Ein Leben wie dieses von Juju ================================================================================ Kapitel 27: Kleine und große Wünsche ------------------------------------ Donnerstag, 6. Juli 2006 Es war der Abend vor Tanabata. Und der Abend vor ihrem siebzehnten Geburtstag. Zum ersten Mal seit einigen Jahren feierte sie ihren Geburtstag wieder in Japan und das Tanabatafest gleich dazu. Sie hatte es in den USA wirklich vermisst. Ihre Eltern hatten im Wohnzimmer ein kleines Bambusbäumchen aufgestellt, an das sie bereits ihre Wünsche gehängt hatten. Mimi hockte schon seit einer gefühlten Ewigkeit vor dem Bambusbaum und fragte sich, was sie sich wünschen sollte. Nicht, weil es nichts gab, was sie sich wünschte, sondern weil sie ein viel größeres Blatt gebraucht hätte, um all ihre Wünsche aufzuschreiben. Zunächst wäre da dieses hübsche, viel zu teure Sommerkleid, das sie letztens gesehen hatte. Sie wollte es unbedingt haben. Sie wusste sogar schon, welche Schuhe sie dazu anziehen konnte. Dann war da diese Sache mit Mathe. Sie wünschte sich, dass sie bessere Noten bekam und ein wenig mehr Matheverständnis. Außerdem wünschte sie sich natürlich, dass ihre alte Gruppe sich endlich wieder zusammenraffte und alle sich besser verstanden. Sie sollten alle ihre Probleme beseitigen. Und sie wünschte sich noch, dass sie mit ihren Eltern in Tokio bleiben konnte. Ja, sie mochte New York sehr, doch Tokio war einfach ihre Heimat, der Ort ihrer Kindheit. Vielleicht gab es irgendeine Möglichkeit, dass ihr Vater hier bleiben konnte. Und wenn nicht, dann wünschte sie sich, dass sie in den USA wieder freundlich aufgenommen wurde. Und zu guter Letzt: einen Freund. Sie wollte sich verlieben und diesen hirnlosen Vollpfosten namens Ethan endlich vergessen. Sie wollte jemanden kennen lernen, der es wert war, geliebt zu werden. Einige Sekunden noch starrte Mimi den rosafarbenen Zettel an, dann zog sie schließlich die Kappe des Stifts ab und schrieb ihren Wunsch auf. Ich wünsche mir, dass alle meine Wünsche in Erfüllung gehen. _ Seine Eltern machten jedes Mal ein Ritual aus dem Abend vor Tanabata. Zuerst gab es etwas Leckeres zu essen, dann saßen sie alle drei am Esstisch mit Stift und Zettel bewaffnet und redeten über ihre Wünsche. Masami Izumi wünschte sich endlich einmal mehr Freizeit, die er mit seiner Frau und Izzy verbringen konnte. Ein normaler Wunsch, den Izzy verstehen konnte. Im Gegensatz zu dem von Yoshie. „Also ich wünsche mir, dass unser Izzy endlich mal ein bisschen lockerer wird und ein Mädchen mit nach Hause bringt“, verkündete sie und sah betreten zu Izzy. „Hä?“ Izzy lief rot an. „Du redest schon wie Mimi.“ „Mimi? Ja, lade sie doch mal wieder zu uns ein. Die ist so süß“, antwortete Yoshie und lächelte verträumt. Izzy hob eine Augenbraue. Mimi und süß? Das konnte man vielleicht über sie sagen, wenn man sie noch nicht so richtig kannte. Aber wenn man sie dann kennen lernte, merkte man, wie verdreht ihr Kopf eigentlich war. „Was wünschst du dir denn, Izzy?“, fragte Masami nun und beide musterten ihren Sohn. „Ähm... ich weiß nicht so recht. Weiterhin Erfolg in der Schule?“ Yoshie seufzte resigniert und stützte den Kopf auf der Hand ab. Masami grinste nur und tätschelte ihre Schulter. „Freu dich doch lieber, dass er glücklich ist.“ Izzy verdrehte die Augen und zückte seinen Stift. Ich wünsche mir, dass ich einfach so sein kann, wie ich will, ohne dass Mama und Mimi an mir herum mäkeln. _ „T.K., hast du deinen Wunsch schon an den Baum gehängt?“ Natsuko streckte den Kopf in sein Zimmer und sah ihn fragend an. „Bin schon dabei“, antwortete T.K., der seinen Wunsch tatsächlich gerade auf einen Zettel geschrieben hatte. Er ging zu dem Bambusbäumchen im Wohnzimmer und hängte seinen Wunsch auf. „Was hast du dir gewünscht?“ „Kannst du dir das nicht denken?“, entgegnete seine Mutter und beobachtete ihn. „Natürlich, dass wir wieder eine Familie werden und Matt das akzeptiert. Was sonst?“ T.K. lächelte. „Da haben wir den gleichen Wunsch. Ich wünsche mir eine Familie. _ Wie jeden Abend kam Sora erst spät nach Hause und wurde schräg von ihrer Mutter angeschaut, die noch wach war. „Was ist?“, fragte Sora verwirrt. „Weißt du, was ich mir gewünscht habe?“ „Gewünscht?“ Verständnislos erwiderte Sora den Blick ihrer Mutter. Diese runzelte nun die Stirn. „Morgen ist Tanabata. Jetzt sag nicht, du hast es vergessen.“ „Oh“, machte Sora und hob die Augenbrauen. „Ich glaube, das habe ich wirklich vergessen. Daran habe ich gar nicht mehr gedacht.“ Toshiko musterte sie und schüttelte langsam den Kopf. „Und da wären wir bei meinem Wunsch. Ich habe mir nämlich gewünscht, dass meine Tochter sich ein bisschen mehr wie ein Mädchen in ihrem Alter benimmt und weniger arbeitet.“ Sie warf die Hände in die Luft. „Kind, du hast überhaupt nichts mehr von deinem Leben. Du arbeitest fast jeden Abend und kommst nie vor zehn nach Hause. Wenn du nicht arbeitest, machst du Schulaufgaben. Du bist jung. Genieße es.