Ein Leben wie dieses von Juju ================================================================================ Kapitel 39: Die Sprache der Blumen ---------------------------------- Mittwoch, 25. Oktober 2006   Am Mittwoch war es soweit. Tai wollte die Nachhilfezeit nutzen, um sich endlich richtig bei Mimi zu entschuldigen. Zwar hatte er ihr am Sonntag gesagt, sie sollte sich einen anderen Nachhilfelehrer suchen, doch er hatte eingesehen, dass diese Reaktion überzogen war. Matt hatte Recht gehabt: sie liebte ihn und er sagte sowas Gemeines zu ihr. Heute und in den letzten zwei Tagen hatte sie ihn gekonnt ignoriert und immer, wenn er versucht hatte, Blickkontakt mit ihr aufzunehmen, hatte er den Schmerz in ihren Augen gesehen. Dass er sie so schlimm treffen würde, hatte er nicht erwartet. Nach dem Training ging er zum nächsten Blumenladen und ließ sich von der Verkäuferin über die Sprache der Blumen beraten. Er wusste von Matt, dass dieser Sora schon einmal Blaustern geschenkt hatte, da dieser bedeutete, dass einem etwas leid tat. Nun wollte Tai Matt natürlich nicht nachmachen und wollte unbedingt etwas anderes nehmen. Nachdem die Verkäuferin ihm empfahl, weiße Lilien zu verschenken, da diese als Herzensblumen gelten und für Licht und Reinheit stünden, entschied er sich dafür. Diese Symbolik passte zu Mimi und zu dem, was er ausdrücken wollte. Er ließ sich einen Strauß weißer Lilien geben und ging anschließend direkt zu Mimi. Vermutlich würden ihre Eltern, wenn sie denn da waren, ihn nicht hereinlassen, doch er musste sie einfach überzeugen. Das hier bedeutete ihm eine Menge. Entschlossen schritt er auf die Wohnung der Tachikawas zu und drückte ohne zu zögern auf den Klingelknopf. Wenige Sekunden später öffnete Frau Tachikawa die Tür. Ihr Blick wandere von ihm zu den Lilien und wieder zurück. „Hallo, Tai“, begrüßte sie ihn verwundert. „Hallo. Ist Mimi vielleicht zu Hause?“, fragte Tai ein wenig steif. „Ähm... ja. Bitte warte eine Sekunde.“ Sie lehnte die Tür an und verschwand. Ungeduldig stand Tai auf der Fußmatte, tippte mit dem Fuß und wartete darauf, dass sie oder Mimi an der Tür auftauchten und ihn hereinbaten. Nach einigen endlosen Minuten tauchte Frau Tachikawa wieder auf und machte ein bedauerndes Gesicht. „Tut mir leid, aber sie möchte dich nicht sehen“, murmelte sie. Tai runzelte die Stirn. „Könnten Sie mich bitte trotzdem rein lassen? Es ist super wichtig. Ich muss ihr dringend etwas sagen und danach gehe ich sofort wieder, versprochen.“ Sie schien nicht sicher, was sie davon halten sollte, denn sie zögerte und musterte ihn eine Weile nachdenklich. „Nur zwei Minuten und ich bin wieder weg“, versprach Tai eindringlich. „Na schön“, seufzte Frau Tachikawa und ließ ihn endlich herein. „Aber ich kann nicht garantieren, dass sie dir nichts an den Kopf wirft.“ „Schon okay. Damit komme ich klar“, erwiderte Tai gelassen. Er durchquerte die Wohnung und klopfte an Mimis Zimmertür. „Nein“, kam es dumpf von drinnen. Trotzdem öffnete er die Tür und trat ein. Mimi drehte sich von ihrem Schreibtisch zu ihm um und starrte ihn an. „Warum hat sie dich reingelassen? Raus hier! Ich will dich nicht sehen!“ „Ich bin hier, um mich zu entschuldigen. Hör' mir eine Minute...“ „Nein, raus!“ „Es ist echt nur...“ „Nein!“ „Aber ich will nur...