „Ich komme mit. Dann müssen wir beide nicht allein gehen“, sagte Mimi. Sie fühlte sich vom Wein und Sekt mittlerweile ordentlich beschwipst. Wie sollte sie nur morgen aus dem Bett kommen? „Ich denke, wir sollten auch langsam gehen und… verdammt, es ist ja schon eins!“ Ungläubig starrte Hiroaki auf seine Armbanduhr. „Wie die Zeit vergeht“, staunte auch Natsuko. Sie erhoben sich alle vom Tisch und machten sich auf den Weg zur Wohnungstür, wo sie sich alle Schuhe und Jacken anzogen. Der Flur war viel zu klein für die Menge an Leuten, die sich darin befand. „Vielen Dank, dass ihr euch so um Matt gekümmert habt“, sagte Natsuko mit einem glücklichen Lächeln und umarmte erst Yuuko und dann Susumo. „Matt, du kannst gern gleich mitkommen“, sagte Hiroaki und musterte seinen Sohn. Mimi sah ihn ebenfalls an und konnte so etwas wie Unsicherheit in seinem Blick ablesen. „Er sollte besser bei mir schlafen. Dann hab‘ ich wenigstens jemanden, der mich morgen zum Aufstehen zwingt“, sprang Tai ein und grinste Matt an. „Ich komme morgen, okay?“, schlug Matt vor. Hiroaki nickte, dann verabschiedeten sich er und Natsuko von Matt und den Yagamis und traten aus der Wohnung. Yuuko wandte sich an Sora und Mimi. „Danke für eure Hilfe, Mädels. Es war echt schön, dass ihr kommen konntet.“ „Kein Problem, das haben wir doch gern gemacht“, erwiderte Mimi fröhlich. „Dabei hat dich nicht mal jemand eingeladen“, mischte Tai sich ein und musterte Mimi mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Tai“, zischte Yuuko. Mimi schenkte ihm ein schelmisches Lächeln, das ihn zu verwirren schien. Sie hatte sich soeben überlegt, wie sie ihm diese Gemeinheit in einer Sekunde heimzahlen konnte. „Bis morgen in der Schule“, verabschiedete Sora sich und umarmte Tai und Matt. „Ja, bis morgen“, stimmte Mimi zu und umarmte Matt ebenfalls flüchtig. Als sie sich an Tai wandte, machte auch er bereits Anstalten, sie zu umarmen, doch Mimi legte blitzschnell die Hände an seine Wangen und presste ihre Lippen auf seine. Sie hatte ihn so sehr überrascht, dass er einen Schritt rückwärts stolperte, doch Mimi ließ ihn erst nach einem Augenblick wieder los. Matt räusperte sich hörbar, die Yagamis und Sora sagten kein Wort und auch Tai starrte sie nur sprachlos an. „Gute Nacht“, flötete Mimi, schnappte sich Sora und verließ mit ihr zusammen die Wohnung. Unten vor dem Haus verabschiedeten sie sich von Hiroaki und Natsuko und machten sich dann endlich auf den Weg nach Hause. „Hast du ihn gerade ernsthaft geküsst?“, fragte Sora schließlich verblüfft. „Ja. Er ist selbst schuld. Was fängt er auch dauernd an, mich zu ärgern“, grummelte sie. „Dann… hast du ihn geküsst, um ihm eins auszuwischen?“ „Ich habe ihn vor seinen Eltern geküsst, um ihm eins auszuwischen“, korrigierte Mimi sie mit erhobenem Zeigefinger. „Ich schätze, das ist ihm ziemlich peinlich.“ „Aber… ähm… wie weit seid ihr denn schon?“, fragte Sora und klang verwirrt. Mimi zögerte. Stimmt, Sora wusste ja noch gar nicht, was in den letzten Wochen zwischen ihr und Tai passiert war. „Wir hatten Sex.“ „Was?!“ „Und zwar nicht nur einmal.“ Sora starrte sie mit großen Augen an, dann seufzte sie leise. „Du lässt wirklich nichts anbrennen, oder?“ Mimi erzählte ihr von dem Abend, an dem sie ihn erst betrunken gemacht, verführt und schließlich im Schrank eingesperrt hatte. Diese Geschichte brachte sie zum Lachen. Dann erzählte sie von dem Streit, den sie mit Tai hatte, wie er sich entschuldigt hatte und wie sie in der Nacht der Einweihungsparty wieder betrunken miteinander geschlafen hatten. Und dann wieder vor einer Woche. Und sie erzählte Sora auch, dass Tai immer noch nicht zu wissen schien, was er empfand. „Wow, ich habe ja echt eine ganze Menge verpasst“, stellte Sora verdattert fest. „Damit habe ich irgendwie nicht gerechnet. Du bist echt ziemlich verliebt in ihn, oder?“ Mimi nickte nur knapp. „Glaub‘ schon.“   _   Sowohl seine Eltern als auch Matt sahen ihn an. Matt mit einem amüsierten Lächeln, Susumo mit einem Stirnrunzeln und Yuuko mit einem wissenden Blick. „Habe ich es mir doch gedacht“, sagte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was gedacht?“, fragte Tai genervt. „Dass da irgendwas ist. Diese Blicke, die ihr euch die ganze Zeit zuwerft. Zu offensichtlich“, erklärte sie triumphierend. „Wir werfen uns überhaupt keine Blicke zu!“, protestierte Tai energisch. „Er merkt es nicht einmal mehr.“ Yuuko schüttelte den Kopf und tauschte einen vielsagenden Blick mit Susumo. „Süß, oder?“ „Was wollt ihr eigentlich?“, grummelte Tai und ging in sein Zimmer. Seine Eltern und Matt lachten. Es war unglaublich, dass seine Eltern nicht schon früher bemerkt hatten, dass zwischen ihm und Mimi etwas lief. Immerhin hatte sie schon einmal hier übernachtet und ein anderes Mal hatten sie in seinem Zimmer Sex gehabt, während seine Mutter zu Hause gewesen war. Und nun hatte Mimi sie verraten. Er war sauer auf sie, weil sie ihn einfach vor seinen Eltern geküsst hatte. „Ich gehe jetzt schlafen, okay?“, riss Matt ihn aus seinen Gedanken, der ebenfalls in sein Zimmer gekommen war. „Ja, ich auch“, erwiderte Tai, ohne ihn anzusehen. „Tai?“ Er drehte sich fragend zu ihm um. „Danke für alles.“ „Alter, was soll das? Willst du mir an die Wäsche?“, entgegnete er schief grinsend. „Ich wollte mich nur für die letzten Tage bedanken“, sagte Matt stirnrunzelnd. „Ich glaube, ohne dich wäre ich am Arsch.“ „Natürlich wärst du das“, erwiderte Tai gespielt selbstverliebt und fuhr sich durch die Haare. „Deswegen brauchst du mir jetzt trotzdem keine Liebeserklärung machen.“ „Penner“, murmelte Matt und verließ das Zimmer, um ins Bad zu gehen. „Du mich auch“, rief Tai ihm grinsend hinterher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)