“ „Mama, du weißt doch, dass ich nach der Schule auf eine Modeschule gehen möchte. Das kostet eben Geld“, antwortete sie ruhig. „Ja, das weiß ich, aber man darf nicht vergessen, dass man Freizeit braucht. Ich habe nicht den Eindruck, dass du im Moment besonders glücklich bist, Sora. Und ich weiß nicht, ob das an deiner Arbeit liegt oder vielleicht an etwas ganz Anderem.“ „Es ist alles okay. Mir geht’s gut“, versicherte Sora ihr. „Bitte mach dir keine Sorgen. Übernächste Woche sind Ferien und dann kann ich mich ja genug ausruhen.“ Toshiko seufzte und drückte ihr einen Zettel in die Hand. „Wie du meinst.“ Sora wusste schon ganz genau, was sie dort drauf schreiben wollte. Ich wünsche mir, dass Tai, Matt und ich irgendwann wieder ganz normal miteinander befreundet sein können. _ „Davis!“, hörte er seine Schwester kreischen. „Du bist der Einzige, der seinen Zettel noch nicht aufgehängt hat. Mach endlich! Sonst wird das nichts mehr.“ Davis stöhnte genervt. „Jaja.“ Er war gerade dabei gewesen, noch eine Hausaufgabe für morgen zu erledigen. Nun beschloss er, diesen blöden Zettel an den Bambusbaum zu hängen, damit Jun endlich Ruhe gab. Wo hatte er denn jetzt den Zettel hingelegt? Er hatte seinen Wunsch doch schon darauf geschrieben. Genervt kramte er einen neuen aus den Tiefen seines Schreibtischs hervor und zückte einen Stift. Er konnte diesem Brauch nicht sonderlich viel abgewinnen. Was hatten überhaupt zwei Verliebte in der Milchstraße mit der Erfüllung von Wünschen zu tun? Ich wünsche mir eine weniger nervige Schwester. _ Mit ihrem Wunschzettel in der Hand hüpfte Yolei ins Wohnzimmer. Ihre Geschwister waren alle drei extra für Tanabata nach Hause gekommen, da sie dieses Fest immer zusammen als Familie feierten. Der Bambusbaum sah mit sechs bunten Zetteln immer besonders hübsch aus. Das hieß, momentan hingen nur fünf dran, denn wieder mal war der Zettel ihres Bruders der letzte. Wie eigentlich jedes Jahr. Yolei hatte ihren eigenen als Erste angehängt. Sie redete sich ein, dass ihr Wunsch sich dann auch wirklich erfüllen würde, wo er doch dieses Jahr so wichtig war. Ich wünsche mir, dass sich alle wieder miteinander vertragen. _ „Ken, kommst du?“ Seine Eltern sahen ihn erwartungsvoll an, doch Ken blieb auf der Erde vor dem Grab sitzen. „Gleich, noch zwei Minuten“, antwortete er. Seine Eltern verstanden und gingen schon einmal langsam vor, um den Friedhof zu verlassen. Ken wandte sich wieder um und betrachtete den Namen auf dem Grabstein. Ichijouji Osamu. Geboren am 13.10.1988. Gestorben am 09.08.2000. Geliebter Sohn, Enkelsohn und Bruder. Ken dachte oft an ihn, fragte sich, wie er heute wohl aussehen würde. Was für ein Verhältnis sie zueinander hätten. Was aus ihm geworden wäre, wenn Sammy nicht gestorben wäre. Wie ihre Familie dann aussehen würde. Er seufzte leise und hängte seinen Zettel an den Bambusbaum neben Sammys Grab, an welchem schon die Zettel seiner Eltern hingen. Ich wünsche mir, meinen Eltern immer ein genauso guter Sohn zu sein, wie Sammy es war. _ „Hiroki würde sich bestimmt wünschen, dass Cody gut in der Schule ist“, scherzte Chikara Hida und hängte seinen Wunschzettel an den Bambusbaum neben Hirokis Grab. „Opa“, murmelte Cody stirnrunzelnd. „Ich glaube eher, er würde sich Weltfrieden wünschen und dass alle Menschen glücklich sind“, meinte Fumiko und betrachtete nachdenklich den Grabstein. „Cody, was wünschst du dir denn eigentlich?“ „Das Gleiche wie jedes Jahr“, antwortete Cody einsilbig. „Und das wäre?“, fragte Chikara interessiert und musterte ihn. „Sag' ich nicht“, antwortete Cody stur. „Aber wir haben dir unsere Wünsche auch gesagt“, warf Fumiko ein. „Du kannst ruhig darüber reden.“ „Tut mir Leid, aber ich möchte lieber nicht darüber reden“, murmelte Cody. „Jeder braucht seine kleinen und großen Geheimnisse“, sagte Chikara und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Ich wünsche mir, dass ich Papa irgendwann wiedersehe. _ „Wo bleibst du denn?“ „Ich komme ja gleich. Ich muss nur noch meinen Zettel an den Baum hängen.“ „Dann mach schnell. Ich glaube nicht, dass das Kino wartet, bis du damit fertig bist.“ „Jaja, ich mach' ja schon.“ „Also sehen wir uns gleich vor dem Kino, ja?“ „Ja. Bin in fünf Minuten da.“ „Hoffentlich, sonst gehe ich ohne dich.“ Kichernd legte Kari auf. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie die Zeit vergangen war. „Welchen Film wollt ihr euch eigentlich ansehen?“, fragte Tai, der gelangweilt auf der Couch im Wohnzimmer lag und fernsah. „Fluch der Karibik Teil zwei“, antwortete Kari voller Vorfreude. Sie liebte Jack Sparrow alias Johnny Depp. „Der geht doch so lang. Bringt T.K. dich nach Hause?“ „Ich glaube schon“, antwortete Kari nun ein wenig verärgert, weil Tai schon wieder den Babysitter spielte. „Sag Bescheid, wenn ich dich abholen soll, okay?“, sagte er. „Ja, mach ich“, erwiderte Kari, hängte ihren Zettel an den Baum und tänzelte Richtung Wohnungstür. „Was hast du dir eigentlich gewünscht?