“ „Interessiert mich nicht! Raus!“ „Mimi, das am Sonntag war...“ „Ruhe! Hör' auf!“ „Lässt du mich jetzt endlich mal ausreden?!“, rief Tai nun wütend, sodass sie zusammenzuckte. Sicher kam auch gleich ihre Mutter hereingerannt, um ihn rauszuwerfen. Was ihr Vater gemacht hätte, mochte er sich gar nicht erst vorstellen. „Es tut mir echt leid, was ich gesagt habe“, sagte er nun ruhiger. „Das war nicht so gemeint. Ist einfach rausgerutscht. Es war echt blöd und ich hätte es nicht sagen sollen.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und starrte ihn finster an. „Du bist kein Mädchen für eine Nacht. Und dein Ex ist ein Vollspaten, der keine Ahnung hat, was gut ist. Und einen neuen Nachhilfelehrer brauchst du dir auch nicht suchen. Nur, wenn du nicht willst natürlich“, sagte Tai. „Oh und ich hab' dir Blumen mitgebracht. Die Verkäuferin hat sie mir empfohlen. Meinte, es ist die Herzensblume und sie bedeutet Reinheit und Licht oder sowas. Ich dachte, das passt ganz gut zu dir.“ Einen Augenblick lang starrte Mimi ihn noch an, bevor sie aufstand, auf ihn zuging und ihm die Blumen aus der Hand nahm. „Tai“, sagte sie und sah ihn fest an, „ich will eine ehrliche Antwort.“ Er schluckte. „Das von Samstagnacht, hat es dir was bedeutet?“ „Was? Dass du mich abgefüllt hast?“, fragte er ein wenig genervt, dass sie schon wieder damit anfing. Er dachte, sie würden das Thema hier abhaken. Er wollte nicht mehr darüber reden, noch nicht einmal darüber nachdenken wollte er. „Es gehören immer zwei dazu. Und man kann nicht alles, was man macht, auf den Alkohol schieben, wenn man betrunken ist“, widersprach sie und starrte ihn weiter an. „Also hat es dir was bedeutet?“ „Ich... ähm... keine Ahnung, Mann“, murmelte Tai und wich ihrem bohrenden Blick aus. „Was soll das heißen? Ja oder nein? Das musst du doch wissen!“, drängte sie. „Ich weiß es aber nicht, okay? Vielleicht ja. Vielleicht nein. Will nicht darüber nachdenken, okay? Und jetzt muss ich los, meine Zeit ist um. Wollte mich nur entschuldigen“, murmelte er und stolperte rückwärts aus dem Zimmer.   _   Endlich hatten sie ein wenig Zeit für sich. Zum ersten Mal, seit sie am Sonntag beschlossen hatten, es mit einer Beziehung zu versuchen, konnten sie Zeit zu zweit verbringen, ohne dass jemand sie beobachtete. Noch hatten sie keinem von ihrer Beziehung erzählt. Sie wollten sich Zeit damit lassen und sich erst einmal an die neue Situation gewöhnen, bevor sie es den anderen verkündeten. Kari setzte sich auf T.K.s Bett und sah ihn fragend an. „Und was machen wir jetzt?“ Er zuckte mit den Schultern und setzte sich neben sie. „Keine Ahnung. Das Gleiche, was wir immer machen?“ „Versuchen, die Weltherrschaft an uns zu reißen?“, witzelte Kari. „Zum Beispiel.“ Verlegen griff sie nach seiner Hand. Sie fragte sich, was sich für sie beide nun eigentlich ändern würde. Schon seit Jahren hatten sie eine sehr innige Beziehung zueinander, doch intim waren sie natürlich nie geworden. Was nun nach dem Händchenhalten als nächstes dazukam, war wohl herumknutschen. Einen richtigen Kuss hatte sie noch nie gehabt und das mit T.K. in jener Nacht war nur ein sehr kurzer Kuss geblieben. Sollte sie das jetzt ändern? Schüchtern sah sie ihn von der Seite an. „Ähm... ich würde gern was versuchen.“ „Was denn?