“, hörte sie Tai noch rufen. „Geheimnis“, antwortete sie im Singsang. Ich wünsche mir, dass T.K. mich noch mal küsst. _ Seine Eltern waren ausgegangen, um weiter an ihrer Ehe zu arbeiten und nun war auch noch Kari weg, um mit Ishidas Bruder ins Kino zu gehen. Tais Laune konnte kaum noch mieser werden. Was Sora wohl heute Abend machte? Wahrscheinlich arbeiten. Vielleicht traf sie sich auch mit Matt. Tai konnte sich so gar nicht vorstellen, dass die beiden nun wirklich die Finger voneinander ließen. Bestimmt trafen sie sich noch immer heimlich. Daran würde auch dieses blöde Tanabata nichts ändern können, egal, wie sehr er es sich auch wünschte. Ich wünsche mir, dass Mimis bescheuerter Plan funktioniert, auch, wenn ich ihr den Triumph nicht gönne. _ Matt schrieb ein paar Zeilen, strich ein Wort durch, ersetzte es durch ein anderes, strich eine Zeile weg, fügte eine neue hinzu und strich irgendwann die ganze Strophe durch. So ging das schon seit über zwei Wochen. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so unkreativ gefühlt wie in dieser Zeit. Alles, was ihm einfiel, waren Texte über unerfüllte Liebe und Mädchen, die so waren wie Sora. Lustlos riss er das Blatt aus dem Schreibblock heraus, knüllte es zusammen und warf es hinter sich auf den Boden, wo schon einige andere wenig kreative Ergüsse lagen. Er wollte einfach nicht über so einen Blödsinn singen. Er hatte nichts dagegen, Lieder über die Liebe zu singen, aber nicht solch einen depressiven Quatsch. Was war nur los mit ihm? Dieses Mädchen, das er schon so lange kannte, hatte ihn zu einem Trauerkloß gemacht. Und Tai, sein bester Freund, hielt ihn für einen Soziopathen. Und seine geschiedenen Eltern waren immer noch der Meinung, sie könnten ihre Ehe neu aufleben lassen. Ich wünsche mir, eine Musikkarriere zu starten, um diesem ganzen Mist hier zu entkommen. _ „Joe, kommst du ins Bett? Ich bin hundemüde. Und du weißt, ich kann ohne dich nicht einschlafen.“ „Ja, gleich“, antwortete Joe und klickte auf „Senden“. Damit war seine Hausarbeit abgeschickt. Erleichtert seufzend schaltete er den Computer aus und erhob sich. Nami hatte sich unter die Bettdecke gekuschelt und musterte ihn mit verschlafenem Blick. „Hast du die blöde Hausarbeit jetzt endlich fertig?“, fragte sie. „Ja. Es sind zwar jetzt doch zwanzig Seiten, aber ich glaube, es wird ihm gefallen“, antwortete Joe zufrieden. „Na hoffentlich. Immerhin hast du dich jetzt wochenlang damit beschäftigt“, meinte Nami. „Das kann man wohl sagen“, erwiderte Joe und hob die Augenbrauen. Es war die erste Hausarbeit in seinem Studium gewesen, doch er hatte ein gutes Gefühl. Er war zufrieden mit seiner Arbeit und war sich sicher, eine gute Note zu bekommen. Das Thema, die Einwirkung von Stress auf das menschliche Immunsystem, hatte ihn sehr interessiert und so war es nicht so schlimm, eine Hausarbeit zu schreiben, auch wenn es viel Zeit beansprucht hatte. Glücklich schlüpfte er neben Nami unter die Decke und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Gute Nacht. Schlaf schön.“ Ich wünsche mir, dass alles so bleibt, wie es ist. Freitag, 7. Juli 2006 Es war Mimis Geburtstag. Deshalb hatte Izzy beschlossen, sie vor der Schule von zu Hause abzuholen und mit ihr zusammen in die Schule zu gehen, auch wenn es für ihn ein ziemlicher Umweg war. Darüber würde sie sich sicher freuen. Er hatte sogar ein kleines Geschenk dabei, das er ihr gleich geben wollte. Er drückte auf den Klingelknopf der Tachikawas und wartete, bis die Tür geöffnet wurde. „Oh, hallo Izzy“, begrüßte Frau Tachikawa ihn strahlend. „Möchtest du Mimi abholen?“ „Guten Morgen. Ja, deswegen bin ich hier“, antwortete Izzy verlegen. Mimis Mutter nickte und rief nach Mimi, die schon fertig angezogen hinter ihr auftauchte. Als sie Izzy erblickte, fing auch sie an zu strahlen. „Alles Gute zum Geburtstag“, sagte Izzy und hielt ein pinkfarbenes Geschenktütchen hoch. „Oh“, quietschte Mimi. „Du hast mir ein Geschenk mitgebracht? Wie lieb.“ Sofort machte sie sich daran, es auszupacken, obwohl die Zeit drängte. Izzy warf einen ungeduldigen Blick auf seine Armbanduhr. Wenn sie noch pünktlich zur Vorbereitungszeit da sein wollten, mussten sie genau jetzt losgehen. „Was ist das denn?“, fragte Mimi verblüfft und starrte das Buch an, das sie eben ausgepackt hatte. „Mathematik und ihre Vorzüge?“ Izzy grinste verlegen und zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, vielleicht hilft dir das beim Mathelernen.“ Sie ließ die Hand mit dem Buch sinken und sah Izzy einen Moment an. Frau Tachikawa blickte über ihre Schulter hinweg und musterte neugierig das Cover des Buches. Dann fiel Mimi ihm um den Hals. „Danke. Du bist doof, aber irgendwie auch ziemlich süß“, kicherte sie und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Das ist wirklich eine tolle Idee, Izzy“, lobte Satoe ihn und nahm Mimi das Buch aus der Hand. „Das wird ihr sicher helfen.“ Dann endlich machten sie sich auf den Weg in die Schule. _ Gemeinsam mit Tai, Kari und Davis ging Sora an diesem Morgen zur Schule und starrte gedankenverloren in den wolkenverhangenen Himmel. „Hoffentlich klart es heute Abend auf“, murmelte sie vor sich hin. „Was? Wieso?“, fragte Tai verwirrt. „Weil sich Orihime und Hikoboshi sonst nicht treffen können“, antwortete Kari an Soras Stelle ungeduldig. Tai stöhnte. „Jetzt sagt nicht, ihr glaubt an diesen Quatsch.“ „Natürlich glaube ich daran“, erwiderte Kari nachdrücklich. „Die Geschichte zwischen den beiden ist so schön. Und so traurig“, stimmte Sora zu. „Ja, unglaublich toll“, murmelte Tai sarkastisch. „Eine Weberprinzessin und ein Kuhhirte, die sich nur einmal im Jahr treffen können. Der Traum einer jeden Beziehung.“ „Deswegen hat sie doch traurig gesagt“, entgegnete Kari unwirsch. „Ach, das ist doch alles Blödsinn“, mischte Davis sich nun ein. „Die beiden könnten einfach zusammen durchbrennen und sich eine andere Galaxie suchen. Dann könnten sie sich jeden Tag treffen und auf Orihimes Vater pfeifen.“ „Und außerdem spielt es doch überhaupt keine Rolle, ob es nun wolkig ist oder nicht. Die Milchstraße ist trotzdem da, auch wenn wir sie nicht sehen“, ergänzte Tai. „Ihr seid so unromantisch. Alle beide“, seufzte Sora. „Außerdem, wenn wir die Milchstraße nicht sehen können, erfüllen sich unsere Wünsche nicht“, gab Kari zu bedenken. „Schwesterchen, du bist so naiv“, meinte Tai theatralisch seufzend und tätschelte Kari die Schulter. „Ich habe nur im Gegensatz zu dir einen Wunsch, der sich erfüllen lässt“, entgegnete Kari schnippisch. „Was hast du dir denn gewünscht?“, fragte Sora neugierig. „Das bleibt mein Geheimnis“, antwortete sie verschlossen. „Ach, bestimmt wünscht sie sich ein Einhorn oder so“, sagte Tai und lachte. „Nein, ich möchte dir ja deinen Wunsch nicht wegnehmen“, erwiderte Kari und streckte ihm die Zunge raus. „Also ich habe mir eine andere Schwester gewünscht“, verkündete Davis und die anderen drei verdrehten die Augen. _ In der Pause liefen Tai und Sora schnurstracks auf Mimi und Izzy zu. Tai hatte sich für Mimis Plan heute zu ihrem Geburtstag etwas Besonderes einfallen lassen. Er wollte ihr eine einzelne rote Rose schenken. Und zwar jetzt in der Pause vor Soras Augen, obwohl ihm bei diesem Gedanken nicht ganz wohl war. Eigentlich hätte er die Rose lieber ihr gegeben. Noch war die Blume, die ein Symbol für Liebe darstellte, in buntes Papier gewickelt und man konnte nicht sehen, was sich darin verbarg, doch er hatte bemerkt, dass Sora sie bereits neugierig beäugt hatte. In den letzten Tagen hatten er und Mimi, wann immer es passte, Sora gegenüber zufällig irgendetwas von einem Treffen erwähnt, das in Wirklichkeit nie stattgefunden hatte. Doch Mimi steigerte sich meist so in ihre Lügen hinein und spickte die Erzählungen mit so vielen Details, dass sie glaubwürdig klangen und Sora tatsächlich dazu veranlassten, die beiden mit seltsamen Blicken zu mustern. Als sie bei Mimi und Izzy ankamen, umarmte Sora Mimi und gratulierte ihr zum Geburtstag. Tai tat es ihr gleich. Er hatte sich mittlerweile tatsächlich an diese Umarmungen gewöhnt, auch wenn er das nicht gedacht hätte. Als er Mimi, die ihn anstrahlte, wieder losließ, wickelte er die Rose aus, setzte ein verwegenes Lächeln auf und drückte sie ihr in die Hand. Mimi machte große Augen. Damit hatte sie offensichtlich nicht gerechnet und Tai freute sich, dass er sie aus dem Konzept gebracht hatte. Normalerweise war sie es, die ihn überraschte und nicht umgekehrt. „Tai, ich... oh, danke“, stammelte sie und lächelte süß. „Das ist wirklich lieb.“ „So bin ich eben“, meinte Tai abwinkend und warf einen unauffälligen Blick auf Sora, die Mimi und ihre Rose anstarrte. Als sie bemerkte, dass Tai sie ansah, wandte sie schnell den Blick ab und lächelte. Als sie zehn Minuten später wieder in ihrem Klassenraum saßen, wandte Sora sich schließlich an ihn. „Sag mal, Tai“, fing sie leise an, „hast du vielleicht Lust, mit mir heute auf das Tanabatafest in Odaiba zu gehen?“ Tai musste sich ein Grinsen verkneifen. Sollte Mimis irrer Plan tatsächlich aufgehen oder warum fiel Sora diese Frage ausgerechnet jetzt ein? „Klar. Also eigentlich wollte ich mit Mimi gehen, aber ich denke, es ist okay, wenn ich ihr absage.“ „Oh, nein. Bitte sag ihr nicht wegen mir ab. Sie hat doch heute Geburtstag und...“ „Nein, nein, kein Problem. Ich habe doch in den letzten Tagen so viel Zeit mit ihr verbracht, da ist das schon in Ordnung.“ Er zwinkerte ihr zu und sie lächelte. _ Es war schon kurz nach sieben, als T.K. die Wohnung der Yagamis erreichte und auf den Klingelknopf drückte. Die Tür wurde von Tai geöffnet. „Hi. Kari ist unterwegs“, begrüßte er ihn mit ausdrucksloser Miene. „Okay“, antwortete T.K. ein wenig verwirrt. Kari kam zur Tür gelaufen, lächelte ihn an, ließ ihre Tasche fallen und lief noch einmal zurück mit den Worten „Ich hole nur noch schnell meinen Schirm“. T.K. hatte ihr Lächeln erwidert und fing nun Tais Blick auf, der auf einmal sehr eindringlich wirkte, als versuchte er, ihn zu röntgen. T.K.s Lächeln verblasste und er hob eine Augenbraue. „Was?“ „Wenn du irgendeinen Scheiß mit ihr machst, drehe ich dir den Hals um“, raunte er bedrohlich. Verblüfft starrte T.K. ihn an. „Was ist dein Problem? Was für einen Scheiß sollte ich denn deiner Meinung nach mit ihr anstellen?