“, fragte er verwirrt. Sie sah ihm tief in die Augen und näherte sich langsam, wie in Zeitlupe, seinem Gesicht. Er erwiderte ihren Blick mit seinen blauen Augen und machte keine Anstalten, zurückzuweichen. Karis Herz schien schneller zu schlagen mit jedem Zentimeter, den sie sich ihm näherte. Schließlich neigte sie den Kopf leicht zur Seite, schloss die Augen und legte ihre Lippen auf seine. Es folgte ein zögerlicher Kuss, so leicht und behutsam wie eine Feder. Gleich darauf ein weiterer, wobei sie ihre Lippen diesmal ein wenig länger aufeinander ruhen ließen. Beim dritten Kuss öffnete Kari die Lippen ein wenig und ganz automatisch tat T.K. das gleiche. Sie hatten beide keine Ahnung, was genau sie tun mussten. Beide hatten zuvor noch nie einen richtigen Kuss gehabt. Und doch funktionierte es. Automatisch passten sie sich an die Bewegungen des anderen an und Kari verspürte ein wildes Kribbeln in ihrer Magengegend. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, ihn zu küssen, ihm so nahe zu sein wie noch nie zuvor. Gleichzeitig fühlte es sich jedoch seltsam an. Die erste wirklich intime Begegnung zwischen ihnen, die nun schon so lang befreundet waren. Langsam lösten sie den Kuss wieder und sahen sich an. „Das war... schön“, murmelte Kari. T.K. schluckte hörbar und nickte. Dann küssten sie sich noch einmal, diesmal etwas mutiger.   _   „Noch mal“, rief Matt Shin zu und wies ihn an, den Takt vorzugeben, als plötzlich sein Handy ertönte. Er stöhnte genervt. „Okay, eine Minute Pause.“ Ohne die Gitarre abzulegen ging Matt zu seiner Schultasche und fischte sein Handy heraus. Mimi rief an. Er verdrehte die Augen und ging dran. „Ja?“ „Matt, ich muss mit dir reden! Es ist mega wichtig! Bitte wimmel' mich nicht wieder ab. Ich bin total verzweifelt und weiß nicht, was ich machen soll. Du bist der Einzige, der mir noch helfen kann!“ Ihre Stimme klang, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. „Boah, ich bin gerade in der Probe“, grummelte er. „Es ist wirklich wichtig! Es geht um Leben und Tod. Um Glück und Unglück!“ Diese Dramaqueen. „Nach der Probe, okay?“ „Okay. Wann seid ihr fertig?“ Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Halbe Stunde oder Stunde.“ „Kann ich vorbeikommen und zusehen? Dann können wir hinterher gleich persönlich reden und nicht übers Telefon“, schlug sie vor. Matt knirschte mit den Zähnen. „Von mir aus. Aber wehe du nervst.“   Zwanzig Minuten später tauchte sie tatsächlich auf und lenkte die Aufmerksamkeit von Matts Bandkollegen komplett auf sich. Typisch Mimi. Wertvolle Minuten wurden mit Smalltalk vergeudet, bevor sie endlich weitermachen konnten. Mimi hatte es sich auf einem Hocker bequem gemacht und beobachtete sie dabei, wie sie ein neues Lied probten. Ihr Kopf wippte im Takt der Musik und ihre bloße Erscheinung lenkte Matt ab. Er wünschte, sie würde einfach wieder gehen. Dieses aufdringliche Weib. „Sag' mal, du kannst doch auch singen, oder? Matt hat das mal erzählt“, sagte Shin in einer weiteren kurzen Pause an sie gewandt. Sie sah ihn überrascht an. „Ähm... ein bisschen vielleicht.“ „Willst du mal versuchen?“, bot er ihr an. Matt wandte sich an ihn und hob eine Augenbraue. „Coole Idee“, stimmte Tsubasa zu. „Kommt schon, wir wollen alle fertig werden“, mischte Matt sich genervt ein. „Wieso? Lass' sie doch mal. Wenn sie schon mal hier ist, kann sie auch was zeigen“, widersprach Ryu grinsend und winkte Mimi zu sich. Diese warf einen kurzen Blick auf Matt und stand dann auf, um zu ihnen zu kommen. „Was würdest du gern singen?