“ „Wenn du auch nur ein bisschen wie dein verkorkster Bruder bist, wird dir schon was einfallen“, murmelte Tai, ohne den Blick von ihm abzuwenden. Verkorkster Bruder? Ja, Matt hatte einigen Mist angestellt und war alles andere als ein Unschuldsengel, aber er war immer noch sein Bruder und T.K. fühlte sich fast schon persönlich angegriffen, wenn Tai ihm gegenüber so über Matt redete. Er machte gerade den Mund auf, doch da kam Kari gerade zurück. „Sorry, ich musste den Schirm erst suchen. Er lag unterm Schreibtisch“, erklärte sie fröhlich und schlüpfte eilig in ihre Schuhe. Als sie wieder aufblickte, starrten Tai und T.K. sich immer noch feindselig an. Kari sah verwundert von T.K. zu Tai und wieder zurück. „Alles in Ordnung?“ „Ja. Gehen wir“, antwortete T.K. düster nach einigen Sekunden des Zögerns und wandte sich schließlich von Tai ab. „Viel Spaß“, rief Tai ihnen hinterher und er hörte die Tür ins Schloss fallen. „Was war denn los?“, fragte Kari skeptisch. „Nichts, alles okay“, murmelte T.K. „Ach ja? Und warum habt ihr euch dann angestarrt, als würdet ihr euch gleich an die Gurgel springen?“, fragte Kari spöttisch. „Haben wir gar nicht“, log T.K., obwohl Kari natürlich sofort wusste, dass es nicht stimmte. „Oh mein Gott, sag nicht, Tai hat dir wieder wegen mir gedroht“, fiel ihr plötzlich ein und sie sah ihn durchdringend an. T.K. seufzte. „Kari, alles okay, wirklich.“ Aber für Kari war anscheinend gar nichts okay. „Oh Mann, dieser Idiot! Was ist bloß in ihn gefahren? Der benimmt sich neuerdings total daneben. Es tut mir so Leid, T.K. Das ist mir echt peinlich.“ Sie hatten gerade das Wohnhaus verlassen, als T.K. stehen blieb und Karis Handgelenk umfasste, um sie ebenfalls zum Anhalten zu bringen. „Kari, vergiss es, okay? Wir haben Wochenende und gehen jetzt aufs Fest. Reg dich nicht über Tai auf.“ Kari sah ihn an und kaute verärgert auf ihrer Unterlippe herum, doch schließlich nickte sie und sie gingen weiter. _ Gedankenversunken saß Mimi an ihrem Schreibtisch und starrte die Rose an, die nun in einer schmalen Vase auf dem Fensterbrett stand und einen süßlichen Duft verströmte. Sie hatte nicht damit gerechnet, von Tai etwas geschenkt zu bekommen. Und schon gar nicht ein so zweideutiges Symbol. Sie war sich nicht sicher, ob Tai damit nicht ein wenig zu dick aufgetragen hatte. Andererseits war sie fast schon ein wenig stolz auf ihn, weil er so schnell dazulernte. Mittlerweile stieg er immer ohne Probleme in ihre Schauspielerei ein und ließ sich nicht anmerken, dass er keine Ahnung hatte, wovon sie redete. Und Sora schien auch darauf hereinzufallen. Zumindest wirkte sie immer äußerst interessiert, wenn Tai und Mimi sich über ihre gemeinsamen Unternehmungen unterhielten. „Prinzessin“, hörte sie ihren Vater vergnügt rufen, als er seinen Kopf zur Tür herein streckte. „Es gibt Essen.“ „Ich komme“, antwortete Mimi und stand auf. „Oh, von wem hast du denn die schöne Rose bekommen?“, fragte er und deutete auf die Rose auf dem Fensterbrett. „Von Tai“, antwortete Mimi kurz angebunden. „Dem Fußballer?“, hakte Keisuke nach und klang sofort misstrauisch. „Ja“, seufzte Mimi. „Aber du brauchst dir keine Sorgen machen.“ „Das hoffe ich sehr“, erwiderte er streng. Mimi lächelte schwach und drängte sich an ihrem Vater vorbei aus dem Zimmer. „Ich habe einen riesigen Hunger! Was gibt’s?“ „Dein Lieblingsessen“, rief ihre Mutter fröhlich aus der Küche. „Hühnchen Teriyaki.“ „Oh, lecker“, freute sich Mimi und tänzelte in die Küche. „Und zum Nachtisch gibt es amerikanischen Käsekuchen“, fügte Satoe hinzu und stellte grinsend einen großen Topf auf dem Esstisch ab. „Super!“, rief Mimi. „Aber wir müssen uns mit dem Essen beeilen. Sonst verpassen wir auf dem Fest das Beste!“ _ Gemeinsam gingen Tai und Sora durch die bunt geschmückte Einkaufsstraße. Überall standen Bambusbäumchen, von denen Zetteln in allen möglichen Farben baumelten und im Wind wehten. Es war gerade so, als hingen die Wünsche der Menschen, die die Zettel an die Bäumchen gehangen haben, in der Luft und verbreiteten eine seltsam friedliche Stimmung. Unzählige Lampions spendeten warmes Licht und taten ihr Übriges für die angenehme Atmosphäre. Eigentlich war also alles schön. Und trotzdem blickte Sora besorgt in den Himmel. „Was ist los?“, fragte Tai und beobachtete sie. Sie seufzte leise und wandte den Blick vom Himmel ab. „Der Himmel ist total wolkenverhangen.“ „Es wird schon nicht regnen“, meinte Tai unbekümmert. „Im Wetterbericht haben sie gesagt, heute regnet es nicht.“ „Das meine ich nicht“, erwiderte Sora. „Wenn es wolkig ist, können Orihime und Hikoboshi sich nicht treffen.“ Tai stöhnte auf. „Herrje, jetzt glaub doch nicht diesen Quatsch. Da oben wohnen keine Menschen. Und selbst wenn, wie sollten sie denn die Milchstraße überqueren? Hast du eine Ahnung, wie riesig die ist? Das schafft man doch nicht mal eben so in einer Nacht. Und überhaupt: Was interessiert es die denn, ob es auf unserer winzigen Erde über Japan wolkig ist oder nicht?“ Sora stieß ihm leicht mit dem Ellbogen in die Seite. „Sei doch nicht so unromantisch.“ „Ich bin nicht unromantisch. Ich bin nur realistisch“, entgegnete er überzeugt und schob die Hände in die Taschen seiner Jeans. Sora schwieg. Natürlich hatte Tai Recht und dort oben konnte niemand leben und mal eben so die Milchstraße überqueren. Doch irgendwie beschäftigte sie die Geschichte über die Weberprinzessin und den Kuhhirten dieses Jahr besonders. Zwei Liebende, die nicht zusammen sein konnten und sich nur einmal im Jahr treffen durften. Vielleicht lag es an Matt, dass ihr die Geschichte heute so naheging. Schließlich waren sie auch ineinander verliebt und durften nicht zusammen sein. Zumindest nicht, ohne einen wichtigen Menschen zu verlieren. Und was mit Tai und Mimi auf einmal los war, das verstand sie auch nicht. Seit wann verbrachten die beiden ihre Freizeit miteinander? Und warum kamen sie auf einmal so gut miteinander aus? Sie wirkten fast schon wie beste Freunde, obwohl sie sich bis vor ein paar Wochen ständig gestritten hatten. Das kam Sora alles sehr spanisch vor und irgendwie störte es sie sogar fast ein bisschen. Sie konnte allerdings nicht genau sagen, warum. „Worüber denkst du nach?“, riss Tai sie aus ihren Gedanken. „Etwa immer noch über die unglückliche Liebe zweier fiktiver Figuren im Weltall?“ Sora verpasste ihm einen leichten Schubs und er lachte. „Du bist blöd.“ „Kümmere dich lieber um zwei real existierende Figuren auf der Erde. Die eine davon hatte nämlich noch kein Abendessen.“ _ „Glaubst du, wir könnten diese Sache zwischen ihnen irgendwie lösen?“, fragte Kari nachdenklich und nippte an ihrer Cola. Sie und T.K. saßen ein wenig abseits vom Fest auf einer Wiese und beobachteten Leute. Die Nacht war warm und schwül und der Himmel machte keine Anstalten aufzuklaren. „Meinst du das mit unseren Brüdern?“, fragte T.K. verwirrt. „Ja, was denn sonst?“, erwiderte Kari. „Ich finde, wir sollten uns da nicht einmischen. Das ist doch auch ohne uns schon verzwickt genug“, meinte T.K. gelassen. „Aber Tai ist wirklich nervig“, seufzte Kari, stellte ihre Cola neben sich ins Gras und schlang die Arme um die angezogenen Knie. „Er ist dauernd schlecht gelaunt, weiß nichts mit seiner Freizeit anzufangen und jetzt macht er auch noch dich dauernd dumm an.“ „Ich glaube, Matt ist mit der Situation auch nicht zufrieden“, murmelte T.K. „Den Eindruck habe ich auch“, stimmte Kari zu. „Und über Sora brauchen wir ja gar nicht erst reden. Der sieht man ja sofort an, wie gestresst sie ist. Also müssen wir doch irgendwas tun, um ihnen zu helfen.“ Ohne zu zögern schüttelte T.K. den Kopf. „Nein, das finde ich nicht. Die kriegen das auch ohne uns hin. Und außerdem hätte ich sowieso keinen Plan, was wir da machen sollten.“ „Eine Ersatzfreundin für Tai finden“, fiel Kari plötzlich ein und sie war überrascht von sich selbst. T.K. sah sie schräg an. „Eine Ersatzfreundin?“ „Ja.“ Sie nickte überzeugt. „Das würde doch das Problem lösen. Wenn Tai endlich einsieht, dass das mit ihm und Sora nichts wird und er eine andere hat, dann können Matt und Sora zusammen sein und alles ist wieder gut.“ Er verzog das Gesicht. „Ich glaube nicht, dass das so einfach ist.“ „Wieso nicht? Wenn er erst mal in eine andere verliebt ist, kann es ihm doch egal sein, was Matt und Sora miteinander haben. Er versteht sich doch mit Mimi so gut in letzter Zeit. Vielleicht können wir sie verkuppeln.“ T.K. schnaubte. „Aber ohne mich. Da mach' ich nicht mit.“ „Wieso nicht?“ „Weil wir uns da nicht einmischen sollten. Das müssen die unter sich regeln. Wir planen doch schon die Aktion mit dem Camping, das ist doch genug Kuppelei.“ „Ach ja, hast du Matt schon gefragt?“ Sie blickte ihn neugierig an. „Nee“, seufzte er. „Eigentlich wollte ich das heute machen, aber es hat sich irgendwie nicht ergeben.“ „Ist Matt auch hier auf dem Fest?“, fragte Kari und hob die Augenbrauen. „Ja, er wollte mit Shin mal vorbeischauen, hat er gesagt“, antwortete T.K. und erwiderte ihren Blick skeptisch. Entschlossen schnappte Kari sich ihre Cola, sprang auf und zog dann an T.K.s Hand, um auch ihn zum Aufstehen zu bringen. „Lass uns ihn suchen.“ „Mann, Kari, ich glaube nicht, dass das klappt“, widersprach T.K., doch Kari war schon losgegangen. Sie hörte ihn genervt stöhnen, wusste aber, dass er ihr folgte. _ Gut gelaunt verspeiste Mimi eine kleine Portion Takoyaki und war dabei äußerst bedacht, ihren neuen Yukata nicht zu bekleckern. Ihr Vater hatte extra für das Tanabatafest neue Yukatas für die Familie springen lassen. Es war eine Überraschung gewesen, die Mimi noch vor dem Frühstück erwartet hatte. Ihr Yukata war sanft lindgrün und über und über mit rosafarbenen Blüten bedeckt. Das lange Haar hatte sie dazu hochgesteckt, zu einem Knoten gebunden und mit einer rosafarbenen Blüte versehen, die zu denen auf dem Yukata, aber auch zu ihren Haarspitzen passte. Ihre Eltern hatten betont, wie wunderschön sie aussah und auch Mimi gefiel sich. Es war ewig her, dass sie einen Yukata getragen hatte. In den USA wurde man natürlich komisch von der Seite angesehen, wenn man in traditionellen japanischen Gewändern auf Sommerfesten aufkreuzte. „Schmeckt das Takoyaki?