“, fragte Shin sie lächelnd und wirbelte einen seiner Sticks durch die Gegend. „Keine Ahnung“, antwortete sie schulterzuckend. „Wahrscheinlich irgendwas von High School Musical“, murmelte Matt spöttisch. „Boah, das wäre es! Matt und Mimi im Duett als Cover von High School Musical!“, rief Ryu und klatschte in die Hände. „Nein.“ Entschlossen schüttelte Matt den Kopf. „Einfach nein.“ „Magst du Taylor Swift?“, fragte Shin an Mimi gewandt. „Wir könnten Love Story probieren.“ „Ja und zu unserem nächsten Konzert ziehen wir uns rosa Tutus an und fassen uns alle an den Händen“, warf Matt ein. „Ach, dieser eine Song wird dich nicht umbringen“, sagte Tsubaasa und verpasste ihm einen Klaps auf die Schulter. „Genau. Hab' dich nicht immer so“, stimmte Ryu ihm zu. Mimi lächelte unschuldig, sodass Matt allen vieren einen finsteren Blick zuwarf und seine E-Gitarre gegen seine Westerngitarre austauschte. Shin gab den Takt vor, sie fingen an zu spielen und Mimi begann zu singen. Obwohl er das Lied nicht mochte und es ihn nervte, dass Mimi immer im Mittelpunkt stand, wo immer sie auch war, musste Matt zugeben, dass sie ihre Sache gut machte. Man konnte zwar hören, dass sie aufgeregt war, sie hatte ein paar kleinere Texthänger und ein paar wenige Töne nicht ganz getroffen, doch ihre Stimme konnte sich nach wie vor hören lassen. Als das Lied vorbei war, klatschte Shin anerkennend und auch Ryu und Tsubasa sahen sie erstaunt an. „Echt gut“, lobte Ryu. „Willst du nicht mal mit uns zusammen auftreten? Nur für ein Lied oder so. Ich glaube, das könnte ziemlich cool werden“, schlug Tsubasa vor. „Ja, dafür wäre ich auch“, meinte Shin. „Leute...“, fing Matt an, kam jedoch nicht weit. „Überleg' doch mal. Damit könnten wir wieder ein bisschen Werbung machen. Auf einmal ein Gast in der Band und alle kommen, um zu sehen, was los ist. Ist doch super“, sagte Ryu. „Jap. Und wir könnten die Gerüchteküche um Matts Liebesleben wieder ein bisschen anheizen, wenn wir ihn ein schnulziges Duett mit einem hübschen Mädchen singen lassen“, fügte Shin grinsend hinzu. „Das wird super“, meinte Tsubasa überzeugt. Mimi grinste und Matt musste sich geschlagen geben.   _   Inzwischen lagen sie aneinander gekuschelt quer auf T.K.s Bett und genossen einfach nur die Nähe zueinander. T.K.s Lippen fühlten sich vom vielen Küssen plötzlich ganz weich an. In seiner Magengegend hatte es wild gekribbelt und wenn er Kari nur ansah, wollte er sie am liebsten sofort noch einmal küssen. „Sag' mal“, fing sie an und stützte den Kopf auf dem Ellbogen ab, um ihn besser ansehen zu können, „warum hast du dich eigentlich auf einmal umentschieden? Ich meine, du wolltest doch nichts riskieren mit der Freundschaft. Warum hast du deine Meinung geändert?