“, erkundigte sich Satoe lächelnd. „Vorzüglich“, schwärmte Mimi und steckte sich noch eines der Teigbällchen in den Mund. „Oh, und dort vorn ist ein Stand mit Karinto“, verkündete Keisuke und Mimis Blick folgte der Richtung, in die sein Finger zeigte. Dabei entdeckte sie zwei wohlbekannte Gestalten, die sie in diesem Augenblick ebenfalls entdeckten. Schnell wandte Mimi sich an ihre Eltern. „Ähm, geht schon mal vor, ich komme gleich nach. Da sind Tai und Sora“, sagte sie hastig. Sie befürchtete, dass irgendetwas, das sie sagten, Tais und Mimis kleines Spiel vor Sora auffliegen lassen könnte. Keisuke hob fragend die Augenbrauen, doch Satoe zog ihn zum Glück mit sich und zwinkerte Mimi zu, sodass diese sich nun an Tai und Sora wenden konnte. „Hallo“, sagte sie fröhlich und musterte sie. Beide sahen entspannt aus. Anscheinend lief ihr Date gut. Sie war stolz auf sich selbst gewesen, als Tai ihr in einer SMS erzählt hatte, dass Sora mit ihm zusammen zum Fest gehen wollte. „Du siehst gut aus, Mimi“, kommentierte Sora und betrachtete ihren Yukata. „Ich habe auch überlegt, ob ich meinen anziehe, aber ich wollte ihn nicht mit ins Café nehmen.“ „Kommst du etwa gerade von der Arbeit?“, fragte Mimi skeptisch. „Ja. Tai hat mich vorhin abgeholt“, antwortete Sora und lächelte Tai an. „Naja. Es hätte mich auch gewundert, wenn du mal nicht arbeitest“, seufzte Mimi und schüttelte den Kopf. „Das würde ja schon an ein Weltwunder grenzen“, murmelte Tai. „Aber wir müssen jetzt weiter. Es muss ja gefeiert werden, dass Sora mal Zeit hat.“ „Tai“, murrte Sora, doch sie setzte sich langsam wieder in Bewegung. „Na dann bis später, Mimi.“ „Viel Spaß noch.“ Mimi zwinkerte Tai verschwörerisch zu und eilte dann ihren Eltern hinterher. _ Matt hatte keine Ahnung, was er hier eigentlich sollte. Shin hatte ihn so lange genervt, mit ihm aufs Fest zu gehen, dass er schließlich zugestimmt hatte. Dabei war er nicht gern auf Festen unterwegs. Meist war er, genau wie Shin, damit beschäftigt, sich vor aufdringlichen dreizehnjährigen Mädchen zu retten und das nervte ihn. Shin jedoch war auf der Suche nach einer Freundin und sah sich die ganze Zeit, während sie ziellos über das Fest schlenderten, suchend um. Mies gelaunt zündete Matt sich eine Zigarette an. „Ich verstehe immer noch nicht, warum du nicht einfach allein nach Mädels suchen kannst.“ „Ich brauche dich als meinen Wingman, Mann“, entgegnete Shin verständnislos. „Außerdem ziehst du die Ladys mehr an als ich. Und das, obwohl du sie lieber ausziehst.“ Er lachte über seinen eigenen Witz und Matt verdrehte die Augen. „Momentan ziehe ich überhaupt niemanden aus“, brummte er und nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. „Selbst schuld. Ich kapiere immer noch nicht, warum du Sora die Sache mit der Wette gesteckt hast. Das hätte sie doch nie erfahren müssen. Dann wärst du jetzt mit ihr zusammen“, sagte Shin. „Und Tai würde mich trotzdem hassen“, erwiderte Matt trocken. Shin sah ihn schief an. „Also mal ehrlich. Ich mag Tai, aber ich finde, er sollte sich euch nicht in den Weg stellen. Es ist doch ziemlich egoistisch von ihm, was er da macht.“ Matt zuckte nur mit den Schultern und blies den Rauch aus. Er hatte wirklich keine Lust, jetzt mit Shin über diese Sache zu reden. „Matt!“ Normalerweise, wenn jemand in einer Menschenmenge seinen Namen rief, ging er schnell weiter und hoffte, denjenigen abzuhängen, doch da er die Stimme sofort erkannte, blieb er stehen und auch Shin hielt an und drehte sich um. Dort kamen Kari und T.K. auf sie zugerannt. Er sah sie fragend an, als sie schließlich bei ihnen angekommen waren. „Puh, endlich“, stöhnte Kari erschöpft und strich sich ein paar Haarsträhnen aus der Stirn. „Wir haben dich gesucht. T.K. will mit dir reden.“ „Boah, Kari“, murrte T.K. Matt musste sich ein spöttisches Lächeln verkneifen. Kari hatte seinen kleinen Bruder in der Hand, obwohl sie nicht einmal zusammen waren. Die Kleine hatte es echt drauf. „Na, da bin ich mal gespannt, was T.K. zu sagen hat“, erwiderte Matt und musterte ihn. T.K. machte eine finstere Miene. „Könnten wir kurz...“ Matt nickte verstehend und die Brüder ließen Kari und Shin allein. Sie entfernten sich ein wenig vom Fest und setzten sich auf eine freie Bank „Wo drückt denn der Schuh?“, fragte Matt, als T.K. keine Anstalten machte, das Gespräch zu eröffnen. „Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich wirklich mit dir darüber reden soll, weil ich eh denke, dass du dagegen bist“, gestand T.K. ohne ihn anzusehen. „Wollen Mama und Papa jetzt etwa zusammenziehen?