“ „Hm“, machte er und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Einen großen Teil hatte wohl Matt beigetragen, der in der Partynacht in Joes Wohnung gesagt hatte, alles, was ihnen noch zu einer richtigen Beziehung fehlte, wäre Sex. Alles andere würden sie ohnehin schon genau wie in einer Beziehung machen. T.K. hatte viel über seine Worte nachgedacht und versucht, herauszufinden, was er eigentlich für Kari empfand. Schon seit einer Weile wusste er, dass es da irgendetwas gab. Sonst hätte er sie ja nicht vor einigen Monaten schon geküsst. Doch eigentlich hatte er die gute Freundschaft zwischen ihnen nicht riskieren wollen. „Ich glaube, ich habe einfach gemerkt, dass ich wahrscheinlich niemals ein Mädchen finden werde, das besser zu mir passt als du.“ Kari hob die Augenbrauen. „Meinst du das ehrlich?“ „Ja. Ich meine, wir kennen uns in- und auswendig, verbringen so viel Zeit miteinander, erzählen uns alles, haben uns schon öfter gestritten und wieder vertragen... irgendwie hatten wir doch seit langem schon so etwas wie eine Beziehung, oder?“, erwiderte T.K. „Naja“, machte Kari nachdenklich, „zu einer Beziehung gehört aber schon noch mehr dazu, oder? Küssen und Händchen halten und... sowas eben.“ „Das kommt eben alles jetzt. Das ist der nächste Schritt“, meinte T.K. und lächelte. „Dann sind wir also schon total lang zusammen, ohne dass wir es gemerkt haben?“, fragte Kari und runzelte skeptisch die Stirn. T.K. zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht.“ Ihm entging nicht, dass sich ein zarter Rotschimmer auf Karis Wangen legte und sie den Blick senkte, bevor sie weitersprach. „Aber... können wir es langsam angehen lassen? Mit den nächsten Schritten, meine ich.“ Er lächelte und strich ihr mit dem Finger eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Klar, kein Problem. So langsam wie wir wollen.“   _   Nach der Probe hatten sie sich vom Rest der Band verabschiedet und gingen nun schweigend nebeneinander her. „Jetzt rück' endlich raus mit der Sprache. Ich hab' auch nicht den ganzen Tag Zeit“, murrte Matt schließlich, als er anscheinend keine Geduld mehr für sie hatte. „Ja, stimmt. Sei nicht schon wieder so unhöflich“, wies Mimi ihn genervt zurecht. Warum konnte er nicht einfach mal nett sein? „Unhöflich? Wer platzt denn einfach in meine Bandprobe, weil er unbedingt mit mir reden will, obwohl ich dir schon gesagt habe, dass ich keine Zeit habe?“, fuhr er sie an. Mimi musterte ihn finster von der Seite. „Weißt du, als du mir zum ersten Mal an die Wäsche wolltest, warst du viel netter. Anscheinend bist du nur nett zu Menschen, wenn du irgendwas von ihnen willst.“ Er seufzte theatralisch und warf die Arme in die Luft. „Mist, jetzt hast du meine ausgefeilte Taktik erraten. Was mache ich denn nun?“ „Spar' dir deinen Sarkasmus und sei endlich mal ein bisschen freundlicher“, fauchte Mimi. Er blieb unvermittelt stehen, sodass auch Mimi stehen blieb und sich mit fragendem Blick zu ihm umdrehte. „Mann, Mimi, ich habe momentan einen Arsch voll eigene Probleme und keinen Nerv für Belehrungen zu meinem Verhalten, okay?“ „Das ist, weil du immer einen auf einsamer Wolf machen musst und denkst, du müsstest alle deine Probleme allein lösen. Erzähl' doch einfach mal was. Ich kann dir bestimmt irgendwie helfen“, erwiderte Mimi ungeduldig. „Du mir helfen? Kennst du etwa ein Mittel für einen plötzlichen Schwangerschaftsabbruch, obwohl die Schwangere schon im siebten Monat ist, und das natürlich auch noch moralisch vertretbar ist?“ Mimi klappte die Kinnlade herunter. Entgeistert starrte sie ihn an. „Was?! Hast du etwa... was?“ „Wahrscheinlich ein Kind gezeugt? Ja.“ Für einen Augenblick war Mimi sprachlos und starrte ihn einfach nur entsetzt an. Matt wurde Vater? „Dagegen kenne ich tatsächlich ein wirksames, moralisch vertretbares Mittel: Kondome.“ Er verdrehte die Augen. „Siehst du? Deshalb kümmere ich mich lieber allein um meinen Scheiß.“ „Komm' schon. Du musst zugeben, dass das nicht gerade überraschend ist, wenn man fünfzig verschiedene Sexpartnerinnen im Jahr hat“, erwiderte Mimi schnippisch und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich habe immer Kondome benutzt. Bis auf das eine Mal mit dieser verfluchten Nagisa, an das ich mich nicht erinnern kann“, murmelte er und ging weiter. „Na siehst du? Rätsel gelöst“, meinte Mimi und zuckte mit den Schultern. „Moment mal. Etwa die aus unserer Schule? Aus deiner Klasse?“ „Ja“, knirschte Matt. „Oh mein Gott, mit der hattest du was?“ Sie machte große Augen. „Keine Ahnung, Mann! Lange Nacht, nicht zu viel Alkohol und trotzdem komplettes Blackout. Bin am nächsten Morgen in meinem Zimmer aufgewacht und konnte mich an nichts erinnern. Und sie war auch da.“ „War anscheinend doch mehr Alkohol, als du dachtest“, kommentierte Mimi und hob eine Augenbraue. „Nein, verdammt. Es war einfach nur seltsam.“ „Ist es denn überhaupt sicher, dass du der Vater bist, wenn du dich an nichts erinnern kannst?“, hakte sie nun nach. „Das ist es ja gerade. Ich hoffe, da hatte ein anderer die Finger im Spiel“, murmelte Matt und kickte einen kleinen Stein weg. „Oder eher den Penis.“ Er sah sie schief an. „Was denn? Vom Fingern allein ist ja wohl noch niemand schwanger geworden.“ Er kniff die Augen zusammen, dann lachte er plötzlich leise. „Mann, Tachikawa, du bist echt eine Klasse für dich. Jetzt sag' schon endlich, was es bei dir so Wichtiges zu bereden gibt.“ „Ach, ich glaube, dass du vielleicht dieses schräge Mädel geschwängert hast, ist wichtiger“, meinte sie nun abwinkend. Die Nachricht, dass Matt vielleicht Vater wurde, hatte sie von den Socken gehauen. Wie sollte sie das nur für sich behalten können? Ob sie die Einzige war, die davon wusste? „Nun komm' schon. Deswegen hast du extra bei der Probe gestört, also erzähl'.“ Und dann erzählte Mimi ihm doch alles, was passiert war: dass sie mit Tai geschlafen und ihn anschließend im Schrank eingesperrt hatte, dass sie sich entschuldigt hatte und was er zu ihr gesagt hatte und dass er ihr weiße Lilien gebracht und sich wiederum bei ihr entschuldigt hatte und was sie ihn daraufhin gefragt hatte. Matt unterbrach sie kein einziges Mal, sondern hörte anscheinend aufmerksam zu. Als sie fertig war, sah er sie fragend an. „Und wie soll ich dir jetzt helfen?“ Mimi seufzte. „Du kennst Tai doch so gut. Sag' mir, was das bedeutet. Was er damit meint. Wie kann man nicht wissen, ob einem eine Nacht etwas bedeutet hat oder nicht?“ „Wenn ich ehrlich sein soll“, begann Matt und Mimi hielt die Luft an, „denke ich schon, dass es ihm was bedeutet hat. Er hat dir Blumen gebracht und sich sogar über deren Bedeutung informiert. Ich würde denken, er mag dich mehr, als er zugibt.“ „Meinst du wirklich?“, fragte Mimi mit einem Strahlen im Gesicht. „Keine Ahnung. Am besten, du wartest einfach ab. Aber ich denke, man schenkt keinem Mädchen Blumen mit Botschaft, wenn sie einem nichts bedeutet“, erklärte Matt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)