“, fragte Matt und hob misstrauisch eine Augenbraue. Das hätte ihm jetzt gerade noch gefehlt. „Was? Nein“, antwortete T.K. verwirrt. „Na, dann kann es ja nicht so schlimm sein“, meinte Matt schulterzuckend. „Also, wir hatten da so eine Idee. Wir haben uns überlegt, dass es ganz cool wäre, wenn wir alle mal wieder als Gruppe was zusammen unternehmen. Und da ja bald der erste August ist, dachten wir, wir könnten ein paar Tage zusammen campen“, erklärte T.K. langsam. Matt ließ diesen Vorschlag erst einmal auf sich wirken und versuchte, über die Folgen eines solchen Campingausflugs nachzudenken. Einerseits konnte er sich nicht vorstellen, dass Tai ihn dabei haben wollte. Es könnte erneut zum Streit kommen und allen den Ausflug verderben. Er konnte sich außerdem nicht vorstellen, ein paar Tage in unmittelbarer Nähe zu Sora zu verbringen, ohne sich von seinen chaotischen Gefühlen für sie etwas anmerken zu lassen. Andererseits würde er so vielleicht noch einmal die Chance bekommen, in Ruhe mit Tai über alles zu reden, ohne dass einer von ihnen die Flucht ergreifen konnte. Und T.K. würde es sicher viel bedeuten, wenn er mitkam. „Was hältst du davon?“, fragte T.K. nach einer Weile, weil Matt sich mit seiner Antwort Zeit ließ. „Ich weiß nicht“, antwortete er zögerlich. „Ich habe ziemlichen Mist gebaut, weißt du? Ich glaube, Tai wäre nicht so begeistert, wenn ich mitkomme.“ T.K. atmete hörbar aus und nickte. „Ich habe mir eh schon gedacht, dass du dagegen bist.“ „Das habe ich nicht gesagt“, widersprach Matt. „Ich finde es eine gute Idee, aber ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn ich dabei bin.“ „Naja, wenn schon, sollten alle dabei sein“, antwortete T.K. und sah ihn hoffnungsvoll an, sodass Matt lächelte. „Ich überlege es mir, okay?“ _ „Du darfst den Letzten essen“, sagte Tai großzügig und schob Sora das letzte Stück ihrer Portion Takoyaki zu. „Wie komme ich denn zu dieser Ehre?“, fragte Sora scherzhaft und kicherte. Tai zuckte nur mit den Schultern. „Du kannst das mehr gebrauchen als ich.“ Mürrisch steckte Sora sich das letzte Stück Takoyaki in den Mund und blickte an sich hinunter. „Sieh mal, der Himmel“, sagte Tai auf einmal und deutete in den Himmel. Sora sah auf und erkannte, was er meinte. Allmählich verzogen sich die Wolken und es waren ein paar Sterne zu sehen. „Die Milchstraße sieht man noch nicht“, bemerkte Sora. „Das kommt schon noch“, erwiderte Tai zuversichtlich und ließ sich nach hinten ins Gras fallen. Sie saßen auf einem kleinen Abhang, tranken viel zu süße Brause und ließen diesen warmen Sommerabend einfach auf sich wirken. Tai verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen. „Es ist schön, hier mit dir einfach nur zu sitzen und zu reden“, sagte Sora nach einer Weile leise. „So ein Moment gehört zu denen, die eigentlich ewig dauern sollten.“ „Ich finde es auch schön“, murmelte Tai und öffnete die Augen. Dabei fing er ihren Blick auf. Sie wirkte ein wenig nachdenklich. „Sieh mal, jetzt kann man die Milchstraße sehen.“ Sie wandte sich wieder um und hob den Kopf. Tai setzte sich wieder auf und rückte ein wenig näher an sie heran. „Ja“, flüsterte Sora. „Wie schön.“ „Jetzt kann sich dein blödes Liebespaar doch noch treffen“, stichelte Tai und grinste. Sora warf ihm einen genervten Blick zu und legte den Kopf auf die angezogenen Knie. „Ich glaube, wenn zwei Menschen füreinander bestimmt sind, dann führt das Schicksal sie auch zusammen.“ Skeptisch hob Tai eine Augenbraue. Was redete sie denn da? Ging es hierbei noch um die beiden Außerirdischen oder wollte sie ihm damit etwas Bestimmtes sagen? Und was hatte sie nur andauernd mit dieser dämlichen Geschichte? Ein wenig traurig starrte sie vor sich hin und schien mit den Gedanken woanders zu sein. „Was ist denn jetzt los?“, fragte Tai verwirrt. „Die ganze Zeit willst du, dass der Himmel klar wird, damit Orihime und Hikoboshi sich treffen können und nun ist es soweit und das passt dir anscheinend auch nicht.“ Er seufzte theatralisch. „Du bist ja schon wie Mimi.“ Nun lachte sie leicht. „Ich freue mich doch. Bestimmt küssen sie sich gerade.“ Tai verdrehte die Augen. „Vielleicht macht sie ihm aber auch gerade eine Szene, weil er sie in dem ganzen Jahr nicht einmal angerufen hat.“ „Tai!“, rief Sora lachend und verpasste ihm einen Stoß gegen den Oberarm. Dann lehnte sie den Kopf gegen seine Schulter und betrachtete den Himmel. „Ich freue mich übrigens, dass du und Mimi jetzt so gut miteinander auskommt.“ „Och, naja“, stammelte Tai und wusste nicht, was er sagen sollte. Sollte er zustimmen? Es abschwächen? Sich ein paar Lügen ausdenken? „Ich glaube, sie hat sich in mich verliebt.“ Autsch. Es war heraus, bevor es sein Hirn erreicht hatte. Sora hob den Kopf und sah ihn mit großen Augen an. „Glaubst du?“ „Ähm...“ Denk nach, Tai! „Ja, naja sie... sie macht manchmal so komische Andeutungen und so. Weißt du?“ Er versuchte, möglichst cool und beiläufig zu klingen. „Berührt dauernd ganz zufällig meine Hand und umarmt mich ständig und... und sagt so komische Sachen.“ Sora sah ihn noch für einen Augenblick mit gerunzelter Stirn an, dann lehnte sie den Kopf wieder gegen seine Schulter, erwiderte aber nichts. Und Tai befürchtete, dass er zu dick aufgetragen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)